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Alt 02.10.2015, 15:18   #1
männlich wikaman
 
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Standard Bitte um Feedback. Erster Romantext

Ich will gar nicht viel sagen. Mein erster Versuch etwas zu Papier zu bringen. Ich freue mich über Feedback jeder Art über den folgenden Test (Sorry, für die Typos!):

Ein Gemisch aus Schmieröl und Salzwasser durchzog die kalte Abendluft. Der Nachthimmel war sternenklar und wirkte dennoch bedrohlich. Das sanfte Rauschen der Wellen, wie man es vom Strand her kennt, verwandelte sich an diesem Ort in ein unkalkulierbares, omnipräsentes Risiko. So mussten sich an Flugangst Leidende fühlen, die in einem qualmenden Flugzeug, gesteuert von einem betrunkenen Pilot, mitflogen. Buba hatte schon von Geschichten gehört, in denen Hunderte beim Versuch starben. "Der Versuch allein ist es wert!", zwang er sich immer wieder innerlich zu wiederholen. Eine sonderbare Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung begleitete ihn seit dem ersten Tag, ähnlich wie am Vortag einer schwierigen Operation, die einem das Leben retten soll. Alles was käme, selbst der Tod, wäre besser gewesen als das, was er hinter sich ließ. Er betete unaufhörlich zu Allah, dass das Mittelmeer nicht zu seinem Grab würde. Buba war an diesem Tag 17 Jahre alt und es fühlte sich an, als hätte er bereits die Hälfte seines Lebens auf See verbracht. Von Leid und Tod war er schon auf seiner Reise durch Afrika ständig umgeben. Falls das Boot kentern sollte, wusste er, dass er keine Chance haben wird. Er war Nichtschwimmer. So wie alle, die in dieser Sommernacht den verzweifelten Versuch wagten, europäischen Boden unter Ihre von den Reisestrapazen gezeichneten Füße zu setzen. Die Schlepper hatten das wenige Gepäck, das man auf einem solchen Weg bei sich trug, im Hafenbecken des nordafrikanischen Ortes versenkt, aus dem die Odyssee begann.
"More safe, more safe!" Brüllten sie, während sie unter Nichtbeachtung lautstarker Proteste alles, was nicht Sterben konnte, in der dunklen Hafenbrühe ertränkten.
Buba musste keine Schule besucht haben um zu wissen, dass es nicht um die Sicherheit der Passagiere ging. Mehr Menschen, mehr Risiko, mehr Geld - resümierte er gedanklich. Diese Menschen interessierte es nicht, wenn einer während der Überfahrt zu Tode kam. Aber, so dachte sich Buba, so machen es die Fabriken für Zigaretten ja auch. Die wissen auch, dass Menschen durch ihr Produkt sterben und verkaufen es trotzdem.

"was denkst du, wie viele sind wir hier?", fragte Buba.
" Es sind so viele, dass ich nicht sehen kann, wie viele es sind.", entgegnete Caponi.

Den gleichen Plan verfolgend, lernten sich die beiden gleichaltrigen Westafrikaner auf Ihrem abenteuerlichen Weg in eines neues Leben kennen. Ein Bürgerkrieg, der blutige Massaker an Unschuldigen mit sich brachte, war nur eine von vielen traurigen Gemeinsamkeiten, welche sich mit fortschreitendem Kennenlernen zu mehren schienen. Buba und Caponi waren nur noch einige Wenige ihrer einst zahlreichen Familienmitglieder geblieben. Sie waren in etwa gleich alt und trugen die gleiche Bürde. Als die letzten zeugungsfähigen Überlebenden ihres Familienstammbaums mussten sie dafür sorgen, dass ihr Name in den Folgegenerationen weiterleben kann. Doch erst mal ging es um das Überleben dieser Generation, in dieser Nacht, auf diesem Boot, in diesem Moment.


