Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Forum durchsuchen Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 17.06.2008, 22:54   #1
Rainbow
Gast
 
Beiträge: n/a

Standard Der kleine Esel

Hallo zusammen,
gerade frisch fertig, werfe ich das Erstlingswerk (Erzählung, Geschichte) den wilden Wölfen zum Fraße vor. Hoffe auf ehrliche Kritik und Anregung.

Rainbow

Der kleine Esel

In einer verschlafenen Stadt irgendwo – vielleicht nicht weit von hier – wurde einst ein kleiner Esel geboren. Er war nicht besonders schön, auch nicht besonders groß aber er hatte ein ganz besonders gutes Herz.
Als der kleine Esel herangewachsen war, sagte der Herr seiner Mutter zu ihm:
„Es wird Zeit für dich in die Welt hinauszuziehen. Suche dir eine Familie, in der Du leben und arbeiten willst.“
Der kleine Esel war traurig und auch ein wenig aufgeregt als er sich von seiner Mutter verabschiedete, den Stall hinter sich ließ und im Sonnenaufgang allein durch das Stadttor zog.
Kaum hatte der kleine Esel die ersten Schritte jenseits der Mauern gesetzt, sah er am Straßenrand eine junge Frau. Leicht gebeugt trug sie auf mit einem Joch zwei tönerne Krüge links und recht.
„Ach, kleiner Esel“, sprach sie ihn an. „Kannst du mir nicht für ein kurzes Stück meine Krüge tragen helfen?“
Der kleine Esel sah zu ihr auf zögerte aber, denn er wollte so schnell er konnte zu einer neuen Familie.
Flehend sah ihm die junge Frau in die Augen:
„Bitte kleiner Esel. Die Krüge sind nur wenig mit dem gefüllt, was ich bisher am Weg gefunden habe. Sie sind für einen so jungen und starken Esel sicher nicht zu schwer.“
Da gab der kleine Esel nach und ließ sich das Joch auf den Rücken legen. Neben einander zogen sie fort und die junge Frau streichelte dabei den Nacken des Esels.
Tatsächlich waren die Krüge zu Anfang leicht, doch immer wieder nahm die junge Frau ein kleines Teil – hier eine Scherbe, dort ein Stein – vom Wegrand auf und legte es in einen der Krüge. Nach einer ganzen Weile merkte der kleine Esel, dass seine Last etwas schwerer wurde, sagte aber nichts, denn ein junger, starker Esel konnte auch etwas schwerere Krüge tragen.
Am Anfang eines Waldes traf der kleine Esel auf zwei Kinder mit einem Spielzeugsack. Eng angeschmiegt saßen sie zitternd unter dem ersten Baum und sahen ruhelos in den dunklen Forst vor ihnen.
„Was ist mit euch?“, sprach der kleine Esel sie an.
Überrascht drehten sich die Kinder um und sahen dem Kleinen Esel mit seinen Krügen auf dem Rücken direkt vor ihnen halten. Die blickten in seine schönen braunen Augen und aus ihren Gesichtern schwand die Angst und machte einem Lächeln Platz. Der kleine Junge antwortete:
„Wir wollen in der nächsten Stadt unsere Großeltern besuchen. Aber der Wald ist so dunkel und überall hören wir es knacken und rascheln.“
„Dann kommt doch einfach mit uns.“, schlug der kleine Esel vor. „Zusammen braucht keiner von uns Angst zu haben.“
Und zu der jungen Frau gewandt bat er:
„Nimm du bitte die Kinder an die Hand. Dann fühlen sie sich sicher auf dem Weg und stolpern nicht über Wurzeln und Kanten.“
Aber die junge Frau schüttelte den Kopf und erwiderte:
„Das geht nicht. Halte ich die Kinder an der Hand und achte auf den Weg, sehe ich am Wegesrand keine Schätze mehr.“
Der kleine Esel krauste die Stirn.
„Dann legt mir euren Sack auf den Rücken und haltet euch an meinen Ohren fest. Ich zeige euch den richtigen Weg.“
Zu viert tauchten sie in den dunklen Wald ein.
Als sie die letzten Wipfel hinter sich gelassen hatten, strahlten die Kinder und tollten um den kleinen Esel herum und spielten mit ihm. Er war glücklich, denn die Kinder hatten in wirklich gern.
Schon nach kurzer Zeit sahen sie vor sich drei Advokaten. Dicken Gesetzbüchern waren ihr Sitz mitten auf dem Weg. Wild diskutierend fuchtelten sie mit den Armer herum, so dass es schien, als schlügen sie die Luft zu Schaum.
Als der kleine Esel, die Kinder und die junge Frau sich zwischen ihnen hindurchwinden wollten, erhob sich einer der Advokaten und verstellte dem kleinen Esel den Weg. Ohne Gruß herrschte er den kleinen Esel an:
„Bleib stehen, kleines, graues Tier! Warum bietest du uns nicht deine Dienste an? Willst du uns nicht unsere Bücher abnehmen, wie es sich für dich als Lasttier gehört? Kennst du nicht deinen Platz, deine Aufgabe und unseren Stand?“
Verdutzt verharrte der kleine Esel mitten in der Bewegung.
„Guten Tag.“, begrüßte er freundlich die Runde. Aber bevor er noch weiter sprechen konnte, setzte der erste Sprecher seine Triade fort:
