Gevatter Tod

[Ilka-Maria]

Gevatter Tod, jetzt bin ich alt,
und deine nachtschwarze Gestalt
steht schweigend da in meiner Tür,
sag, bist du mich zu holen hier?

Der Sensenmann, er redet nicht,
senkt nur bejahend sein Gesicht,
verharrt in Unbeweglichkeit,
bleibt still und stumm, denn er hat Zeit.

Gevatter Tod, was ist der Sinn,
daß ich auf dieser Erde bin,
wenn am Ende doch mein Leben
in deine Hände wird gegeben?

Darf ich nicht bleiben in der Welt,
die ich mir mühsam hab’ bestellt,
fleißig und ehrlich und stets erpicht,
treu zu bewahren Moral und Pflicht?

Gevatter Tod, warum muß ich fort
an einen kalten, grausigen Ort?
Warum ist mein Leben verloren?
Ach, wäre ich besser nie geboren!

Der Dunkle spricht und tritt nach vorn,
die Stimme ernst, doch ohne Zorn:
Du Menschenkind, du forderst ein,
was weder dein ist, noch ist mein.

Auch ich gehorche nur der Macht,
die über unseren Welten wacht,
die dem Verstande sich entzieht
und dennoch über uns regiert.

Drum höre auf mein tröstend Wort:
Du lebst in deinen Kindern fort,
und deiner Enkel Fruchtbarkeit
beseelt dich mit Unsterblichkeit.

Heran winkt mich der Rudersmann
und führt mich hin zu seinen Kahn,
mit meinem letzten Gefährten vereint
reise ich fort aus Raum und Zeit.

[Thing]

Halli Hallo, Ilka-Maria -

ich bin zufällig auf dieses Gedicht gestoßen und sehr erstaunt darüber, daß es unkommentiert blieb.
Eine Kohlezeichnung mit Worten, ich fühle mich an große Wortemaler erinnert.
Ich habe einige Anmerkungen, aber ich verschiebe das auf morgen, denn so spät am Abend neige ich zum Schwafeln.

Vorerst:
Das Gedicht hat tiefen Eindruck auf mich gemacht.


Thing

[Ex-Odiumediae]

Zitat von Thing

Das Gedicht hat tiefen Eindruck auf mich gemacht.

Auf mich auch, vor allem diese Strophe:

Der Dunkle spricht und tritt nach vorn,
die Stimme ernst, doch ohne Zorn:
Du Menschenkind, du forderst ein,
was weder dein ist, noch ist mein.

gefällt mir gut, wegen des Gedankens, dass das Leben eine Leihgabe sei, die dem Menschen eine Weile lang gegeben und schließlich von Freund Hein wieder geholt wird. Interessant ist auch, dass der 'Verleiher' gar nicht genannt wird.

Wunderbar!

[Ilka-Maria]

Das Gedicht habe ich nach dem Tod meines Vaters geschrieben. Es ist eins meiner ersten.

Ich werde seinen Tod nie verwinden.

Und mir graut schon heute vor dem Tod meiner Mutter.

Danke.

[Ex-Schamanski]

Den habe ich schon hinter mir. Ich könnte nie im Leben ein Gedicht darüber schreiben. Sei froh, daß Du dazu die Fähigkeit hattest, ich beneide Dich darum.

[Ilka-Maria]

Was meine Mutter angeht, wird es auch für mich schwierig - denn wen sollte ich dann noch mit einem Gedicht trösten können?

[Thing]

Ich schaudere vor der Trennung zurück.
Wer könnte m i c h mit Gedichten trösten?
(Meine Mutter ist eine weitaus bessere Dichterin als ich als Dichter je werden könnte).

[Ilka-Maria]

Thing, Du bist ein Egoist!

Aber wenn Deine Mutter so viel besser ist als Du, weshalb hat sie noch keine Gedichte über Dich geschrieben?

Das wird aber höchste Zeit!

[Thing]

Nein, hat sie nicht.

[Ilka-Maria]

Ich schlaf mal drüber. Vielleicht fällt mir was ein und schreib eins für Dich - aber nur unter der Bedingung, daß ich Dich nicht adoptieren muß.

[Thing]

Ich verweigere mich jeglicher Adoption.
Ich nehme nur den Gevatter aus.

[Gram]

Danke dass es Dich noch gibt und dass Du dies geschrieben hast. Der Begriff "Freund Hein" wäre noch super gewesen in einem Deiner Verse, aber das ist keine Kritik, nur eine Anregung fürs nächste Mal.

Ich fürchte, dass wir alle bald in sein kaltes Antlitz blicken müssen, wenn ich die Nachrichten aus Lybien sehe. Er holt sich eine reiche Ernte, der Älteste der Welt.

Viele liebe Grüße,
GRAM!

[Ilka-Maria]

Danke Gram.

Schön, daß Du mal wieder dabei bist, warst eine ganze Weile weg.

Danke auch für den Tipp, aber "Freund Hein" liest man meines Erachtens allzu oft. Ich hatte mich deshalb für "der Dunkle" entschieden.

Was Libyen angeht, sehe ich nicht so schwarz. Es wird Zeit, daß die alten Diktaturen verschwinden und der Moderne Platz machen. Auf die Dauer sind die alten Systeme nicht zu halten, das machen die jungen Leute nicht mehr mit.

LG
Ilka-M.

[Gram]

So hab ich erneut Anlass mich bei Dir zu bedanken. Möchte mich auch für meine Vokalvertauschrei bezüglich Libyen entschuldigen.

Ich hatte einen heftigen Betriebsunfall. War unklar, ob ich je wieder schreiben oder Schlagzeug spielen kann. Doch Ärzte wissen eben auch nicht alles. Dafür dürfen sie Rezepte ausstellen, das hat was...

Viele liebe Grüße,
Tobi!

[Thing]

Jetzt kann der Gevatter in Japan reiche Ernte halten!

[Ilka-Maria]

Möchte mich auch für meine Vokalvertauschrei bezüglich Libyen entschuldigen.

Dafür brauchst Du Dich nicht entschuldigen, Gram, selbst einige Nachrichtensprecher wissen das nicht und sagen "Lübjen". Deshalb habe ich auch einen entsprechenden Kommentar an Dich, in dem ich das richtigstellen wollte, nicht abgeschickt. Erschien mir zu arrogant. Aber Du hast es ja selbst gemerkt und meine Erwartung voll erfüllt. Bist eben, wie ich vermutet habe, ein schlaues Kerlchen!

Herzlichen Gruß
Ilka-M.

[Ilka-Maria]

Zitat von Thing

Jetzt kann der Gevatter in Japan reiche Ernte halten!

Das braucht der nicht, der ist seit Jahrzehnten von Afrika pappsatt. Wo soll der das noch hinfressen?

[Thing]

Depots anlegen.....