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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 28.12.2016, 14:51   #1
weiblich Dawn
 
Benutzerbild von Dawn
 
Dabei seit: 12/2016
Alter: 26
Beiträge: 5

Standard Von einem Kind auf der Flucht

Mama, ich such dich, unter den Linden,
die Kälte zerfrisst mich, kann dich nicht finden.
Vater wollte, dass wir Deutschland seh'n.
Wieso kannst denn du nicht mit uns geh'n?

Mama sag' mir: Wo ist mein Zuhause?
Wir reisen ständig, ganz ohne Pause.
Vater ist traurig, er weint jeden Morgen.
Ich glaube er macht sich um dich Sorgen.

Mama, ich fürcht' mich vor fremden Blicken,
sie reden anders woll'n uns wegschicken.
Sie sagen wir dürften Deutschland nicht seh'n
Müssen wir jetzt wieder nach Haus' geh'n?

Mama, mir fehlen Lieder zum Schlafen,
Hab Angst vor Steinen, die sie nach uns warfen.
Böse Menschen, sie hassen uns hier.
Warum blieb ich nicht bei dir?

Mama, wie geht's dir? Bist du alleine?
fehlen dir Schuhe? ich gebe dir meine.
Ich will nur, dass du kommst zu uns her,
Ohne dich schaffe ich das nicht mehr.

Mama, ich werde mein Zimmer vermissen,
Jetzt teile ich mir mit Vater ein Kissen.
Viele Menschen doch von keinem ein Kuss.
Sag mir nur wieso er alleine bleiben muss.

Mama, die Kinder, sie reden von Kriegen,
Keine Antwort, Vater bleibt liegen.
Tun sie dir weh dort, bist du in Gefahr?
Ich will dich schützen, wär' dir gerne nah.

Mama, ich such dich unter den Linden,
die Kälte zerfrisst mich, kann dich nicht finden.
Vater wollte, dass wir Deutschland seh'n,
Doch ich will nur nach Hause geh'n.
Dawn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.12.2016, 15:54   #2
männlich Ex-Trapsycho
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2016
Beiträge: 39

Sehr bewegend. Macht auf sehr einfühlende, menschliche Weise auf Flüchtlingsprobleme aufmerksam. Vielleicht bewirkt dieses Werk ja bei manch einem Flüchtlingsgegner ein wenig Verständnis und Mitgefühl. Finde ich absolute Klasse!
Ex-Trapsycho ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.12.2016, 16:18   #3
weiblich Dawn
 
Benutzerbild von Dawn
 
Dabei seit: 12/2016
Alter: 26
Beiträge: 5

Hallo Trapsycho,

Vielen Dank für diese positive Rückmeldung!
In einem Gedicht von Eichendorf lautet eine Zeile "der Dichter ist das Herz der Welt". Ich habe viel darüber nachgedacht und versucht ein paar Gefühle der Welt in Worte zu betten. Dieses Gedicht ist eines der Resultate dabei und es freut mich, sehr dass du es als verständlich und bewegend empfindest.
Es wäre natürlich schön, wenn es mehr bewirken würde als Empathie, so wie du es beschreibst. Die Hoffnung habe ich auch
Dawn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.12.2016, 16:29   #4
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.878

Hallo Dawn,
ich finde das Gedicht gut! Sehr gut wäre es, wenn es metrisch ein wenig "geglättet" würde. Ausgezeichnet fände ich es, wenn Du mir erklärst, weshalb Du das Kind die Mutter unter Linden sucnen lässt.
Beim "Glätten" bin ich, wenn gewünscht, gern behilflich.
Ich wünschte mir mehr Gedichte dieser Art!
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 28.12.2016, 16:44   #5
männlich Ex-Trapsycho
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2016
Beiträge: 39

