Damien bei Poetry.de

Thing · 19.04.2014, 22:10

oder
Der letzte Dialog

Geknüppelt bin ich, ungetröstet.
Heut gibts für mich die letzte Nacht.
Das Grauen hat bei mir gewacht.
Na - morgen werde ich geröstet.

Das weiß ich. Urteil ist gesprochen.
Ich habe meinen Schweiß gerochen.
Getrocknet hast Du ihn mir nicht.
Schenkst Du das bittere Gericht?

Die Pferde sind schon angeschirrt.
Der Henker röhrt laut Deinen Namen.
Dank Folter kann ich nur noch lahmen.
Hast Du Dich dieses Mal geirrt?

Das Feuer brennt jetzt unterm Tiegel,
die Zangen glühen in der Glut.
Ich selbst bekam schon zwei der Siegel.
Du, Herrgott, meinst es wirklich gut?

Ich handelte in Deinem Namen,
denn nur Dein Wort hat mich geschickt.
Heut hast Du eifrig weggeblickt.
Und keine Deiner Engel kamen.

Die Kreuzigung? Ich trüg sie leicht.
Wie stieg' ich gern nach Golgatha!
....
In ein paar Stunden wärs erreicht.

Ich höre schon die Rosse schnauben.
Kein Wort von Dir. Kein Wort. Kein Wort.
Daß ich verrecke - so - für meinen Glauben -
das treibt von Deinem Schweigen mich weit fort.

Schau zu, wenn Dir das Töten wird.
Der letzte Seufzer gilt nicht Dir.
Er gilt der Marter. Heut und hier.
Vier Pferde sind jetzt angeschirrt.

Ich hoffe, daß sich niemand mehr zu Dir verirrt.

.
G., dem weitaus Besseren gewidmet

Sylvester · 20.04.2014, 20:29

Hallo Thing,

das liest sich ja sehr düster. Das LI sozusagen gottverlassen in den letzten Stunden.

Bei dem Titel dachte ich erst an den gleichnamigen Horrorfilm, aber nach Ansicht des Textes vermutete ich einen Apostel oder Jünger. Wahrscheinlicher noch handelt es sich wohl um einen Märtyrer.

Da ich in der Hinsicht nicht allzu belesen bin und G. nicht identifizieren kann, bleibt mir nur die Bewunderung für Dein Gedicht. In "Fantasy, Religion" etc. wolltest Du es partout nicht einstellen ?

Frohes Osterfest und Gruß,
Sylvester

Thing · 20.04.2014, 20:33

Robert-François Damiens oder Damien (* 9. Januar 1715 in La Thieuloye bei Arras; † 28. März 1757 in Paris) verübte 1757 ein fehlgeschlagenes Attentat auf den französischen König Ludwig XV. Er zählt zu den letzten Verurteilten, die mit der traditionellen grausamen Bestrafung für Königsmörder (Vierteilung) hingerichtet wurden.

Seit Gummibaum ihn vor kurzem verdichtet hat, ließ mich das Thema nicht mehr los.
Hab Dank für Deinen Kommentar!

LG
Thing

gummibaum · 21.04.2014, 13:35

Lieber Thing,

die Abrechnung mit Gott, für den sich Damien einsetzte und der ihn im Stich ließ, ist sehr eindringlich geschrieben. Vor allem in der fünften Strophe wird im "eifrig weggebblickt" die Feigheit und Verantwortungslosigkeit des himmlischen Vaters auf den Punkt gebracht.

Sehr gern gelesen
gummibaum

Weiteres Material dazu z.B. unter:

http://gutenberg.spiegel.de/buch/445/7

Thing · 21.04.2014, 13:44

Um es den Lesern noch einmal vor Augen zu führen:

https://www.poetry.de/showthread.php?t=35635

Mein Text war - bedingt durch die peinigende Aufwühlung - eher gefetzt als sorgsam gesetzt.

