Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 29.04.2012, 15:55   #1
männlich Phönixtear
 
Benutzerbild von Phönixtear
 
Dabei seit: 04/2012
Ort: Miesbach
Alter: 37
Beiträge: 5


Standard Bashert

Hallo ich bin neu hier und wollte schon lange mal eine meiner Geschichten online stellen. Da ich denke, dass dieses Forum ja genau dafür geeignet scheint, versuche ich es einfach mal. Hoffe irgendjemand wird es lesen und seinen Senf dazu abgeben.

Naja genug gefaselt, hier kommt der erste Teil des ersten Kapitels. Hoffe es gefällt dem ein oder anderen.



~ Kapitel 1 ~

Seelen reisen nur zu zweit. Doch wenn sie auf die Welt kommen, dann werden sie irgendwie getrennt. Und dann fangen sie an zu suchen. Solange bis sie den finden, der der Richtige ist. Der vom Schicksal bestimmt wurde, mit ihm durchs Leben zu gehen. Doch was ist, wenn dieser jemand gefunden wurde und plötzlich wieder verloren geht? Begibt man sich erneut auf die Suche oder gibt man einfach auf …


Dann bis heute Abend. Ich kann es kaum erwarten dich endlich wiederzusehen. Du glaubst nicht wie sehr ich dich vermisst habe. Und vergiss nicht, ich liebe dich.

Immer wieder schwirrten ihm die letzten Worte seines Lebensgefährten durch den Kopf. Sätze die ihn nicht mehr losließen, an seinem Herzen und seiner Seele fraßen und seinen Verstand niederzuringen drohten.
Wie viel Zeit war seit dem Telefonat vergangen? Wie viele weitere hatte er geführt? Er hasste sein Telefon, denn es überbrachte ihm auch diese eine traurige Nachricht, eine Botschaft, die er niemals zu hören erwartet hatte.

Tränen rannen über seine Wangen und sammelten sich an seinem Kinn während er sich an den Anruf der Polizei erinnerte. Verzweifelt versuchte er seine Fassung zurückzuerlangen, doch es gelang ihm nicht. Tropfen um Tropfen stürzten von seinem Gesicht auf das Bild, welches er liebevoll in Händen hielt und streichelte.

Es zeigte zwei junge Männer, die sich in den Armen lagen und einander küssten.
Wie glücklich sie gewesen waren. Und jetzt -vorsichtig streifte sein linker Zeigefinger über das Abbild des Braunhaarigen - war alles anders. Er hatte ihn verlassen, sie alle verlassen, war nicht mehr auf der Welt.
“Nathan”, schluchzte er mit bröckelnder Stimme und ergab sich schließlich erneut seiner Trauer.
Weinend kauerte er sich in seinem Sessel zusammen und senkte seinen Kopf auf das Foto.

Wieder erinnerte er sich an den Anruf der Polizei, die ihm mitteilte, dass die Fähre, auf der sein Freund nach Hause fahren wollte, verunglückt war. Ein bisher ungeklärter Brand im Maschinenraum hatte eine Explosion verursacht, die das Schiff schwer beschädigt hatte und es zum sinken brachte. Dieses Unglück forderte viele Leben und darunter auch das von Nathan. Sein Leichnam war nicht gefunden worden, aber sein Geldbeutel, sowie das Handy.
Drei Monate waren seit dem vergangen und noch immer kursierten Zeitungsartikel und Reportagen über den Unfall. Man untersuchte die Ursache des Brandes und war bislang zu keinem Ergebnis gekommen.

Marcus hörte weder Radio, noch sah er Fern oder las die Zeitung. Er wollte nichts mehr von all dem wissen. Die Gewissheit, dass Nathan für immer fort war hatte ihn hart getroffen und er fand nicht mehr die Kraft sich von diesem Schlag zu erholen. Anfangs hatte er versucht mit dem Schmerz über den Verlust und der Einsamkeit fertig zu werden, doch war dies nicht so einfach und er erlag schließlich seiner Sehnsucht.
Nun bevorzugte Marcus es sich allein in seinem Apartment einzusperren und dieses Bild zu betrachten, ein Bild aus einer Zeit in der er glücklich war. In der sein Partner jeden Moment zur Tür hereinschneien und ihn liebevoll in den Arm nehmen und küssen konnte.