„Was?! Nur der zweitgrößte Motor!?“, entfuhr es Lukas entsetzt. Es war der Tag seines 18. Geburtstages. Sein Vater, ein milliardenschwerer Investmentbanker, betrachtete es wohl als berechtigte Strafe: „Tja, mit Einser Abitur, hättest du die 400 PS Variante bekommen, jetzt musst du dich halt mit 300 begnügen.“ Lukas graute es vor dem Moment mit dieser Scheißkarre bei seinen Freunden vorzufahren. Ohnehin - was fiel seinem Vater ein? Geld war noch nie ein Thema! Und eine solch drakonische Strafe wegen dem Verfehlen des gesetzten Ziels um nur ein Zehntel war in seinen Augen unangemessen und kaum zu ertragen. Immerhin bekam er noch diese Uhr. Der CEO von Rolex war so etwas wie ein Bekannter seines Vaters. Sie war mit so vielen Diamanten besetzt, dass man annehmen musste, dass das Diamantenvorkommen eines ganzen Landes verarbeitet werden musste. Genau dieses Gefühl liebte Lukas. Etwas zu besitzen, was kein anderer besitzt. Etwas zu besitzen, das so teuer ist, dass es sich ohne Straftaten zu begehen eigentlich nur Mitglieder von Königshäusern leisten könnten. So, dass die Queen neidisch drein blicken würde beim Anblick dieses goldenen Zeitmessers. Dieses 120.000 € Geschenk rettete die zu kippen drohende Stimmung. Das in Lukas‘ Augen zuvor herrschende Entsetzen als der BMW vorfuhr, wich einer speziellen Art von Zufriedenheit, die zwar nie lange hielt, aber von solcher Intensität war, dass sie süchtig machte. Wie jedes Jahr feierten Sie im Clubhaus des Golfplatzes, der seinem Vater gehörte. Auch der Dresscode war derselbe: Weiß. Eine kunstvoll aus Eis gefertigte Statue ragte aus der Mitte des Büffets, von dem jeder laufende Meter ungefähr den Wert eines Kleinwagens besaß. Neben klirrenden Champagnergläsern ließen sich vor allem Gespräche über Wirtschaft und Finanzen aus der hektischen Geräuschkulisse herausfiltern. Devisenmärkte, Wechselkursschwankungen, fungible Wertpapiere, Erstemission. All diese Begriffe, so dachte sich Lukas, würden bald wie selbstverständlich auch zu seinem Vokabular gehören. Er freute sich wie ein kleines Kind, das auf das Klingeln die Christkindglocke wartete, um dann voller Euphorie loszustürmen. Das Praktikum in der Investmentfirma seines Vaters sollte sich als goldene Eintrittskarte in eine Art Willy Wonka‘s Fabrik für Reiche erweisen.

