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Alt 05.09.2005, 00:11   #1
Riif-Sa
 
Dabei seit: 11/2004
Beiträge: 253

Standard 050905 - Stunden in der Pflicht

Nun, das waren sie also, die schlimmsten Stunden meines Lebens. Jedoch konnte ich dem Ganzen auch etwas Gutes abgewinnen. Immerhin habe ich wieder einige interessante Sachen gesehen, die mir mal wieder bestätigen, dass das Leben irgendwie nicht fair ist (nicht, dass ich das nicht schon vorher gewusst hätte).

Punkt Eins: Da waren sie also, all diese lustigen alten Gärtner, bekleidet mit besonders hässlichen und besonders kurzen Shorts aus Jeansstoff und wahlsweise freiem Oberkörper oder mit einem Unterhemd bekleidet, auf dem sich noch die Reste des Bierflecks abzeichneten, die die Alte mit ihrem Persil nicht so richtig rausbekommen hatte. Ich bin kein Modefreak, aber ich verfolge die Devise: Kein Mensch ist hässlich, man kann sich aber hässlich machen. Ich habe für das Argument Verständniss, dass es Leute gibt, die sich keine vernünftigen Klamotten kaufen können, aber das Argument zieht bei diesen Leuten nicht, denn wer in diesem Aufzug darüber diskutiert, ob man für den Swimmingpool eine Reinigungskraft einstellen sollte, weil das Wasser immer dreckig ist, der kann nicht allen Ernstes von mir erwarten, dass ich ihn ernst nehme.

Punkt Zwei: Die Laufzeit dieser gemeinnützigen Arbeit betrug 240 Minuten. Brutto. Bei mir waren es Netto 210 Minuten, da ich ab und zu eine Pause machte, um zu verschnaufen oder bei der brütenden Hitze ein wenig Flüssigkeit zu mir zu nehmen. Die Nettoarbeitszeit meiner "Kollegen" betrug schätzungsweise 45 Minuten. Der Rest der kostbaren Zeit wurde genutzt, um sich in den Schatten zu setzten, ein Bierchen zu trinken und zu diskutieren. Vorzugsweise über Politik. Ein Naturschauspiel, dass jeder mal erlebt haben sollte. O-Ton: "Die Grünen, dass es so ne Partei überhaupt gibt, voll verblödet. Die sind bestimmt verfassungswidrig und die Merkel, die dumme Kuh, kann gleich wieder nach Hause gehen. Und der Schröder, dass ist der größte Verbrecher von allen. Abzocker! Und der Stoiber, die alte bayrische Nazi-Sau..." etc etc etc... das nenne ich tiefgründig. Die paar Sätze mögen lustig klingen, aber hört euch das mal drei Stunden lang an. Grauenvoll.

Punkt Drei: Eine mehr oder weniger lustige Geschichte spielte sich am Rande ab. Ein Gartenbesitzer hatte, um die Arbeitszeit zu halbieren, seinen Sohn mitgenommen, schätzungsweise zehn Jahre alt. Er sollte nun helfen, einen völlig verwilderten Baum am Rande der Anlage (genau neben meinem "Arbeitsplatz") ein wenig zu stutzen. Interessant hierbei war das Teamwork. Die Aufgabe des Jungen bestand darin, auf den Baum zu Klettern und mit einem Fuchsschwanz (es ist die Wahrheit!) die äußeren Äste abzusägen. Die Aufgabe des Vaters bestand darin, unten zu stehen, sich das ganze anzuschauen und dem Kleinen in regelmäßigen Abständen nanch oben zu brüllen, was er denn alles falsch macht. Als die beiden fertig waren, sah der Baum noch genau so aus wie vorher. Ich wollte den Vater des Jungen darauf hinweisen, dass Kinderarbeit laut StGB eigentlich verboten ist, aber er hätte mich vermutlich sowieso nicht gehört. Er war grade damit beschäftigt, seinen Sohn anzuschreien. "Du bist eine Memme, bist du! Wegen so ein paar Pflanzen fängst du an zu Leiern!" Zur Erklärung, der Junge war wohl so wie ich auf alle möglichen Pollen und Gräßer allergisch, war aber im Gegensatz zu mir wohl nicht immunisiert worden (ist ja auch nur was für Weicheier), anders kann ich mir nicht erklären, dass der Kleine Augen so groß und so rot wie Tomaten hatte. Während er schluchzte, sich die Augen rieb und versuchte, irgendwie zu atmen, schrie ihn sein Vater ununterbrochen an und verpasste ihm die ein oder Ohrfeige. Arme Sau. Macht mir keine Vorwürfe, der Kerl war Alkoholiker und ich habe gesehen, was passiert, wenn man sich einmischt, so wie das die junge Frau tat, die plötzlich hinter dem gegenüberliegendem Zaun hervorblickte und den Vater zurechtwies. Sie bekam als Antwort: "Halt dich da raus du Schlampe, das geht nicht nicht das Geringste an!". Sie erntete für diese Aktion von den anderen "Arbeitern" nur Kopfschütteln und verächtliche Blicke. Jetzt ehrlich, was fällt der Frau eigentlich ein, sich in Familienangelegenheiten einzumischen. Der arme Vater hat mit seinem rebellischem Sohn eh schon genug Probleme, da muss die dem nicht auch noch erklären, wie er sein Kind zu erziehen hat. Geht sie doch nun wirklich nichts an!

Punkt Vier: Wie ich finde, das Allerschönste an diesem Tag (obwohl es noch schöner eigentlich nicht kommen kann) ist der Augenblick, an dem meine Mutter vom Einkaufen nach hause kommt, als vorbildlicher und gut erzogener Junge habe ich natürlich Kaffee gekocht, sich zu mir an den Tisch setzt und ihre wunderbaren Fragen gestellt.

"Na, hastes geschafft?"
"Ja."
"Und, war doch gar nicht so schlimm, oder?"
"Nö."
"Was habt ihr gemacht?"
"Unkraut gezupft, Rasen gemähnt und Laub geharkt. Wie jedes Jahr."
"Gab's was Besonderes?"

...ehrlich. Was ist das denn für eine Frage. Was soll es denn Besonderes geben? Ist doch nur so ein bisschen Gartenarbeit.
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