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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 27.11.2014, 11:26   #1
männlich Ex-DrKarg
Gast
 
Dabei seit: 01/2012
Alter: 76
Beiträge: 3.139

Standard Bei den Untoten


Bei den Untoten

©Hans Hartmut Karg
2014

Nicht wirklich tot sind die Alten,
die in den Großstädten warten,
vergessen, ohne Gespräche.

Sie verlieren langsam ihre Seelen.

Leben und lieben sie noch in Gedanken,
erzählen sich selbst noch Geschichten?

Vegetieren sie in ihren Wohnungen –
ohne Miteinander, ohne Blumen?

Verschwinden die Alten so einfach?

Wer die Gehenden
als Gebender
nicht wirklich vergisst –
gibt es solche
Mitmenschen?

Wen tragen sie mit?

Unsere Ahnen wollen,
dass wir sie nicht vergessen.

Die Erde nährt uns,
der Himmel bestirnt uns.

In unseren Herzen
lebt die Erinnerung
und das Sittengesetz.

Sind die Toten nicht Teil
unserer Verehrung?

Die Alten
werden zu Untoten:
Ängstigen sie
uns
nicht?

*
Ex-DrKarg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.11.2014, 00:22   #2
männlich rabensohn
 
Dabei seit: 11/2014
Ort: Tirol
Alter: 36
Beiträge: 44

Zitat:
Zitat von DrKarg Beitrag anzeigen

Bei den Untoten

©Hans Hartmut Karg
2014

Nicht wirklich tot sind die Alten,
die in den Großstädten warten,
vergessen, ohne Gespräche.

Sie verlieren langsam ihre Seelen.

Leben und lieben sie noch in Gedanken,
erzählen sich selbst noch Geschichten?

Vegetieren sie in ihren Wohnungen –
ohne Miteinander, ohne Blumen?

Verschwinden die Alten so einfach?

Wer die Gehenden
als Gebender
nicht wirklich vergisst –
gibt es solche
Mitmenschen?

Wen tragen sie mit?

Unsere Ahnen wollen,
dass wir sie nicht vergessen.

Die Erde nährt uns,
der Himmel bestirnt uns.

In unseren Herzen
lebt die Erinnerung
und das Sittengesetz.

Sind die Toten nicht Teil
unserer Verehrung?

Die Alten
werden zu Untoten:
Ängstigen sie
uns
nicht?

*

Hallo DrKarg,

zuerst einmal muss ich dir vollsten Respekt zollen für dein Gedicht, welches du hier so wundervoll verfasst hast. Es ist flüssig zu Lesen und die Wortwahl ist atemberaubend gut.

Nun zu meiner Einschätzung:

Ich denke mir, du hast im Gedicht den Hintergrund verbaut, dass man die Toten ehren soll und vor allem seine eigenen Ahnen nicht vergessen darf, denn sie haben mit ihren Taten all das aufgebaut was wir haben.

Das würde zurückgehen auf die alte germanische Kultur bzw. der keltischen Kultur, in welcher die Ahnen noch einen hohen Stellenwert in den einzelnen Sippen hatte.

Liege ich da richtig??

BG
Rabensohn
rabensohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.12.2014, 11:32   #3
männlich Ex-DrKarg
Gast
 
Dabei seit: 01/2012
Alter: 76
Beiträge: 3.139

Standard Re: Bei den Untoten

Lieber Rabensohn,
die hohe Verehrung der Alten und des Alters habe ich ganz konkret bei meiner Großmutter erlebt, die 97 Jahre alt wurde und 16 Jahre in einem Alten- und Pflegeheim gelebt hat. Sie wurde dort von vielen Angestellten betreut. Am meisten hat sie jedoch einen Angestellten gelobt, der aus Indien gekommen und dort beschäftigt war. Er hat sich für unsere Großmutter immer sehr viel Zeit genommen - und ist ihr vor allem mit hohem Respekt gegenüber getreten.
Herzliche Grüße und danke für das schöne Lob und für das Anschlussgedicht!
H. H. Karg
Ex-DrKarg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.12.2014, 15:04   #4
weiblich Merith
R.I.P.
 
Dabei seit: 10/2013
Ort: Im Isental
Alter: 83
Beiträge: 3.380

Wir Alten sollten uns aber auch nicht im Lehnstuhl zurücklehnen und darauf warten, dass Lorbeeren auf unsere Häupter fallen, bloß weil wir eine Anzahl von Jahren erreicht haben. Respekt und Anerkennung müssen wir uns verdient haben, dann bleibt nach unserem Ende liebevolle Erinnerung, dann bleiben wir untot.

