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Alt 05.01.2007, 14:23   #1
Blutsschwester
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 328


Standard Teil von mir III

Teil von mir III

Die Flure erscheinen mir unendlich lang. 36... wieviele Zimmer hat dieses beschissene Krankenhaus eigentlich?! 32..34...endlich. Ich bleibe einen Moment vor der blauen Tür stehen und ringe nach Luft. Vielleicht sollte ich mich einfach umdrehen und wieder gehen. So als wäre es nie passiert... Ich verdränge diesen Gedanken und atme tief ein. Klopfen brauche ich wohl nicht.

Als sich die Tür öffnet, wünschte ich, ich wäre tatsächlich einfach umgedreht. Sie liegt da wie Dornröschen. Nur nicht von Rosenranken sondern von Schläuchen umgeben. Anne sitzt an dem ebenfalls blaulackierten Besuchertisch und starrt auf die Hände, aus dessen Rücken Kanülen hervorstehen, die sie schlafen lassen. Ich trete langsam an das Bett heran und alles scheint mir wie ein böser Traum. Ich höre mich ihren Namen von ganz weit fort sagen.
Anne blickt zu mir herüber und beginnt zu weinen. Wie betäubt setze ich mich auf die Bettkante und suche nach der kleinen Hand, die seit gestern meinen Ring trägt. Ihre nassen Haare kleben am nahezu sterilen Kissen und ihre Lippen haben das leuchtende Rot verloren. Vorsichtig streiche ich ihr eine der schwarzen Strähnen aus dem Gesicht. Ihre Haut fühlt sich weich und kalt an. Eine Welle der Hilflosigkeit überkommt mich. Ich will etwas sagen. Will etwas tun. Doch ich halte einfach nur stumm ihre Hand. Zu mehr bin ich einfach nicht mehr im Stande. Die letzten Wochen und Monate haben an unseren Kräften gezehrt wie noch nie etwas zuvor. Ich würde mich am Liebsten neben sie legen. So müde bin ich.

Leise knarrend öffnet sich die blaue Tür nocheinmal. Dr. Wörmann lächelt uns verzagt entgegen. In Zivil sieht er viel jünger aus als sonst mit dem weißen Kittel in der Onkologie. Er ist Andreas behandelner Arzt im Klinikum Celler Straße. Wir nicken ihm wortlos entgegen und er tritt langsam ein. Völlig fassungslos steht er am Fußende des mintgrünbezogenen Bettes und schüttelt kaum merklich den kahlen Kopf. "Und das wo sie es doch grade geschafft hat..", murmelt er. Ich blicke ihn fragend an.
"Wir konnten den Tumor auf einen Durchmesser von 1,2cm reduzieren. Sie hätte nur noch ein wenig durchhalten müssen... Ich durfte als behandelnder Arzt einen Blick in ihre Kartei werfen. Woher hatte sie verdammt nochmal die Medikamente?"

"Ich denke aus der Klinik... Als ich sie vorhin zur Bestrahlung abholen wollte, hat sie nicht geöffnet. Ich dachte sie hätte sich vielleicht noch etwas hingelegt bevor wir losfahren. Sie war die letzten Tage so wahnsinnig müde... Wir haben unten einen Ersatzschlüssel und ich wollte sie nicht mit dem Geklingel aus dem Schlaf reißen... Sie lag in der Badewanne als ich kam...". Meiner Schwiegermutter laufen Tränen über die Wangen und sie blickt sich verzweifelt in dem hohen Raum um als ob sie eine Antwort auf eine ihrer vielen Frage bekommen würde.

Die kleine Hand in meinem Schoß bewegt sich. Ich starre sie an, wie ein seltenes Tier im Zoo. Ihre blaßen Lider zittern und sie stöhnt leise auf. Sie sollte schon vor über drei Stunden aufwachen. Aber man kann sie nicht zwingen, sagte die Schwester am Telefon. Jetzt will sie.
"Kleines? Bist du wach?", höre ich mich wieder sagen. Ich kann die Tränen nicht halten und sie laufen über die blütenreine Decke. Ohne auf die Kabel und Schläuche zu achten, hebe ich ihren Kopf vorsichtig an und nehme sie in den Arm. Ich fühle ihr Herz langsam aber kräftig an meine Brust pochen und verstecke mein Gesicht in ihren Haaren. Sie riecht wie immer nach Jill Sander. Ich habe mich schon fast in ihrem Geruch verloren, als ich sie leise in mein Ohr flüstern höre. "Es tut mir so schrecklich leid...bitte sei mir nicht böse..." Ich schaue in ihre Augen und bemerke dass sie weint. Nicht doch. Ich bin jetzt hier.
"Tu das bitte nie wieder... ich brauch dich doch." Und in diesem Moment bin ich mir sicher, dass wir zusammen alles schaffen können. Auch das.






