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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 19.08.2005, 11:16   #1
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

Standard 91 Worte an meinen Vater


91 Worte an meinen Vater

Ich habe den Schatten eines fremden
Mannes gefunden. Damals. Er passte
mir nicht und doch habe ich mich ihm
an die Fersen geheftet. Er weiß den
Weg. Aber er schweigt. Er schweigt
immer. So oft zieht er meine Beine
in die andere Richtung, dass ich
niemals ankomme. Nirgends. Verzeih.

Ich habe meinen Namen vergessen.
Aber ich weiß woher der Wind weht
und wie man diese Worte zähmt, die
wilden Hunden gleich durch meinen
Verstand streunen. Ich mag keine
langen Gedichte. Und wir werden
sicher auch ohne viele Worte
einander verstehen. Irgendwann.
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Alt 19.08.2005, 11:23   #2
weiblich ravna
 
Benutzerbild von ravna
 
Dabei seit: 04/2005
Ort: Berlin
Alter: 38
Beiträge: 732

:up:
ravna ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.08.2005, 16:01   #3
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.08.2005, 12:48   #4
manfred
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 137

Standard Zudenken

Hallo Tagedieb,

das Heraustreten, das Entbinden und Getrenntsein verdeutlichen zu können und zugleich den Zusammenhang zu wissen und irgendwo auch in seinem Suchen zu mögen ...
Das hast du, meinem Empfinden nach, auf eine recht gut gelungene Weise durch deine Zeilen dargestellt. Sehr schön: "weiß woher der Wind weht und wie man diese Worte zähmt..."

Lieben Gruß
Manfred
manfred ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.08.2005, 16:35   #5
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

Dank Dir Manfred.
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.08.2005, 10:51   #6
Don Carvalho
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 180

Hallo Tagedieb,

das gefällt mir auch. Die Überschrift ist sehr direkt und lässt einem wenig Interpretationsspielraum: diese Worte sind an den Vater des lyrischen Ichs gerichtet, auf andere Gedanken kommt man beim weiteren Lesen nicht mehr. Das ist aber nicht nur nicht schlimm, sondern geradezu gut (und ich formuliere nicht nur nicht normal, sondern geradezu seltsam ). Denn viele Gedanken und Bilder in Deinem Gedicht erlangen erst ihre besondere Schwere, wenn man sie auf den Vater des lyrIchs bezieht.

Die zweite Str. ist noch stärker als die erste. Die von Manfred hervorgehobene Zeile sagt mir ebenso zu, aber auch das Ende ist sehr clever: bevor noch das Gedicht dem Leser zu lang werden kann, teilt das lyrIch mit, dass es lange Gedichte ebenfalls nicht mag - ein sympathischer Zug. Und dann wird die hoffnungsvoll-hoffnungslose conclusio hinterhergeschoben: irgendwann werde man sich sicher auch ohne viele Worte verstehen...

Ich habe es übrigens gezählt (bzw. word hat das für mich übernommen): es sind tatsächlich 91 Wörter. Was hätte ich wohl gegrübelt, wenn welche gefehlt hätten - womöglich unausgesprochen geblieben wären? Vor derartigen Grübeleien hast Du mich bewahrt... eigentlich auch irgendwie Schade...

Dennoch: gefällt mir, hab ich gern gelesen,

Don Carvalho ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.08.2005, 08:27   #7
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

Dank an Don.

Dein Kommentar brachte mich nicht nur nicht zum Heulen, sondern direkt zum Schmunzeln.

Ich hatte auch Word zählen lassen. Dass Du es "überprüft" hast, zeigt wieviel Mühe Du Dir als Leser mit anderen Texten gibst. Wenn da jetzt gestanden hätte 110 Worte ... interessanter Gedanke. Aber nun ist es zu spät.

... Allerdings muss ich jetzt sehr über die unausgesprochenen Worte nachdenken. Aus denen kann man kein Gedicht machen; nur etwas in Richtung konkreter Poesie.

Gruß
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.08.2005, 09:19   #8
Don Carvalho
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 180

Ich muss gestehen, dass ich schon begonnen hatte, die Wörter selbst zu zählen (das hätte ich auch getan ), bevor ich mich glücklicherweise an die word-Funktion erinnerte ...

Aber warum brachte Dich mein Kommentar zum Heulen?

Don Carvalho ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.08.2005, 21:40   #9
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

... ey Don: "nicht zum Heulen". Sei beruhigt.
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.08.2005, 11:09   #10
Don Carvalho
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 180

Ups... tja, wer lesen kann, ist klar im Vorteil !

Sorry,

Don Carvalho ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.08.2005, 13:07   #11
Otmar
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 11

Standard RE: 91 Worte an meinen Vater

Hallo!

Ich finde Dein "Nachdenken" könnte sich lohnen.

Ich schrieb mal...

"Manchmal
spricht
mein Vater
der einmal war
mit meiner Stimme
weil sie noch ist

und manchmal

bin ich froh".


Grüße Otmar
Otmar ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.09.2005, 08:09   #12
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

@ Otmar: Dein Kurzgedicht ist schön; aber ich könnte es nicht unterschreiben. Zumindest mein Vater spricht nicht so viel. Auch nicht mit meiner Stimme. "Das Schweigen der Väter" (das wäre ein schöner Buchtitel) - siehe dazu auch: "vaters land".
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.09.2005, 14:48   #13
Kayoko
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 40

Hm, ungefähr wieder dieselbe Thematik, wie bei dem anderen Gedicht, dass ich gelesen habe, was aber natürlich nicht schlecht ist. Es ist viel mehr sehr traurig und irgendwie herzergreifend. Deine Gedichte gefallen mir wirklich sehr, mach weiter so
Kayoko ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.09.2005, 19:36   #14
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

thx, Kayoko! Ja, die Thematik ist ähnlich. Weiß nicht, ob der Versuch mit Gedichten das Schweigen aufzuwiegen gelingen kann. Vielleicht ist ja Poesie nur das Symptom einer Krankheit.
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.09.2005, 20:33   #15
Kayoko
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 40

"Poesie ist, zu umschreiben, was man sieht, um erkennen zu lassen, was nicht sichtbar ist"
Vielleicht wird es ja mal besser =(
Kayoko ist offline   Mit Zitat antworten
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