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Alt 18.02.2008, 00:24   #1
thojest
 
Dabei seit: 02/2008
Beiträge: 6


Standard Perfektion einer perfekten Welt

So wie Es, das was alles geschaffen hatte, zufrieden sein Werk betrachtete, stellte Es mit einem süffisanten Schmunzeln fest, das Es wahrlich großartige Arbeit geleistet hatte. Eine perfekte Welt ohne Leid und Schmerz sollte von nun an existieren. Um schließlich auszuprobieren, wie es sich in einer solchen Welt leben lässt, erschuf Es den Mann. Die Tage zogen ins Land und der Mann konnte sicherlich eines der schönsten Leben für sich beanspruchen. Ein perfektes Leben eben. Aus Tagen wurden Monate und aus den Monaten wurden Jahre. Da der Mann natürlich unsterblich war, weil er ja ein perfektes Leben genießen durfte, trat er so eines Tages vor seinen Schöpfer und fragte ihn eine Frage, die er sich trotz seiner Perfektion, oder vielmehr wegen seiner Perfektion, nicht selbstständig beantworten konnte: „Vater“, sprach er „Warum lebe ich?“ Es lächelte seinen Schützling gutmütig an und entgegnete sogleich: „Nun hast du nicht ein schönes Leben?“ – „Doch sicherlich“, sprach der nachdenkliche Mann. „Aber es ist unbeschreiblich. Irgendetwas fehlt und dennoch weiß ich nicht was.“ – „Vertraue mir mein Sohn, dir fehlt nichts.“ So wie Es diese Worte geantwortet hatte, musste Es jedoch feststellen, dass Es nicht die Wahrheit gesprochen hatte. Denn so sah Es, dass der Mann, je länger er gelebt hatte, umso unglücklicher wurde. Daher wollte er eine neue Welt erschaffen, besserte jedoch sogleich sein Wortschatz um das Wort „Langeweile“ auf und ordnete ihm die Definition des Zustandes, den sein Schützling durchlebt hatte, zu. Diesen Fehler galt es also nun zu vermeiden. So erschuf Es die neue Welt nach dem Vorbild der alten, ergänzte diese allerdings um die Arbeit, das Leid und den Tod. Erneut genoss der Mann das Leben, wenn auch nicht so sehr wie zuvor. Dafür wusste er nun immerhin, wofür er lebte. Immerhin ließen Leid und Arbeit die alltäglichen Freuden nie verblassen, da ein stetiger Wechsel von nun an das Leben erfüllen sollte. Der Tod am Ende gab dem Mann zusätzliche Motivation, da er sich seiner Vergänglichkeit bewusst war und so stetig bemüht war jede Zeit intensiv zu nutzen. Doch sollte auch, obwohl dieser Welt schon das Perfekte genommen worden war, etwas fehlen. So kam es, dass der Mann erneut ratlos vor Es trat und fragte: „Vater, diese Welt ist soviel besser, auch wenn sie nicht so schön wie die alte Welt ist. Doch als ihr mir Tod, Leid und Arbeit gabt, vergaßt ihr nicht etwas anderes Wichtiges?“ Nachdenklich musterte Es ihn und entgegnete verzweifelt: „Nun es gibt nichts was ich mir Bekanntes dir noch schenken könnte.“ Enttäuscht zog der Mann von dannen. Über die Zeit beobachtete Es seinen Mann und stellte fest, dass ihm irgendetwas Verflixtes fehlen musste. Da hatte Es eines Tages die Idee mehrere Männer zur gleichen Zeit zu schöpfen und nicht wie bis jetzt nach dem Tod eines Jeden erst den Nächsten. Auch für diesen Fehler den Es gemacht hatte dachte Es sich ein Wort aus, welches Es „Einsamkeit“ betitelte. In dieser neuen Welt schien alles hervorragend zu laufen. Doch auch hier kam der Tag den Es fürchtete. Erneut trat einer der Männer vor: „Vater, ihr seid so gut. Doch irgendetwas fehlt. Trotz der vielen Männer um mich rum fühle ich mich einsam.“ Verärgert blickte Es ihn an: „Merkst du nicht, dass du dir selbst widersprichst? Wie willst du dich in Gesellschaft einsam fühlen?“ Und wieder zogen die Tage ins Land und Es musste feststellen, dass sein Schützling Recht behielt. Doch was um alles in der Welt sollte nur fehlen. Nach vielen, vielen Jahren geschah es dann doch, dass Es glaubte den Grund gefunden zu haben: „Nun mein Mann hat die Freundschaft, doch vielleicht liegen auch in der Freundschaft eine Langeweile und eine Einsamkeit. Vielleicht braucht er etwas anderes. Etwas, das seine Schwächen ausgleicht und gleichzeitig selber Schwächen hat die er ausgleicht. Etwas, das ihn verstehen will und etwas, dass er auch verstehen will. Dieses Verstehen soll dann einer der schönsten und wichtigsten Sachen im Leben sein. Etwas das über Freundschaft und Gesellschaft steht.“ Voller Euphorie schuf Es so gut wie Es nur konnte ein Ebenbild vom Manne. Auf der Suche nach dem Wort für dieses großartige Geschöpf fand Es dann das Wort „Frau“ und gab es seiner neuen Kreation. Und wahrhaftig. Selbst die Ewigkeit zog durch die Länder und niemand kam mehr, um etwas Fehlendes zu erbitten. Ein Problem hatte Es selbst aber noch. Es verstand nicht, warum sich Mann und Frau mochten, warum sie in einem, der einem selbst völlig fremd ist ihre Erfüllung finden, warum sie den Drang empfinden sich zu verstehen. Gleichzeitig ergab sich noch ein anderes Problem. So konnte Es nicht ein Wort für diesen Bund erfinden, solang Es ihn nicht verstand. So trat Es dann eines Tages an ein Paar aus Mann und Frau heran: „Sagt mir doch, warum tut ihr das. Eigentlich dürfte es nicht funktionieren. Zu anders, zu unpassend, zu verschieden seid ihr.“ Da antworteten sie sich gegenseitig anblickend: „Wir verstehen es auch nicht. Aber wir nennen es „Liebe“.“
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