Es war ein heißer, sonniger Tag in Frankfurt. Das beeindruckende Himmelblau über der Skyline wurde einzig durch Kondensstreifen vorbeiziehender Flugzeuge gemustert. Beim Blick auf die aneinander gereihten Hochhäuser wurde man im Sekundentakt von Spiegelungen verschiedener Fensterfassaden geblendet. Es hatte etwas Erhabenes, wie sich die Wolkenkratzer in dieser machtvollen Kulisse fast schon wie eine Armee formierten. Lukas und sein Vater steuerten auf den Haupteingang eines etwa zwanzigstöckigen Gebäudes zu. Der dreiecksförmige Grundriss rang sich in Form von riesigen Glasfassaden empor, welche in einem spitzen Winkel zusammenliefen. Es vermittelte das Gefühl, dass jede einzelne auf das Gebäude zuströmende Windböe davon zerschnitten würde und ließ das Gebäude, trotz seiner größeren Nachbarschaft, unantastbar wirken. Die beiden passierten im Gleichschritt den Pförtner, der respektvoll nickend, einen offenbar wichtigen Knop betätigte, um ihnen den Eintritt zu ermöglichen.
„Der erste Tag vom Rest deines Lebens. Hier wirst du lernen, worauf es ankommt. Wer Geld verdienen will, muss dafür hart arbeiten.“ Belehrte der Vater seinen Sohn mit einem Blick tiefster, innerer Überzeugung. Lukas hörte diese Weltanschauung nicht das erste Mal. Obwohl er sie teilte, konnte er die ständigen Wiederholungen nicht mehr ertragen. Er wollte loslegen, anstatt sich immer nur wieder im Kopf auszumalen, wie es wohl sein würde, endlich selbst am großen Tisch des weltweiten Finanztransaktionsgeschäft zu sitzen und täglich die riskanten Schlachten auszufechten, die zu Ruhm und Reichtum führen.
„… seines Glückes Schmied.“
„Ja, Papa, ich weiß, ich will nur…“
„Lukas, Justus!“ Schallte es von hinten durch den Flur, während sie gerade die Tür zum Büro des Geschäftsführers erreichten.
„Alter vor Schönheit.“, sagte Cornelius mit einem schelmischen Grinsen, beugte sich leicht nach vorne und machte ein Geste Richtung geöffnete Tür wie jemand der gerade etwas präsentierten wollte.
„Die zwei Monate“, entgegnete Justus, „machen mich zwar zwei Monate älter, aber dich niemals zwei Monate schöner, du Hackfresse!“
Lukas war es gewohnt, dass sich sein Vater, der Geschäftsführer und Hauptanteilseigner der Justus Rath Invest. GmbH, und seine rechte Hand Cornelius Behnke in diesem Stil verbal duellierten. Und das war noch harmlos. „Apropos Hackfresse, ich habe da eine Information erhalten.“
„Das besprechen wir nach der Mittagspause“, und versuchte mit einem raschen Blick Richtung Lukas zu verdeutlichen, dass er diese Information gerne unter vier Augen bereden würde. Cornelius verstand.
„Na dann, bringen wir dir zuerst das Arbeiten oder das Feiern bei?“ wollte Cornelius händereibend von Lukas erfahren. Justus hob kurz seinen Kopf, zog die rechte Augenbraue nach oben und warf einen skeptischen Blick in den Raum.
„Wohl das Arbeiten.“, stellte Cornelius fest,
„Du kennst ja das Sprichwort:“, er hob den Zeigefinger und man hatte das Gefühl er äffte jemand Bestimmten nach. „Nach der Arbeit kommt das Vergnügen.“, er pausierte kurz und schien sich auf das zu freuen, was er als nächstes sagte: „Für mich leitet sich daraus ab, dass ich mich, umso härter ich arbeite, umso mehr vergnügen muss. Klare Sache, oder Luke?“ Lukas nickte. Bisher hatte er sich nur anhand von Erzählungen vorstellen können, was Cornelius wohl meinte, wenn er von der Art Vergnügen sprach. Bei diversen Gelegenheiten wie zum Beispiel Geburtstagsfeiern, wenn sich die Brokergilde unter sich fühlte, wurde aus dem Nähkästchen geplaudert. Für manche scheint es wohl eine Art Spiel zu sein, am Ende eines Abends Resümee zu ziehen, um zu sehen, ob man mehr Geld für Kokain oder für Prostituierte ausgegeben hat. „Der Gewinner hat gewonnen!“, antwortete ein angetrunkener Mitarbeiter der Abteilung Devisenhandel während einer Weihnachtsfeier, bei der Lukas die Frage nach dem Preis für den „Sieger“ stellte. Alle Regeln dieser Branche hatte er noch nicht verstanden. Vor allem das Erlernen der ungeschriebenen Gesetze, die man logischerweise nicht aus Büchern lernen konnte, bedurfte weiterer Zeit und Erfahrung.