Die Wohnung war totenstill. Lediglich das Tick-Tack der Uhr an der Wand durchbrach das Schweigen, wenn Marcus nicht wieder einem Weinkrampf erlag. Und in ganz seltenen Fällen ertönte das schrille Klingeln des Telefons, welches der junge Mann dann aber stur überhörte. Er legte keinen Wert mehr auf Kontakt zur Außenwelt. Er hatte sich abgeschottet und verweigerte sich seiner Familie, seinen Freunden und ging auch nicht mehr zur Arbeit. Seine Welt war auf den Sessel und das Bild zusammengeschrumpft und er wartete lediglich darauf, dass er endlich wieder mit Nathan vereint sein würde.

Das rote Licht des Anrufbeantworters blinkte sekündlich auf. Wie viele Anrufe schon darauf gespeichert waren und wer sich alles bei ihm gemeldet hatte, vermochte er nicht mehr aufzuzählen, aber es hatte keine Bedeutung. Nichts hatte das mehr. Niemand konnte und wollte ihn verstehen und deshalb blieb er allein und selbst wenn ihn jemand besuchen kam, so schwieg er und zeigte keine Reaktion.

Gebannt streichelte er das Bild und wandte seinen Blick keinen Moment davon ab. Man konnte meinen er fürchtete, dass irgendjemand kommen und ihm das Foto wegnehmen würde.
Eingehend studierte er das Abbild seines Geliebten, um es niemals zu vergessen. Er brannte es sich förmlich in sein Gedächtnis. Das kurz geschorene hellbraune Haar. Die smaragdgrünen Augen, die so viel Wärme und Güte in sich bargen. Das gewitzte Lächeln, mit dem er Eisberge zum schmelzen bringen konnte. Den Piercing in der rechten Augenbraue, sowie die drei weiteren an der rechten Ohrmuschel und jeweils ein Ohrring links und rechts.
Wieder verlor Marcus sich im Abbild Nathans als ihn das unerwartete ringen des Telefons in die Realität zurückriss. Für den Bruchteil einer Sekunde schweiften seine himmelblauen Augen auf den Hörer des Geräts, doch er machte keine Anstalten abzuheben. Wieder und wieder schellte es, aber Marcus war schon längst wieder in seinen Gedanken versunken. Lediglich die ertönende Ansage des Anrufbeantworters ließ ihn aufhorchen.

“Hi. Dies ist der AB von Nathan Or und Marcus O´Brian. Wir sind im Moment leider nicht zu erreichen oder haben schlicht keine Lust jetzt ans Telefon zu gehen. Wenn es wirklich wichtig ist, dann hinterlasst doch einfach eine Nachricht nach dem Piep”, erklang es.
Wie sehr sich Marcus jedes Mal freute, wenn die Ansage erklang, denn dann konnte er wieder einmal die freundliche Stimme seines Freundes hören. Zwar widerstand er die Ansage von selbst abzuspielen, da sie ihn doch nur wieder trauriger als ohnehin schon machte, doch wenn sie dann einmal erklang erfüllte sie ihn einen kurzen Augenblick, wie ein flüchtiges Hauchen im Wind, mit Liebe.
Mit dem Piep des Beantworters verschwand aber dieses Gefühl genauso schnell wie es aufflaute.
In der Regel sprach niemand mehr auf das Gerät, doch dieses mal ertönte die Stimme von Marcus Schwester: “Hey Bruderherz. Hier ist Jill. Es wäre sehr freundlich von dir, wenn du mal rangehen würdest. Wir machen uns große Sorgen um dich. Mom weiß schon gar nicht mehr was sie tun soll. Sie weint sich wegen dir noch die Augen aus. Es ist bestimmt besser für dich darüber zu reden, als dich in deiner Wohnung einzusperren und vor dich hin zu vegetieren.
Ach weißt du was, du hebst ja sowieso nicht ab. Ich werde einfach morgen bei dir vorbeikommen und dich nach draußen schleifen. Und wage es ja nicht, mir nicht die Türe zu öffnen. Das bringt dir schließlich nichts, denn ich habe ja den Ersatzschlüssel. Also machs gut und bis morgen.”

Dem jungen Mann entging die Sorge und die Bedrücktheit, die in der Stimme seiner kleineren Schwester lag nicht und auch ihre Worte gingen nicht spurlos an ihm vorbei. Ihm war bewusst, was er seinen Angehörigen und Freunden antat und doch vermochte er nichts daran zu ändern. Er wollte und konnte sie nicht sehen, denn sie erinnerten ihn alle auf verschiedenste Weise an Nathan.

