Adjektive

[Ex-VanessaKra]

Flüchtig schreibt der fromme Daniel
lange Briefe an Elfriede.
Was der Brief verlauten lässt:
achtsam, akkurat und ängstlich,
blind, brillant, bankrott, charmant,
und auch dämlich, derb und diebisch,
edel, effizient, ergiebig
liest Elfriede ihn sehr triebig.
Weiter geht es ausnahmslos:
Fade, faktisch, fein und festlich,
fettig, flach, fatal, ferfälscht,
flattrig-garstig, giftig, günstig
und gebildet, gelblich, gütig
stoppt Elfriede bei dem L!
Denn sie liest nicht wirklich Liebes:
Lahmen, lästig, läufig, laues,
latent fühlt sie keine Liebe,
lasch und launig, lausig-leeres
macht sie massiv matt und schwer.
Doch dann denkt sie an den Marcus,
menschlich und auch sehr mental,
leider mollig, doch moralisch
morsch und mürrisch, mürbe, müßig,
mutig, mystisch, mundgerecht,
spürt sie seine warmen Lippen:
Närrisch, nahe, nackt und nächtlich,
nass und neckisch, nett und nobel,
führt sie ihren Daniel offen,
öde, öffentlich und ölig,
ominös, oral-olympisch
sehr organisiert hinfort.
Doch dann trifft sie ihren Paule,
packend, pampig, pädagogisch,
passend, pelzig, penetrant,
pessimistisch, auch perverser
und penibel, fast perfekt,
pflichtbewusst und auch sehr pfleglich
war der Paule auch poetisch,
leider war er gar nicht nett.
Quico, heißt der neue Mann
zeigt Elfriede was er kann:
Quaddlig, quirlig, quarzig, querig,
quitschbunt, quittig, quinär,
streicht sie ihre Namensliste,
was nun bleibt: rudimentär!
Nach dem Z ist sie nur zynisch,
zornig wird sie zuckerfrei;
hasst der Adjektive Liebe,
streicht sie, will sie nicht mehr lesen,
datet nur noch ihren Besen,
alle ihre Männer sieht man
irgendwo dahin verwesen.

[MiauKuh]

Amüsant

Aber: "latent fühlt sie keine Liebe," (latent betont man latent).
Und wieder mal zeigt sich hier wunderbar: Scheiß auf die Adjektivverbannungswahnsache ...

[Ex-VanessaKra]

Zitat von MiauKuh

.
Und wieder mal zeigt sich hier wunderbar: Scheiß auf die Adjektivverbannungswahnsache ...

Hi,

diese Ansicht ist mittlerweile altmodisch, gleichwie akzelerierte Satzbauten mit dem Genetiv.

Danke fürs Kommentieren

[Heinz]

Hallo VanessaKra,
Du hast bestimmt, wortgewaltig und kreativ, ganz bestimmt bei Ilka-Maria einen Freudentaumel ausgelöst!
Bei mir würdest Du ein uneingeschränktes Bravo einheimsen, wenn Du im elften Vers aus dem verfälschten ferfälschst ein veritables verfälscht machst.
Der Metrikstolprer im Vers "latent fühlt sie keine Liebe" ist leicht zu beseitigen, z.B.: latent erfühlt sie keine Liebe.
Beim Lesen Deines Gedichts habe ich das Gefühl, wonnevoll im warmen Wasser einer Wanne voller Worte zu baden.
Chapeau!
Heinz

[Ilka-Maria]

Zitat von Heinz

Du hast bestimmt, wortgewaltig und kreativ, ganz bestimmt bei Ilka-Maria einen Freudentaumel ausgelöst!

Nur, wenn der Text Einzug in den Kanon der Schulbücher findet und von den Schülern auswendig gelernt werden muss. Ich finde, man müsste sowieso mehr für die Erweiterung des Wortschatzes tun.

[Ex-VanessaKra]

Zitat von Heinz

Hallo VanessaKra,
Du hast bestimmt, wortgewaltig und kreativ, ganz bestimmt bei Ilka-Maria einen Freudentaumel ausgelöst!
Bei mir würdest Du ein uneingeschränktes Bravo einheimsen, wenn Du im elften Vers aus dem verfälschten ferfälschst ein veritables verfälscht machst.
Der Metrikstolprer im Vers "latent fühlt sie keine Liebe" ist leicht zu beseitigen, z.B.: latent erfühlt sie keine Liebe.
Beim Lesen Deines Gedichts habe ich das Gefühl, wonnevoll im warmen Wasser einer Wanne voller Worte zu baden.
Chapeau!
Heinz

Hi Heinz,

es fehlt die Liebe, das Metrum ist geknickt, ferfälscht ist eben verfälscht.
Hin und wieder verändere ich gerne Details oder baue sie bewusst in meinen Texten ein. Ich spiele gern mit solchen Dingen!