„Du wirst dein eigenes Depot verwalten. Echtes Geld, echte Trades, betrachte es zusätzliches Geburtstagsgeschenk. Diese Gelegenheit bekommt niemand, ohne hier nicht mindestens mit einem sehr guten Master in Volkswirtschaftslehre, Finanzmathematik oder ähnlichem aufzukreuzen. Einhunderttausend Euro. Dein Praktikum geht zwei Monate, mach mich stolz. Cornelius zeigt dir deinen Platz.“, unterbrach Justus die Partyplanungen.
„Sein Mädchen für alles, nur weil der alte Saftsack zu faul ist seine modernden Gliedmaßen in Bewegung zu setzen.“, platze es mit einer überraschenden Ernsthaftigkeit aus diesem heraus. Justus sah ihn an, kniff die Augen zusammen und begann laut zu lachen. Cornelius johlte ebenfalls los und versuchte gestikulierend deutlich zu machen, dass es für ihn und Lukas Zeit war zu gehen.
„Das geht immer so mit euch?“, wollte Lukas bestätigt bekommen, während sie den Flur entlangliefen.
„Das war schon im Studium so, das wird immer so bleiben“, Cornelius nahm eine Chipkarte aus dem Jackett und überreichte sie an seinen Schützling. „Hüte sie, wie deine eigenen Eier! Wenn die wegkommt, kannst dir gleich die Kugel geben!“
Lukas fing an sich an die Sprache zu gewöhnen. Eigentlich gab es keinen Unterschied zur Kommunikation mit seinen Freunden. Die engsten und besten Freunde beleidigt man eigentlich am häufigsten.
„So, Hackfresse Junior. Das ist dein Platz. Gewöhn‘ dich an ihn, ihr werdet viel Zeit miteinander verbringen in den nächsten Wochen. Wenn es gut läuft, wirst du alle existentiellen Dinge des Lebens hier an deinem Schreibtisch erleben: Schlafen, essen, trinken, ficken.“
Lukas schaute wohl verwirrt drein, denn Cornelius fügte hinzu:
„Was denkst du denn wie ich meine langen Nächte hier verbringe? Egal, zum Geschäft. Unser Pech ist dein Glück. Ein wichtiger Anwalt der Firma musste kürzlich leider seine Sachen packen.“, startete er seine Einführung doch sein Zuhörer grätschte dazwischen:
„Sachen packen, weshalb?“, wollte er wissen.
„Mehrfache Verstöße gegen das Wertpapierhandelsgesetz, Insiderwissen, blabla, sehr unschön.“
„Gut, dass Vater ihn gefeuert hat, sonst wäre es womöglich noch auf ihn zurückgefallen!“, Lukas haute mit beiden Fäusten auf den Schreibtisch des kürzlich fristlos Entlassenen.
„Jedenfalls“, fuhr Cornelius fort, „wird es dauern bis wir eine Nachfolge gefunden haben. Und da niemand ohne besondere Leistungen dieses Büro verdient, bekommst du es für dein Praktikum. So kannst du dich schon mal daran gewöhnen.“
„Ich fürchte, das habe ich schon“. Erst jetzt bemerkte Lukas die Aussicht, die so atemberaubend war, dass er sich fragte, wie man sich auf seine Arbeit fokussieren sollte, während dieser Blick auf dem Fenster lockte.
„Mund zu, Ohren auf!“ entriss es ihn aus seinem Tagtraum. Cornelius übergab ihm noch eine lederne Mappe, die wie ein Wildtierpark roch.
„Hierin findest du alles. Deine personalisierten Logindaten für sämtliche firmeninterne Netzwerke sowie ein Orga-Handbuch, dem du alles entnehmen kannst, was es über die Firma und deren Abläufe zu wissen gibt. Du hast 100.000 und keine Tradingeinschränkungen. Du kannst handeln, was du willst. Noch Fragen?“
„Ja. Drei, um genau zu sein.“, antwortete Lukas.
„Erstens, wie viel Prozent Rendite hast du am ersten Tag gemacht? Also exklusive Tradinggebühren?“
„82 Prozent.“
„Wow.“
„Ich hatte Glück. Achja, und: Ich bin der beste! Zweitens?“
„Ich will feiern. Unzwar richtig, wann gehen…“