Zitat:
Zitat von Dawn Beitrag anzeigen
Es wäre natürlich schön, wenn es mehr bewirken würde als Empathie, so wie du es beschreibst. Die Hoffnung habe ich auch
Diese Hoffnung sollte man auch versuchen aufrecht erhalten. Leider sind viel zu viele Menschen auch “hoffnungslose Fälle“, wie man so schön sagt. Mitunter ist es aber selbst für Sympathiesanten “zu viel“, aktiv zu handeln und sich für Flüchtlinge einzusetzen. Es ist auch nicht jeder der Typ Mensch dafür, aber ich stimme dir dennoch zu, dass es schön wäre, würden dieses und ähnliche Werke sichtbare Taten bewirken
Ex-Trapsycho ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.12.2016, 09:15   #6
weiblich Dawn
 
Benutzerbild von Dawn
 
Dabei seit: 12/2016
Alter: 26
Beiträge: 5

Hallo Heinz,
Erstmal auch dir vielen Dank für die Antwort.
Ich weiß leider, dass das Gedicht metrisch noch nicht perfekt ausgereift ist, aber ich habe es beim Schreiben auch tatsächlich eher gesungen und dadurch passieren mir solche metrischen Ungereimtheiten öfter und das "glätten" fällt mir im Nachhinein sehr schwer.
Wenn du wirklich bereit wärst mir zu helfen, wäre das toll

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Ausgezeichnet fände ich es, wenn Du mir erklärst, weshalb Du das Kind die Mutter unter Linden sucnen lässt.
Heinz
Ich habe über die Linde recherchiert und dabei herausgefunden, dass sie neben dem altgermanischen Bedeutung, die ihre Bedeutung der Liebe und der Fruchtbarkeit zuschreibt, meistens als "mütterliche Baumpersönlichkeit" beschrieben wird.
Außerdem symbolisiert sie Frieden, Geborgenheit und Heimat.
All das sucht das Kind in diesem Gedicht und findet es letztendlich nichteinmal dort, wo es sie suchen soll.
Die Linde steht also in diesem Fall auch für Deutschland oder andere Länder von denen sich Flüchtlinge Geborgenheit, Frieden etc. versprechen, dort aber nur auf Hass und Abweisung stoßen.

Liebe Grüße
Dawn
Dawn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.12.2016, 13:36   #7
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.878

Chapeau, lieber Dawn!
Genau das wollte ich hören (und es wäre schade gewesen, wenn Du mir erklärt hättest, auf Kinde reime sich eben nur Linde).
Ich wünschte mir sehr, dass auch andere Hobbydichter bedächtiger vorgehen, wenn sie mit "besetzten Symbolen" arbeiten und bei richtiger Verwendung einen tieferen Sinn in ihre Werke brächten.
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 29.12.2016, 16:47   #8
männlich Gylon
 
Dabei seit: 07/2014
Beiträge: 4.269

Liebe Dawn,
auch diese Zeilen aus deiner Feder finde ich ansprechend. Bedrückende Bilder. Sehr gern gelesen!

Liebe Grüße Gylon
Gylon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.12.2016, 18:55   #9
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Hallo Dawn,

das gefällt mir, da das Gedicht dem Individuum eine Stimme gibt.

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.12.2016, 00:25   #10
weiblich heine953
 
Dabei seit: 04/2016
Beiträge: 383

Hallo Dawn!

Dein Gedicht hat mich zu Tränen gerührt!

Mit Deinen jungen Jahren hast Du das ganze
Elend dieser Kinder auf den Punkt gebracht!

Respekt und Danke!

heine
heine953 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.12.2016, 00:40   #11
weiblich Unar die Weise
 
Benutzerbild von Unar die Weise
 
Dabei seit: 10/2016
Ort: in einem sagenhaften Haus
Alter: 42
Beiträge: 5.271

Mama, wie geht's dir? Bist du alleine?
fehlen dir Schuhe? ich gebe dir meine.


Diese anrührende Geste, hat mich dann endgültig in dein Gedicht gezogen.
Die Ausführung mit der Linde, finde ich sehr passend.
Ein ergreifendes Werk!

herzliche Willkommensgrüße, Unar
Unar die Weise ist offline   Mit Zitat antworten
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Stichworte
flüchtlinge, kindergedanken, krieg

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