“Warum musste es nur so kommen”, seufzte er leise vor sich hin und rieb sich müde die Augen.
Nicht einschlafen, sagte er sich in Gedanken. Wenn du einschläfst dann siehst du ihn wieder und das möchtest du nicht, also bleib wach.

Marcus fürchtet nichts mehr als das Einschlafen, denn seit etwa zwei Monaten träumte er jede Nacht von Nathan. Jedes mal den selben Traum und dieser war kein Guter, weshalb es ihm missfiel einzuschlafen. Er kämpfte förmlich dagegen an und erlag jedes mal, früher oder später, aufs neue.

Auch jetzt wurden ihm die Lider schwer und er bemühte sich die Augen offen zu halten. Das ständige Weinen und die eintönige Lebensweise zehrte jedoch sehr an ihm und er fand nur selten die Kraft allzu lange gegen die Müdigkeit anzutreten. Immer schwerer fiel es ihm die schweren Augenlider aufzuschlagen und das Gähnen zu unterdrücken. Er starrte das Bild an, als hoffe er es würde ihm gegen die erneute Schläfrigkeit helfen.

“Du fehlst mir. Ich liebe dich. Warum hast du mich nur allein gelassen? Ich kann nicht mehr. Ich will bei dir sein”, murmelte er sich in den Schlaf.
Phönixtear ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.04.2012, 14:05   #2
weiblich Ex-WUI
 
Dabei seit: 09/2018
Beiträge: 1.057


Huhu Phönixtear

Ich hab dein erstes Kapitel gern gelesen und bin gespannt wie es weitergeht.
Es ist total traurig.

Die übersichtlichen Absätze die du gemacht hast finde ich sehr gut, so kann man sich beim lesen besser orientieren.

Irre Grüße
Ex-WUI ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.04.2012, 17:07   #3
männlich Ex-Peace
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2011
Beiträge: 3.449


Das ist wirklich sehr traurig.
Du hast deine Geschichte gut geschrieben.
Ein flüssiger Stil, der sich gut lesen lässt.
Gefällt mir.

Liebe Grüße
Peace
Ex-Peace ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.05.2012, 17:37   #4
männlich Phönixtear
 
Benutzerbild von Phönixtear
 
Dabei seit: 04/2012
Ort: Miesbach
Alter: 37
Beiträge: 5


@ Peace und WeiblichUndIrre: Vielen Dank für eure lieben Kommentare. Die haben mich wirklich sehr gefreut.

So und nun folgt der zweite Teil des ersten Kapitels.


In tiefster Dunkelheit fand sich Marcus wieder. In weiter ferne leuchtete ihm ein kleines rundes Licht. Es strahlte hell wie die Sonne, doch war es ungreifbar. Ein seltsamer Gesang schwoll an. Er hatte einen langsamen Rhythmus und ertönte in einer fremdartigen Sprache. Der Sprechgesang klang unheilvoll und fordernd. Verschreckt suchte er die Schwärz ab, bis er die Schemen seines Partners ausmachte. Dieser kauerte, in Ketten gelegt in der Dunkelheit und wand sich, um sich aus seinem Gefängnis zu befreien. Immer wieder schrie er um Hilfe. Die verzweifelten Rufe hallten lange in der Finsternis nach und versetzten Macus jedes mal einen Stich ins Herz. Er wollte auf Nathan zulaufen, ihn aus seiner misslichen Lage befreien. Aber es gelang ihm nicht. Egal wie schnell er auch lief, die Distanz zwischen ihm und seinem Geliebten blieb immer die selbe. Die Hilferufe und der Sprechgesang schwollen immer weiter an und dröhnten in Marcus Ohren. Er versuchte Nathan etwas zu zurufen, aber seiner Kehle entrann kein Laut. Niedergeschlagen fiel er auf die Knie und schlug mit den Fäusten in die Finsternis.
Wieso kann ich ihm nicht helfen? Wieso?, dachte er voll Schmerz und stille Tränen der Hilflosigkeit verloren sich im Nichts. Immer weiter erklangen die folternden Laute und das entfernte Licht leuchtet auf den in Ketten gelegten Partner. Sein panisches Gesicht hatte nichts mehr von dem fröhlichen Ausdrücken, die Marcus von Nathan gewohnt war.
Ihm drohte das Herz zu zerreißen, doch war er sich seiner Machtlosigkeit bewusst. Die Schreie die seinem Kummer Luft machen konnten verweigerten sich ihm ebenfalls und so fühlte er sich, als würde ihm sämtliches Leben entrissen.