„22 Uhr, heute Abend, mein Büro. Ich nehme an du hattest nicht vor, davor Feierabend zu machen?“ erkundigte sich Cornelius mit mahnendem Blick. „Gut. Geht auf mich, quasi als Willkommensgeschenk“, fuhr er fort ohne Anstalten zu machen an einer Antwort seines Gegenübers interessiert zu sein. In Lukas stieg Vorfreude auf, er begann sich zugehörig zu fühlen.
„Drittens?“, hakte Cornelius ungeduldig nach.
„Was besprechen du und mein Vater nach der Mittagspause?“, bohrte er.
„Ein findiger Beobachter - ganz der Vater. Was Justus und ich besprechen, kann erhebliche Auswirkungen in vielerlei Hinsicht entfalten. Trotz allem Vertrauen gibt es daher Themen, die ausschließlich in ungestörten Dialogen zwischen der Geschäftsführung und seinem Berater besprochen werden. Es ist nicht so, als existiere ein goldenes Buch mit den Geheimnissen der Justus Rath Invest. GmbH, aber es gibt feine Einzelheiten, deren Bewandtnis man auch erst dann in der Lage zu greifen ist, wenn man in einer entsprechenden Position ist.“
„Ich verstehe“, log Lukas. Er hatte zwar verstanden, was Cornelius ihm zu erklären versuchte, aber Verständnis konnte er wenig aufbringen. Schließlich ist er der alleinige, rechtmäßige Erbe der Justus Rath Invest. GmbH. Eines Tages wird er es sein, der die milliardenschweren Entscheidungen trifft, das Risiko trägt und für Gewinne wie Verluste verantwortlich ist. Daher betrachtete er es als notwendig und folgerichtig, ihn über alle Vorgänge zu informieren, die in seinem künftigen Unternehmen von statten gingen. Diese Logik teilten Justus und Cornelius nicht. Bei jedem Versuch die unumgängliche Logik darzulegen, erntete Lukas Spott. Sein Job sei es schließlich die Firma nach der Übernahme in die Zukunft zu führen und nicht einen historischen Heimatfilm über den Familienbetrieb zu drehen. Da Lukas zu Genüge Versuche unternommen hatte um an Firmengeheimnisse zu gelangen, ließ er es dieses Mal auf sich beruhen.
„Let’s go! Die Uhr tickt!“, Cornelius verließ den Raum. Drei Sekunden später flog die Tür auf, als hätte jemand von außen dagegen getreten.
„82 Prozent, bitches!“ schrie er mit euphorischer Stimme und schloss die Tür hinter sich endgültig.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------
Die Wellen fingen an zu brechen und Panik machte sich breit. An einem frühen Samstagmorgen im Juli erreichten sie die Küste Europas. Die Sonne war gerade aufgegangen und ein Gewirr von leicht rotgefärbten Regenwolken lag über dem Horizont. Die italienische Küste war in greifbarer Nähe und alle Passagiere richteten sich voller Spannung auf und hielten alles, was sie greifen konnten und ihnen Halt versprach. Zwischen den klangvollen Geräuschen des Ozeans vernahm man einzelne Schreie sowie das Schluchzen weinender Kinder. Wie durch ein Wunder erreichten sie unbeschadet den Strand von Lampedusa. Nach der ersten puren Freude über das bloße Überleben machte sich die Erkenntnis darüber breit, dass man es geschafft hatte. Buba und Caponi küssten den Boden. Mit sandbedeckten Gesichtern umarmten sie sich wieder und wieder. Eine Frau hatte es nicht geschafft. Sie erlitt einen Tag vor Ankunft eine Art Anfall, den sie nicht überlebte. Gemeinsam hatte man beschlossen, trotz aller widrigen Umstände, eine Art Trauerfeier abzuhalten und den Leichnam anschließend im Meer zu versenken. Diese Erinnerung war jetzt erst mal verschwunden. Sie standen auf europäischem Boden, sie würden Asyl bekommen und dann würde alles besser werden.
„Was wirst du jetzt tun?“ fragte Caponi, nachdem Buba gerade das dritte Mal einen afrikanischen, rituellen Freudentanz beendet hatte.
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Alt 02.10.2015, 20:04   #2
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Erst einmal Willkommen bei Poetry, wikaman.

