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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 26.09.2011, 00:14   #1
männlich Erich Kykal
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Dabei seit: 09/2011
Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Standard Eine Liebesgeschichte

Er sprach ihr zu, als fernes Ahnen
der Nacht schon ihre Sterne nahm,
da mancher auf des Himmels Bahnen
dem Dämmerlicht zu nahe kam.
Er sprach von dieser Nacht der Nächte,
von tief Empfundenem, und dann
hob er zum Herzen seine Rechte
und hub wie folgt zu bitten an:

So weit hast du mich nun gebracht,
oh Königin der Herzen du!
Sprich meiner Seele Mitternacht
den Trost des lichten Morgens zu,
auf dass sie sich in seinem Glanze
erhebe an der Liebe Schrein,
und lerne, dass das große Ganze
mit dir nur will ein Ganzes sein!

Sie lauschte ihm mit stillen Zügen,
sanft lächelnd nahm sie seine Hand
und flüsterte: Ich müsste lügen,
wenn ich dir sagte, ich empfand
dies ebenso, drum zahle zügig,
was du mir schuldest für die Zeit.
Nur dafür war ich dir gefügig,
erfüllte Pflicht und Schuldigkeit!

Zutiefst enttäuscht sah er sie scheiden
mit seinem Geld an ihrer Brust,
befahl den Dienern, ihn zu kleiden,
und fluchte ihr und aller Lust!
Sie aber konnte Nahrung zahlen
für ihre Kinder, und dem Mann
den besten Arzt für seine Qualen,
damit er ihr gesunden kann!

Der eine, der sein Fühlen spielte,
wie er sein ganzes Leben spielt;
die andre, die sein Spielen fühlte,
da ganz ihr Sinn den Liebsten gilt.
So sagt mir, die ihr alles richtet:
Wer handelte nach eurem Recht?
Der Reiche, der sich Liebe dichtet,
oder der Liebe ärmster Knecht...
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.09.2011, 08:01   #2
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Standard Eine Liebesgeschichte

Halli Hallo, Erich Kykal -


Die Antwort fällt leicht.
Du hast die Geschichte wieder in wundervolle Verse gekleidet.
Auch wenn die letzte Zeile maskulin ist (unvermeidlich?), ist Dein Gedicht Honig in meinen Ohren, falls das geht.
Schön!


Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.09.2011, 13:05   #3
Ex-Kaleidoskop
abgemeldet
 
Dabei seit: 07/2011
Beiträge: 217

Hallo Erich,

hier passt die altertümliche Ausdrucksweise hervorragend. Da es die Ironie der
Geschichte noch verdeutlicht.

Einzig den Aufruf zum Richten finde ich unschön.

lg,
kalei
Ex-Kaleidoskop ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.09.2011, 16:56   #4
männlich Erich Kykal
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Dabei seit: 09/2011
Ort: Österreich
Alter: 59
Beiträge: 876

Hi, Rom!

Naja, ich wollte das Ende nicht nur des Reimes wegen neutral halten: Es soll ja auch Männer geben, die alles für ihre Familie tun - muss ja nix Sexuelles sein...

So kann "der Knecht" jeder sein, und jeder kann sich damit identifizieren.

Das Ganze ist eine Goethereminiszenz, oder zumindest dem Stil des Klassizismus nachempfunden. Es spielt auch zu jener Zeit - siehe "...befahl den Dienern, ihn zu kleiden...". Vielleicht eine Kurzballade oder so...

Hi, Kal!

Im Grunde ist es kein Aufruf zum Richten. Lies genau:

Ihr, die ihr (über) alles richtet, sagt mir:

Gemeint sind jene, die gern und rasch und meist sehr konservativ ein Urteil fällen und im Nimbus "moralischer" Überlegenheit nur allzu gern den Stab über andere brechen!

Wer handelte nach eurem Recht?

Hier stellt sich die Frage, auf welches Recht angespielt werden soll, und ich habe das bewußt im Unklaren gelassen: Das allgemeingültige, aber eben blinde Recht der Gesetze, das diese Frau als Hure sieht und aburteilt, egal, warum sie so handelte, oder das Menschenrecht, das moralische, übergeordnete Recht, das die Menschen so gern ignorieren, damit es einfach bleibt, überschaubar und wenig Arbeit - dieses Recht unterstützt die Frau, die sich ausnützen lässt, um jenen, die sie liebt, zu nützen.
Welches Recht gemeint ist, sollen die "Richter" über Gesetz und Moral, die wir alle sind, also jeder für sich entscheiden am Ende dieser Geschichte.

LG, eKy
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
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