Damals war's schlecht, aber besser ...
Als ich noch Kind war, etwa sieben oder acht Jahre alt, war die Natur heftiger als heute, besonders im Sommer. Die Monate waren heißer, der Asphalt brutzelte öfter, und die Gewitter hinterließen grüngelben Schwefel in der Luft. Das erfährt heute kein Kind mehr.
Als ich in diesem Alter war, öffnete an der nächsten Ecke meiner Straße, nur eine halbe Fußminute schräg gegenüber unserer Wohnung, der erste Selbstbedienungsladen. Die Einkaufswagen waren noch klein, man brauchte nicht viel, um sich zu ernähren und sich sauber zu halten. Im Vergleich zu der Hungerzeit im Krieg und in den Nachkriegsjahren war der Tisch in diesem kleinen ersten Selbstbedienungsladen reich gedeckt. Den Begriff „Supermarkt“ kannte noch niemand.
Aber das Prinzip des Marketing fasste bereits Fuß, obwohl auch das noch niemand so bezeichnete. Der Selbstbedienungsladen setzte auf Kinder. Er gab ein Heft für Sammelbilder heraus, in das ich Bilder kleben durfte, die dem Wechselgeld beigegeben wurden. Ich war versessen auf diese Bilder und lernte eine Menge über die Tierwelt. Voll bekam ich das Album allerdings nie, denn als ich dreizehn Jahre alt war, zogen wir in einen anderen Stadtteil. Und da gab es diesen kleinen Selbstbedienungsladen längst nicht mehr. Konzerne bestimmten inzwischen das Feld. Aber immerhin wusste ich, was ein Warzenschwein war.
Es war das Ende der kleinen Läden, in denen sich die Nachbarschaft traf und Schwätzchen tauschte, bis einer nach dem anderen an die Reihe kam. Im Lebensmittelladen hieß es: davon ein Pfund, von diesem ein Kilo, von jenem zwei Tütchen; beim Metzger: davon ein Viertel, vom Ring die Hälfte, hundert Gramm Aufschnitt und ein Haspel.
Und beim Bäcker an der Ecke wurde das Brot immer teurer. Damals, als ich noch Kind war, kostete ein Laib Mischbrot von zwei Pfund eine Mark und siebenundzwanzig Pfennig.
Bevor wir an das andere Ende der Stadt zogen, sah ich die Läden sterben: die Bäckerei in der nächsten Seitenstraße, in der Mutter mir Bisquits kaufte; die Bäckerei zwei Ecken weiter, die uns mit Brot und Brötchen versorgte, die Bäckerei, die auf meinem Schulweg lag und wo ich zur Adventszeit immer meinen Lebkuchenmann mit den Rosinenaugen bekam; zwei Metzgereien in unmittelbarer Nachbarschaft, nur zehn Schritte voneinander entfernt, aber mit Spezialitäten, die sie konkurrenzfähig machten und überleben ließen; und der Lebensmittelladen, familiengeführt, wo ich nach gesetzlichem Ladenschluss an der Hintertür klopfen konnte, um noch eine Flasche Milch oder ein Pfund Quark zu ergattern.
Damals konnten wir – mein Vater und ich, denn wir wurden auf Einkaufstour geschickt, während Mutter die Wohnung putzte – die Beute noch mit mäßigem Kraftaufwand nach Hause tragen. Ein Hähnchen reichte für drei Personen, es blieb sogar davon übrig.
Das war die Zeit vor den Supermärkten und den Autos mit den fassungsvermögenden Kofferräumen. Und die Zeit vor der Deutschverballhornung: Grill Hähnchen frisch – halb Euro 3,20.
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23.03.2014, 11:30
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