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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 05.02.2022, 00:28   #1
männlich halblicht
 
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Standard friß und stirb

fressen
der rest ist peripher
leben kommt von leben
der tod ist kein sternekoch
na los, friß
wenn du noch kannst
bald bist du kot
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Alt 05.02.2022, 15:00   #2
männlich Heinz
 
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Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Hallo halblicht,
endlich, endlich! Endlich fielen mir die letzten Schuppen von den Augen! Dank Deines epochalen Gedichts bin ich sehend geworden und verstehe die Welt besser.
Der Tod ist kein Sternekoch!
Diese Erkenntnis hat mich umgehauen und nun lechze ich nach mehr von solchen Erleuchtungen!
Heinz
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Alt 05.02.2022, 15:18   #3
männlich Ex-Tristanhirte
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Beiträge: 139

Hallo halblicht,

ich freue mich sehr, wieder etwas von dir zu lesen, hinter dem bisher von dir Geposteten steckt m.E. eine ungeheure existenzielle Tiefe. Die beiden Gedichte von dir erscheinen in der Tat ein wenig verworren, ich würde das in diesem Fall aber absolut positiv verstehen (ich bin auch ein Fan von Gottfried Benn), denn trotz der vermeintlichen Verworrenheit lässt sich eigentlich immer ein kohärenter Zusammenhang erahnen, auch wenn, oder gerade weil man zu dem Eindruck gelangt, dass den Lesenden bewusst eine grundierende Bedeutungsebene verweigert und stattdessen gleich zur Schichtung der Metaebenen übergegangen wird, wodurch gefühlt zigtausend Deutungsmöglichkeiten entstehen. Für mich ist auch das Gedicht hier ziemlich genial, auch wenn – oder gerade weil – der sittsame Biedermeier (das ist jetzt nicht gegen Heinz gerichtet, ich sehe gerade im Nachhinein, er hat was gepostet) bei dem Gedanken, sein eigenes Dasein sei nichts weiter als ein bloßer Verdauungsprozess, mit dem moralischen Zeigefinger in der Luft wedeln oder eine etwas zartere Seele vielleicht etwas abgeschreckt sein würde. Über Bilder kann man natürlich streiten, aber Kunst soll ja verstörend sein, wie manche sagen (zumindest mein einer Dozent immer in der Vorlesung). Ich habe schon in deinem Gedicht „Der Saum der Welt“ einen gewissen poststrukturalistischen Ansatz zu erkennen gemeint, wonach das LI, bzw. die sich selbst sich steuernde, dabei womöglich aber trotzdem fremdgesteuerte Puppe an seinem unwiderruflichen Eingebundensein im Laufe der Welt und deren a priori vorgegebenen Zwängen, in die es sich nicht einfügen kann/will verzweifelt. In meiner Deutung würde ich hier wieder ähnliches zu erkennen glauben: man muss fressen, ob man will oder nicht, so widerlich dieses nie Schmackhafte auch sein mag, da die Nahrungsaufnahme ein unwiderruflicher Urtrieb des Menschen ist, wodurch sich eine Analogie vom Fressen zum ewigen Streben, bzw. Schopenhauerschen „Willen“ ergeben würde. Bist du zufällig Schopenhauer-Fan? :D Das leicht pubertäre „na los, friß“ verweist dabei wieder auf eine höhere Stimme, eine neue Metaebene, dem das „Du“, also wohl die Lesenden ausgesetzt wird (wodurch sich zusammen mit dem universalen Ton sicherlich ein gewisser Zündstoff im Gedicht verbirgt), womit wir auch wieder beim Poststrukturalistischen wären. Ich bin entzückt

Herzliche Grüße
Ex-Tristanhirte ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.02.2022, 17:18   #4
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.115

Zitat:
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fressen
der rest ist peripher
leben kommt von leben
der tod ist kein sternekoch
na los, friß
wenn du noch kannst
bald bist du kot
Erinnert mich an die Motteninvasion, gegen die ich drei Jahre lang kämpfen musste, bis ich einen Siegeschrei in die Welt lassen konnte. Ich musste wahre Regimenter auffahren, so gefräßig waren diese Viecher. Bis dahin kannte ich solche Feldzüge nur von meinen Urgroßmüttern, die hatten noch diese streng riechenden Kugeln in den Kleiderschränken, in den Manteltaschen und überall. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet, aber auf einmal waren sie da, diese grauglitzernden Viecher. Flatterten mir frech um die Nase herum.

Inzwischen ist noch mehr von diesem Kruppzeug auf dem Vormarsch. Seit Monsanto auf dem Index steht. Wanzen sind angesagt, auf die können wir uns freuen. Man sagt, die seien Meister im Verstecken, kämen nur bei Nacht raus und blieben tagsüber hinter Bilderrahmen und Lichtschaltern.

Hat halt alles seinen Preis: Grüner Weizen auf sauberem Boden und dafür Motten im Mantel und Wanzen unter der Matratze. Muss halt jeder wissen, wie und mit wem er leben will.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.02.2022, 19:56   #5
männlich halblicht
 
Benutzerbild von halblicht
 
Dabei seit: 12/2021
Beiträge: 66

Hallo ihr Lieben,

besten Dank fürs Lesen und Kommentieren.

So ist das mit nackten Tatsachen, sie zu lesen ist ein wenig wie Steine zu essen, sie auszusprechen besser keine Freundschaftsanfrage.

Wart ihr schon mal bei Veganern zum Essen eingeladen? Ehrlich gesagt hats bestens geschmundet, nur hätte ich ihre Zeigefinger zuvor dem Rezept beigefügt, dann hätte auch der Nachtisch keinen so üblen Nachgeschmack hinterlassen.

Obs besser wäre die Klappe zu halten? Ich würds tun wenn ichs könnte, vielleicht werd ichs aufs Alter hin noch lernen, ich würd mir alledings keine allzugroßen Hoffnungen machen, da der Zenit bereits überschritten ist.

Freundliche Grüße
Michael
halblicht ist offline   Mit Zitat antworten
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