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Alt 15.02.2014, 00:17   #1
weiblich Damaris
 
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Standard Was wäre wenn

Als Victoria und ihre Geschwister noch klein waren, verloren sie ihre Mutter am Erbe des Breast Cancer Gens. Vor fünf Jahren ist Victorias ältere Schwester daran gestorben. Dann erkrankte Victoria, sie hat ihren Brustkrebs besiegt, sich vorsorglich beide Brüste amputieren lassen.
Victoria ist Mitte 30, hat vor kurzem geheiratet, eine Tochter geboren.
Alles war perfekt, wenn nicht diese Rückenschmerzen gewesen wären. 'Chronisches Schmerzsyndrom' lautete die Diagnose. Sie gab sich damit nicht zufrieden und behielt leider Recht. Victoria hat Lungenkrebs mit Metastasen im Brust-, Bauchraum und in den Knochen. Sie, die lebensfrohe Ausgeflippte, die in keine Selbsthilfegruppe passte, ihr Leben nicht änderte, sich vom Krebs keine Vorschriften machen lassen wollte, wird nun von ihm, Zelle für Zelle, besetzt, wie zuvor ihre Schwester, Mutter und deren Mutter.
Was wäre, wenn sie es gewusst hätte, hätte sie dann aufgehört zu rauchen? Oder hat sie nicht aufgehört, weil sie es wusste? Wie kann es sein, dass man sich leichter von Körperteilen trennt, als von schädlichen Gewohnheiten? Wie erträgt das ein Mann, Frau und Töchter zu betrauern und zu hoffen, vor seinen Enkeltöchtern zu sterben? Was ist das für ein zynischer Gott, der die weibliche Linie einer Familie generationenweise ausradiert und dabei stetig für weiblichen Nachwuchs sorgt?
Ich will nicht um meine Freundin trauern, so lange sie lebt.
Victoria ist abgemagert, kann nicht mal mehr zum Supermarkt um die Ecke gehen, aber sie kann bei ihrer Familie zu Hause sein, bekommt Chemotherapie in Tablettenform und Bestrahlung. Das Morphin hilft gegen die Schmerzen. Sie kann wieder auf dem Rücken liegen, sich ohne Hilfe das Haar waschen. Ihr Mann ist wunderbar. Die kleine Tochter versucht, der Mama die Aua wegzupusten.
Gibt es Hoffnung? Worauf? Ist Lebensglück abhängig von Dauer oder Intensität?
Was wäre, wenn ich am Ende dieser Geschichte aus dem Haus gehe, von einem Fahrzeug erfasst werde und sterbe, vor der, die ich bemitleide? Was wäre, wenn ich vor meinem Tod noch Zeit hätte, mein Leben zu überdenken, den Teil, den ich gelebt habe und den anderen, den ich ungelebt verstreichen ließ? Was würde ich vermissen, bereuen, ändern wollen? Und, falls ich eine zweite Chance bekommen würde, würde ich dann alles besser machen: mich mutig am Leben berauschen - keinen Augenblick mit Trägheit, Neid und Hass vergeuden - Glaube, Hoffnung, Liebe in die Welt schwemmen - mein Potential entfalten – bewusst, dankbar, glücklich sein? Wäre irgendwann das Wissen um das Damoklesschwert der Endlichkeit des Lebens meinem Frohsinn nicht abträglich? Würde mein Streben nach Glück mich nicht vergessen lassen wollen, dass jeder Tag der letzte sein kann? Was wäre, wenn ich mich wieder eingerichtet hätte im Status der gefühlten Unsterblichkeit. Würde ich dann nicht genau so weiterleben, wie vor alledem?
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