Ich habe Deinen Text angerissen, aber nicht zu Ende gelesen. Du hast wahrscheinlich aus aktuellem Anlass und aus dem Bauch heraus angefangen, ihn zu schreiben. Das muss nicht falsch sein, wenn man bereit ist, hinterher umfangreiche Überarbeitungen durchzuführen. Dazu empfehle ich Dir, vorher ein oder zwei Standardwerke über die Kunst des Schreibens und guten Stil zu lesen. Das ist lehrreich und macht Spaß (z.B. die Bücher von Sol Stein. „Über das Schreiben“ und Lajos Egri: „Literarisches Schreiben“).

Bekanntlich kommt es auf die ersten Sätze eines Romans an, ob sie den Leser gefangen nehmen und er das Buch nicht zur Seite legt. Bei Deinem Text ist der Einstieg missglückt, und zwar schon mit dem ersten Satz:

Ein Gemisch aus Schmieröl und Salzwasser durchzog die kalte Abendluft.

Das ist fehlerhaft ausgedrückt: Nicht Öl und Salzwasser durchziehen die Abendluft, sondern der Geruch von Öl und Salzwasser. Hier passt übrigens auch nicht das Bild von dem Strand, sondern es handelt sich wohl um einen Hafen.

Der Nachthimmel war sternenklar und wirkte dennoch bedrohlich. Das sanfte Rauschen der Wellen, wie man es vom Strand her kennt, verwandelte sich an diesem Ort in ein unkalkulierbares, omnipräsentes Risiko. So mussten sich an Flugangst Leidende fühlen, die in einem qualmenden Flugzeug, gesteuert von einem betrunkenen Pilot, mitflogen. Buba hatte schon von Geschichten gehört, in denen Hunderte beim Versuch starben.

Hier versuchst Du, Lokalkolorit in die Geschichte zu bringen und es auf die Gefühle des Protagonisten zu übertragen. Dabei verwendest Du Vergleiche, die den Leser verwirren. Die Wellen sind sanft, aber dennoch ein unkalkulierbares Risiko? Und wie soll der weit hergeholte Vergleich mit Leuten, die an Flugangst leiden, und betrunkenen Piloten zu verstehen sein? Dann der ungenaue letzte Satz in dem Zitat: Bei welchem Versuch? Beim Versuch, bei einem betrunkenen Piloten mitzufliegen?

"Der Versuch allein ist es wert!", zwang er sich immer wieder innerlich zu wiederholen. Eine sonderbare Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung begleitete ihn seit dem ersten Tag, ähnlich wie am Vortag einer schwierigen Operation, die einem das Leben retten soll. Alles was käme, selbst der Tod, wäre besser gewesen als das, was er hinter sich ließ.

Auch hier wieder ein Vergleich (Operation), der an den Haaren herbeigezogen ist und vom Leser eher als Abschweifung vom eigentlichen Geschehen empfunden wird. Dramatik ist damit jedenfalls nicht zu erzeugen.

Er betete unaufhörlich zu Allah, dass das Mittelmeer nicht zu seinem Grab würde. Buba war an diesem Tag 17 Jahre alt und es fühlte sich an, als hätte er bereits die Hälfte seines Lebens auf See verbracht. Von Leid und Tod war er schon auf seiner Reise durch Afrika ständig umgeben g e w e s e n.

Aha! Hier wird klar, worauf die Geschichte zusteuert: Es geht um die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer auf einem maroden Seelenfänger. Aber bitte: In einem Romantext die Zahlen ausschreiben, wenn es sich nicht gerade um die Beschreibung einer Rechnung oder ein Kalenderdatum handelt. Zeitform ist hier das Plusquamperfekt [war ... gewesen]. Beim letzten Satz des Zitats wird das Interesse des Lesers wach: Er hätte jetzt gerne mehr erfahren, was denn auf der Reise durch Afrika alles passiert ist. Das lange Warten im Hafen wäre wunderbar geeignet, eine Rückblende einfließen zu lassen, die gar nicht zu ausführlich sein muss; aber einige zentrale Punkte könnten die Mühsal und vor allem die Länge des Weges gut beschreiben, die der Protagonist hinter sich hat.