“Hey, aufwachen”, erklang eine ihm bekannte Stimme und mit einem Rütteln zerrissen die Dunkelheit und das Stimmengewirr. Schweißgebadet riss Marcus die Augen auf. Krampfhaft klammerten sich seine Hände an das Bild. Erschrocken wischte er sich die tränennassen Augen mit dem Ärmel seines Pullovers ab, bevor er in das verschreckte Gesicht seiner Schwester blickte. Noch immer schlug ihm das Herz bis zum Hals und er hatte das Gefühl, als könne er noch immer nicht sprechen.

“Geht es dir gut?”, erkundigte sich seine besorgte Schwester und strich ihm fürsorglich über den Kopf.
Von der Situation überfordert wanderte Marcus Blick von dem Bild zu ihr und wieder zurück. Er schaute einmal durch die Wohnung und wieder auf das Foto.
“Was ist denn los? Du hast geschrien wie am Spieß. Ich bin so schnell ich konnte reingestürmt. Es sah aus als hättest du schreckliche Schmerzen. Geht es dir gut? Fehlt dir was? Marcus, Herr Gott, rede doch mit mir.”
“Es geht mir gut”, erwiderte er knapp, wich aber ihrem misstrauischen Blicken aus. So intensiv hatte er diesen Traum, den er seit nun geraumer Zeit, Nacht für Nacht, durchlebte noch nie gehabt. Noch immer hallte das Echo der Stimmen in seinem Kopf und ihm war als würde er frieren, obwohl ihm die Schweißperlen auf der Stirn standen und auch sein Herzschlag wollte sich noch immer nicht beruhigen.

“Bist du dir wirklich sicher?”, hinterfragte Jill erneut, die ihren Bruder, der wie ein Häufchen Elend vor ihr saß von oben bis unten musterte.
Dieser Nickte erneut bestätigend.
“Na wenn dem so ist, ab ins Badezimmer. Du siehst aus als hättest du schon seit Wochen nicht mehr geduscht und um ehrlich zu sein riechst du auch so. Während du dich ein wenig herrichtest mache ich dir was zu Essen. Ich will ja nicht das du mir vom Fleisch fällst. Ach ja und nachher gehen wir raus, ich habe ein Überraschung für dich”, kündigte sie an und betrachtete ihn noch immer mit sorgenvoller Miene. Gerade als Marcus ihren Forderungen etwas entgegensetzen wollten blitzten ihre ebenfalls himmelblauen Augen auf und sie hob drohend ihren Finger: “Wage es ja nicht mir zu widersprechen. Du hast dich lange genug verkrochen und uns allen Kummer bereitet. Jetzt ist es an der Zeit dich am Riemen zu reißen und nach vorne zu blicken.”
Widerstrebend sah er in ihre Augen.
Du weißt ja nicht was du da sagst. Es ist leicht so daherzureden, wenn man nicht weiß, wie es ist, den wichtigsten Menschen in seinem Leben zu verlieren. Ich wollte nach vorne gehen, aber ich kann nicht. Es ist unmöglich.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen erklärte sie, wieder gütiger: “Natürlich ist es nicht so einfach getan wie gesagt, aber dich hier zu vergraben wird dir niemals helfen. Bitte, bitte komm mit mir nach draußen. Ich werde dir beistehen so gut ich kann, nur lass dich nicht weiter so hängen. Es zehrt nicht nur an dir, uns geht es auch nicht besser, wenn wir wissen, dass du so leidest.” Während sie ihn in den Arm nahm und ihr Gesicht einen Moment in seiner Schulter vergrub.
Marcus meinte ein leises Schluchzen ihrerseits zu hören und streichelte ihr behutsam über ihr blondes Haar, welches sie zu einem Bob geschnitten trug. Es versetzte ihm einen Stich seine kleine Schwester so leiden zu sehen. Auch wenn sie sich so viel Mühe gab ihren Kummer vor ihm zu verbergen.
Nachdem sie sich wieder aus der Umarmung entließ forderte sie erneut: “So Stinker ab unter die Dusche und vergiss nicht deine Klamotten zu wechseln.”

Danach ließ sie ihn in Ruhe und machte sich auf den Weg in die Küche, um ihm wie versprochen eine Mahlzeit zu bereiten. Als Jill sein Zimmer verlassen hatte, begab auch er sich auf den Weg ins Bad.
Ich sollte es zumindest versuchen. Das bin ich ihnen schuldig, versuchte er sich einzureden und ließ widerstrebend das Foto auf dem Sessel zurück.