„Unsere Bücher sind schwer und behindern uns bei unseren wichtigen Diskussionen. Wie du sehen kannst, müssen wir wichtige Fragen lösen. Daher nimm die Last auf deinen Rücken.“
„Aber ...“, versuchte der kleine Esel einzuwerfen.
„Kein – aber.“, schnitt ihm der zweite Advokat sofort das Wort ab.
„In den Gesetzen steht geschrieben, das jeder seine Aufgabe hat. Sie sind die Grundlage, die alles in sicheren und geordneten Bahnen lenkt. Du bist ein Esel und musst Lasten tragen. Also trage oder willst du es wagen, die gute und richtige Ordnung anzuzweifeln?“
„Wichtiger ist doch, was man fühlt und tut.“, entgegnete der kleine Esel. Mit einem Blick zu die Kinder fuhr er fort:
„Sieh auf diese beiden. Ihnen zu helfen, mit ihnen zu spielen und für sie da zu sein, ist doch wichtiger als das, was in den Vorschriften und Gesetze steht. Wenn ich eure Bücher trage, kann ich mich nicht wie zuvor um sie kümmern.“
Ohne den Einwand zu beachten, nahm der Dritte im Bunde seine Bücher auf und legte sie dem Esel einfach auf den Rücken.
„Hier zählen nur die geschriebenen Pflichten und die Vorschriften, die von Weisen, Gelehrten und Advokaten erarbeitet wurden. Trage ist deine Aufgabe und tragen wirst du endliche ohne Widerrede.“
„So ist es richtig. Wo kämen wir hin, wenn jeder einfach festlegt, was richtig und falsch, was wichtig und unwichtig, was gut und schlecht ist. Wenn wir dich nicht mehr brauchen, kannst du tun, was du willst.“, sprachen die übrigen Advokaten im Duett, luden dem kleinen Esel die Bücher auf den Rücken und wendeten sich ihrem Gefährten zu.
Der Kleine Esel betrachtete verständnislos die Kehrseite der Advokaten, schüttelte seinen Kopf und ließ ihn schließlich hängen. Einzig die Kinder verstanden die Trauer ihres Freundes und wollten ihm helfen.
„Komm, gib uns ein paar der Bücher ab. Es macht uns nichts aus sie zu tragen. Zusammen ist es für uns leichter.“, boten sie dem kleinen Esel an.
Aber der kleine Esel verneinte rigoros:
„Ihr sollt euch nicht mit so schweren Sachen belasten. Lacht und singt und spielt mit mir. Das ist Hilfe genug.“
So zogen sie weiter – voran die faselnden Advokaten, dann der Kleine Esel mit seinen beiden Begleitern und zuletzt sie junge Frau, weiter auf der Suche nach Schätzen.
Als die Sonne schon den Zenit überschritte hatte zeichnete sich in der Ferne langsam die nächste Stadt ab. Doch auf dem Weg zum Ziel schleppte sich die zweite Gruppe auf zwei alte Leute zu, die Ihre Federbetten auf dem Rücken trugen.
„Guten Abend, kleiner Esel.“, grüßten ihn die alten Leute, als er sie passieren wollte.
„Trödle nicht herum und beschäftige dich mit unwichtigen Dingen.“, schnauzte ihn ein Advokat unvermittelt an, um ein Halten des kleinen Esels zu verhindern. Doch er beachtete ihn nicht und blieb mit schweißiger Brust vor dem Paar stehen.
„Auch euch wünsche ich auch einen schönen Abend“, erwiderte der kleine Esel.
Und weiter fragte er: „Macht ihr eine Rast, bevor ihr dann bald euer Ziel erreicht habt?“
Die alte Frau schüttelte mit rührseligem Blick den Kopf und antwortete:
„Wir sind alt und unsere Füße möchten uns nicht mehr so recht tragen. Selbst die Federn in den Decken sind uns fast zu schwer. Aber weit und breit ist niemand, der uns selbst auf dem kurzen Stück des noch verbleibenden Weges helfen will.“
Der kleine Esel sah die junge Frau und die Advokaten an. Keiner schienen die Worte nicht gehört zu haben, doch alle blickten auf den kleinen Esel.
Da nahm sich der alte Mann ein Herz und bat ihn:
„Es ist ja nicht mehr so weit. Kannst du uns vielleicht helfen und wenigstens meiner Frau ihr Federbett abnehmen?“
Tief in seinem Inneren meldete sich eine kleine feine Stimme die ihm riet:
„Lass es sein. Du kannst nicht alle Lasten tragen. Sie sollen sich ausruhen und können dann allein ihren Weg fortsetzen. Du hast dein Ziel schon fast erreicht.“
Doch der kleine Esel mit seinem besonders guten Herzen wollte helfen und hörte nicht auf die Stimme. Nickend gab er seine Einwilligung, die Federbetten noch auf seinen Rücken zu legen.
Die alten Leute nahmen die Kinder bei der Hand und der Zug setzte sich erneut Richtung Stadt in Bewegung.
Nach wenigen Schritten zitterten dem kleinen Esel die Beine. Er schwankte hin und her und brach plötzlich mitten auf dem Weg zusammen. Erschreckt sanken die Kinder neben ihn nieder. Der Junge bettete seinen Kopf in seinem Schoß, so dass er nicht auf der harten Erde lag, während die Kleine unablässig, zärtlich seine Ohren kraulte.

