Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 17.02.2008, 17:04   #1
thojest
 
Dabei seit: 02/2008
Beiträge: 6


Standard Schachfigur

Und da stand er nun. Die vor Angstschweiß klebrige Hand zur Faust geballt, beäugte er den Großstadttrubel, welchen die Höhe des zehnten Stocks leichtfertig in ein nichtiges Puppentheater verwandelte. So distanziert von dem, was er doch so hasste, vermochte es sich fast ein Lächeln durch die der Lebensfreude verdorrten Lippen zu kämpfen, wurde aber durch den eisigen Wind dieser Höhe verweht, ehe man es hätte wahrnehmen können. Verbittert über den vergangenen Schmerz in seiner gescheiterten Existenz und verängstigt über den zukünftigen Schmerz des erlösenden Aufpralls umklammerte seine Hand versteinert den Fensterknauf. Am liebsten würde er einfach tot sein. Einfach nicht mehr existieren. Dem sinnlosen Konstrukt Leben ein Ende setzen. Hier und Jetzt. Doch sterben wollte er nicht. Nicht wagte er es an die höllischen Schmerzen zu denken. Nicht wagte er es an das Geräusch zu denken, wie achtzig Kilogramm totes Fleisch unter knirschendem Stöhnen zusammengestaucht und von den eigenen Knochen aufgespießt werden. Nicht wagte er daran zu denken, wie viel Sekunden es dauern würde bis die Bewusstlosigkeit ihn vertrösten würde, oder wie es sich kurzzeitig anfühlen würde. Eine Träne entfuhr den sonst restlos vertrockneten und leer geweinten Augen und fiel dorthin, wohin er selbst gleich fallen sollte. Sicher war er Zeit seines Lebens dieser Welt ein Fremder gewesen. Niemand konnte ihn verstehen. Jeder verlangte, dass er versteht. Und eins hatte er verstanden, nämlich dass das Leben nichts Schönes für ihn bereithielt. Zögerlich atmete er tief ein und spürte, dass es an der Zeit war. Er trat auf die Fensterkante zu, schaute dem asphaltfarbenen Tod in die Augen und setzte einen Schritt. Einen Schritt ins Nichts. Sein Leben schoss ihm in Bildern unweigerlich durch den Kopf. Jeder Erinnerung, welche ihn zuvor schon gebrandmarkt hatte, war er nun gequält zu durchleben. So fiel er. Und fiel. Und fiel. Bis ihn das Puppentheater zu verschlucken drohte. Sowie er aufschlug war die Bühne des Theaters um einen Schauspieler ärmer. Doch so musste es sein. Denn unzählige Schauspieler drängeln schon, um die Bühne zu betreten. So ist es doch gut, wenn sie einer freiwillig verlässt.
thojest ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2008, 20:50   #2
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo thojest,

ich bin etwas enttäuscht, dass dies wieder eine der vielen Selbstmordgeschichten ist, die nichts anderes macht, als die Gesellschaft zu kritisieren und den Prot kurz vor dem Sprung zu zeigen.
Dabei hast Du es in eine wirklich gute Sprache gekleidet. Teils mit grammatisch schwierigen Konstrukten, aber trotzdem verständlich, ohne Fehler und interessant in ihrer Varianz. Ich glaube jedenfalls, Du kannst Besseres schreiben.

Zitat:
vermochte es sich fast ein Lächeln durch die der Lebensfreude verdorrten Lippen zu kämpfen
Warum das "es"? Das erfüllt keine Funktion.

Zitat:
Nicht wagte er daran zu denken, wie viel Sekunden es dauern würde bis die Bewusstlosigkeit ihn vertrösten würde, oder wie es sich kurzzeitig anfühlen würde.
Das "Nicht wagte er" ist eine verquere Satzstellung, aber sie stört mich hier kaum. Das dreifache "würde" dagegen solltest Du vermeiden.

Zitat:
Jeder Erinnerung, welche ihn zuvor schon gebrandmarkt hatte, war er nun gequält zu durchleben.
Jeder Erinnerung war er gequält zu durchleben? Das klingt sehr verkünstelt.

Zitat:
Doch so musste es sein. Denn unzählige Schauspieler drängeln schon, um die Bühne zu betreten. So ist es doch gut, wenn sie einer freiwillig verlässt.
Du änderst hier plötzlich Deine Zeitform.

Grüße

Struppigel
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Schachfigur




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.