~ Ende Kapitel 1 ~
Phönixtear ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.05.2012, 17:41   #5
männlich Ex-Peace
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2011
Beiträge: 3.449


Das gefällt mir auch wieder gut.
Gleichbleibend gut...
...und traurig.

Liebe Grüße
Peace
Ex-Peace ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.05.2012, 16:35   #6
männlich Phönixtear
 
Benutzerbild von Phönixtear
 
Dabei seit: 04/2012
Ort: Miesbach
Alter: 37
Beiträge: 5


@ Peace: Vielen Dank und ich werde mich bemühen, dass ich nicht abbaue.

Dann kommt hier der erste Teil des zweiten Kapitels.

~ Kapitel 2 ~


Nach einer wohltuenden und ausgiebigen Dusche, begab sich Marcus zu seiner Schwester in die Küche. Schon im Flur stieg ihm der köstliche Duft von gebratenen Nudeln in die Nase. Jill war keine geborene Köchin, aber dieses Gericht schmeckte immer vorzüglich. Der Bruder setzte sich unbemerkt an den bereits eingedeckten Tisch und beobachtete, wie die junge Frau etwas plump mit der Pfanne hantierte und dabei ein Liedchen vor sich hinsummte.
Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, tat es ihm gut wieder einmal ein wenig Gesellschaft zu haben. Es war einfach schon zu lange her, dass er jemanden um sich hatte, der ihn etwas ablenkte. Zwar konnte er die Gedanken an Nathan nicht vollkommen verdrängen, aber er tat sein bestes, um nicht wieder in seine depressive Gefühlswelt zu verfallen.

“Wo willst du eigentlich mit mir hin?”, fragte Marcus, damit er ein wenig mehr von Nathan wegkam.
Jill, die noch immer nicht mitbekommen hatte, dass sie nicht mehr allein war zuckte zusammen und fuhr wie eine Furie herum. Wild fuchtelte sie mit dem Kochlöffel durch die Luft.
“Herr Gott, Marcus! Musst du mich so erschrecken”, schrie sie ihn an, wobei sich ihre Stimme überschlug. Was ihrem Bruder ein kleines Lächeln entlockte, in das sie daraufhin ebenfalls mit einstimmte.
“Es tut gut dich Lachen zu sehen”, erklärte sie. “Nun, um auf deine Frage zurück zu kommen sei nur so viel gesagt. Warte einfach ab bis wir dort sind.”
Noch während sie diese Worte sprach, erkannte ihr Bruder einen Gesichtsausdruck, von dem er nicht wusste was er davon halten sollte. Für den Hauch einer Sekunde wirkte sie ein wenig verunsichert, als wäre sie nicht sicher, ob ihr Vorhaben eine gute Idee sei. Doch dann wandte sie sich auch wieder der Pfanne zu und entzog sich somit dem fragenden Blick Marcus.

Was führt sie im Schilde? Kann sie mir nicht einfach verraten wo es hingeht? Ich habe ein seltsames Gefühl bei der Sache. Soll ich wirklich mitkommen? Bin ich schon bereit dazu? Vielleicht wäre es besser, wenn sie einfach wieder ginge und mich allein lässt. Ich schaffe das schon, wenn ich mich im Stande dazu fühle. Ich brauche ihre Hilfe doch gar nicht.

Während des Essens herrschte eine unterkühlte und fremdartige Atmosphäre, welche Jill immer wieder mit kleinen Erzählungen aufzulockern versuchte. So berichtete sie beispielsweise, dass sie sich einen neuen Hund zugelegt hatte oder wie es ihren Eltern ging. Wie sehr sie sich doch freuen würden, wenn Marcus sie wieder einmal besuchen käme und das sich auch schon einige seiner Freunde und Kollegen nach ihm erkundigt hatten.
Der junge Mann schoss alle ihre Mühen in den Wind und zeigte kaum Interesse daran auf ihre Geschichten einzugehen. Hin und wieder nickte er mit dem Kopf oder blickte sie mit leeren Augen an. Er sah keine Notwendigkeit darin etwas zu Erwidern oder zu beantworten von dem er wusste, dass es ihr sowieso missfallen würde.
Zudem plagte ihn die Ungewissheit was seine Schwester mit ihm vor hatte. Ihre Heimlichtuerei und der Gesichtsausdruck, als er sie darauf ansprach, ließen auf nichts schließen, dass ihm gefallen könnte.

