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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 17.01.2010, 20:28   #1
männlich Skidbladnir
 
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Standard Feindfahrt

Feindfahrt


Kraftvoll treibt der Diesel vorwärts,
voran, voran mit aller Kraft.
Schneidend teilt der Bug die Wellen.
Bald schon ist der Weg geschafft.

„Fühlungsmeldung, Richtung Osten“
rief der Funker durch das Boot.
Seit Stunden jetzt auf AK fahrend
halten wir ins Morgenrot.

Kühle, Rotlicht auf Zentrale,
die Wache wechselt Schicht geschwind.
Nur der WO starrt und wartet
im eisigen Novemberwind.

Im Bugraum geht die Zeit verloren,
die Tageszeit bestimmt die Uhr.
AK, AK nun seit Stunden.
Herr Kaleun, wofür das nur?

„Alarm! Alarm! Die Luke schließen!“
Wasser flutet in den Tank.
Feindflugsichtung Richtung Norden,
Lastensegler, Gott sei Dank.

Emsig surren die Motoren,
der Stahl des Rumpfes ächzt und kreischt.
Zehn Minuten Tauchfahrt kommen,
das Zielgebiet ist fast erreicht.

Kontakt! Kontakt! Der Horcher spricht:
„Sechzig Grad und nähert sich!“
Sehrohrtiefe ist befohlen,
ein Einzelfahrer sicherlich.

Torpedoemannschaft auf Stationen
Leben kommt jetzt in den Kahn.
Ein Tanker fährt am Horizont.
Nur ein Stück noch näher ran!

Neue Peilung, Lagewinkel,
Gegnerfahrt, Torpedoes klar.
Luken öffnen, zwei Schuss draußen,
bisher alles wunderbar.

Maschinen stoppen, Sehrohr runter.
Ab jetzt Ruhe alle Mann.
Alles stimmt, Sekunden gehen,
leise zählt der LI an.

Der erste Schuss, ein dumpfer Schlag.
Der Aal wollt wohl nicht zünden.
Der zweite Schuss geht übers Ziel,
verfehlt, ist am verschwinden.

Die Männer stöhnen, sind enttäuscht.
Neuer Anlauf! Sehrohr raus.
Die E-Maschinen summen eilig,
der Kaleun schaut rundum aus.

Der Mann erbleicht und gibt Befehl:
„Feindflug! Rasch auf Tiefe!“
Der LI brüllt Kommandos aus,
Ach, wenn die Angst nur schliefe.

Überflug, Motoren dröhnen,
die E-Maschinen schallen.
Immer noch nicht tief genug
und Wasserbomben fallen.

Der Stahl erzittert, Bolzen reißen.
Ein beispielloses Scheu’n.
Aus dem Heckraum dröhnt der Ruf:
„Wassereinbruch, Herr Kaleun!“

Überflug zum zweiten Mal,
die Bordwand drückt nach innen.
Hundert Meter, Nicht genug!
Die Tankventile springen.

Wasserbomben, Wasserbomben.
Überflug zum dritten Male.
Die E-Maschinen stottern leis,
Verletzte auf Zentrale!



Das Boot sinkt ruhig,
die Kräfte ringen,
es riecht nach Blut,
die Wände singen.

Hinab, hinab
Ins Dunkel nur.
Herr Kaleun,
wofür das nur?

Die Mannschaft schweigt,
ist nur benommen.
Ich hör, ich hör
das Wasser kommen.

(16.1.10)
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Alt 17.01.2010, 20:41   #2
weiblich Ilka-Maria
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Gänsehaut!

Erinnert mich an die unguten Gefühle, die ich hatte, als ich den Film "U23 - Tödlich Tiefen" sah (ist schon lange her, aber das Gefühl ist noch lebendig).

Klasse geschrieben!

LG
Ilka-M.
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Alt 17.01.2010, 20:50   #3
weiblich C.Alvarez
 
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Hallo Skidbladnir,

kann mich Ilka-Maria nur anschliessen.
Unwahrscheinlich authentisch, mitreissend, ja, absolute Spitzenklasse!
Auch der Bruch vor den letzten drei Strophen - gut gemacht.
Ich bin wirklich beeindruckt.
Das klingt so echt, so miterlebt.