Thing · 03.04.2016, 14:23

Liebe Leser,

mein Gedicht wurde a.a.O. als fürchterliche Gotteslästerung in der Luft zerfetzt, besonders heftig und unnachgiebig von der Erstellerin d i e s e s Gedichts:

https://www.gedichte.com/showthread....ender-Manifest

Leider habe ich das viel zu spät entdeckt. Es hätte ihrer Haßtirade den Wind aus den Segeln genommen.

Je nun:
Besser spät als nie.

Ex-Poesieger · 03.04.2016, 16:52

Wegweisend in die ödnis.

Thing · 03.04.2016, 16:55

Ja nicht?
Diese öde Angela...
aber das ist unfein, was man mit ihr veranstaltet.

Ilka-Maria · 03.04.2016, 17:25

Gotteslästerung ... ja nun, selbst wenn ...

Ich kann mich an einen Film erinnern, in dem Gene Hackman als Priester pausenlos mit seinem Gott haderte, weil er beim Versuch, eine Gruppe von Menschen aus einem gekenterten Schiff zu retten, ständig auf Hindernisse stieß. Dieser Priester nahm das sehr persönlich.

Und als was soll ich einen Film wie "Dogma" bezeichnen?

Das Thema wäre etwas für einen gesonderten Faden: "Ist Gott unfehlbar, oder darf der Mensch ihn lästern?"

Thing · 03.04.2016, 17:32

Je nun,

da essich nicht um ein fiktives Schicksal handelt, steht es m.E. in der richtigen Rubrik.
Wer mein Gedicht als Gotteslästerung bezeichnet, kann nicht richtig lesen.

Was den plumpen "Vater-Unser"- Mißbrauch angeht:
Schwamm drüber.

Ex-Lichtsohn · 06.04.2016, 11:58

Thing,

irgendwelche anstößigen Sachen kann ich nicht erkennen. Für mich persönlich wird es den Unterschied zwischen "Glaube an Gott mit dem ich reden kann wenn ich auf dem Gipfel eines Berges im wunderschönen Salzkammergut sitze - auch wenn ich letztlich nur laut mit mir selbst rede" und "dem aufgesetzten kämpferisch-fanatischen Gejaule einiger verblödblendeter Sektierer die sich nur um der Worte willen gern selbst reden hören" immer geben.

Für mich ist dieser Text ein wunderbares Lehrbeispiel. Er ist sehr fein gearbeitet und folgt einer strengen psychologischen Klarheit. Zwar wirkt er inhaltlich ein wenig beklemmend und es fällt schwer ihn Angesichts des nahenden Frühlings und "meines persönlichen Frühlings" objektiv zu beurteilen, aber ich halte ihn dennoch für richtig, richtig gut.

Alles Liebe für dich
vom
Lichtsohn

urluberlu · 06.04.2016, 12:58

Hallo Thing!
Da muss einer so was von empathisch sein, dass er sich wie du hier die Haut eines andern überziehen kann, ohne dass sie Falten wirft!
Bei mir reicht es leider nur zu einer kleinen Stilstudie in honorem tuam:

Geknüppelt bin ich, ungetröstet.
Heut gibts für mich die letzte Nacht.
Das Grauen hat bei mir gewacht.
Na - morgen werde ich geröstet.

Gebügelt bin ich, ungewässert.
Heut gibt‘s für mich den schlimmsten Fleck.
Ich lag zwei Stunden lang im Dreck.
Na - morgen werde ich gebessert.

Geschlagen bin ich, ohne Beten.
Heut gibt‘s aus mir das neue Brot.
Der Bäcker hat mir schon gedroht.
Na - morgen lass ich doch noch kneten.

Geschrieben bin ich, ungelesen.
Heut gibt‘s für mich das letzte Wort.
Erst war es hier, nun ist es fort
Na - morgen ist Gedicht gewesen.

LGU

Thing · 06.04.2016, 16:44

Zitat:

Zitat von Ilka-Maria

Gotteslästerung ... ja nun, selbst wenn ...

Ich kann mich an einen Film erinnern, in dem Gene Hackman als Priester pausenlos mit seinem Gott haderte, weil er beim Versuch, eine Gruppe von Menschen aus einem gekenterten Schiff zu retten, ständig auf Hindernisse stieß. Dieser Priester nahm das sehr persönlich.

