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Alt 04.08.2014, 00:51   #1
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Standard Die Autorenrunde- Kapitel 4

"Honey, kannst du bitte eine andere Station einschalten?" Carol saß auf einem dieser typischen, quietschenden Hotelbetten, den Rücken an die Wand gelehnt, die nackten Beine angewinkelt und mit den Armen umschlungen. Billy hatte das Radio eben erst eingeschaltet, als die Nachrichten liefen, und Carol hatte nur dagesessen und nachgedacht.
Sie war glücklich. Billy war wie Medizin für sie. Er verstand sie. Er war ein Jungspund, das musste sie zugeben, schließlich war er ganze fünf Jahre jünger als sie, aber das war ihr um einiges lieber als Rick, der ganze sieben Jahre älter als sie und somit vierunddreißig war. Sie hatte einfach einen Neuanfang gebraucht. Rick hat sie nie geschlagen oder etwas ähnliches getan, um Gottes Willen, nein, aber er war nicht der richtige. Zuerst war sie verliebt, unsterblich verliebt, und er hatte sie wie eine Königin behandelt, sie zum Essen ausgeführt und danach hatten sie sich immer die ganze Nacht geliebt, bis sie beide vor Erschöpfung einschliefen und am nächsten Morgen mit einem Lächeln aufwachten. Sie hatte diese Zeit genossen, sie hatte sich lebendig gefühlt.

Das war nun schon lange her, 1990, die schönste Zeit, die sie je hatte, gemeinsam mit Rick, lag nun schon vier Jahre zurück. Und nun, 1994, zu der Zeit, als in jedem Kino des Landes nur noch eine Reklame zu sehen war, auf der riesengroß "Pulp Fiction" stand, zu der Zeit, als man im Radio alle halbe Stunde U.Kelly hörte, hatte sie sich endlich überwunden und ihr altes Leben hinter sich gelassen. Nicht ohne Grund, hatte sie sich oft gesagt, wenn sie Schuldgefühle bekam. Er verdiente nicht so schlecht, und geschlagen hatte er sie noch nie, aber immer öfter kam er nachts betrunken nach Hause - sie würde nie sagen, dass er Alkoholiker sei, aber er war verdammt nah dran - und rief so laut ihren Namen, dass die Nachbarn ihren Missmut durch Klopfgeräusche an der Wand äußerten. Schwankend kam er dann ins Schlafzimmer und hatte eine solche Fahne, dass sie dachte, er hätte die gesamte Bar mitgebracht. Das schlimme war, er war nie so betrunken, dass er nicht mehr dazu fähig war, den Akt zu vollziehen. Noch jetzt, während sie auf dem quietschenden Hotelzimmerbett saß, ekelte sie die Erinnerung daran, wie sie nur allzu oft seinen schwitzenden Körper auf ihrem ertragen musste, und wie der einzige Geruch, den sie in diesen Momenten noch wahrnehmen konnte, der von Bier, Jack Daniels und seinen Pall Mall Blue war. Jetzt kam ihr fast das Frühstück, welches Billy vom Hotelbüffet hochgebracht hatte, wieder hoch, und sie versuchte, an etwas anderes zu denken.

Ach Billy, mit ihm war alles so anders, so schön. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie ihn kennengelernt hatte...

Dienstag, 13.11.1994

Carol hatte noch etwa eine halbe Stunde, dann war ihre Schicht zuende. Sie arbeitete als Kellnerin in einem kleinen Diner irgendwo in der Innenstadt von Boston, mit einem schmierigen Typen, der seine Nägel hinter dem Tresen kaute, sobald er sich einmal unbeobachtet fühlte, als Chef und einem Gehalt, von dem sie nicht einmal die Miete hätte bezahlen können, wenn Rick nichts verdient hätte. Sie hatte Frühschicht an diesem Dienstag, was sie freute. Wenn man nachts arbeitete, musste man immer die betrunkenen Männer bedienen
Rick reichte da schon
, welche einem hinterherpfeifen, bevor sie mit einem Augenzwinkern einen "Sex on the Beach" bestellen. Sie hasste diese Art von Kunden.

