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Alt 26.02.2011, 18:13   #1
weiblich FeelLetter
 
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Standard Sommerregen

Auf dem Kopfsteinpflaster standen zwei Männer. Manchmal gingen sie in einem Fluss lärmender Menschen unter, doch auch danach bildeten sie immer noch diesen Ruhepol, der sich langsam auf meinen Haarspitzen der Arme breit machte. Ich war gerade aus dem Auto gestiegen. Schon als wir die Parklücke angefahren hatten, waren mir die beiden aufgefallen. Kleine Tröpfchen hatten sich an der Windschutzscheibe festgesetzt, der Himmel zeigte eine dünne, graue Wolkenschicht. Doch es war warm draußen, kein Halm bewegte sich. Und auch die Menschen ließen sich noch nicht in ihre Häuser treiben. Kinder hielten eifrig schleckend Eistüten in ihrer Hand.

Das erste, das ich hörte, als ich die Autotür aufstieß, war ein Lachen, dessen Quelle nicht auszumachen war. Ich fühlte mich schwer, als würde sich eine Decke um mich breiten. Eine schützende Decke. Irgendwie musste ich grinsen und sofort drehte ich meinen Kopf in die Richtung der beiden Männer. Ich blieb stehen und beobachtete die beiden. Ein Tröpfchen fiel mir auf die nackte Schulter. Es fühlte sich gut an. So rein und erfrischend. Als sich die beiden Männer umarmten, spürte auch ich die warmen Arme um meinen Körper. Mein Gesicht verzog sich und ein seltsamer Laut fiel durch meine Lippen auf das Kopfsteinpflaster. Mich umschwirrte dieses seltsame Glücksgefühl, das sich immer am Anfang der Schulferien ausbreitete. Den Nachmittag hatte ich mit Freunden am nahegelegenen See verbracht. Die Hitze der letzten Tage hatte sich langsam in den Herzen festgesetzt. Jeder einzelne Tropfen, der jetzt vom Himmel fiel, trug diese Vertrautheit mit sich. Freiheit. Leichtigkeit. Vielleicht war ich wirklich glücklich. Wie die beiden Männer. Jetzt hielten sie sich an den Händen und streichelten ihre Finger. Ich atmete einmal tief ein und wieder aus.

Papas Schwester war nun auch aus dem Auto gestiegen. Unsicher schaute sie in den Himmel und wischte sich einen Regentropfen von der Nase. Hastig suchte sie den Regenschirm und fand ihn schließlich unter der Hinterbank. Das T-Shirt war ihr ein wenig hochgerutscht, doch jetzt zog sie sich zufrieden die Hose hoch, strich sich das Haar hinter die Ohren. Sie öffnete den Regenschirm. Er war viel zu groß für nur einen. Sie ging um das Auto herum und blieb an meiner Seite stehen. Der Regenschirm drückte mir an meinen Kopf und ich wich einen Schritt auf die Seite. Sie machte keine Anstalten, mir einen Platz unter ihm anzubieten, aber ich brauchte auch keinen. Diese wenigen Tröpfchen störten mich nicht, im Gegenteil. Jetzt erst erblickte meine Tante die beiden lachenden Männer, gerade als sie sich einen kurzen Kuss auf den Mund gaben.

Ich hatte nun genug zugeschaut und wollte auf sie zulaufen. Doch bevor ich mich in Bewegung setzen konnte, mein entspanntes Strahlen schon auf den gesamten Körper ausgebreitet, bevor ich durch lautes Rufen und erfreutes Winken meinen Papa und dessen Freund auf mich aufmerksam machen konnte, zog mich meine Tante unter das dunkle Dach ihres Regenschirms und zischte: „Komm, wir fahren wieder.“
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