Danke fürs Kommentieren.

[Stachel]

Zitat von VanessaKra

es fehlt die Liebe, das Metrum ist geknickt, ferfälscht ist eben verfälscht.
Hin und wieder verändere ich gerne Details oder baue sie bewusst in meinen Texten ein. Ich spiele gern mit solchen Dingen!

Das ist auch genau richtig. Es macht mir auch immer wieder Spaß, mit Begriffen und Stilmitteln zu spielen. Ich finde, dazu sind sie da.

Aber zum Text: Elfriede kennt so manche Männer, deren Eigenschaften sich an dem Anfangsbuchstaben ihres Namens orientieren. Es ist wohl kein Wunder, wenn Eigenschaften zu Schubladen werden und sie sich dahinter stehenden (recht willkürlichen) Kategorien unterordnen müssen, dass Enttäuschungen unausweichlich werden. Aber liegt das an den Männern? Sie können wohl weniger dafür, dass ausgerechnet diese Eigenschaften neben ihnen im Alphabet stehen.
Wobei es auch ein lustiger Gedanke sein kann, dass die Männer alle mal das Lexikon aufgeschlagen haben und sich dann fragten: "Wie bin ich wohl? Na wollen wir mal lesen ..."

Stilistisch hast du ein Feuerwerk der Adjektive abgeschossen. Ich vermute, das war auch der Sinn des Textes? Einige Buchstaben hast du einfach übersprungen. So kommt nach dem G direkt das L, nach dem P nochmal ein kurzer Rückschritt nach N und dann geht es vom R direkt zum Z. Mich würde der Grund dafür interessieren.
Der Text lässt aber nicht unbedingt vermuten, dass es um die Ablehnung von Adjektiven generell geht. Denn auch zwischen den in der Form eines ABC-Dariums angelegten Aufzählungen kommt er nicht ohne aus. Schon in den ersten beiden Versen stehen drei Adjektive in gewohnter, aber dem sonstigen Stil widersprechender Weise parat. Immer wieder fallen Adjektive auf, die dem ABC-Darium nicht folgen und an denen offenbar "Bedarf" besteht.

Was sagt der Text aber abseits der vielen Adjektive aus?

Daniel schreibt Briefe an Elfriede. Diese liest ihn (also Daniel als Metonymie?), findet aber darin nichts Liebes. Sie denkt daraufhin an Marcus, spürt seine Lippen. Sie führt Daniel „hinfort“ (macht mit ihm Schluss?). Dann aber trifft sie Paule. Dann ist Quico ihr Mann, der Elfriede zeigt, was er kann. Sie streicht ihre Namensliste (bzw. wohl die Namen ihrer Männer von einer solchen). Sie streicht auch die Adjektive, die sie nicht mehr lesen will und deren Liebe sie hasst (was immer das bedeuten soll?).
Es wird ihrer Enttäuschung geschuldet sein, dass sie eine Beziehung mit ihrem Besen anfängt. Warum diesem keine B-Adjektive zugeordnet sind, bleibt offen. Ebenso bleibt offen, warum ihre „Verflossenen“ in der Öffentlichkeit („sieht man irgendwo“) tot rumliegen und vor sich hin kompostieren („verwesen“). Der Inhalt folgt also keinem stringenten roten Faden, aber das war vielleicht auch im Konzept nicht vorgesehen und deckt sich insoweit mit der Form.

Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht, mich etwas näher mit dem Text zu beschäftigen.

Freundliche Grüße von
Stachel

[Heinz]

Hallöchen VanessaKra,
ich hätte es merken sollen, dass Du absichtlich "Fehler" eingebaut hast. Zu meinen Gunsten spricht, dass ich einer jungen Dame soviel Raffinesse nicht zugetraut habe. Ich werde künftig besser aufpassen.
Liebe Grüße,
Heinz

[Ex-VanessaKra]

Hi Stachel,

der Text nimmt sich selbst nicht sehr ernst und verfolgt keine tiefere philosophische Stringenz.

Danke fürs Kommentieren.