Und gerade, weil sie heute nicht mit diesen schmierigen Typen klarkommen musste, fühlte sie sich eigentlich ganz in Ordnung. Doch sie hätte nicht erwartet, was der Tag noch bringen würde, und hätte man es ihr erzählt, hätte sie gelacht und einen für verrückt erklärt, denn zu dieser Zeit hatte Billy noch nicht das Lokal betreten.
Sie hatte dem netten, alten Herren, der Kellnerinnen mit großen Busen immer gutes Trinkgeld zu geben pflegte, gerade einen Kaffee zum Preis von zwei Dollar gebracht und war mit sechs Dollar in der Hand auf dem Weg zurück zum Tresen, als die Tür sich öffnete. Sie hörte den unverkennbaren Klang der leicht quietschenden Tür und für eine kurze Zeit war der Verkehrslärm von draußen zu hören, bevor die Tür mit einem leichten Knall wieder zufiel. Und als sie sich da, in der Mitte des Diners, zwischen den Tischen, mit sechs Dollar in der Hand umdrehte, da sah sie ihn und erstarrte.
Billy stand vor der Tür, die Haare wie Elvis, in einer Lederjacke und einer Levis-Jeans, schwarze Lackschuhe, mit einer Pilotenbrille und einer Zigarette im rechten Mundwinkel.
Bumm
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie hatte ihn schon öfter gesehen, nur flüchtig, er war Stammgast in diesem Diner, aber sie hatte ihn noch nie bedient. Das hatte bisher immer Catherine übernommen, sie war für die rechte Seite des Diners zuständig, wo Billy seinen Stammplatz hatte. Carol konnte sie nicht leiden, diese dickliche Frau, die immer einen schlechtern Scherz auf den Lippen hatte und dann die einzige war, die hysterisch darüber lachte.
Bumm
Ihre Blicke trafen sich, und er verzog die Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. Sie merkte, wie sie bis zu den Ohrenspitzen errötete und wandte sich rasch ab. Noch nie hatte sie diesen jungen Mann in einem solchen Licht gesehen.
Bumm
Immer noch rot im Gesicht ging Carol zum Tresen und legte die vier Dollar in die Kasse, wobei sie furchtbar ungeschickt mit dem Arm gegen die Holzplatte stieß, die ein Stück über die Tischkante hervorschaute. So verweilte sie einen Augenblick, bis sie durch eine schroffe, laute Stimme aus ihrer Starre gerissen wurde.

"Willst du nicht deinen Job machen? Noch ist deine Schicht nicht zuende Schätzchen!", grunzte Bob, bevor er einen Nagel richtung Küche ausspuckte.
Voller Ekel wandte Carol sich ab. Sie hatte ganz vergessen, dass Catherine krank war und sie deshalb auch die rechte Seite bedienen musste. Unsicher ging sie zu dem Tisch, an dem Billy saß, ein roter Tisch am Fenster, mit zwei lederüberzogenen Bänken links und rechts.
"Guten Morgen.", sagte Billy freundlich.
Oh mein Gott, diese Stimme! Carol spürte, wie ihr ein wohliger Schauer über den Rücken ging.
"Eine Tasse Kaffee bitte." Er lächelte sie an und nahm seine Sonnenbrille ab.
Einen Augenblick starrte sie in seine wunderschönen, blauen Augen, dann brachte sie ein Lächeln zustande und ging zurück zum Tresen.
Als sie wiederkam, mit einer Tasse in der einen und einer Kanne voller Kaffee in der anderen Hand, lächelte er sie an, sodass sie zu schmelzen drohte. Als sie seinen Kaffee einschenkte, zitterte sie und verschüttete etwas. Sie murmelte eine Entschuldigung, doch er berührte nur ihren Arm und sah ihr in die Augen.
"Macht doch nichts, keine Sorge. Ich heiße Billy, und du?"
Bumm
Billy the Kid, dachte sie, bevor sie zu einer Antwort ansetzte.
"Ca- Carol, Carol ist mein Name.", keuchte sie. Zu mehr war sie nicht imstande, denn in diesem Moment stellte sie sich vor, wie es wohl wäre, wenn keine Klamotten zwischen ihnen wären und sie es einfach in diesem Diner tun würden. Er schien ihre Gedanken lesen zu können, denn er fragte einfach schamlos: "Sag Carol, bist du vergeben?"
"Jetzt nicht mehr."

Sie bezahlte den Kaffee mit dem Trinkgeld, was sie auf dem Tisch liegen ließ, hängte ihre Schürze über einen Stuhl, verließ Hand in Hand mit Billy den Laden und kam niemals wieder zurück.

Ein Lächeln kam über ihre Lippen, als sie nun auf diesem Bett saß und Billy zum Radio ging, um die Station, die Rick immer hörte, wegzuschalten. Auf dem nächstbesten Sender lief Bump 'N Grind von U. Kelly, ein Lied, das sie und Billy mit einigen schönen Stunden in Verbindung brachten, und auch nun liebten sie sich wieder, und es kam ihr einmal, zweimal, dreimal, ganze vier Mal, bevor er fertig war. So etwas wäre bei Rick nie möglich gewesen. Aber sie liebte Billy nicht nur wegen dem guten Sex, sondern weil sie sich bei ihm jung fühlte, so jung wie schon lange nicht mehr.
War es richtig, die fünftausend Dollar mitzunehmen?, fragte sie sich.
Er hätte sie doch sowieso nur für Alkohol und Zigaretten ausgegeben. Du hättest keinen Cent davon gesehen!
Dieser Gedanke verdrängte bald die Schuldgefühle, sodass sie sich unbesorgt an Billy kuscheln konnte, ohne störende Kleidung oder einen nagelkauenden Restaurantbesitzer zwischen ihnen. Sie war jung, sie war lebendig, sie war glücklich.

Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie auf Billys Brust noch ein zweites Mal ein.
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Stichworte
autorenrunde erzählung, kurzgeschichte, thodd

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