Und als was soll ich einen Film wie "Dogma" bezeichnen?

Das Thema wäre etwas für einen gesonderten Faden: "Ist Gott unfehlbar, oder darf der Mensch ihn lästern?"

Damien hat Gott nicht m it einem einzigen Wort gelästert.
Er konnte lediglich nicht mehr an ihn glauben; er, der einer der festesten Gläubigen war (sonst hätte er kein Attentat versucht).

Thing · 06.04.2016, 16:47

Zitat:

Zitat von Lichtsohn

Thing,

irgendwelche anstößigen Sachen kann ich nicht erkennen. Für mich persönlich wird es den Unterschied zwischen "Glaube an Gott mit dem ich reden kann wenn ich auf dem Gipfel eines Berges im wunderschönen Salzkammergut sitze - auch wenn ich letztlich nur laut mit mir selbst rede" und "dem aufgesetzten kämpferisch-fanatischen Gejaule einiger verblödblendeter Sektierer die sich nur um der Worte willen gern selbst reden hören" immer geben.

Für mich ist dieser Text ein wunderbares Lehrbeispiel. Er ist sehr fein gearbeitet und folgt einer strengen psychologischen Klarheit. Zwar wirkt er inhaltlich ein wenig beklemmend und es fällt schwer ihn Angesichts des nahenden Frühlings und "meines persönlichen Frühlings" objektiv zu beurteilen, aber ich halte ihn dennoch für richtig, richtig gut.

Alles Liebe für dich
vom
Lichtsohn

Daß ein gemarterter Christ, auf den die öffentliche Vierteilung wartet, nach schlimmer Folter an seinem Gott zweifelt - m i c h wundert das nicht.

Auch für Dich alles Liebe
von
Thing

Ex-Poesieger · 08.04.2016, 11:01

Hauptsache schön deutlich angesprochen.

Thing · 08.04.2016, 11:47

Finde ich auch.
Danke, Robert!

19.04.2014, 22:10	#1
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Damien oder Der letzte Dialog Geknüppelt bin ich, ungetröstet. Heut gibts für mich die letzte Nacht. Das Grauen hat bei mir gewacht. Na - morgen werde ich geröstet. Das weiß ich. Urteil ist gesprochen. Ich habe meinen Schweiß gerochen. Getrocknet hast Du ihn mir nicht. Schenkst Du das bittere Gericht? Die Pferde sind schon angeschirrt. Der Henker röhrt laut Deinen Namen. Dank Folter kann ich nur noch lahmen. Hast Du Dich dieses Mal geirrt? Das Feuer brennt jetzt unterm Tiegel, die Zangen glühen in der Glut. Ich selbst bekam schon zwei der Siegel. Du, Herrgott, meinst es wirklich gut? Ich handelte in Deinem Namen, denn nur Dein Wort hat mich geschickt. Heut hast Du eifrig weggeblickt. Und keine Deiner Engel kamen. Die Kreuzigung? Ich trüg sie leicht. Wie stieg' ich gern nach Golgatha! .... In ein paar Stunden wärs erreicht. Ich höre schon die Rosse schnauben. Kein Wort von Dir. Kein Wort. Kein Wort. Daß ich verrecke - so - für meinen Glauben - das treibt von Deinem Schweigen mich weit fort. Schau zu, wenn Dir das Töten wird. Der letzte Seufzer gilt nicht Dir. Er gilt der Marter. Heut und hier. Vier Pferde sind jetzt angeschirrt. Ich hoffe, daß sich niemand mehr zu Dir verirrt. . G., dem weitaus Besseren gewidmet

20.04.2014, 20:33	#3
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Hallo, Sylvester - Robert-François Damiens oder Damien (* 9. Januar 1715 in La Thieuloye bei Arras; † 28. März 1757 in Paris) verübte 1757 ein fehlgeschlagenes Attentat auf den französischen König Ludwig XV. Er zählt zu den letzten Verurteilten, die mit der traditionellen grausamen Bestrafung für Königsmörder (Vierteilung) hingerichtet wurden. Seit Gummibaum ihn vor kurzem verdichtet hat, ließ mich das Thema nicht mehr los. Hab Dank für Deinen Kommentar! LG Thing

