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Alt 19.10.2012, 19:42   #1
weiblich Damaris
 
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Standard Fremdsprachen

„Gestatten: Frank, Frank und frei!“
Ich schenke meinem Spiegelbild ein positives, authentisches Lächeln der Freude, zähle bis 3, breche den intensiven Blickkontakt ab. Dauerglotzen empfinden Frauen als Bedrohung.
Mit zitternden Händen wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Ich bin aufgeregt wie vor meinem ersten Date vor 25 Jahren. Was für ein Reinfall. Ursula hat mich trotzdem genommen oder deshalb. Hat mich damit aufgezogen, vor unseren Freunden unmöglich gemacht, all die Jahre. „Unkultiviertes, weltfremdes Bürschchen.“ Sie, sie hat einen Mann daraus gemacht!
Dabei war ich es, der ihr die Kinder zeugte, für alle das Geld ran schaffte und das Reihenhaus baute oder mitbaute, den Bau organisierte. Darin sitzt sie jetzt mit Franz, dem Banker mit dem Bierbauch.
Und ich muss wieder von vorne anfangen. Dieses mal bin ich gut vorbereitet.
Ich atme tief durch, kämme mein Haar über die Halbglatze, stecke das gestreifte Hemd in die Jeans, ziehe den Bauch ein, schnalle den Gürtel fester und steige in die braun ledernen Cowboystiefel. Noch einmal übe ich an Hand des Buches 'Baggern mit Körpersprache' die glaubwürdig-kompetent nach oben geöffneten Handflächen und die Stellung 'Hände am Gürtel zeigen den Interessenbereich'. Dann setze ich mich hinters Lenkrad meines silbernen BMWs.
Wahrscheinlich steht sie noch halbnackt vorm Spiegel. Überlegt, was sie anziehen soll. Das machen Frauen immer. Das weiß ich von Ursula:
„Das blaue Kleid macht mich dick, findest Du nicht auch? Jetzt sag doch was!“
„Na ja“
„Ich bin Dir zu fett? Wie kannst Du!“
So eine Hexe ist meine fette Ursula.
Sabine dagegen, auf den Fotos – engelsgleich und spindeldürre. Die nehme ich heute mit nach Hause und Morgen spaziere ich mit ihr ganz zufällig an unserem Gärtchen vorbei, um die Mittagszeit, Arm in Arm. Wie wird sich Speckursel da aufregen!
Dann grüße ich recht freundlich: „Du siehst ja so wohl aus!“
Veilchenstraße 9, Orientbar, Parkplatz ist frei. Ich stecke mir die rote Rose ins Knopfloch, warte in meinem BMW auf Sabine. Es ist 5 Minuten vor der Zeit und natürlich wird sie nicht pünktlich sein, das sind Frauen nie! Hier noch ein Puderchen, Locken festkleben, BH drückt. Komplizierte Wesen. Männer dagegen: rein in die Hose und fertig.

* * *

Die Mieterwäsche drückt derart, ich habe Mühe beim Atmen. Vielleicht sollte ich nochmal zurück und das Hängekleidchen? Aber dann sieht er, dass ich 10 Kilo mehr wiege als auf den Profilfotos.
Alles wegen Dieter, der ging mir so auf die Figur!
'Mit der Bodyshaping-Unterwäsche zaubern sie die Pölsterchen einfach und mühelos weg.'
Vermutlich falle ich vom Barhocker und er stößt bei der Wiederbelebung auf die Omawäsche. Nein, ich atme nur in den Brustkorb, esse nichts und trinke wenig. Ich bin eine Dame.
Außerdem bin ich zu spät und es ist extrem schwierig in High heels schnell zu laufen, überhaupt zu laufen, dann auch noch damenhaft! Der alte Mann im silbernen BMW blendet mich mit der Lichthupe. Also sehe ich gut aus, mindestens für Opas. Hoffentlich gefalle ich auch dem schwarz gelockten Frank. Wo ist er eigentlich, es ist schon 10 Minuten drüber!
Mein Handy klingelt: „Dreh Dich mal um!“
Da steht der Opa hinter mir mit der roten Rose im Knopfloch und grinst wie ein rolliger Delphin.

