Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 01.07.2009, 11:25   #1
männlich WarriorPrince
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Cala Mayor, Palma de Mallorca
Alter: 37
Beiträge: 3


Standard Wenn Wünsche wahr werden

Küsse einen wildfremden Mann, sieh dir einen Sonnenaufgang an, verändere das Leben eines anderen - drei von zwanzig Dingen, die Ricarda bis zu ihrem 25. Geburtstag erleben wollte.
Als Ricarda bei einem Autounfall ums Leben kommt, ist Leonie, die Fahrerin des Wagens, voller Schuldgefühle, und erst als sie Ricardas Wunschliste zu der ihren macht, sieht sie Licht am Horizont.
Ein fremder Mann zum Küssen ist schnell gefunden, und die Sonne geht schliesslich jeden Tag auf - doch wie verändert man das Leben eines anderen?
WarriorPrince ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.07.2009, 12:59   #2
männlich WarriorPrince
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Cala Mayor, Palma de Mallorca
Alter: 37
Beiträge: 3


Standard Teil 1

Der nächste Punkt auf der Liste: Einen fremden küssen. >>Wie wär's mit dem?<< Sandra deutete auf einen Typen, der so umwerfend aussah, dass man sich wunderte, ihn mit Hemd und Krawatte in einer solchen Bar zu sehen statt auf einem Werbeplakat für Unterwäsche.
>>Bleib bitte auf dem Teppich.<<
>>Warum? Es geht doch nur um einen Kuss.<<
Sie hatte leicht reden. Sie war ja nicht diejenige, die das Küssen übernehmen sollte.
Es war Donnerstagabend nach Büroschluss, und in Francy's Bar war es rappelvoll. Sandra und ich waren schon seit einigen Stunden in der Bar, um die Lage zu checken und Happy-Hour Cocktails zu schlürfen, die leider entschieden zu schwach waren, um eine schnelle Wirkung zu erzielen.
>>Was meinst du - auf den Mund?<<, fragte ich.
>>Natürlich, aber mit oder ohne Zunge, musst du selbst entscheiden.<<
Nach längerem Hin und her entschied ich mich für drei Männer, die an einem Tisch gegenüber der Theke sassen. Sie waren Mitte bis Ende dreissig, einfach gekleidet und wirkten harmlos, was ihre Hauptanziehungskraft ausmachte. "Dann mal los." Als ich mich von meinem Stuhl erhob, kam ich mir vor, als zöge ich in eine Schlacht. Mein Plan sah vor, an ihren Tisch zu treten, meine missliche Lage zu schildern und zu hoffen, dass sich einer von ihnen meiner erbarmte und sich freiwillig zur Verfügung stellte.
Für den Fall, dass der Plan schief ging - nein, ich wollte lieber nicht darüber nachdenken, was passieren würde, wenn er schief ging. Jedenfalls würde es mit einem peinlichen Rückzug enden.
Ich trank den Rest meines Cocktails auf ex, holte tief Luft und steuerte den Tisch an. Die drei Männer sahen mich voller Neugier an. Eine Frau, die sich in einer Bar einem Tisch näherte und keine Kellnerin war, musste ein interessanter Anblick sein. Darüber hinaus geizte ich an diesem Abend nicht mit meinen Reizen. Ich trug Pumps mit Pfennigabsätzen einen etwas sehr kurzen Rock und dazu ein tief ausgeschnittenes Oberteil, und ich hatte grosszügig Eyeliner aufgetragen. Meine Haare lockten sich wie üblich bis zu meinen Schultern.
>>Hi! Ich bin Leonie!<<, sagte ich locker.
Nachdem er wahrscheinlich einen Moment lang überlegt hatte, ob ich ihnen etwas verkaufen wollte, sagte einer von ihnen: >>Ich bin Kai, und das sind Ben und Jannik.<<
>>Nett sie kennen zu lernen!<< Und dann platzte ich auch gleich mit meiner Geschichte heraus.