Nachdem die unangenehme Mahlzeit endlich beendet war, schob Jill ihren Stuhl zurück und meinte, angestrengt schnaubend: “So mein Lieber, abspülen können wir später. Wir müssen jetzt wirklich los. Die Zeit wird knapp. Mach dich bitte schnell fertig. Ich werde unten auf die warten.”
Ohne auch noch weiter auf ihren Bruder einzugehen verließ sie den Raum, erschien aber weniger Sekunden darauf erneut in der Tür und fügte mit einem diebischen Zwinkern hinzu: “Ich gebe dir fünf Minuten.” Dann verließ sie endgültig die Wohnung.

Für einen kurzen Augenblick verharrte Marcus auf seinem Stuhl und wägte seine Möglichkeiten ab, erhob sich dann aber schließlich doch mit einem entnervten Seufzer und schlüpfte in seine Schuhe. Ihm war klar, dass seine Schwester ihn nicht in Ruhe lassen würde, bis er ihrer Forderung nachkam und so verließ er zähneknirschend seine Wohnung. Lustlos schlurfte er das Treppenhaus hinab. Wie lange war es her, dass er das Apartment zuletzt verlassen hatte? Eine oder zwei Wochen. Er konnte es nicht genau sagen. Seine Tage verliefen schließlich stets gleich.

Als er durch die doppelflüglige Glastür des mehrstöckigen Gebäudes trat, sog er zum ersten Mal seit vielen Tagen frische Luft in seine Lungen. Eine leichte Brise wehte an einem herrlichen Spätsommertag. Die Sonne stand hoch am Himmel und nur ein paar vereinzelte Schleierwolken wanderten langsam über der Welt hinweg. Vögel zwitscherten in den nahegelegenen Baumgruppen und Kinder spielten auf dem Spielplatz, der vor dem Haus angelegt worden war. Autos fuhren langsam durch die Straßen und einige alte Frauen tauschten den neusten Tratsch aus, während sie ihre Einkäufe aus ihren Fahrzeugen luden. Alles war so voller Leben und doch fühlte es sich für Marcus so unecht an. Es kümmerte ihn schlichtweg nicht und er konnte nichts herrliches daran erkennen.
Auf einem nahegelegenen Parkplatz, machte er Jill aus, die ungeduldig wartend an ihren roten Minicooper Caprio lehnte und eine Zigarette rauchte. Als sie ihren Bruder erblickte, winkte sie ihn voller Freude zu sich her. Ihrer Forderung nachkommend trottete er auf sie zu.
“Ich wusste, dass du mich nicht warten lässt. Braves Brüderchen. Willkommen im Leben. Ist es nicht herrlich?”, plapperte sie vergnügt vor sich hin und drückte den Glimmstängel aus.
Der Blondschopf jedoch zuckte desinteressiert mit den Schultern.
“Na gut, wie du meinst. Komm steig ein. Sonst kommen wir wirklich noch zu spät.”
Mit einer übertriebenen Verbeugung öffnete sie ihm die Beifahrertür und er setzte sich, ihre Geste ignorierend, auf den ihm angebotenen Platz.
Phönixtear ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.05.2012, 20:41   #7
männlich Ex-Peace
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2011
Beiträge: 3.449


Du hast es erneut gut geschrieben.
Ich bin gespannt, wo die beiden hinfahren.

Liebe Grüße
Peace
Ex-Peace ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.05.2012, 17:13   #8
weiblich Ex-WUI
 
Dabei seit: 09/2018
Beiträge: 1.057


Hallo Phönixtear

Habe deine Geschichte gerne gelesen und bin auch gespannt wie es weitergeht. Den Traum hast du gut dargestellt und auch das Aufführen der Gedanken von Marcus finde ich spannend zu lesen. Wo seine Schwester wohl mit ihm hin will? Ich freue mich auf deine Fortsetzung.

Irre Grüße
von WuI
Ex-WUI ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.05.2012, 15:23   #9
männlich Phönixtear
 
Benutzerbild von Phönixtear
 
Dabei seit: 04/2012
Ort: Miesbach
Alter: 37
Beiträge: 5


Nun gut, damit ihr nicht zu lange warten müsst, wo die beiden hinfahren kommt hier der zweite Teil des zweiten Kapitels. Viel Spaß damit.



