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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 29.07.2015, 10:37   #1
FeelGoodInc
 
Dabei seit: 04/2015
Beiträge: 48

Standard Ode an die Zeit

Ode an die Zeit

Wie du vor dich hinrieselst,
vom Glas des Lebens
in das Glas des Todes,
gefangen in der Glaskuppel,
bis man die Sanduhr wendet
und du vom Vergehen
in ein Werden übergehst,
bis du abgelaufen bist, verstrichen

Du gläsernes Nichts,
wen du mit deinen Augenhöhlen
in den Spiegel blickst,
siehst du dein knöchernes Antlitz,
deine eingefallenen Wangen,
die Jahresringe über deinen Backen,
deine hängende, fast schon verlaufende
Glashaut, du tragisch-schöner Tod

Du sitzt versunken auf dem Sessel,
gemalt von Dáli, deine Knochen
wie Klaviersaiten bespielt
von Erik Satie,
deine Sekunden erheben sich
zu architektonischen Komplexionen
und du grinst sachte
in deinen Reflexionen,
doch man sieht es nur
im Spiegel,
du gläsernes Morgenrot

Du blickst nur auf diesen Voodo-Globus
und setzt von Zeit zu Zeit
einen Stich mit deinen wuchernden
Fingernägel, du übernächtige Seele,
übermächtiges Opfer deiner Selbst,
den du opferst fliessend
deine Partikel als Kontinuum
bis du verschwindest
und wieder entstehst

Aphrodite nannten sie dich einst,
heute rufen sie dich die Hadernde,
du blickst spöttisch zu Hades, sprichst:
"Ohne mich existiert
nicht einmal deine Unterwelt."
und segelst mit Rah über die Styx

Du warst anwesend bei der Pieta
und murmeltest pietätslos etwas
von König Ödipus, du eiserne Elektra,
Tolstoi und Dostojewski langweilten dich
denn du sprichst noch die Sprache
der Annunaki und du drehtest
dir die Maslow-Pyramide
wie eine Zigarette

Du vergehst wie der Rauch
von verbranntem Marihuana
und der Moment schmuggelt dich
wie ein Laster aus Tijuana
als Kinderspielzeugs aus Kokain,
rein und oberflächlich

Schmerzblitze der Erinnerung,
der Genozid in Ruanda:
"Kill the Tutsis, maggots!",
die Militanten des Kongokriegs
mit der Infrarotkamera dokumentiert
und nachlässig als Kunst
in einem Museum ausgestellt

Du erhieltest die Hölle
der Unsterblichkeit,
Lebenslänglich,
dem Leben überdrüssig,
doch du hast deine Pflichten,
bis die Antimaterie
den letzten Rest Partikel
auslöscht

Die Handschellen der Ewigkeit
erstachen dein corazon de piedra
Dekaden und Ären zuvor
und nun sitzt du da
mit indifferenter Mine,
mechanisch und unbelebt,
du schwarzes Loch

Jedes Mal wenn ich die Staubpartikel
von einem Lichtstrahl beleuchtet
schwebend in der Luft erblicke
denke ich an dich,
wie du in deinem Glashaus sitzt,
mit Steinen wirfst,
in den Scherben weinst,
Tick, Tack, Tick, Tack

Deine Zwillingsschwester
ist die Tristesse
und ihr seit eineiige Zwillinge,
der Stundenzeiger fällt,
die Zeit verschwimmt
und ertrinkt zeitlos

Die Zeit
zu zweit,
entzweit
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Stichworte
ode, tristess, zeit



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