Die junge Frau, die Advokaten und die alten Leute sehen sich an und schütteln verständnislos den Kopf.
Tadelnd blicken sie auf den kleinen Esel herab und kritteln vereint:
„Esel, warum legst du dich hin? Ein wenig mehr könntest du dich ruhig anstrengen. Meine Kleinigkeit ist doch nun wirklich nicht so schwer.“
  Mit Zitat antworten
Alt 22.06.2008, 08:54   #2
Struppigel
 
Dabei seit: 05/2006
Beiträge: 1.007


Hallo Rainbow,

ich bin zwar kein wilder Wolf, aber ein Igel tuts hoffentlich auch.

Inhalt und Sprache:

Schon nach dem ersten Abschnitt mit den immer schwerer werdenden Tonkrügen ist klar, worauf das Ganze hinausläuft. Alles danach (abgesehen von den Kindern, die hier mal nicht egoistisch auftreten und mir deswegen auch sehr als gegensätzliches Element gefallen) wirkt deswegen wie schmückendes Beiwerk und verzögert nur das Ende, das man hier schon absehen kann und darum nicht wirklich überrascht. Die Botschaft ist sehr klar, was bei solcher Art Geschichten keine schlechte Sache ist.

Die Sprache ist zuerst schön einfach und verständlich. Ein Stil ist bei alledem aber nicht erkennbar. Da ist Umgangssprache gemischt mit Hochsprache; neben modernen Wörtern tauchen (auch im Haupttext) ganz unvermittelt auf pseudoalt gemachte Wendungen auf ("Da lächelten sie, ob seines Strahlens in den schönen braunen Augen"). Bei dem Verb "kritteln" bin ich mir nicht sicher, ob das sogar Dialekt ist.

