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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 13.03.2006, 23:19   #1
elbino
 
Dabei seit: 02/2006
Beiträge: 5

Standard Der Sandmann

Der Sandmann

Die Mutter hat mich sanft gedeckt,
Das Schwesterchen führt sie im Arm.
Mit herzlich’ Küssen zart befleckt,
So hält geliebte Nähe warm,
Dass ich zur Ruhe mich erbarm’,
Bis mich die Morgenstund’ erweckt.

Die Äuglein fuhren fast zum Schlaf,
Doch ruft ein kühler Wind herein.
Vor diesem Hauch flieht jedes Schaf,
Den Blick zieht’s kühn zum Mondenschein.
Der Sandmann steigt zum Fenster ein,
Zu helfen, dass ich träumen darf.

Schon längst liegt still das Elternhaus,
Als jener Herr zur Wiege schleicht,
Hat kein Gesicht, mich packt ein Graus.
Sein schwarzes Antlitz beugt sich seicht,
Nun stickend er den Traum mir reicht,
Ins Tuch gehüllt schickt er ihn aus.

Im Schlummerland komm’ ich zum Sinn,
Welch kalter Wald ist mir beschert?
Wünsch’ weinend mich zum Tage hin,
Als Sandmann wieder mich beehrt,
Ein Schlag mir dumpf zu Kopfe fährt
Und ich dem bösen Ort entrinn’.


"...Polizisten finden die Leiche
des sechsjährigen Jungen vier Tage später,
nur wenige Kilometer vom Elternhaus entfernt,
in einem Waldstück..."
elbino ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.01.2014, 23:13   #2
männlich Goldschmied
 
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Dabei seit: 01/2014
Ort: Berlin
Alter: 27
Beiträge: 20

Cool
Goldschmied ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.01.2014, 01:07   #3
männlich Azzur
 
Benutzerbild von Azzur
 
Dabei seit: 01/2014
Alter: 31
Beiträge: 12

Die dritte Strophe des Gedichts hat mich überrascht, die Wendung kam recht unerwartet, auch wenn die Rubrik "Düstere Welten und Abgründiges" diese hätte erahnen lassen. Sie ließ mich noch einmal von vorne mit dem Gedicht beginnen, welches nun umso trauriger und tragischer wirkte.

Das Gedicht beschreibt ein düsteres und leider doch sehr reales Thema um Entführung (und Missbrauch) von Kindern und hinterlässt einen nachdenklichen Nachgeschmack.

Der sachliche Ausschnit aus einer Zeitung / einem Polizeitbericht am Ende gefällt mir sehr. Er rüttelt jene wach, die bis dorthin noch nicht aus der Traumwelt erwacht sind und führt ihnen die traurige Wahrheit vor Augen.

Ein schönes Gedicht, das uns daran erinnert, dass die Welt noch viel weniger unschuldig ist, als man erwartet.


Grüße
Azzur ist offline   Mit Zitat antworten
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