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Alt 02.07.2017, 15:13   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Teil 7 - Theater- Tina sucht die Liebe

Der Rest des Schultages ging ziemlich schnell vorbei, und Tina bummelte anschließend ohne Eile nach Hause, denn für heute stand nichts mehr an, was sie machen musste. Will würde bei einem Freund übernachten, und ihre Eltern arbeiteten beide heute Abend. Es war ein Mittwoch, und somit weder Schwimmtraining noch Probe mit Kurts Theatergruppe. So konnte sie es sich in Ruhe nach dem Lernen vor dem Fernseher bequem machen – glaubte sie jedenfalls.
Als sie die Haustür aufschloss, sah sie das Display des Telefons blinken: „Neue Nachricht, neue Nachricht“, verkündete es. Aber das konnte nichts Wichtiges sein, sonst hätte sie es schon über ihr Handy erfahren. Tina drückte gleichgültig die Taste der Nachrichtenwiedergabe und verzog das Gesicht, als sie die Nachricht abhörte: „Hallo Tina, hier ist Kurt. Tut mir ja leid, dass ich jetzt von euch allen wahrscheinlich den Tagesplan durcheinander werfe, aber die Probe muss heute Abend stattfinden. Ich habe morgen Abend einen sehr wichtigen Termin“ - das „sehr“ betonte er unglaublich theatralisch, er konnte wohl nicht aus seiner Haut - "und ich will nicht bis nächste Woche warten, das ist zu lange. Ich habe einige Neuerungen mitzuteilen und hoffe, dass ihr alle heute Abend erscheint. Bis dann, 19.00 Uhr, heute Abend, andre Zeit, selber Ort, andres Stück. Haha, ihr werdet überrascht sein. Kurt“.
„Ja, wir werden ganz bestimmt überrascht sein“, dachte Tina mürrisch, „darüber, dass er „Romeo und Julia“ inszenieren will. Als ob wir das noch nicht wüssten.“ Sie seufzte und dachte, dass sie sich den schönen Abend mit sturmfreier Bude nun wohl in die Haare schmieren könnte. Apropos Haare, wenn sie heute Abend in die Theatergruppe musste, würde sie sich diese wohl oder übel noch vorher waschen müssen. Normalerweise hätte sie das auf die morgendliche Dusche am nächsten Tag verschoben, aber das ging nun nicht, sie wollte schon gepflegt zur Probe erscheinen, und dann konnte sie sich auch gleich ausgiebig schminken, wenn sie schon dabei war. Ach was, dann konnte sie auch gleich mit allem Drum und Dran duschen. Sie warf einen Blick auf den Stundenplan am nächsten Tag – Gottseidank, viel musste sie dafür heute nicht mehr tun. Das war schnell erledigt, und schon eine Stunde später stand sie unter der Dusche und dachte daran, dass Kurt vollkommen recht hatte damit, dass er ihren ganzen Tagesplan durcheinander warf. Hoffentlich hatte er wenigstens etwas dafür zu bieten – aber sie glaubte nicht wirklich daran.