>>Ich hätte eine Bitte an Sie, viellicht können Sie mir helfen. Ich habe hier eine Liste mit verschiedenen Aufgaben.<<
Ich hielt die Liste in die Luft, Beweisstück A, ein ganz normales, von Hand beschriebenes Blatt Papier.
>>Eine besteht darin, dass ich einen Fremden Mann küssen muss. Und da habe ich mich gefragt...<<
>>Sie wollen einen von uns küssen?<< fiel mir Jannik ins Wort.
Kai zog nach: >>Ist das eine Art Schnitzeljagd?<<
>>So was ähnliches.<<, erwiderte ich.
>>Einen Kuss auf den Mund?<<
>>Ähm, also...Ja<<
>>Zunge?<<
>>Optional.<<
Drei Augenpaare musterten mich von Kopf bis zu den Zehen, aber, das musste ich ihnen zugute halten, sie taten es dezent.
>>Tja, also<<, sagte Jannik, und er klang, als würde er es tatsächlich bedauern. >>Wir sind alle verheiratet.<<
>>Aber das muss man ja nicht so eng sehen<<, ergänzte Ben.
>>Wenn ich Ihnen damit helfen kann...<<
>>Nein ich verstehe schon>>, sagte ich und wandte mich zum Gehen. Warum hatte ich nicht darauf geachtet, ob sie Ringe trugen?
>>Warten Sie, wir können Ihnen vielleicht trotzdem helfen. Wir drei scheiden zwar aus, aber da drüben ist ein Kollege von uns, der kann es vielleicht machen. He, Luca!<<, rief Kai, und wer drehte sich um? Das Unterwäsche-Model. Na Toll!
>>Die junge Frau hier braucht deine Hilfe!<<
Luca kam zu uns herüber. Wenigstens schien er nicht ganz abgeneigt zu sein. In der Hoffnung, nicht zu erröten - und in dem Wissen, dass Sandra sich wahrscheinlich schlapp lachte -, wiederholte ich meine Geschichte. Bevor ich fertig war, hatte Luca mir auch schon das Blatt aus der Hand gerissen und begann laut vorzulesen.
>>Dann wollen wir doch mal sehen, was auf der Liste steht<<, sagte er, >>20 Dinge, die ich vor meinem 25. Geburtstag gemacht haben will.<<
Er sah auf und grinste mich an: >>Der 25. Geburtstag?<<
Sehr charmant. Na gut ich bin 34, aber bei günstigen Licht gehe ich immer noch für jünger durch.
>>Geben Sie her.<< Ich griff nach der Liste.
Er drehte sich rasch zur Seite und fuhr zu lesen fort. >>Wir wollen doch wissen, was genau da steht. Ah, hier ist es ja: Einen fremden Mann küssen...<<
Da ich Angst hatte, ich könnte die Liste zerreissen, wenn ich sie ihm mit Gewalt abnahm, hielt ich mich zurück und verschränkte meine Arme, obwohl ich zunehmend wütend wurde.
Ben versuchte mir zur Seite zu stehen. >>Junge, führ dich doch nicht so auf.<<
>>Einen 5-Kilometer-Lauf schaffen... ins Fernsehn kommen ... hier, das ist das Beste: 50 Kilo abnehmen. Sie waren wohl mal eine richtige Tonne, hm?
Aber diesen Punkt haben sie zu Recht schon abgehakt, davon merkt man nichts mehr.
>>Die Liste stammt überhaupt nicht von mir!<< fauchte ich ihn an.
>>Ja klar.<<
>>Wirklich. Aber aus einem ganz bestimmten Grund muss ich sie abarbeiten.<<
Jannik fragte mich mit unschuldiger Miene: >>Und der wäre?<<
Ich seufzte. >>Lange Geschichte. Bitte...<<, ich streckte die Hand aus, >>geben Sie mir die Liste wieder.<<
Es stimmte. Das war nicht meine Liste.
Sie gehörte Ricarda Geissler.
Dessen war ich mir sicher, auch wenn sie keine Unterschrift trug. Ich entdeckte die Liste, ein paar Tage nachdem ich Ricarda umgebracht hatte. Ich hatte gerade das Blut von Ihrer Handtasche gewischt, damit ich sie ihren Eltern zurückgeben konnte, und da war sie. Klein zusammengefaltet in ihrer Brieftasche.
