Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 20.10.2017, 03:22   #1
männlich fkms
 
Benutzerbild von fkms
 
Dabei seit: 10/2017
Alter: 42
Beiträge: 11


Standard Nebel Leben

Nebel Leben



Noch 15 Minuten.



Wie sehr ich den kalten Dunst einer Zigarette vermissen würde, wurde mir erst nach der Ankunft am Flughafen klar. Die lange Autofahrt - dazu noch die Tatsache, dass die Entwöhnung erst vor einem Tag begann - hatte mich lebenstaub gemacht. Überall Menschen, die ihren angestauten Stress mit einer Zigarette verbrannten. Wie gerne wollte ich meinen entzünden und als Asche in den Wind streuen.

Ich entzog mich meines Verlangens, welches so laut schrie, dass ich taub wurde. Und urplötzlich war ich umgeben von einem Nebel, der meinem Dasein die Töne und Melodien raubte. In meinem Kopf war ich in einem Tunnel, den ich bewusst errichtet hatte. Die Gemäuer des Tunnels wirkten wie ein Schutzwall gegen böse Zigarettengeister.



Noch 5 Minuten.



Verwirrt und orientierungslos irrte ich durch die Katakomben des Flughafens und versuchte die Ebene der Ankunftshalle zu finden. Es gab wenige Menschen, die den gleichen Weg wie ich gingen. Das hiess, entweder war ich im falschen Parkhaus, oder es gab nicht viele Ankünfte um diese Zeit.

Der Nebel in meinem Kopf legte sich über meine ganze Welt und hüllte sie mit einem grauen Schleier der Verbitterung ein. Mit letzter noch vorhandener Motivation versuchte ich durch Affirmationen den kalten Dunst ein für allemal aus meinem Leben zu verbannen.

Während der Krieg meiner Welten ausser Kontrolle zu geraten drohte, kaufte ich mir zur Beruhigung eine Packung Erdnüsse. Die Bedienung war an dem Tag bestimmt nicht weniger schnell als sonst, aber mir schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis sie mir diese Nüsse verkaufte. Nach etwa 20 Stunden des Wartens schaute ich auf die violette 150 Gramm –Verpackung und hasst mich für diesen Kauf. Die Tüte zurückzulegen lohnte sich auch nicht mehr. Ein trostloses Dilemma, zumal der Tunnel ab und an ein paar wenige Zigarettengeister durchsickern liess. Der Nebel der Nazgul. Wie ein Nebel aus Geistern, die mir Lieder der Versuchung und des Verlangens sangen.



0 Minuten



Die Anzeigetafel zeigte mir, dass ihr Flug vor mehr als 15 Minuten gelandet war. Ich stand in der kleinen Ankunftshalle und ass meine Erdnüsse, die keinen Geschmack hatten. Entweder zu viel oder zu wenig Salz. Genau kann ich das nicht mehr sagen, denn genau in dem Augenblick sah ich sie.

Ihr blumiges Top und ihre weissen Hosen waren genau die Aufmunterung und das helle Strahlen, das ich in dem Moment in meinem Leben brauchte. Denn ab da begann der Nebel zurückzuweichen und machte dem Leben platz. So wie es sein sollte, denn zufälligerweise liest sich Nebel rückwärts Leben. Vergessen war der Entzug, das Verlangen hatte sich zu einem Verlangen nach dem Leben gewandelt.

Das Leben machte die Zeit zu einem unwichtigen Wert, der zwar ist, aber nichts mehr bestimmt. Mathematisch gesehen waren es ungefähr 31 Stunden am Stück, die ich mit ihr verbrachte. Gefühlt war es die Ewigkeit.



Zeit, unwichtig.



Ankommen. Bei mir. Ankommen. Bei ihr. Ankommen, dort wo es Heimat wird. Ankommen. Hauptsache ankommen. Und dieses Mal, dieses Mal bin ich angekommen. Angekommen, wie die Pflaumen aus meiner Heimat.



Zeit, spielt keine Rolle.

Und

Zeit, eine unnötige Orientierungsangabe.