Um 18.45 Uhr fand sie sich pünktlich mit einigen anderen der Mitglieder im Probenraum der Theatergruppe ein. Cassie, die eigentlich Kassandra hieß, winkte ihr schon von weitem fröhlich zu. „Kurt hat echt Humor, findest du nicht auch?“, sagte sie dann, als Tina neben ihr stand. „Als ob wir sonst nichts zu tun hätten!“ „Ja, typisch Mann!“ stimmte Tina ihr zu. „Schließlich ist der Donnerstag viel geeigneter für die Proben!“ Einige der Jungen und Mädchen, die in der Nähe standen, stimmten murmelnd zu und Isabell verkündete, dass sie morgen eine wichtige Prüfung hätte und auf jeden Fall früher abhauen würde. Kurt solle sich gefälligst beeilen.
Doch er ließ sich Zeit und sich – „ganz großer Auftritt“, dachte Tina - erst um 19.10 Uhr blicken. Obwohl seine Eleven sich über ihn geärgert hatten, wurde sein Erscheinen mit großem Applaus belohnt, denn im Grunde genommen mochten ihn alle. Kurt verbeugte sich lächelnd und rief dann irgend jemandem, der wohl im Hintergrund hinter dem großen Vorhang wartete, zu: „Du kannst ruhig rauskommen!“ Der Vorhang bewegte sich und heraus trat – Tina traute ihren Augen kaum – der neue Schüler, der heute morgen auf ihrem Platz gesessen hatte! Was machte der denn hier? Hatte er etwas mit Kurts „Neuerungen“ zu tun?
Die Frage wurde rasch beantwortet.
„Ich möchte euch jemanden vorstellen“, verkündete Kurt, „das ist Hendrik. Er ist erst vor kurzem in unsere Stadt gezogen, hat aber schnell die beste Theatergruppe hier gefunden“ - hier machte Kurt eine Kunstpause - „und möchte bei uns mitmachen. Herzlich willkommen, Hendrik!“
Hendrik lächelte und bedankte sich, aber Tina hatte den Eindruck, dass ihn diese große Ankündigung eher verlegen machte.
„Sollten wir etwa deswegen heute statt morgen kommen?“ murrte einer der Eleven leise. Aber Kurt hatte es dennoch gehört.
„Nein, Thomas, die Probe findet heute statt, weil ich morgen einen Termin habe. Hendrik hat damit nichts zu tun.“ Dann wandte er sich an Hendrik.
„Stell dich bitte mal da rechts hin, dann habe ich einen besseren Überblick über euch alle. Was hast du denn schon gespielt?“
„Noch nicht so viel“, sagte Hendrik, „außer früher mal auf Weihnachtsfeiern ein paar Stücke fürs Altenheim.“ Einige kicherten, aber davon ließ er sich nicht beirren. „Da waren aber keine klassischen Stücke dabei.“
„DAS war das Stichwort!“ rief Kurt lebhaft. Dann ließ er seinen Blick durch die Runde schweifen und erklärte: „Ihr wisst ja, dass ich immer zwischen modernem und klassischem Stück wechsele. So auch diesmal. Einige von euch haben sich beschwert, dass das moderne Stück euch nicht gefallen hat. Wie schon verkündet, spielen wir also jetzt klassisch weiter, und zwar mit Romeo und Julia.“
„Und was ist daran neu? Das wussten wir doch schon!“ rief Tina verärgert dazwischen, und auch andere murrten im Hintergrund, dass sie dafür wohl nicht extra heute hätten erscheinen müssen.
Kurt hob die Hand.
„Nun mal langsam, Leute. Ihr bekommt ja alles erklärt. Die Neuerungen beziehen sich darauf: Früher habe ich, bevor wir überhaupt angefangen hatten, schon die Rollen verteilt, weil ich mir immer vorher überlegt hatte, wer für welche Rolle am besten geeignet ist. Nachdem sich nun einige mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden erklärt hatten, habe ich mir etwas anderes überlegt. Wir machen Stichproben. Jeder darf vorab eine Stelle lesen, und wir entscheiden gemeinsam, wer was am besten gemacht hat und daraufhin werden die Rollen ausgesucht.“
Er bückte sich, nestelte an seiner großen Aktentasche herum und zog einen Stapel Papier heraus. „So“, sagte er dann, während er die Zettel verteilte, „das ist eine der ganz berühmten Stellen, nämlich die mit der Nachtigall, die jedes kleine Kind kennt, und auch nicht so lang. Wir müssten damit heute durchkommen.“
„Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche“,deklarierte Tina leise, aber übertrieben vor sich hin, und Cassie neben ihr kicherte, genauso leise, aber Kurt hatte sie beide dennoch gehört.
„Sehr gut, Tina, du kannst es ja sozusagen schon auswendig“, sagte er, „dann machen wir es doch so: Du bist die erste, liest die Julia und Hendrik den Romeo.“ Er nickte Hendrik zu, der den Zettel mit dem Text bereits in der Hand hielt, aber etwas verblüfft aussah, und forderte Tina dann mit einer Handbewegung, die sie von allen Proben her kannte, auf, anzufangen.
„Ich hab noch keinen Text“, sagte Tina, die tatsächlich noch keinen Zettel in der Hand hielt und zu ihrem Ärger bemerkte, dass sie rot anlief.
„Na und? Kannst es doch auswendig, so wie du gerade deklariert hast“, sagte Kurt freundlich und machte keinerlei Anstalten, ihr einen Zettel zu geben. Auch von den anderen war keine Hilfe zu erwarten.
„Ich hab nie damit gerechnet, die Julia zu spielen, ich kann den Text nicht auswendig!“, sagte Tina wütend.
„Oh ….“ - der Neue machte einen Schritt auf sie zu und drückte ihr seinen Zettel in die Hand.
„Du kannst meinen Text haben. Ich habe, auch wenn ich sie nicht gespielt habe, die klassischen Rollen mehrfach gelernt“, sagte er, „ich denke, ich kann diese Stelle auswendig“.
„Ah … äh …. danke“, stotterte Tina. Zum zweiten Mal an einem Tag war dieser Hendrik nett zu ihr, und das, obwohl er sie noch gar nicht kannte! Nun, darüber konnte sie später nachdenken. Jetzt galt es erst einmal, die Situation hinter sich zu bringen.
„Nun fang schon an!“, sagte Kurt, der allmählich ungeduldig wurde. „Die anderen wollen auch noch drankommen, und ich hab auch nicht die ganze Nacht Zeit.“
Tina hob den Zettel, warf einen Blick auf den Text und fing an, Shakespeares berühmte Verse zu sprechen:
„Willst du schon gehen? Der Tag ist ja noch fern.
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,
die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang.
Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort.
Glaub, Lieber, mir: es war die Nachtigall.“