Auch während der Fahrt wechselten die Geschwister kein Wort miteinander, weshalb es sich Jill nicht nehmen ließ und ihr Radio voll aufdrehte und jedes Lied, das gespielt wurde mitsang. Sie wusste genau, wie sehr ihr Bruder es hasste, wenn sie dies tat. Denn sie war eine grauenhafte Sängerin. Immer wieder sah sie aus den Augenwinkeln zu Marcus herüber, der stur gerade aus stierte. Sein Blick war leer und verlor sich im Nichts. Er machte auch keine Anstalten sich über den nervtötenden Gesang ihrerseits zu beschweren, noch schnaubte er belästigt auf. Er saß, wie zur Steinsäule erstarrt neben ihr. Es schmerzte sie sehr ihren Bruder so zu sehen. Einst war er ein so fröhlicher und offener Mensch gewesen. Er hatte sie stets zum Lachen bringen können, egal wie schlecht es ihr ging. Doch sie vermochte dies nicht bei ihm.

Da saß er nun, eine leere Hülle seiner selbst. Jeglicher Freude am Leben beraubt und sie konnte nichts tun um ihn aufzuheitern. Ihre gesamte Hoffnung beruhte auf dem Plan, den sie und ihre Eltern ausgeheckt hatten und sie betete, dass er Wirkung zeigen möge.
Wenn wir dir schon nicht helfen können, dann vielleicht sie, dachte sie bei sich, während sie vor einem großen Gebäudekomplex parkte.
Er wirkte wenig einladend. Ein großer grauer Betonklotz mit vielen Fenstern. Büros und Praxen waren darin untergebracht und eine gewaltige Anzeigetafel offenbarte welche Firmen sich dort eingemietet hatten.

“Wir sind da”, eröffnete sie ihrem Bruder und nickte in Richtung des Gebäudes. Fragend runzelte er die Stirn.
“Und was wollen wir hier?”, wollte er etwas verwirrt von ihr wissen.
“Nun”, begann sie und visierte ihr Lenkrad an. Sie konnte Marcus jetzt nicht in die Augen sehen. Zu groß war ihre Angst vor seiner Reaktion. “Mom, Dad und ich waren der Meinung, dass es dir vielleicht helfen würde, wenn du mit jemanden über deinen Verlust sprichst, der wohl besser weiß, wie du dich fühlen musst.”
Auch wenn sie ihren Bruder nicht ansah so merkte sie, dass er sie scharf musterte. Sie spürte seinen bohrenden Blick.
“Was soll das bedeuten?”, hakte er zischend nach.
Voller Überzeugung sah sie in seine zu Schlitzen verengten Augen. Eine ihr unbekannte Kühle schlug ihr förmlich entgegen. Noch nie zuvor hatte sie einen solchen Ausdruck auf Marcus Gesicht gesehen. Eine Mischung aus Zorn und Abscheu lag darin. Ihr war bereits klar, dass er ahnte worauf sie hinauswollte.
“Wir haben eine Sprechstunde bei einer Psychiaterin arrangiert. Sie kann dir sicher helfen deine Trauer zu bewältigen. Du bist dazu allein nicht im Stande und lässt dir ja auch sonst nicht helfen. Sie ist erfahren im Umgang mit Leuten wie dir”, versuchte sie ihm zu erklären.
“Mit Leuten wie mir?”, wiederholte er entsetzt und schüttelte verständnislos den Kopf. “Du meinst also, dass ein Psychiaterin weiß, wie es mir geht? Du denkst sie kann verstehen was in mir vorgeht und wie ich fühle? Wieso glaubst du, dass sie das kann? Hat sie vielleicht auch jemanden verloren, der ihr am Herzen lag? Ist ihr Ehemann gestorben oder besitzt sie telepatische Fähigkeiten, die es ihr ermöglichen meine Gefühle nachzuvollziehen? Wie könnt ihr nur so dumm sein und glauben, dass sie wüsste, wie es mir geht?”
Marcus Herz schlug ihm gegen die Brust und er verlor die Kontrolle über sich und brüllte voller Wut auf seine Schwester ein. Er konnte fühlen wie die Hitze des Zorns seinen Kopf erröten ließ und sah sich außer Stande die Kontrolle über seine Gefühle zurückzugewinnen.

