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Fantasy, Magie und Religion Gedichte über Religion, Mythologie, Magie, Zauber und Fantasy.

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Alt 06.04.2012, 08:33   #1
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
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Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Standard Zwischen den Fronten

Soll das einen alten Desperado beunruhigen?

Dass er sich tatsächlich nicht mehr dafür interessiert, was so an abwegigen Meinungen und verächtlichen Einstellungen durch die Köpfe mancher Leute geistert. Wenn er mal ehrlich und gründlich drüber nachdenkt?

Es geht ihm wirklich und tatsächlich am verlängerten Rücken vorbei, er kann sich einfach nicht mehr ereifern und aufregen über die ideologisch verbrämte Menschenverachtung und widerliche Selbstgerechtigkeit verschiedener Zeitgenossen, die sich nicht scheuen, ihre Eitelkeit, Intoleranz und Engstirnigkeit als vorbildlich und gesellschaftstragend vor sich her zu posaunen, die mit der herablassenden Überzeugung ihrer Überlegenheit anderen nicht nur auf den Scheitel, sondern direkt ins Gesicht spucken, ihnen die Menschenwürde absprechen, zu rauben versuchen und die Daseinsberechtigung streitig machen, weil sie nicht ihrem Menschenbild entsprechen, das sie täglich im Spiegel beweihräuchern.

Ihn kümmert ja auch die eingetrocknete Kotze vor den Saloons am Sonntagmorgen nicht. Ausweichen genügt völlig, wozu sich länger drüber ärgern?

Ein Wandermusiker mit unrasiertem Gesicht und ehrlichen Augen verkündet, während er seine Gitarre auspackt, dass er jetzt nur noch Protestlieder schreiben und singen wird und durchs ganze Land tingeln will, um die Leute damit wachzurütteln. Ich wünsch ihm heimlich viel Glück dabei, es ist die eine Möglichkeit und ein guter Weg, mit derlei Betrügern umzugehen.

Wäre mein Schutzengel nicht mit göttlichem Humor gesegnet, er wäre längst gefallen.

Dann hätte ich zwei Kandidaten der finsteren Sorte im Nacken, was ja nun wirklich nicht sein muss, einer genügt vollauf. Das drollige an den beiden Streithähnen ist, dass der gute immer den Gestrengen spielt und der böse den Gutmeinenden. Hast du völlig zu Recht ein schlechtes Gewissen, meint der schwarze pfeif doch drauf und der gelbe schäm dich. Hast du eins wo du keins haben müsstest, macht dich der Schwarze gnadenlos zur Schnecke und der gelbe brummt kann grundsätzlich nicht schaden, aber übertreib es nicht.

Wenn du den einen wirklich mal brauchen könntest, ist er irgendwo, während der andere immer dann zur Stelle ist, wenn du ihn absolut nicht brauchen kannst. Sind beide gleichermaßen einsatzfreudig zur Stelle, verkriech dich am besten ins Bett und zieh dir die Decke über den Kopf.

Bist du dann mal verzweifelt genug in die Enge getrieben, um auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren, meint der schwarze, Quatsch war doch genau das richtige weil du als einziger der ganzen elenden Brut einen klaren Kopf behalten hast, und der weiße grummelt was von fahrlässig selbstherbeigeführter Umnachtung, weil ich zuviel auf den Schwachsinn des andern da gehört hätte und nicht auf seine weisen Ratschläge.

Man macht schon was mit mit seiner englischen Begleitung.

Manchmal frag ich mich ernsthaft, warum die Kerle ihre Streitigkeiten nicht einfach woanders austragen können und mit sich selbst ausmachen und wozu sie mich überhaupt brauchen für ihre ewigen Zwistigkeiten. Sie könnten mich doch wenigstens zeitweilig gnädigerweise raushalten aus der ganzen himmlisch höllischen Angelegenheit.

Andrerseits sind sie dann auch wieder ganz unterhaltsam.

Der alte Mescalero sagt, bei ihnen hießen sie zwar nicht Engel sondern Geister, Schutzgeist und böser Geist, aber im Prinzip ist es genau dasselbe und läuft sich auf das Gleiche hinaus, es dürfte sich also um ein und dieselbe Sippschaft handeln, damit müsse man eben leben, die wirst du zeitlebens nicht los. Der Doc behauptet, es wäre der Kampf zwischen den triebhaften Kräften der Selbstsucht und denen der Vernunft und besseren Einsicht, was nun auch nur eine etwas zeitgemäßere Umkleidung für die selbe Belegschaft ist.

