Ich war ein Kind bei Poetry.de

Benni125 · 29.07.2009, 00:11

Anschauen und Senf dazu geben!

Ich war ein Kind mit großen Augen. Und die brauchte ich auch. Schließlich, ich wollte doch alles sehen. Ich sah jede neue Farbe, jeden neuen Sonnenstrahl, jede lustige Gestalt, jedes neue freundliche Gesicht, jede blühende Blume, jeden neuen Freund. Ich wollte sehen und ich habe gesehen.
Ich war ein Kind mit empfindlichen Ohren. Und die brauchte ich auch. Schließlich, ich wollte doch alles hören. Ich lauschte jedem neuen Vogelzwitschern, jedem lauten Bagger, jedem lustigen Wort, jeder neuen Melodie, jedem neuen Ton, jedem schönen Blätterrauschen. Ich wollte hören und ich habe gehört.
Ich war ein Kind mit einem losen Mund. Und den brauchte ich auch. Schließlich, ich wollte doch alles sagen. Ich sagte jedes neue geschliffene und ungeschliffene Wort, jeden noch so klugen und jeden noch so dummen Satz, jeder neuen Liebkosung gab ich einen neuen Namen, ich sagte jedes neue Wort. Ich wollte sprechen und ich habe gesprochen.
Ich war ein Kind mit einem wissbegierigen Kopf. Und den brauchte ich auch. Schließlich, ich wollte doch alles wissen. Ich wollte wissen, warum die Sonne scheint, warum Autos rollen, warum heißes Wasser dampft, warum Birnen glühen, Pflanzen wachsen, warum die Wolken regnen. Ich wollte verstehen und ich habe verstanden.
Und heute? Heute könnte ich kotzen wenn ich mich sehen. Die Galle lässt meinen Mund sauer werden.
Je mehr ich sah, desto blinder wurde ich. Je mehr ich hörte, um so tauber wurden meine Ohren. Je mehr ich sprach, desto langsamer vibrierten meine Stimmbänder. Je mehr ich verstand, desto weniger wollte ich wissen.
Und du? Was warst du?
Hast du die freundlichen Gesichter gesehen, denen ich mich anvertraute? Hast du die lustigen Worte gehört, die mich zum lachen brachten? Hast du die Worte gesprochen, welche ich dachte? Wolltest du wissen, was ich verstand? Ja?
Und du? Was bist du heute?
Siehst du das Blut an den Waffen? Siehst du die Gendärme die am Boden verstreut wurden? Hörst du das Stöhnen und Ächzen derer die sterben? Sagst du: Halt! Sagst du: Stop! Hör auf!
Verstehst du den Wahnsinn? Das Chaos? Verstehe ich es? Nein. Aber das Letzte, dass ich verstanden habe ist: Ich will wieder das Kind sein. Ich will sehen. Ich will hören. Ich will sprechen. Ich will verstehen.

drren · 29.07.2009, 12:30

Unbeschwertheit weicht dem darüber nachdenken und dem verstehen.
Chaos in vollendeter Form überall, ob fern, ob nah, ob anderswo oder bei einem selber.
Und die Erkenntnis, um so mehr man darüber nachdenkt...es wird immer schlimmer...
Und immer wieder diese innere Unruhe: "wieso, weshalb, warum..." - keine Antwort...
"Was habe ich getan, was kann ich tun"...-keine Antwort
ich will es verstehen!

eines der besten Geschichten in letzter Zeit, für mich persönlich!

Benni125 · 29.07.2009, 13:05

Vielen Dank für deine nette Einschätzung. Balsam für die Schreiberseele. Danke. Ach übrigens: Ich bitte den ein oderanderen Tippfehler zu entschuldigen. Es muss natürlich Gendärme, sondern Gedärme heißen. ^^

Sonja · 29.07.2009, 14:02

Wirklich sehr gut geschrieben!
Ja es ist garnicht so leicht die Welt wieder mit Kinderaugen zu sehen...

Kinder sind das Einzige was diese Welt noch retten kann, dass wissen denke ich alle.
Wie schon Herbert Grönemeyer sagte: Die Welt gehört in Kinderhände! Kinder an die Macht!