Noch ein Wort zu diesem Satz:

Falls das Boot kentern sollte, wusste er, dass er keine Chance haben wird. Er war Nichtschwimmer.

Er ist eigentlich überflüssig, denn auf See ist es nicht von Belang, ob jemand Schwimmen kann oder nicht. Wenn keine schnelle Hilfe kommt, wird selbst der beste Schwimmer ertrinken.

Noch ein Tipp:

Wenn Du Leser für Deinen Text interessieren willst, dann führe deine Hauptfigur so früh wie möglich ein. Halte Dich nicht mit Landschafts- oder Ortsbeschreibungen auf. Der Leser will sich mit einer Figur identifizieren, wenn er jedoch etwas über Landschaften oder Orte erfahren will, kauft er sich einen Reiseführer oder liest den Reiseteil einer Zeitung.

Andererseits solltest Du bei Deinem Protagonisten genauer sein und nicht von „Westafrika“ schreiben, sondern schildern, aus welchem Land er kommt.

WENIGER IST MEHR!

ABER WAS ZUR HAUPTFIGUR GEHÖRT, MUSS BESCHRIEBEN WERDEN!

Beispiel für einen Einstieg:
Vom Hafen stieg der Geruch von Schmieröl und Salzwasser hoch und zog Buba in die Nase. Die Nacht war sternenklar, das Meerwasser klatschte gleichmäßig gegen die Mole, und doch war Buba unglücklich, weil er diese Atmosphäre nicht genießen konnte. Denn der gefährlichste Teil seiner Reise lag noch vor ihm. Er sah Caponi an und wusste, dass auch er Angst hatte. Beide hatten genügend Geschichten über Flüchtlinge gehört, die mit überfüllten Schrottkähnen gekentert und ertrunken waren.
Aber jetzt waren sie hier, und es gab kein zurück. Sie hatten zu viel investiert auf der Strecke bis zu diesem Hafen. [oder Nennung der Stadt; hier könnte jetzt eine kurze Rückblende kommen]
...

Du bist noch jung und kannst die Grundlagen des Schreibens im Handumdrehen lernen und in den Jahren, die vor die liegen, etwas daraus machen. Ich habe damit viel zu spät angefangen, auch gab es früher nicht die grenzenlosen Austauschmöglichkeiten von heute. Zum Austausch mussten die meisten Künstler in bestimmten Städten leben, ansonsten war es mit den Kontakten schwierig.

So, das war jetzt genug Arbeit für meinen Freitag-Feierabend.

Viel Glück!

Beste Grüße
Ilka
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.10.2015, 20:13   #3
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Ja, das Handwerk an sich habe ich noch zu erlernen. Vielen Dank für dein differenziertes Feedback, das viele wertvolle Hinweise enthält. Das mir das Erlernen des Schreib-ABC noch bevorsteht, dachte ich mir schon, ist ja schließlich noch keine Meister vom Himmel gefallen
Dass du so ausführlich Stellung nimmst, lässt mich hoffen, dass es sich aus deiner Sicht lohnt und möglicherweise das Schreiben ein Hobby für meine Zukunft sein kann. Vielen Dank, liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
wikaman ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.10.2015, 20:24   #4
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Zitat:
Zitat von wikaman Beitrag anzeigen
Dass du so ausführlich Stellung nimmst, lässt mich hoffen, dass es sich aus deiner Sicht lohnt und möglicherweise das Schreiben ein Hobby für meine Zukunft sein kann. Vielen Dank, liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
Schreiben lohnt immer, weil es auch eine Reise zu sich selbst ist.

Tipp: Schreibe erst einmal ein Exposé Deiner Geschichte. Drei Seiten mit Anfang, Mitte und Ende. Dann gehst Du mit jedem Einzelteil genauso vor: Anfang, Mitte, Übergang. Undsoweiter. Wenn Du fertig bist, machst Du es wie Dr. Frankenstein und flöß der Kreatur Leben ein. Das ist dann Dein Roman.

Dir auch ein schönes Wochenende!
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
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