Der Moment, in dem die Lust explodiert. In dem das Leben den Nebel verdrängt. In dem Leidenschaft und Ekstase zu einem Tanz einladen. Dieser Moment ist die Pforte zu einer Welt, in der alles möglich und genau richtig ist. Es ist die Pforte zu einer Welt, in der Honig in den Flüssen fliesst, und goldene Schmetterlinge und Feen mit ihren zarten Flügelschlägen die Luft erfrischen. Eine Welt, die keine Bedingungen kennt. Kein oben, kein unten, kein links, kein rechts. Eine Welt, in der es keiner Begrifflichkeiten bedarf. Eine Welt, in der der Speichelgehalt der Zungenschläge keine Rolle spielt. Eine Welt, die alleine von Lust und Hingabe regiert wird. Vergessen ist der Gedanke an Entwöhnung und Entzug. Jetzt bilden sich Gewöhnung und Vollkostung des süssen Lebens.



Zeit, existiert nicht mehr.



Die Vorführung des Liebesspiels in 5 Akten geht unentwegt weiter. Die Funken der Anziehung entfachen immer wieder ein Feuer unbändiger Lust, das mit jedem Mal länger brennt.

Dieses Gefühl von Ankommen, immer wieder. Gefolgt von einer unheimlichen Vertrautheit. So ist das Leben schön. So sollte es immer sein.

Synchrone Atmung und Herzrhythmus.

Elektrisierende Berührungen.

Die Ewigkeit in den Augen entdecken.

Pure Leidenschaft, immer.

Unverfälschte Begierde, immer.



Zeit, hat keine Bedeutung.



Aufwachen. Schönheit und Leidenschaft geniessen. Wahrhaftigkeit in seiner Ursprungsform.

Und wieder ist da dieses Gefühl von ankommen. Als wäre ich schon immer da. Mit ihr.

In dieser Ewigkeit wird auch der 5. Akt dieses Werks auf der Bühne des Lebens aufgeführt. Es ist die beste Uraufführung, die der Mensch jemals gesehen hat.

Ein Stück vom Himmel, ein Stück vom Rausch, ein Stück von Ewigkeit, ein Stück von Bedingungslosigkeit, ein Stück vom Leben.

All dies zeigte mir eins deutlich: Dann wenn die Zeit eine Rolle spielt, ist man im Nebel. Wenn die Zeit keine Rolle spielt, ist es umgekehrt. Im Leben. Manche nennen das auch Ewigkeit.
fkms ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.10.2017, 11:38   #2
wolfgang
 
Dabei seit: 02/2005
Beiträge: 223


Ich finde den Text sehr gut geschrieben. Die Gefühle und Gedanken sind genau. Es liest sich zwar wie ein Protokoll, aber das ist, in dem Fall, kein Nachteil.

Der untere Teil mit der Frau hat mich überrascht, aber er passt und ergänzt den oberen Teil. Für mich ist alles stimmig.

Wenn man unbedingt etwas kritisieren will, dann hier:

Ich entzog mich meines Verlangens, welches so laut schrie, dass ich taub wurde. Und urplötzlich war ich umgeben von einem Nebel, der meinem Dasein die Töne und Melodien raubte.

Für mich klingt das gestelzt.

Auch hätte ich nicht von Affirmationen gesprochen.

So, damit habe ich jetzt gelobt und kritisiert. Kann sich niemand beschweren!

Bis dann!
wolfgang ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Nebel Leben

Stichworte
leben, nebel, zeit

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche


Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Das Leben fkms Gefühlte Momente und Emotionen 0 20.10.2017 03:09
Vom nebeL zum Leben Tremor Lebensalltag, Natur und Universum 1 25.03.2017 11:20
An den Nebel Thing Lebensalltag, Natur und Universum 10 05.12.2011 10:24
Im Nebel wüstenvogel Lebensalltag, Natur und Universum 2 11.11.2011 22:35
Nebel Thing Tanka-, Haiku- & Senryu-Gedichte 8 21.11.2010 13:38


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.