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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 26.04.2016, 17:31   #1
weiblich welldien
 
Dabei seit: 03/2015
Alter: 33
Beiträge: 4

Standard Mein leerer Raum

Wieder einmal steige ich die schmalen Stufen hoch zum Eingang.
Draußen ist es schon dunkel, wieder einmal regnet es in Strömen.
Mit meinen Schuhen trage ich die Nässe entlang des alten Parketts,
es läuft neue Musik, sehne mich aber nach den vergangenen Tönen.
Außer mir und dem Kneipenbesitzer ist keiner vor Ort.
Aus den Fenstern, kann ich keine Menschenseele auf der Straße erkennen, alle sind fort.
Die Flaschen sind leer, alle Gläser ausgetrunken, der Tresen bereits geputzt.
Hier war schon lang kein Gast mehr, die Aschenbecher sind unbenutzt.

Von dir ist nur ein leerer Raum geblieben,
es reicht gerade noch einmal um nicht zu vergessen,
bleibt genügend um dem Zweifel einen Platz anzubieten.
Wie oft bin ich hier gewesen, habe gehofft dich wiederzusehen.
Aber niemand ist gekommen, ich saß hier immer wieder allein.
Da war kein Getöse, alles war stumm, kein Ein- und Ausgehen.
Und überhaupt ist Einiges farblos geworden und auch grau.
Vieles hat an Bedeutung gewonnen, außer weiter weg vom Sein.
Zeit hat Sehnsucht in Zement gegossen, auf den Millimeter genau.

Ich atme die Stille ein, konzentriere mich darauf im Hier und Jetzt zu sein,
abzulegen was mich aus meinem Gedankenkreis entreißt.
Der Regen spült den Asphalt blank und wäscht Dachschiefer lupenrein.
Ich sitze hier, auf einem abgewetzten schwarzen Sofa, schaukle mit den Beinen hin und her.
Der Wind bringt die kleine Glocke über der weit geöffneten Tür viele Male zum Klingen.
Ein paar der letzten Sommerstunden in diesem Jahr: der erste Sonntag im September.
So viele Abende saß ich auf meinem Platz bis tief in die Nacht.
Zu dieser Zeit, an diesem Tisch, habe ich häufig geweint und an dich gedacht.

Von dir ist nur ein leerer Raum geblieben,
und wie oft bin ich da gewesen, hoffte du kämst zurück.
Dachte, ich könnte auf dich warten und saß dabei allein.
Es gab kein Getöse, alles war stumm, kein Ein- und Ausgehen, kein Glück.
So Vieles ist ohne dich farblos geworden und auch grau.
Wir haben an Bedeutung verloren, mit dem ersten Schritt von hier weg.
Zeit hat Sehnsucht in Zement gegossen, auf den Millimeter genau.

Und ich warte darauf, dass das Leben neu beginnt,
habe immer geglaubt, dazu bräuchte es nur dich und mich.
Und je länger ich hier verweile, um so weniger ich mich beeile,
verdränge ich, dass bereits alles vor hunderten Sonnenuntergängen vergangen ist.
Bevor der Mond über die Nacht wachte, bevor Sterne am Himmel zu zählen waren.

Der Regen ist stärker geworden und macht aus den Straßen einen kleinen Fluss,
mündet in die Kanalisation, die Platte im Hintergrund springt.
Aus alter Hoffnung wird ein Wagnis, dass auch ich schon wieder nach draußen muss.
Durch Dunkelheit, zur nächsten Haltestelle oder mit dem Rad in die Stadt.

Ich stehe auf, schultere meine Tasche, weiß, dass ich nichts vergessen werde,
verschwende aber einen flüchtigen Blick, hinter mir deine Erinnerung und vorn sage ich dem Ladenbesitzer gute Nacht.
Als ich auf den schmalen Treppen stehe und nach oben zum Himmel sehe, schließt sich hinter mir der Eingang und das Licht erlischt, Regen hat die warme Luft vertrieben.
Ein neuer Windstoß verabschiedet mich.
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