Am geruhsamsten ist es noch, wenn beide völlig erschöpft in den Seilen hängen, sich gegenseitig die Schuld in die nackten Füße schieben und ihre Blessuren beklagen. In diesen Kampfpausen kannst du dich mal so richtig schön wehleidig als unschuldig unbeteiligtes Opfer ihrer andauernden Machtkämpfe fühlen, egal ob Du’s nun wirklich bist oder nicht.

Ist ja ohnehin ein vorrübergehender Zustand, zu einem Waffenstillstand wird es niemals kommen, an Frieden brauchst du gar nicht erst zu denken.

Und erlieg ja nicht dem verführerischen Irrtum vermeintlicher Sicherheit, indem du dich gut getarnt im neutralen Frontgebiet herumtreibst, sozusagen als unparteiischer Beobachter und Kriegsberichterstatter. Dann hast du nämlich vollen Beschuss von beiden Seiten.

Wenn du aber unbedingt Wert drauf legst, zerfetzt und in der Luft zerrissen zu werden, kannst du’s ja mal als Unterhändler, Schlichter und Friedenstifter versuchen. Als Kollaborateur hast du sowieso die Schlinge bereits um den Hals und kannst dich ebenso gut gleich selbst am nächstbesten Baum aufknüpfen.

Das Beste wird sein, du schlägst dich unter Berücksichtigung sämtlich möglicher Folgen und mit aller Entschiedenheit auf eine Seite. Was natürlich nicht heißt, dass es im Falle einer Feindberührung unter Umständen zu Verhandlungen kommen kann, Übergabe und Übernahme, Gefangenenaustausch und Freikauf zum Beispiel, aber wenn dir klar ist auf wessen Seite und wo du stehst, kommst du auch damit klar und kannst gut damit händeln.

Es bedeutet ebenso wenig, dass du dich um jeden Preis Hals über Kopf in jedes Scharmützel stürzen musst, man kann sich ebenso gut elegant strategisch aus dem Weg gehen, einander ausweichen und „unbemerkt“ aneinander vorbeilaufen.

Manchmal jedoch gilt es seinen Mann, seine Frau zu stehen, da führt keine Schleichroute dran vorbei, und wenn du dabei mit beiden Händen in verschimmelten Büffeldung greifen musst.

Ob man sich deshalb gleich brutal die Köpfe einschlagen muss, ist freilich eine andere Frage. Dann hätten die beiden Engelsgestalten nämlich keinen Grund mehr weiterzumachen, weil irgendwann zwangsläufig eine der beiden Parteien obsiegt und die andere unterliegt.

Und das –mit Verlaub- wär dann auch wieder langweilig irgendwie.

Wie geht eigentlich ein Desperado mit der ganzen leidigen Angelegenheit um? Nun, er tut was er immer tut. Er reitet rum. Nicht unbedingt drauf rum, aber eben rum.

Wenn zum Beispiel der gefallene Engel zu Höchstform aufläuft und ihm in den leuchtendsten Farben vor Augen führt, was da so alles an ungenütztem Potential und unerhörten Möglichkeiten hinter seinen genialen Machenschaften steckt, meint der Desperado nur, „na und, was bitte kommt raus dabei und wofür soll das gut sein? Du bist mit all deinen Plänen und bei allem was dir so vorschwebt auf die Mitwirkung und tatkräftige Unterstützung der Leute angewiesen, und der Mensch kommt grundsätzlich nicht und nie und nimmer gegen Gott und seinen unergründlichen Ratschluss an, also was soll der ganze Unfug?“

Zeigt ihm der Lichtengel all die großartigen und wunderbaren Dinge und Gelegenheiten, Gutes zu tun und seinen Mitmenschen mit Rat und Tat zu Hilfe zu eilen, ihre Krankheiten und Leiden zu lindern und mit friedlichen Mitteln für Gerechtigkeit und Freiheit einzutreten, sagt der Desperado bescheiden, „das ist wirklich eine überaus erfreuliche feine Sache! Schön dass es solche Leute gibt, sie haben meine Bewunderung und Hochachtung, ich ziehe den Hut und neige mein Haupt in Ehrfurcht, aber das ist nun mal nicht so mein Ding, dazu fehlt mir jedes Talent und der liebe Gott wird schon die geeigneten Leute für seine guten Werke finden, hat er bisher noch immer, da bin ich mir sicher.“

Dann sitzen die beiden gründlich eingeschnappt und ziemlich angefressen auf seinen Schultern und geben wenigstens eine Zeit lang Frieden.