„Stopp!“ rief Kurt, ehe Hendrik dazu kam, seinen Teil zu sprechen. „Tina, das kannst du besser. Es geht nicht darum, einfach nur den Text abzulesen. Schau deinen Geliebten an, schau ihm in die Augen, zeig, dass du verliebt bist in ihn und nicht willst, dass er geht! Nun komm schon, gib dir Mühe!“
Tina warf ihm einen verzweifelten Blick zu, dann versuchte sie es noch einmal und probierte, Hendrik verliebt anzuschauen (wie schaute man denn verliebt? Woher sollte ausgerechnet sie das wissen?). Dann fiel ihr Ellens Gesichtsausdruck ein, wenn sie ihren Jonas anhimmelte, und versuchte, Hendrik genauso anzublicken, während sie sprach:
„Willst du schon gehen? Der Tag ist ja noch fern.
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche ….“

„Stopp!“ brüllte Kurt wieder. „Du schaust wie eine Kuh, wenn's donnert. So nicht! Warst du noch nie verliebt?“
Tina hörte die anderen kichern. Das reichte. Niemand musste wissen, ob sie schon verliebt war oder nicht.
„Ich bin verliebt“, verkündete sie hochtrabend.
„Na dann gib dir Mühe! Das muss besser gehen!“ Kurt betrachtete sie kopfschüttelnd.

Sie versuchte es noch einmal, und immerhin kam sie ohne Unterbrechung durch Kurt soweit, dass auch Hendrik seinen Text sprechen konnte:

„Die Lerche war's, die Tagverkünderin,
nicht Philomele, sieh den neid'schen Streit,
der dort im Ost der Frühe Wolken säumt.
Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt,
der munt're Tag erklimmt die dunst'gen Höhn.
Nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod.“

- Fortsetzung folgt -
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Alt 02.07.2017, 16:41   #2
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Gute Idee, Tina unerwartet in der Probe mit Hendrik zu konfrontieren. Das bringt ihre Gefühlswelt ganz schön durcheinander.