03.04.2016, 14:23	#6
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Später Nachtrag, Liebe Leser, mein Gedicht wurde a.a.O. als fürchterliche Gotteslästerung in der Luft zerfetzt, besonders heftig und unnachgiebig von der Erstellerin d i e s e s Gedichts: https://www.gedichte.com/showthread....ender-Manifest Leider habe ich das viel zu spät entdeckt. Es hätte ihrer Haßtirade den Wind aus den Segeln genommen. Je nun: Besser spät als nie.

06.04.2016, 12:58	#12
urluberlu R.I.P. Dabei seit: 07/2014 Alter: 73 Beiträge: 2.273 Meine Gedichte	So was von empathisch! Hallo Thing! Da muss einer so was von empathisch sein, dass er sich wie du hier die Haut eines andern überziehen kann, ohne dass sie Falten wirft! Bei mir reicht es leider nur zu einer kleinen Stilstudie in honorem tuam: Geknüppelt bin ich, ungetröstet. Heut gibts für mich die letzte Nacht. Das Grauen hat bei mir gewacht. Na - morgen werde ich geröstet. Gebügelt bin ich, ungewässert. Heut gibt‘s für mich den schlimmsten Fleck. Ich lag zwei Stunden lang im Dreck. Na - morgen werde ich gebessert. Geschlagen bin ich, ohne Beten. Heut gibt‘s aus mir das neue Brot. Der Bäcker hat mir schon gedroht. Na - morgen lass ich doch noch kneten. Geschrieben bin ich, ungelesen. Heut gibt‘s für mich das letzte Wort. Erst war es hier, nun ist es fort Na - morgen ist Gedicht gewesen. LGU

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Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.111 Meine Gedichte Meine Favoriten	Gotteslästerung ... ja nun, selbst wenn ... Ich kann mich an einen Film erinnern, in dem Gene Hackman als Priester pausenlos mit seinem Gott haderte, weil er beim Versuch, eine Gruppe von Menschen aus einem gekenterten Schiff zu retten, ständig auf Hindernisse stieß. Dieser Priester nahm das sehr persönlich. Und als was soll ich einen Film wie "Dogma" bezeichnen? Das Thema wäre etwas für einen gesonderten Faden: "Ist Gott unfehlbar, oder darf der Mensch ihn lästern?"

03.04.2016, 17:32	#10
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Je nun, da essich nicht um ein fiktives Schicksal handelt, steht es m.E. in der richtigen Rubrik. Wer mein Gedicht als Gotteslästerung bezeichnet, kann nicht richtig lesen. Was den plumpen "Vater-Unser"- Mißbrauch angeht: Schwamm drüber.

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Ex-Lichtsohn abgemeldet Dabei seit: 03/2015 Beiträge: 1.493 Meine Gedichte Meine Favoriten	Thing, irgendwelche anstößigen Sachen kann ich nicht erkennen. Für mich persönlich wird es den Unterschied zwischen "Glaube an Gott mit dem ich reden kann wenn ich auf dem Gipfel eines Berges im wunderschönen Salzkammergut sitze - auch wenn ich letztlich nur laut mit mir selbst rede" und "dem aufgesetzten kämpferisch-fanatischen Gejaule einiger verblödblendeter Sektierer die sich nur um der Worte willen gern selbst reden hören" immer geben. Für mich ist dieser Text ein wunderbares Lehrbeispiel. Er ist sehr fein gearbeitet und folgt einer strengen psychologischen Klarheit. Zwar wirkt er inhaltlich ein wenig beklemmend und es fällt schwer ihn Angesichts des nahenden Frühlings und "meines persönlichen Frühlings" objektiv zu beurteilen, aber ich halte ihn dennoch für richtig, richtig gut. Alles Liebe für dich vom Lichtsohn

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