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04.02.2012, 18:59 | #1 |
Forumsleitung
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Vertreibung aus dem Paradies
Ich war fünf Jahre alt und pflückte den Weg entlang Blumen. Röschen aller Gattungen und Couleur. Die schenkte ich Schwester Ruth, meiner Kindergärtnerin.
Damals wuchsen die Blumen wild, sie rankten an Drahtzäunen empor oder entfalteten ihre Pracht auf verlassenen Grundstücken, die vom Bombenkrieg übriggeblieben waren. Wir pflückten, um unsere Mütter glücklich zu machen, wie der kleine Volker, der mit seinem Sträußchen in der geballten Hand zitternd vor Freude, seiner Mutter eine Freude zu machen, wartete, daß ihm die Wohnungstür aufgemacht wurde und er von seiner Mutter mit einem dicken „Dankeschön“ belohnt wurde. Dann kamen wir auf die Idee, die Blumen zu verkaufen, klingelten von Wohnungstür zu Wohnungstür und bekamen tatsächlich hier und da einen Groschen, für den wir uns eine Eiskugel kauften. Es gab viel zu ernten in der Nachkriegszeit. Jede Menge Grundstücke waren verwaist, wie jenes, auf dem ich mit einer Freundin zusammen eine Stunde lang Johannisbeeren pflückte. Bei Verwandten in Niedersachsen, die wir regelmäßig besuchten, waren es Kirschbäume, die besitzerlos in der Landschaft standen und von uns abgeerntet wurden. Diese Kirschen wurden, weil man sie nicht alle auf einmal essen konnte, teils eingeweckt, teils zu Kirschsuppe verarbeitet. Und an einer solchen Suppe – Sauerkirschen durchmischt mit Eierschwämmchen – verdarb ich mir so gründlich den Magen, daß ich bis heute keine Sauerkirschen mehr sehen mag. Was für eine Zeit! Wir Kinder lebten im Garten Eden und pflückten Früchte, die allen gehörten. Und niemand von uns hätte sich vorstellen können, daß es diese Gärten einmal nicht mehr geben könnte. 4. Februar 2012 by Ilka-Maria |
04.02.2012, 19:08 | #2 |
gesperrt
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Eine schöne Beschreibung einer Kindheitserinnerung!
Und sogleich waren die Bilder wieder da von den Bäumen, auf die man klettern konnte, von den fehlenden Zäunen und düsteren Heckenwegen, durch die man abkürzen konnte. Die freilaufenden Kinder heute können dieses Paradies nicht einmal vermissen, weil sie es gar nicht kennen. Jeronimo |
04.02.2012, 19:27 | #3 |
Forumsleitung
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Du bist fast mein Jahrgang, Jeronimo, also mußt Du dieses Landschaftsbild noch kennen. Ja, für uns war es ein Paradies. Von den Bomben, die noch einige Jahre vorher auf die Städte gefallen waren, wußten wir nichts. Tatsache war, daß viele Grundstücke und Gärten, auch Teile des städtischen Geländes, brach lagen und für jeden zugänglich waren. Die Natur kümmerte das nicht, Bäume und Sträucher trugen ihre Früchte wie in jedem Jahr. Wir Kinder waren fei zu gehen, wohin wir wollten, und zu pflücken, was wir wollten. Es war eine schöne Zeit.
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