Vielleicht wäre es aber glaubwürdiger gewesen, wenn die Schülerin, die bislang für die Rolle der Julia vorgesehen war, ausgefallen wäre - z.B. plötzlicher Schulwechsel wegen Trennung der Eltern, gebrochenes Bein oder so etwas. Weshalb sonst lässt Kurt den Text mehrfach von Tina vorlesen und tadelt sie so lange, bis sie perfekt ist? Das ist doch gegen seine Ankündigung, jeder Teilnehmerin eine Chance zu geben und die Truppe über den besten Vortrag abstimmen zu lassen.
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Alt 02.07.2017, 17:52   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Ilka-Maria,

das hast du falsch verstanden: Es stand ja noch niemand für die Besetzung von "Romeo und Julia" fest und somit auch niemand, der ausfallen könnte.

Und warum sollte Kurt nicht kritisieren? Es geht ja darum, wer am besten ist, und das wird erst später entschieden, es ist nicht davon die Rede, dass der Leiter der Theatergruppe (!!!!) sich mit seiner Meinung zurückhalten würde. Die anderen wird er wohl auch kritisieren, um aus allen das Beste heraus zu holen. Vielleicht hätte ich das eindeutiger formulieren können.

LG DieSilbermöwe
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Alt 02.07.2017, 18:01   #4
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
...

das hast du falsch verstanden: Es stand ja noch niemand für die Besetzung von "Romeo und Julia" fest und somit auch niemand, der ausfallen könnte.
Aha, also eine Fehlinterpretation. Ich war in der Tat davon ausgegangen, dass bereits damit begonnen worden war, das Stück einzuarbeiten, denn warum sonst sollte Kurt plötzlich von einer "Neuerung" sprechen? Für mich war es nicht sonnenklar, dass noch kein Casting existiert, weil Tina ja für eine andere, kleinere Rolle bereits aufgestellt war. Das ist etwas verwirrend.
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Alt 03.07.2017, 06:44   #5
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Okay, danke für die Rückmeldung. Dann hätte ich das eindeutiger erklären müssen. Fürs nächste Mal abgespeichert .
Aber ich hatte nichts davon geschrieben, dass Tina für "Romeo und Julia" schon eine kleine Rolle hatte. Das bezog sich auf das moderne Stück vorher.
Man kann es in Teil 2 nachlesen:

"... und „überaus langweilig“ sei, hatte Kurt verkündet, als Nächstes würde „Julia und Romeo“ auf dem Programm stehen. Tina hatte im modernen Stück nur eine kleine Rolle und glaubte auch nicht, dass sie die Rolle der Julia bekommen würde."

LG DieSilbermöwe
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Alt 03.07.2017, 07:09   #6
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
... Das bezog sich auf das moderne Stück vorher.
Man kann es in Teil 2 nachlesen:

"... und „überaus langweilig“ sei, hatte Kurt verkündet, als Nächstes würde „Julia und Romeo“ auf dem Programm stehen. Tina hatte im modernen Stück nur eine kleine Rolle und glaubte auch nicht, dass sie die Rolle der Julia bekommen würde."
Verstehe. Das ist die Gefahr bei einem Fortsetzungsroman, dass nämlich nach einiger Zeit die Verbindung zu dem vorher Gelesenen verlorengeht. Erfahrene Schriftsteller wissen das und fassen ihren Text so ab, dass die Verbindung kurz wiederhergestellt wird. Ansonsten wäre der Leser gezwungen, nochmal zurückzublättern, um den Zusammenhang richtig zu verstehen.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
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Lesezeichen für Teil 7 - Theater- Tina sucht die Liebe

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