Nummer 8 bei Poetry.de

Ilka-Maria · 11.03.2011, 22:50

Was daran ist wohl nicht richtig:
Feld K, Reihe B, Nummer acht,
hundertzwanzig auf nullfünfzig,
über die ein Teddy wacht?

Vom frohen Knirps dazu ein Bild
aus seinem letzten Lebensjahr:
Wuschelschopf, braun, störrisch-wild,
ein Lächeln, offen, rein und wahr.

Falsch! Es darf und soll nicht sein,
daß Kinder vor den Eltern geh‘n,
nichts ist schlimmer als die Pein,
das junge Blut im Grab zu seh’n.

Wo ist jetzt des Lebens Sinn,
was spendet Freude, macht noch Spaß?
Alles, alles ist dahin,
weil jemand falschen Stabes maß.

Ja, Fehler macht sogar der Tod,
obwohl so lange im Geschäft,
und er wird dabei nicht mal rot,
denn ihm ist jede Seele recht,

auch zieht ihn niemand vor Gericht,
weil gegen Regeln er verstieß:
Er tue ja nur seine Pflicht,
und sei die Arbeit noch so mies.

Hundertzwanzig auf nullfünfzig
mißt sechstausend im Quadrat,
wieviel Tränen macht man flüssig,
bis man sie benetzet hat?

11. März 2011
© Ilka-Maria

PeterB · 12.03.2011, 09:10

Da kann man nur sagen: Ja. So ist es.

Gruss

P.

pathos79 · 20.03.2011, 14:55

Hallo Ilka,
das hat mich jetzt echt erledigt!
Die Darstellung kühler Rationalität(Überschrift,1.Strophe)gegenüber verzweifelten Fragen nach dem Sinn von Schicksalsschlägen hast Du echt gut beschrieben und mündet vortrefflich in der letzten Frage.
Es ist mit das Schlimmste,was Dir jeglichen Lebensmut rauben kann.

Thing · 20.03.2011, 16:45

Nur deswegen traue ich mich dran:

Meine Vorkommentatoren haben geschrieben.

Romlus

eternaldots · 23.03.2011, 14:10

sehr toll geschrieben

Bedrückend hart, und doch ganz weich zugleich

Fehler macht der Tod, wie keiner.
Kein Wunder, ist er selber einer.

Grüße
und danke fürs Gedicht

Ilka-Maria · 23.03.2011, 17:09

Allen besten Dank für's Lesen und Kommentieren.

gummibaum · 24.03.2011, 13:31

Dein Gedicht gefällt mir. Es bleibt reflektiv, ohne den Schmerz zu neutralisieren.

Ich frage mich auch, wie es in Zeiten war, wo von 10 Kindern 8 starben. Vielleicht taubes Seelengewebe, vernarbt.

LG gummibaum

Aquaria · 24.03.2011, 13:38

Ich verstehe das Bild in der ersten Strophe nicht recht, Erklärung?

nimmilonely · 24.03.2011, 13:50

@Aquaria:
In der ersten Strophe wird wohl der Platz auf dem Friedhof beschrieben, wo das Kind liegt.

Kurz und knapp:
Das Gedicht gefällt mir.

gummibaum · 24.03.2011, 13:53

...und die Abmessungen des Grabes. LG gummibaum

Aquaria · 24.03.2011, 14:02

Zitat:

@Aquaria:
In der ersten Strophe wird wohl der Platz auf dem Friedhof beschrieben, wo das Kind liegt.

Zitat:

...und die Abmessungen des Grabes. LG gummibaum

Oh, daran hatte ich nicht gedacht. Von Friedhöfen halte ich mich fern, wenn ich kann. Ich dachte an die Säuglingsstation im Krankenhaus und das ergab natürlich keinen Sinn.
Das Bild ist intensiv und bedrückend, hätte ich mal nicht gefragt... Ein starker Text.

Danke euch für die Erklärung, stehe heute wohl auf dem Schlauch.

Caliban · 25.03.2011, 14:11

Wumms, das saß.
Wert, gedruckt zu werden.
Stummer Applaus.

Ilka-Maria · 25.03.2011, 15:12

Danke für die Kommentare.

Wir haben selbst in der Familie einen solch tragischen Fall gehabt, und zwar gleich im Doppelpack: Die beiden jüngsten Kinder meiner Tante hatten sich heimlich aus dem Garten entfernt und waren an die Ems gelaufen. Dort brauch der Kleinere ins Eis, als er einen festgefrorenen Kanister herausbrechen wollte. Der größere Bruder kam zu Hilfe und brach ebenfalls ein. Wahrscheinlich erlitten beide Kinder der großen Kälte wegen sofort einen Herzstillstand. Als mein Onkel kurz darauf seine Kinder aus dem Wasser holte, waren sie tot, aber nicht ertrunken.