* * *

„Sabine?“ lächele ich positiv authentisch, sie lässt das Handy fallen. Ich hebe es nicht auf, das wäre ein Fehler! Frauen sind heutzutage emanzipiert und wollen sich selber bücken.
„Du siehst ja so wohl aus,“ bewundere ich ihre viel runderen Rundungen. Sie wird blass und starrt mich an, ich starre zurück – 1, 2, 3 – unterbreche den Blickkontakt.
„Servus, Frank,“ stelle ich mich der Etikette wegen vor, „Frank und frei.“, deckele ich Sabines Hand, während ihre der schlaffen Forelle gleicht. Das heißt entweder, sie ist nicht interessiert oder -
„Nett, Dich kennenzulernen.“
- sie hat nur geringes Durchsetzungsvermögen.
Ich zeige ihr mit dem Fingerbrecher, wo es lang geht, Sabines Hand versteift sich, also lasse ich den Ran- und Runterzieher folgen. Sie stolpert vor mir die Treppe hoch in die Bar. Hastig nimmt sie an den für uns reservierten Tisch Platz. Ich muss ihr mehr Sicherheit vermitteln! Setze mich in die breit-möglichste Beingrätsche.
„Also gleich zuerst möchte ich Dir, liebe Sabine, mitteilen: Ich zahle alles. Denn Du hast schon die Bar ausgesucht. Du kannst bestellen, was Du willst, bestelle ruhig das Teuerste. Ich hab!“

* * *

„Wie nett!“, antworte ich Frank.
Für diesen Großkotz habe ich mich in die Folterunterwäsche gezwängt. Ohne könnte ich mich vollstopfen und hätte wenigstens etwas von dem Abend. Dabei wirkte er im Chat durchaus kultiviert. Und nun: breitbeinig fläzend, selbstgefällig grinsend – wie Dieter! Macht auf dicke Hose und das einzige, was raus kommt, ist heiße Luft und Zwiebackstaub. Genau wie Dieter.
Jetzt hebt er beide Arme, winkelt sie an, mustert prüfend seine rechte, dann die linke nach oben geöffnete Handfläche, bohrt mir seinen Blick in die Augen: „Du siehst viel besser aus“ – glotzt mir auf den Busen und zurück in mein Gesicht - „als auf den Fotos, viel rundlicher,“ - stiert auf meinen Bauch, dann wieder in die Augen - „weiblicher, scharfe Kurven!“, geilt er kopfnickend, so dass die Nachkommen seiner schwarzen Locken, die grauen Flusen, von der Glatze flutschen.
„Du siehst auch besser aus. Reifer.“
Ich schlage die Beine graziös übereinander und greife nach der Speisekarte, als etwas riesiges, es ist seine Handinnenfläche, in mein Gesicht schwabt.

* * *

„Sabine, hast Du ein kaltes Näschen! Das heißt, Du bist aufgeregt!“ kichere ich wissend und stimmungsauflockernd.
Sie legt die Karte beiseite, verschränkt nun auch noch die Arme und bestellt Bier und Whisky.
Hoffentlich wird sie davon lockerer! Sicher spielt sich das alles unterbewusst ab. Noch nie was von Körpersprache gehört, deshalb so ablehnend. Eine paradoxe Reaktion auf überwältigende Gefühle, beschrieben in Kapitel 7 'Emotionale Entgleisungen'. Sie gefällt mir außerordentlich in mollig. Sabine steht auch auf mich, kein Zweifel. Was kann ich noch tun, um die Verklemmte zu öffnen? Ich muss die Beingrätsche stretchen! Sie schaut nicht hin.
„Oh, man, ich war gestern mountainbiken, stundenlang, jetzt tut es mir hier und hier weh, siehst Du? Hier!“, streiche ich fester über meine Schenkel bis zu den Leisten.
„Ja.“, sie löst die Arme um zu trinken.
Der Kellner bietet eine Shisha an: „Bist Du hier, musst Du Wasserpfeife genießen!“