Tja, grosses Kompliment.

Corazon De Piedra™
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Alt 18.01.2010, 00:41   #4
männlich Skidbladnir
 
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Beiträge: 223

lange Silent Hunter 3 -Erfahrung.
freut mich, dasses euch gefällt.
Hab mich im letzten Jahr viel mit der Thematik auseinandergesetzt. Mit der Technik, der Geschichte, dem Leben an Bord.
Eigenlob stinkt, aber ich krieg jedes mal Gändehaut wenn ichs lese. was aber wohl nicht an dem werk ansich liegt sondern an den lebendigen bildern, die es mir zurückgibt und aus denen es ja erst entstanden ist. Ich hoffe ihr versteht. Will mich hier keinesfalls selbstweihräuchern^^

danke fürs lesen. Es lag mir am herzen, dass sich auch mal jemand über diese thematik gedanken macht in diesem forum.

Skid
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Alt 18.01.2010, 07:41   #5
weiblich Ilka-Maria
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Beiträge: 31.103

Ich war vor vielen Jahren mal in München in den Filmstudios und habe das U-Boot besichtigt, in dem der Film "Das Boot" gedreht worden war (war aber nur ein Abschnitt, kein ganzes Boot). Unheimlich und bedrückend! Das wäre nichts für mich. Das muß eine ganz schöne Anstrengung gewesen sein für die Filmleute, bei den Alarmszenen mit den Kameras durch die engen Gänge und Türöffnungen zu rasen!

Gruß
Ilka-M.
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Alt 18.01.2010, 16:17   #6
männlich moon
 
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Beiträge: 362

Zitat:
Es lag mir am herzen, dass sich auch mal jemand über diese thematik gedanken macht in diesem forum.
Hi Skid,

damit hast du bei mir voll ins Schwarze getroffen. Endlich ein Text zur U-Boot-Thematik. Da musste ich direkt mal den Soundtrack zum Wolfgang Petersen-Streifen auspacken. Und dein Werk steht jenem in nichts nach: Optimale Dramaturgie, mitreißende Wortwahl, bitteres Ende. Man merkt, du hast dich ausführlich mit dem Thema befasst.

Ich persönlich sehe im U-Boot-Krieg den Schrecken des Krieges selbst. Eingeengt, die ständige Frage: "Was kommt als nächstes?", eine Hand voll Auswege, (über)lebenswichtige Entscheidungen im Minutentakt und von den taktischen Komponenten ganz zu schweigen.

Ich konnte mir vor ein paar Jahren auf Rügen selbst ein Bild machen, dort lag ein Boot als Ausstellung im Hafen. Auch wenn die meisten Platzangst bekamen, ich mochte die Enge. Wenn ich das so sagen darf: Ein faszinierendes Kriegsinstrument.

Danke für den Text, einer der spannendsten, die ich in letzter Zeit lesen durfte.

moon
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Alt 18.01.2010, 19:16   #7
weiblich C.Alvarez
 
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Zitat:
Zitat von Skidbladnir Beitrag anzeigen
Es lag mir am herzen, dass sich auch mal jemand über diese thematik gedanken macht in diesem forum.
Hey Skidbladnir,

haben wir gemacht und der Text ist wirklich ein Highlight, da sind sich alle einig.
Meine Frage: Könntest du nicht mal sowas mit der Thematik Flugzeugträger schreiben? Diese Teile faszinieren mich nämlich.
Über einen oder gar einen ganzen Trägerverband? Oder sogar bischen Science Fiction über die neue CVN-78 Klasse?
Würde mich freuen.