Zitat:
Unsere Bücher sind schwer und behindern uns in wichtigen Dingen. Wie es sehen kann, haben wir uns über große Dinge zu beraten. Daher nehme es die Last auf seinen Rücken.
Sehr bedenklich für den Advokaten, wenn er sich nur in Kindersprache ausdrücken kann. "Dinge" und "Sachen" sagt man nur, wenn der Wortschatz nicht mehr hergibt. Warum spricht er nicht von "Angelegenheiten", wenn er sich schon nicht konkret äußern will?

Zitat:
„In den Gesetzen ward geschrieben, was jedem seine Aufgabe sei. Das ist die Grundlage, die alles in sicheren und geordneten Bahnen hält. Es wird doch nicht wagen, diese gute und richtige Ordnung anzuzweifeln?“
Das ist nicht nur pseudoalt und passt absolut nicht zu anderen umgangssprachlichen Begriffen in Deiner Geschichte, es klingt auch einfach furchtbar.

Zitat:
Hier zählen nur die geschriebenen Pflichten und die Vorschriften, die von Weisen, Gelehrten und Advokaten erlassen worden sind.
Bist Du sicher, dass Advokaten Gesetze erlassen?

Zitat:
schnauzte ihn ein Advokat unvermittelt an, um ein Halten des kleinen Esels zu verhindern. Doch er beachtete ihn nicht und blieb mit schweißiger Brust vor dem Paar stehen.
Im zweiten Satz ist nicht klar, wer hier mit "er" und "ihn" gemeint ist. Natürlich - man kann es sich denken, aber das ist nicht Sinn der Sache. Die grammatische Struktur sollte trotzdem eindeutig sein.

Zitat:
Die junge Frau, die Advokaten und die alten Leute sehen sich an und schütteln verständnislos den Kopf.
Tadelnd blicken sie auf den kleinen Esel herab und kritteln vereint:
Die Zeitform ist plötzlich eine andere. Nicht schön, auch wenn es als Stilmittel gemeint war.


Rechtschreibung, Grammatik usw:

auch nicht besonders groß Komma aber er hatte

links und rechts.

Der kleine Esel war traurig und auch ein wenig aufgeregt Komma als er sich von seiner Mutter verabschiedete

hier eine Scherbe, dort einen Stein

sahen den kleinen Esel mit seinen Krügen auf dem Rücken direkt vor ihnen halten

„Dann kommt einfach mit uns“, schlug der kleine Esel vor

denn die Kinder hatten ihn wirklich gern.

„Kein – aber“, schnitt ihm der zweite Advokat

was man fühlt und tut“, entgegnete der kleine Esel zögerlich. Mit einem Blick zu den Kindern fuhr er fester fort

Tragen ist seine Aufgabe und diese soll es endlich ohne Widerrede ausführen“, legte der erste fest.

für uns leichter“, boten sie dem kleinen Esel an

„Guten Abend, kleiner Esel“, grüßten ihn die alten Leute

„Trödle es nicht herum und beschäftige sich mit unwichtigen Dingen“, schnauzte ihn ein Advokat unvermittelt an
Struppigel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.08.2008, 22:28   #3
Rainbow
Gast
 
Beiträge: n/a

Hi, Struppigel,

leider hatte ich lange keine Zeit, um diese Kritik entsprechend so zu beantworten, wie sie es verdient.
Vielen Dank! . Gerade die Ausführlichkeit war mehr als hilfreich.

Einen Teil habe ich mitlerweile umgesetzt, wie Du im Text sehen kannst. Gerade die Advokaten fand ich zu Anfang so toll gelungen. Leider warst Du mit Deiner Kritik nicht allein, so dass ich diese Teile noch einmal überdacht und dann geändert haben.

Den Wechsel der Zeitform habe ich ganz bewußt eingebaut, um hier die aktualität und den direkten Zeitbezug herzustellen. Hierüber denke ich aber noch einmal nach.

LG
Rainbow
  Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Der kleine Esel

Themen-Optionen Thema durchsuchen
Thema durchsuchen:

Erweiterte Suche



Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.