* * *

„Das ist lustig.“, findet der feixende Frank.
Ich lächele verbindlich und ordere einen Wodka. Frank bestellt Orientalische Fleischplatte für zwei. Dann reicht er mir die Shishazange fürs Brot.
Behutsam nehme ich sie entgegen, lege sie sacht neben die Wasserpfeife und lasse meine Finger etwas länger auf ihr verweilen. Das sollten auch Ungebildete begreifen. Dabei wirkte er in seinen E-mails so weltmännisch.
„Upps, das ist ja. Also dafür ist die also!“, sagt's und schmeißt den Teller runter.
„Entschuldigung, der stand so auf der Kante. Kellner! Der Teller stand auf der Kante, ja! Brauchen einen neuen, bitte!“
„Kann passieren.“
„Ja, Dir ist ja auch Dein Handy heruntergefallen!“
„Weil ich mich erschrocken habe, Die..., äh, Frank!“
Klopft er tatsächlich an meinen Hinterkopf: „Da kommen die kleinen Hörnchen raus!“
Ich starre ihn an, fassungslos, bestelle Bier und Jägermeister.

* * *

Nach dem vierten Bier und einigen Schnäpsen stehen Sabines Beine parallel auf den Boden. Hab ich es geschafft, freue ich mich und bleib dran:
„Als ich Deine wunderschönen Fotos im Internet gesehen habe, wusste ich gleich: Die musst Du treffen!“
Sabine spielt mit ihren langen blonden Haaren. Ich weiß, was das bedeutet!
„Du hast so wunderschönes, goldiges Haar.“
Lächelnd lässt sie ihre Hand über Bauch und Hüfte gleiten.
Jetzt oder nie!
„Und als Du mir das Bild geschickt hast, wo Du auf der Bank sitzt in dem kurzen Sommerkleidchen, da hab ich gedacht, das muss weh getan haben. Da hattest Du bestimmt nur ganz kleine dünne Schlüpfer drunter.“
Sabine fährt vom Stuhl hoch, kreischt: „Also, das, überhaupt! Und woher willst du, Du kannst doch nicht wissen,“ zerrt sie beim Hinsetzen den kurzen Rock über die Knie und faucht: „was ich drunter habe, hatte!“
„Süße,“ säusele ich, „wie Du Dich aufregst, mir Deine Anständigkeit zeigen willst. Dabei hast Du es doch faustdick hinter den Ohren!“ klopfe ich zärtlich eben dort hin.

* * *

„Hör auf!“, schreie ich diesen Trottel an, schlage die Beine übereinander und schlinge die Arme schützend um meinen Brustkorb. Noch deutlicher geht es doch gar nicht! Selbst Dieter würde das begreifen. Aber Körpersprache ist für Frank wohl eine Fremdsprache.
Endlich scheint er es zu raffen: „Entschuldige bitte.“ versucht er mich zu beschwichtigen.
Ich lächele gnädig.
„Aber es ist doch klar,“ fährt er bedächtig fort, „dass Du unter einem so kurzen, dünnen Kleidchen keine so großen Schlüpfer an haben konntest wie Du zum Beispiel unter diesem Kostüm durchaus tragen könntest.“
Ich schaue in die Runde amüsierter Gesichter, prüfe panisch, ob nicht doch meine Bodyshaping-Unterwäsche heraus blitzt, exe mein Bier, springe auf.
„Warte,“ ruft dieser Flegel hinter mir her, "ich hab ein Geschenk für Dich.“

* * *

Sabine schaut sich zu mir um, kommt langsam zurück. Ich lege die Hände an den Gürtel, so zeige ich ihr eindeutig meinen Interessenbereich. Strahle sie an, fasse in die rechte Hosentasche, zaubere den goldenen, nun ziemlich zerdrückten, Schokohasen hervor und reiche ihn meiner Auserwählten.
Dann bin ich allein. Das soll mal einer verstehen.
Wieder zu Hause lasse ich mich auf die Couch fallen, greife nach meinem Buch. Lese aufmerksam, schaue mir die Abbildungen genau an, vergleiche kritisch, blättere weiter, stelle endlich fest:
Ich habe alles richtig gemacht. Es lag an Sabine.
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