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Alt 09.11.2013, 14:27   #1
St-Jimmy87
 
Dabei seit: 05/2010
Ort: Deinsen
Alter: 37
Beiträge: 14


Standard Jimmy´s Apartment

Es ist quasi nur das erste Kapitel einer längeren Geschichte (Copyright by me ):

Würg! Kotz! Bis nur noch Galle kommt. Ein ziemlich ereignisloser Abend erreicht seinen vorzeitigen Tiefpunkt. Während ich weiterhin krampfhaft versuche, meinen Körper daran zu hindern sich auf oralem Wege zu entgiften stelle ich fest, dass ich der Erste bin, dem heute auf dieser Toilette diese Ehre zu Teil wird. Denn die angedauten Überreste meines Kalbdöners schwimmen in einer blauen Desinfektionsflüssigkeit. Egal. Früher oder später wäre er ja eh da gelandet. Mit der Erkenntnis, dass sich sechs Tequila eindeutig nicht mit zehn Bier und zwei Bacardi-Cola vertragen zerre ich meinen Kopf aus der Schüssel und ziehe mich mit Hilfe der Wand wieder in die Vertikale. Bevor ich die Toilette verlasse erfahre ich noch, dass irgendeine Mandy einen gewissen Kai mal kann und dass jemand namens Ich am 14.07.2006 hier war. Wie war es mir nur möglich ohne Kenntnis dieser Tatsachen fast 20 Jahre alt zu werden?

Als ich mich an unseren Tisch zurückschleppe schmettert mir meine beste Freundin Jimmy einen besorgtes: „Axel, du siehst aber gar nicht gut aus!“ ins Gesicht. Ach? Wirklich? Wenn man die Tatsache bedenkt, dass ich gerade mit gefühlten 175 Hektolitern mediterranem Fastfood und Magensäure das Clubporzellan gesegnet habe und aussehen muss wie eine Sekretärin, die grade Angela Merkel und Edmund Stoiber beim Koitus auf dem Chef-Schreibtisch des Bundeskanzleramtes erwischt hat, könnte man mein Aussehen durchaus als „gar nicht gut“ bezeichnen. Aber sie macht sich ja nur Sorgen. Und um zu würdigen, dass sich wenigstens eine Person auf diesem Planeten um mein Wohlbefinden sorgt antworte ich mit einem knappen, „Geht schon wieder“, um mein leicht angeschlagenes Sprachzentrum nicht zu überfordern. Mit einem zufriedenen Lächeln aus ihrem wie immer makellosen Gesicht, soweit ich das in meinem Zustand noch beurteilen kann, zeigt sie mir, dass ihr Freundschaftsgewissen erst einmal beruhigt ist und wendet sich wieder ihrem angeregtem Gespräch mit Debbie zu.

Debbie ist ihre beste Freundin, wenn man von mir mal absieht. Sie ist eine gute Seele. Fast zu gut. So jemand der sich zu leicht von anderen ausnutzen lässt. An sich das ideale Opfer für ´nen Arsch wie mich. Doch zu ihrem Glück fällt sie nicht in meine Beuteschema. Im Gegensatz zu, eben Jimmy. Irgendwie schon scheiße wenn man sich als erfolgreicher Berufssingle bei jedem mittelschweren Besäufnis wieder in seine beste Freunde verliebt. Doch da ich aus Erfahrung weiß, dass sich dieses Gefühl mit sinkendem Alkoholpegel wieder relativiert, reiße ich mich auch dieses Mal wieder zusammen und füge mich in mein Los. Denn darin ist keiner besser als ich.

Geschwächt von meinem Nahtoderlebnis lasse ich mich wieder auf die Bank in unserer Sitzecke fallen und zünde mir eine Gauloises an. Bääääääääääähhhhhhhh!!! Wenn ich nicht eben schon eine Viertelstunde gekotzt hätte könnte ich glatt wieder. Mit unbestimmtem Ziel mustere ich derweil das Publikum, dass sich mir im „Airport", einer Gothic-Absteige, darbietet. Nicht dass ich generell etwas gegen diese Menschen oder ihre Attitüde hätte. Es ist ist viel mehr die latente Aggressivität, die in solchen Läden herrscht. Und Schuld daran ist nicht etwa die Musik oder die vorwiegend schwarzen Klamotten. Etwas viel Subtileres erhitzt hier die Gemüter. Diese gereizte Stimmung resultiert nämlich zu 60 Prozent daraus, dass die meisten Gothic-Mädchen fett und hässlich sind, zu 25 Prozent daraus, dass die Gothic-Mädchen, die gut aussehen, ihren Freund mitgebracht haben, zu 10 Prozent aus der Tatsache, dass man sich bei den Kerlen, die eben jene Vorzeigeexemplare dieser Spezies ihren Freund schimpfen, nicht sicher sein kann, ob er wirklich ein Kerl ist und zu 5 Prozent an der Erkenntnis, dass es nach sechs Tequilas, zehn Bieren und zwei Bacardi-Colas nahezu unmöglich ist ein solches Mädchen auszuziehen, wenn man es denn mal soweit hat. Doch zum Glück ist, soweit ich das erkennen kann, kein geeignetes Zielobjekt anwesen. Außerdem verstieße allein der Gedanke daran hier eine abzuschleppen, der in meiner physischen Verfassung aller Wahrscheinlichkeit nach sehr kläglich enden würde, gegen meinen Berufsethos als freiwilliger Langzeitsingle. Schließlich hab ich mir nach der Trennung von meiner letzten Freundin geschworen, die nächsten 4 bis 17 Jahre dem vollkommenen Raubbau an meinem Körper zu widmen. The show must go on.