11.03.2011, 22:50	#1
Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.103 Meine Gedichte Meine Favoriten	Nummer 8 Was daran ist wohl nicht richtig: Feld K, Reihe B, Nummer acht, hundertzwanzig auf nullfünfzig, über die ein Teddy wacht? Vom frohen Knirps dazu ein Bild aus seinem letzten Lebensjahr: Wuschelschopf, braun, störrisch-wild, ein Lächeln, offen, rein und wahr. Falsch! Es darf und soll nicht sein, daß Kinder vor den Eltern geh‘n, nichts ist schlimmer als die Pein, das junge Blut im Grab zu seh’n. Wo ist jetzt des Lebens Sinn, was spendet Freude, macht noch Spaß? Alles, alles ist dahin, weil jemand falschen Stabes maß. Ja, Fehler macht sogar der Tod, obwohl so lange im Geschäft, und er wird dabei nicht mal rot, denn ihm ist jede Seele recht, auch zieht ihn niemand vor Gericht, weil gegen Regeln er verstieß: Er tue ja nur seine Pflicht, und sei die Arbeit noch so mies. Hundertzwanzig auf nullfünfzig mißt sechstausend im Quadrat, wieviel Tränen macht man flüssig, bis man sie benetzet hat? 11. März 2011 © Ilka-Maria

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PeterB abgemeldet Dabei seit: 11/2010 Beiträge: 236 Meine Gedichte	Da kann man nur sagen: Ja. So ist es. Gruss P.

20.03.2011, 14:55	#3
pathos79 Dabei seit: 03/2010 Ort: Sauerland Alter: 44 Beiträge: 737 Meine Gedichte Meine Favoriten	Hallo Ilka, das hat mich jetzt echt erledigt! Die Darstellung kühler Rationalität(Überschrift,1.Strophe)gegenüber verzweifelten Fragen nach dem Sinn von Schicksalsschlägen hast Du echt gut beschrieben und mündet vortrefflich in der letzten Frage. Es ist mit das Schlimmste,was Dir jeglichen Lebensmut rauben kann.

20.03.2011, 16:45	#4
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Nur deswegen traue ich mich dran: Meine Vorkommentatoren haben geschrieben. Romlus

23.03.2011, 14:10	#5
eternaldots Dabei seit: 03/2011 Ort: Am Sonnenhang Alter: 47 Beiträge: 11 Meine Gedichte	sehr toll geschrieben Bedrückend hart, und doch ganz weich zugleich Fehler macht der Tod, wie keiner. Kein Wunder, ist er selber einer. Grüße und danke fürs Gedicht

23.03.2011, 17:09	#6
Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.103 Meine Gedichte Meine Favoriten	Allen besten Dank für's Lesen und Kommentieren.

24.03.2011, 13:31	#7
gummibaum Dabei seit: 04/2010 Alter: 70 Beiträge: 10.909 Meine Gedichte	Dein Gedicht gefällt mir. Es bleibt reflektiv, ohne den Schmerz zu neutralisieren. Ich frage mich auch, wie es in Zeiten war, wo von 10 Kindern 8 starben. Vielleicht taubes Seelengewebe, vernarbt. LG gummibaum

24.03.2011, 13:38	#8
Aquaria Dabei seit: 02/2010 Alter: 42 Beiträge: 521 Meine Gedichte	Ich verstehe das Bild in der ersten Strophe nicht recht, Erklärung?

24.03.2011, 13:50	#9
nimmilonely Dabei seit: 12/2010 Ort: Mainz Alter: 35 Beiträge: 853 Meine Gedichte Meine Favoriten	@Aquaria: In der ersten Strophe wird wohl der Platz auf dem Friedhof beschrieben, wo das Kind liegt. Kurz und knapp: Das Gedicht gefällt mir.

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Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.103 Meine Gedichte Meine Favoriten	Danke für die Kommentare. Wir haben selbst in der Familie einen solch tragischen Fall gehabt, und zwar gleich im Doppelpack: Die beiden jüngsten Kinder meiner Tante hatten sich heimlich aus dem Garten entfernt und waren an die Ems gelaufen. Dort brauch der Kleinere ins Eis, als er einen festgefrorenen Kanister herausbrechen wollte. Der größere Bruder kam zu Hilfe und brach ebenfalls ein. Wahrscheinlich erlitten beide Kinder der großen Kälte wegen sofort einen Herzstillstand. Als mein Onkel kurz darauf seine Kinder aus dem Wasser holte, waren sie tot, aber nicht ertrunken.