Ich habe ihnen natürlich alles von ihr zurückgegeben - auch eine Sonnenbrille, die unweit des Tatorts gefunden worden war und die wahrscheinlich mir gehört hatte.
Aber die Liste, ja die Liste behielt ich. Ich habe sie Ricardas Eltern gegenüber nicht einmal erwähnt. Es hätte ihnen sicherlich das Herz zerrissen, von den Träumen ihrer 24 jährigen Tochter zu erfahren, die nun nie in Erfüllung gehen konnten.
Von den 20 Aufgaben hatte sie nur 2 erfüllt: 50 Kilo abnehmen und sexy Schuhe tragen. Den ersten Punkt hatte sie selbst durchgestrichen, beim zweiten habe ich es für sie erledigt - als ich ihn auf der Liste entdeckte, wurde mir klar, warum sie silberne hochhackige Sandaletten getragen hatte, als sie starb.
Alle hatten mir versichert, dass es nicht meine Schuld gewesen sei.
Auf der Beerdigung traten sie einander fast auf die Füsse bei dem Versuch, mir beizustehen und mich zu umarmen - was ich als Teil meiner Vergebung über mich ergehen liess. Ich hatte am ganzen Körper blaue Flecken. Selbst die sanfteste Berührung liess mich vor Schmerz zusammenzucken.
Und das Schlimmste von allem: Sie war erst seit einem Monat richtig schlank gewesen. Einen armseligen Monat. Nachdem sie ihr Leben lang dick gewesen war.
Wie um mich noch mehr zu quälen, starrte mich vom Altar aus ein riesiges Foto von Ricarda an, auf dem man sie in einer Jeans Grösse 52 sah - sie passte in ein Hosenbein und hielt den Bund von sich weg. Ihr lächeln schien zu sagen: >>Achtung, Welt, ich komme!<<
Schlimm.
Ich bekam kaum etwas von der Predigt mit. Stattdessen zermarterte ich mir den Kopf, was ich ihren Eltern erzählen sollte, welches ihre letzen Worte gewesen waren. Sie würden mich bestimmt fragen. Und ich würde mir eher die Zunge abbeissen, als ihnen die Wahrheit zu sagen: dass sie mir ein Rezept für Taco-Suppe gegeben hatte.
Aber diese Sorge hätte ich mir nicht zu machen brauchen. Meine Begegnung mit ihnen beschränkte sich auf einen Händedruck und eine Beileidsbekundung. Zum Leichenschmaus ging ich nicht mit; sicher hätte man meine Anwesenheit - mit dem Bluterguss am Hals und den riesigen Veilchen - als geradezu unanständig empfunden. Abgesehen davon waren Ricarda und ich nicht einmal miteinander befreundet gewesen. Ich hatte sie erst wenige Stunden vor ihrem Tod kennen gelernt.
Wir hatten dasselbe Weight-Watcher-Treffen besucht. Ich war neu zu der Gruppe gestossen, weil ich die 5 Kilo, die sich seit meiner letzten Diät wieder auf meinen Hüften breitgemacht hatten, loswerden wollte. Sie hatte die lebenslange Ehrenmitgliedschaft erhalten (die gerade einmal ein paar Stunden gedauert hatte), weil sie ihr Traumgewicht seit 6 Wochen gehalten hatte.
WarriorPrince ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Wenn Wünsche wahr werden



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Wünsche an die Nacht PearlOfSoul Liebe, Romantik und Leidenschaft 4 29.06.2008 16:30
Traum? - verlorene Wünsche? Brachialegewalt Liebe, Romantik und Leidenschaft 2 16.02.2008 15:16
Wir werden werden (triggert) Jeanny Düstere Welten und Abgründiges 3 09.07.2007 19:57
Wenn Wunder wieder wahr werden Hypokrit Sonstiges Gedichte und Experimentelles 11 30.01.2007 16:36
leidenschaftslose Wünsche homo faralis Düstere Welten und Abgründiges 1 13.09.2006 06:48


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.