Manchmal rennt dem Desperado ein Überläufer vor die Hufe, dann meint er, „Junge überleg dir gut was du tust, die werden dich erst mal in die Mangel nehmen und ausquetschen wie eine Zitrone, und wenn sie dir genug aus der Nase gezogen haben über die Truppenbewegungen des Feindes, zu dem du in ihren Augen nach wie vor zählst, schicken sie dich unverzüglich an vorderste Front, um dich als vertrauensunwürdig schillerndes Subjekt so schnell als möglich vom Hals zu haben. Fällst du aber deinen Exfreunden in die Hände, wirst du des Hochverrats angeklagt und bist sowieso erledigt.“

Es heißt doch, du sollst deine Feinde lieben. Warum also nicht bei Gelegenheit einem Feind mal einen brauchbaren Tipp geben? Auch wenn er nicht der meine ist, irgendjemands Feind wird er schon sein.

Wenn im jüngsten Gericht der Desperado an die Reihe kommt und der Weltenrichter zu ihm sagt, „ich war im Gefängnis und du hast mich nicht besucht!“, wird der Desperado mit der nötigen Ehrerbietung seinen Hut in Händen im Kreise wandern lassen und antworten, „sorry, Lord, aber könntest du mir gütigst verraten, wie bitte ich das anstellen soll, dich im Knast zu besuchen, wenn ich selber drinsitze?“

Die Leute bewegen sich ohnehin zu allermeist in Grautönen durch die Grauzone.

Gemäß dem Motto ihrer Engelsberater sagen sie sich, was gut ist bestimme ich und was böse ist genauso, soll heißen was gut ist für mich ist gut und wer böse ist zu mir ist böse. Dass sie auf diese Weise des öfteren das Gute für böse halten und das Böse für gut ist unvermeidlich, was sie aber weiter nicht beschäftigt, so lange für sie etwas Gutes herausspringt dabei. Im andern Falle sind schnell mal die andern die Bösen, sie selbst die Guten, das Gewissen ist beruhigt und die Ordnung der Kräfte wiederhergestellt. Irgendwie müssen sie schließlich klarkommen mit dem Dilemma, und dieser breitgetrampelte Weg ist eben immer noch der sicherste, bewährteste und last not least angenehmste.

Ein Desperado sieht keinen Grund, den Leuten deshalb böse zu sein, solange er nicht grade selbst der Böse sein muss, von ihnen angepöbelt, vertrieben und aus ihrer Mitte verbannt wird. Was nur leider allzu oft der Fall ist, aber nun, damit kann er gut leben. Er hat ja wohlweislich nie von sich behauptet der Gute zu sein, also was kümmert´s ihn? Letztendlich geht ihn all der Nonsense nicht das Geringste an und schert ihn nicht die blaue Bohne, die da im Falle eines Falles hinter ihm hergeflogen kommt.

Wenn ein Desperado sich hinstellen würde und fragen, ob ihm vielleicht mal irgendwer verraten könnte was zum Teufel das Ganze nun mit ihm zu tun haben soll, weiß keiner was Konkretes drauf zu erwidern, gerade deshalb fällt jedem X-Beliebigen was X-Beliebiges dazu ein, was ihm grade so in Kram und Konzept passt, darum macht er das erst gar nicht.

Ein Desperado lässt die Engel machen und die Leute ebenso.

Man kann sowieso nie so genau sagen was zum Schluss dabei rauskommt, also sieht er auch keinen Grund, weshalb er nicht entbehrlich sein und wozu er unbedingt mitmischen sollte. Die logische Folge davon ist freilich, dass er als erster dran zu glauben hat, wenn die Frage mal wieder dringlich und allgemein gestellt wird und auf Sein oder Nichtsein im Raum stehen gelassen, aber das nimmt er gern in Kauf.

Wenn man ihn wenigstens bis dahin in Ruhe lässt.
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.04.2012, 09:24   #2
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Hoppla, mein Freund!

Das ist starker, aber wohlriechender Tobak!


Mescalerische Grüße
von
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.04.2012, 10:10   #3
weiblich Ilka-Maria
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Benutzerbild von Ilka-Maria
 
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.103

Hab mich köstlich amüsiert!
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
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