Entsetzt versuchte Jill seinem harten Blick standzuhalten. Sie hatte es doch nur gut gemeint und nun musste sie sich so anschreien lassen. Alles was sie wollte war ihm zu helfen, doch er machte sie deshalb fertig. Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie versuchte sich mit zittriger Stimme zu verteidigen: “Vielleicht mag sie nicht genau nachvollziehen können, wie du dich fühlst und wie es dir geht. Aber sie kann dir helfen. Du verschließt dich vor uns, wir haben alles versucht, doch du lässt uns nicht mehr an dich ran. Was hatten wir denn für eine Wahl? Wir wollen doch nur, dass es dir wieder besser geht. Du musst lernen mit deinem Verlust klar zu kommen sonst wird er dich zu Grunde richten. Und denkst du wirklich, wenn du auch noch von uns gehst ist irgendwem geholfen? Willst du, dass wir genauso leiden müssen wie du? Sollen wir nach Nathans nun auch noch mit deinem Tod klarkommen? Bitte, bitte lass dir helfen. Ich flehe dich an. Wir wollen dich nicht auch noch verlieren!”
Sie war am Ende ihrer Kräfte. Den ganzen Tag schon hatte sich Stärke bewiesen, doch nun brachen die Tränen aus ihr heraus und sie schluchzte unaufhörlich. Sie konnte nicht mehr, wieso nur musste er es ihr und allen anderen nur so schwer machen.

Jills Worte trafen Marcus wie ein Faustschlag und erst jetzt begriff er wie sehr seine Familie wegen ihm litt. Wie ein unaufhörliches Echo hallten ihre Worte in seinem Kopf wieder.

Willst du, dass wir genauso leiden müssen wie du? Sollen wir nach Nathans nun auch noch mit deinem Tod klarkommen? Bitte, bitte lass dir helfen. Ich flehe dich an. Wir wollen dich nicht auch noch verlieren!

Plötzlich tat es ihm leid, dass er sie so angefahren hatte und sein Zorn verebbte. Tröstend drückte er die junge Frau an seine Brust und streichelte ihr behutsam über den Kopf.
Noch immer weinte sie und auch das Schluchzen wollte nicht nachlassen.
“Es tut mir leid”, flüsterte er ihr zu. “Ich war so dumm. Ich war so sehr damit beschäftigt um Nathan zu trauern, dass mir nicht aufgefallen ist, was ich euch dadurch antue. Ich war blind für alles andere und wollte ihm Gedenken, wie ich es für richtig hielt. Ich habe mein Leben und mich aus den Augen verloren. Es tut mir so leid. Aber er fehlt mir. Verstehst du? Es ist als wäre alles kaputt. Von einer Sekunde auf die andere ist mein Leben in den Grundfesten erschüttert worden und nun habe ich nicht mehr die Kraft aufzustehen. Ich habe es versucht. Glaub mir, ich habe es versucht.”
Vorsichtig löste sich Jill aus der Umarmung und wischte ihre tränennassen Augen ab. Die Schminke in ihrem Gesicht war total verlaufen und ein weiteres Schluchzen entrann ihrer Kehle. Es tat gut solche Worte von ihrem Bruder zu hören. Auch wenn er gebrochen war, so hatte er endlich eingesehen, dass er etwas tun musste. Liebevoll strich sie ihm über die Wange und sah ihm tief in seine tränenglitzernden Augen.
“Dann lass dir helfen. Du musst das nicht allein durchstehen. Wir sind für dich da und auch die Psychiaterin wird dir beistehen, wenn du sie nur lässt. Versuch es wenigstens, wenn sie dir nicht helfen kann, dann musst du ja nicht wieder zu ihr gehen”, appellierte sie an seine Vernunft.
Marcus schlug, schwer schnaubend, die Hände über seinem Kopf zusammen und starrte unschlüssig an die Decke. Tausende von Gedanken gingen ihm durch den Kopf und doch wusste er, dass sie recht hatte. Er sollte es versuchen und sich endlich helfen lassen.
“Du hast recht”, gestand er ihr zu. “Ich werde ihr eine Chance geben.”
Erleichtert schloss Jill ihn in ihre Arme.
“Danke Bruderherz. Danke, danke, danke.”
Während er ihre Umarmung erwiderte rann eine einzelne Träne über sein Gesicht.

~ Ende Kapitel 2 ~
Phönixtear ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.05.2012, 18:07   #10
männlich Ex-Peace
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2011
Beiträge: 3.449


Das hast du sehr gut geschrieben!
Ein anderer Ausflug wäre vielleicht "schöner" gewesen,
aber dieser Ausflug ist wohl der Wichtigste, den sie
mit ihm hätte machen können.
Ich mag deine Texte.

Liebe Grüße
Peace
Ex-Peace ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Bashert




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.