Dies ist eine Fortsetzung. Bei Verständnisfragen zur Situation die Vorgänger lesen. Die Schwester
Blutsschwester ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.01.2007, 12:59   #2
Yve
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 756


Also, wie immer mag ich deinen Schreibstil. Kann´s ja nicht oft genug erwähnen Der Sichtwechsel für den abschließenden Teil finde ich richtig gut und das war die richtige Entscheidung. Allerdings fällt mir jetzt gerade auf, dass ich es besser finden würde, wenn du am Anfang das "Diesmal aus seiner Sicht" streichen würdest. Da kommt man auch von selbst drauf und es nimmt nicht alles vorweg. Aber gefällt insgesamt und ein gut gelungener Abschluss eines "Scheißtags"

Yve
Yve ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.01.2007, 12:36   #3
Blutsschwester
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 328


Hey Yve,

habs weggemacht. Ihr seid ja klug. Danke für deine Worte. Tja... auch ein Scheißtag geht mal zu ende

Kuss
Blutsschwester ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.01.2007, 02:54   #4
Poesielos
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 166


Hallo Schwesterchen,


wie versprochen auch zu diesem Text ein Kommentar von mir.
Normalerweise sollte man keine Vergleiche zu den Vorgängern eines Turnus ziehen, doch leider muss ich dir beichten, dass mich Teil III im Gegensatz zu I und II nicht wirklich zu überzeugen versteht.
Während die Vorgänger doch die ein oder andere interessante Wendung haben, so ist die Handlung hier für den geübten Leser doch viel zu leicht vorrausschaubar Möglicherweise ist es der Perspektivenwechsel zum männlichen lyrischen Ich, der mir nicht so ganz passt oder die Art, wie er emotional zwischen kalt und warm wechselt. Die sprachliche Gestaltung ist es bei Leibe nicht. Leider etwas subjektiv geraten; den Rest kann man ja mal im ICQ erörtern.


Lg,
Benne
Poesielos ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.01.2007, 05:45   #5
Yve
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 756


Da muss ich, gemäß meiner Natur, natürlich widersprechen

Ich finde gerade den Perspektivenwechsel sehr interessant. Außerdem denke ich, dass eben gerade dieses "kalt-warm-denken" der eigentliche realistische Aspekt ist, zumindest in so einer Situation. Denn eine analytisches Denken wäre hier völlig fehl am Platz, da es um emotionales Empfinden geht.
*klugscheißende*

Yve
Yve ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.01.2007, 07:24   #6
Blutsschwester
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 328


Moin ihr beiden!

Ich muss gestehen, dass mir der dritte Teil auch noch nicht 100%ig gefällt. Mein Liebling ist der erste Teil. Ich bin schon seit ein paar Tagen am Grübeln ob ich den Schlus nicht noch ändere. So ist es mir einfach eine Spur zu kitschig und -wie du ja sagtest- vorrausschaubar. Ich denke wir sollten das wirklich per icq aufdröseln. Liegt mir doch sehr am Herzen. Was meinst du mit "Die sprachliche Gestaltung ist es bei Leibe nicht." ? Ist es bei Leibe nicht das was dich stört oder ist es nicht das gelbe vom Ei? Der Kalt-Warm-Wechsel ist auf jeden Fall beabsichtigt. Das LyrIch hat in diesem Fall einfach eine ganz andere Herangehensweise als Andrea, die sehr viel emotionaler und "bauchgesteuert" ist. Leider wurde so auch der Text weniger emotional und die Stellen, an denen ich "Gefühl" einbauen wollte, sind gefährlich weit in den Kitschsumpf abgerutscht. Wie gesagt, der Text ist mir definitv eine Disskusion wert

So, jetzt werd ich mich in den heißgeliebten Kittel werfen und die Welt verbessern. Falls das überhaupt mit meinem Restalkoholspiegel zu vereinbaren ist.


Eure Schwester
Blutsschwester ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.01.2007, 23:54   #7
Hexenfeger
 
Dabei seit: 12/2006
Beiträge: 56


also mir gefällt auch dieser teil wieder. ich war erst etwas irritiert wegen der männlichen sichtweise aber dann fand ich es ideal in diesem fall. hat mir sehr gut gefallen.

leider kann ich zur technik und so nichts sagen, weil mir das wissen dazu fehlt,also deshalb mein laienhaftes urteil:

mir gefällt es super. das ende finde ich okey, denn laß die hoffnung nicht sterben.
Hexenfeger ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.01.2007, 06:47   #8
Blutsschwester
 
Dabei seit: 08/2005
Beiträge: 328


Auch dir danke für dein Lob. Ich denke ich werde heut abend Benne dazu zwingen nochmal mit mir drüber zu gehen. Wie gesagt, ich bin nicht zufrieden.

Schwester
Blutsschwester ist offline   Mit Zitat antworten
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