Als ich mir kurz darauf an der Theke ein Bier bestelle scheint die Barkeeperin in mir den Menschen wiederzuerkennen, der sich noch vor wenigen Minuten kalkbleich am Tresen vorbeigeschleppt und dabei einen Infight mit seinem Gleichgewichtssinn ausgetragen hat. Und der Inhalt meines Portmonees schaut mich ähnlich sorgenvoll an. Wie ist es nur möglich, nur zwei Tage nach der Gehaltsüberweisung schon fast die Hälfte seines Azubieinkommens verzockt zu haben? Denn die zweihundert Euro, die ich mir Gestern geholt hab, sind auf den kümmerlichen Rest von grob geschätzen 11 Euro Keks zusammengeschrumpft. Tanken, die Palette Dosenbier in meinem Kofferraum, der Döner, Kippen, die Getränke hier... Kommt irgendwie immer noch nicht ganz hin. Naja, egal.

Während ich mich in unsere Sitzecke zurückkämpfe, quäle ich mich mit der Frage, warum ich mir das eigentlich immer wieder antue. Ich hab mit 95% der Leute hier nichts gemein. Aber vielleicht, weil ich hier keine GTI-fahrenden, steroydgemästeten Proleten antreffe. Solche, die sich meist in Begleitung von, zugegebenermaßen, nicht unattraktiven Damen Wochenende für Wochenende in irgendwelchen Kleinstadtdiscos tummeln und sich bei Beck´s Green Lemon und Wodka Energy einbilden, einer Szene anzugehören oder sie gar selber zu bilden. Dann wohne ich doch lieber dem Hexenzirkel bei. So sieht es nämlich aus wenn sich circa fünf bis sechs traurige Gestalten auf die Tanzfläche im "Airport" wagen und zu irgendeiner, ich nenn es mal Musik, die sich allerdings beim gemeinen Pöbel großer Beliebtheit zu erfreuen scheint, die Hände bedeutungsschwanger, parallel zum Boden kreisen lassen und sich dabei nicht viel mehr von der Stelle bewegen, als es einem Wachkomapatient gelänge. Fehlt nur noch das brennende Pentagramm auf dem Fussboden. Hm, höchste Zeit für ein Zigarette. Schmeckt schon wieder besser.

Kurz darauf entscheidet Jimmy, das wir jetzt gehen wollen. Na gut, was soll ich auch noch hier? Der Abend hat mir bis jetzt keine neuen, aufregenden Erkenntnisse gebracht. Und das wird sich auch wohl nach 2.30 Uhr nicht ändern. Ich rauche noch schnell auf, stürze mir den Rest meines Bieres runter und sinke anschließend erschöpt auf die Rückbank von Debbie´s quietschgelbem Ford Ka.

Ein wenig später signalisiert mir das Rütteln innerhab des Wagens, dass wir den Ort, an dem ich mein kümmerliches Dasein friste, erreicht haben. Über die dutzendfach geflickte Straße, die ich bewohne, rattern wir meinem Gefängnis entgegen. Und ja, ganz recht. Ich wohne noch bei meinen Eltern. Und ich schähme mich dessen kein bisschen. Denn ich bin das, was der Punk auf der Straße immer sein wollte. Ein zum Alkohol neigender, arbeitsscheuer Anarchist. Bloß ich habe das den Leuten niemals auf die Nase gebunden. Und das ist eine wesentlich wirkungsvollere Taktik Leute auszunehmen, als allen permanent mit einer debilen Antihaltung auf den Sack zu gehen. Immer so tun als würde man sich ein ehrvolles Dasein bemühn. 2.56 Uhr. Noch circa fünf Stunden bis ich aufstehen und den Samstagsdienst antreten muss. Eine barbarische Erfindung meines Arbeitgebers, seinen Azubis alle vier bis fünf Wochen den Freitagabend, respektive den Samstagmorgen zu versauen.
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Alt 09.11.2013, 14:38   #2
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Dann lass die nächste Kapitel schnell folgen, gefällt mir gut. Die Zeitform ist interessant gewählt, v.a. für eine längere Geschichte
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Alt 09.11.2013, 14:39   #3
St-Jimmy87
 
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Danke, danke!!! Ich arbeite dran ^^
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