Liebe Grüsse

Corazon
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.01.2010, 19:28   #8
männlich Skidbladnir
 
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@moon: mich hat die ubootwaffe auch sofort begeistert. ich war bereits in mehreren booten in museen, lasse eigentlich nie eines aus. gerade die vielgeliebte VII hat es mir angetan wie auch typ IX. die enge, die ungewissheit und auch gerade das psychologische problem, das die seekriegsführung immer schon erlebt hat: irgendwo auf dem ozean, einer wenn man so will lebensfeindlichen umgebung über monate unterwegs zu sein, ausschau zu halten nach feinden unter dem befehl, ein heimatland, welches hunderte kilometer von mir entfernt liegt zu verteidigen. gerade bei den langstreckenubooten der IXer klasse, die in der karibik, im indischen ozean und in den hart umkämpften asiatischen gewässern operiert haben, wirkte sich dieser drückende gedanke sicher schlimm aus.
wenn wir heute denken, uns beschleicht ein beklemmendes gefühl, uns gehts schlecht oder wir haben kein ziel vor augen und wir halten uns die tapferen männer der ubootbesatzungen vor augen ist der unterschied einfach unvorstellbar.
du siehst, ich könnte darüber noch seitenweise schreiben.
danke für deinen beitrag

@cora:
oh, das ist schwierig... gerade neue schiffe... da kennich mich nich mit aus.
über den gegenspieler, nen geleitzug im 2WK vielleicht, aber um wirklich nen gutes werk über einen flugzeugträger auf die beine zu stellen, müsste ich mich genauso ausführlich mit der thematik beschäftigen wie ich bisher bei den u-booten vorgedrungen bin.
auch wenn es vielleicht enttäuschend ist, aber bei deinem CVN-78 treffen gleich mehrere dinge, die dagegen sprechen aufeinander:
1.: Nachweltkriegsgerät... ich mag lieber die maschinen der 2WK-zeit
2.: amerikaner. da mussich wohl nichts weiter zu ausführen
3.: viel zu viel technik und sachen, die mein kleines hirn überlegen müsste um korrekte eindrücke davon zu schaffen.

aber vielelicht kann ich mich dennoch mal dran versuchen. erwartet aber nicht zu viel^^

Danke für die netten Beiträge
Skidbladnir ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.01.2010, 19:42   #9
weiblich C.Alvarez
 
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Zitat:
Zitat von Skidbladnir Beitrag anzeigen
aber vielelicht kann ich mich dennoch mal dran versuchen. erwartet aber nicht zu viel^^
Ich verstehe, was du meinst, sicher, da müsstest du dich echt reinknien, muss ja nicht sein, nicht wegen mir.
Vielleicht versuch ich selbst mal sowas

Ich kenn von den Schiffen im WWII nur die Graf Spee. Die ist in ganz Südamerika bis heute berühmt.

Lieber Gruss

Corazon
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.01.2010, 19:44   #10
männlich Skidbladnir
 
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woher kommt denn diese berühmtheit in südamerika?
Skidbladnir ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.01.2010, 20:05   #11
weiblich C.Alvarez
 
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Zitat:
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woher kommt denn diese berühmtheit in südamerika?
Ach, die haben sich irgendwie einer Übermacht englischer Schiffe gestellt und die vertrieben, obwohl sie selbst schwer beschädigt wurden, und später sich selbst versenkt um dem Feind nicht in die Hände zu fallen.
Auf alle Fälle irgendwas ehrenvolles da gemacht und Ehre ist in Südamerika das wichtigste. Ich kenn die Story nicht genau, muss mal meinen Vater fragen, der weiss sowas.

Gruss

Corazon
C.Alvarez ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.01.2010, 11:37   #12
männlich Skidbladnir
 
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hast du die sache mal näher erfragt? mich würde das ehrlich interessieren und sicher einzwei andere auch. davon geh ich jedenfalls aus^^
Skidbladnir ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.01.2010, 12:48   #13
weiblich C.Alvarez
 
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Zitat:
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hast du die sache mal näher erfragt? mich würde das ehrlich interessieren und sicher einzwei andere auch. davon geh ich jedenfalls aus^^
Guck mal hier:

http://uruguay-magazin.com/Geschicht...mber-1939.html

Gruss

corey
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