29.07.2009, 00:11	#1
Benni125 Dabei seit: 03/2008 Ort: Schmalkalden Alter: 35 Beiträge: 26 Meine Geschichten	Ich war ein Kind Anschauen und Senf dazu geben! Ich war ein Kind mit großen Augen. Und die brauchte ich auch. Schließlich, ich wollte doch alles sehen. Ich sah jede neue Farbe, jeden neuen Sonnenstrahl, jede lustige Gestalt, jedes neue freundliche Gesicht, jede blühende Blume, jeden neuen Freund. Ich wollte sehen und ich habe gesehen. Ich war ein Kind mit empfindlichen Ohren. Und die brauchte ich auch. Schließlich, ich wollte doch alles hören. Ich lauschte jedem neuen Vogelzwitschern, jedem lauten Bagger, jedem lustigen Wort, jeder neuen Melodie, jedem neuen Ton, jedem schönen Blätterrauschen. Ich wollte hören und ich habe gehört. Ich war ein Kind mit einem losen Mund. Und den brauchte ich auch. Schließlich, ich wollte doch alles sagen. Ich sagte jedes neue geschliffene und ungeschliffene Wort, jeden noch so klugen und jeden noch so dummen Satz, jeder neuen Liebkosung gab ich einen neuen Namen, ich sagte jedes neue Wort. Ich wollte sprechen und ich habe gesprochen. Ich war ein Kind mit einem wissbegierigen Kopf. Und den brauchte ich auch. Schließlich, ich wollte doch alles wissen. Ich wollte wissen, warum die Sonne scheint, warum Autos rollen, warum heißes Wasser dampft, warum Birnen glühen, Pflanzen wachsen, warum die Wolken regnen. Ich wollte verstehen und ich habe verstanden. Und heute? Heute könnte ich kotzen wenn ich mich sehen. Die Galle lässt meinen Mund sauer werden. Je mehr ich sah, desto blinder wurde ich. Je mehr ich hörte, um so tauber wurden meine Ohren. Je mehr ich sprach, desto langsamer vibrierten meine Stimmbänder. Je mehr ich verstand, desto weniger wollte ich wissen. Und du? Was warst du? Hast du die freundlichen Gesichter gesehen, denen ich mich anvertraute? Hast du die lustigen Worte gehört, die mich zum lachen brachten? Hast du die Worte gesprochen, welche ich dachte? Wolltest du wissen, was ich verstand? Ja? Und du? Was bist du heute? Siehst du das Blut an den Waffen? Siehst du die Gendärme die am Boden verstreut wurden? Hörst du das Stöhnen und Ächzen derer die sterben? Sagst du: Halt! Sagst du: Stop! Hör auf! Verstehst du den Wahnsinn? Das Chaos? Verstehe ich es? Nein. Aber das Letzte, dass ich verstanden habe ist: Ich will wieder das Kind sein. Ich will sehen. Ich will hören. Ich will sprechen. Ich will verstehen.

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29.07.2009, 12:30	#2
drren Dabei seit: 07/2009 Ort: Berlin Alter: 55 Beiträge: 102 Meine Geschichten	Unbeschwertheit weicht dem darüber nachdenken und dem verstehen. Chaos in vollendeter Form überall, ob fern, ob nah, ob anderswo oder bei einem selber. Und die Erkenntnis, um so mehr man darüber nachdenkt...es wird immer schlimmer... Und immer wieder diese innere Unruhe: "wieso, weshalb, warum..." - keine Antwort... "Was habe ich getan, was kann ich tun"...-keine Antwort ich will es verstehen! eines der besten Geschichten in letzter Zeit, für mich persönlich!

29.07.2009, 13:05	#3
Benni125 Dabei seit: 03/2008 Ort: Schmalkalden Alter: 35 Beiträge: 26 Meine Geschichten	Vielen Dank für deine nette Einschätzung. Balsam für die Schreiberseele. Danke. Ach übrigens: Ich bitte den ein oderanderen Tippfehler zu entschuldigen. Es muss natürlich Gendärme, sondern Gedärme heißen. ^^

29.07.2009, 14:02	#4
Sonja Dabei seit: 07/2009 Ort: In meiner eigenen Welt... Alter: 33 Beiträge: 1.157 Meine Geschichten	Wirklich sehr gut geschrieben! Ja es ist garnicht so leicht die Welt wieder mit Kinderaugen zu sehen... Kinder sind das Einzige was diese Welt noch retten kann, dass wissen denke ich alle. Wie schon Herbert Grönemeyer sagte: Die Welt gehört in Kinderhände! Kinder an die Macht!