Lieben Gruß
Merith
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Alt 04.12.2014, 15:33   #5
weiblich ANOUK
 
Benutzerbild von ANOUK
 
Dabei seit: 10/2014
Ort: Kreis Kleve am Niederrhein
Beiträge: 462

@Merith
Respekt und Anerkennung kann man sich verdienen, Liebe nicht. Nicht aufgrund von Respekt bleibt man in guter Erinnerung, sondern weil man geliebt wurde. Wird man nicht geliebt, so ist man allzu ersetzlich.
Respekt? Hochachtung? Aufgrund von Leistung? Es wird immer jemanden geben, der größere Ding vollbringt, der schneller, besser und brillanter ist. Und je älter man wird, desto mehr junge Leute wird es geben, die den Platz "besser" besetzen.

Und warum wird man im Alter (auch über den Tod hinaus) geehrt und geliebt? Weil man beizeiten gegeben hat. Nicht Leistung - sondern seine Zeit, seine Geduld, seine Kreativität, seine Ratschläge, seine Hand, sein Herz. An die Jungen. Weil man nicht auf sie herabgesehen hat, sich "besser", "weiser" und "erfahrener" fühlte, sondern weil man sie liebevoll begleitete. Weil man nicht nach dem Motto "verdorbene Jugend" und "früher war alles besser" vorging, sondern weil man sich in Akzeptanz übte ( genau so, wie die Jungen auch die Alten akzeptieren sollten, dass ein voneinander-lernen gegeben ist).
Wenn ein solches Verhalten stattfindet, dann wird man auch nicht vergessen.


Anouk
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Alt 04.12.2014, 17:11   #6
weiblich Merith
R.I.P.
 
Dabei seit: 10/2013
Ort: Im Isental
Alter: 83
Beiträge: 3.380

@Anouk
N u r
Respekt und Anerkennung vor dem Geleisteten, am Ende noch vor einer Karriere, meinte ich nicht, sondern den Respekt
w i e wir das Leben gemeistert haben - in Bescheidenheit, Geduld, in bedingungsloser Liebe zum Lebensgefährten in guten und schlechten Zeiten , in unverbrüchlicher Liebe zu den Kindern und dem Aufteilen von zwei Scheiben Brot für sechs Personen während des Krieges.

Im übrigen verweise ich auf mein Gedicht "Letzte Bitte ".

Merith
Merith ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.12.2014, 17:54   #7
weiblich ANOUK
 
Benutzerbild von ANOUK
 
Dabei seit: 10/2014
Ort: Kreis Kleve am Niederrhein
Beiträge: 462

@ Merith

Ich weiß um Dein Gedicht "letzte Bitte", das habe ich einst kommentiert. Drum hat es mich ja so verwundert, dass ein emotionaler Mensch wie Du von Respekt, Anerkennung und "verdienen" schreibt. Sorry, wenn ich Dich da missverstanden habe.

Anouk
ANOUK ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.12.2014, 22:17   #8
weiblich Merith
R.I.P.
 
Dabei seit: 10/2013
Ort: Im Isental
Alter: 83
Beiträge: 3.380

Um dir bei den Recherchen über meinen Charakter behilflich zu sein, will ich dir, "zwecks der Ordnung" noch schreiben, dass die Brotum- und zerteilerin meine Mutter war. Meine Zwillingsschwester und ich waren bei Kriegsende 5 J.
und bekamen aufgrund unserer intakten Zähnchen die Brotrinden in Milch,
meine Eltern und zwei Tanten je 1/2 Scheibe Brot. Dazu bekamen wir von einem Bauern am Hl. Abend ein paar Kartoffeln, die meine Mutter, mangels Fett oder Öl in einer mit Kerzenwachs ausgeriebenen Pfanne zu bräunen versuchte.
Respekt und Anerkennung waren ihr bis zum Lebensende sicher, für Liebe war in diesen Zeiten nicht viel Zeit.
Merith ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.12.2014, 10:39   #9
männlich Ex-DrKarg
Gast
 
Dabei seit: 01/2012
Alter: 76
Beiträge: 3.139

Standard Re: Bei den Untoten

Liebe Dichterfreunde,
die Anerkennung, den Respekt, den heute "Alte" bei uns genießen, ist leider gering. Daran haben auch die Politik, die Soziologie und die Gerontologie nichts geändert. Stattdessen diskutieren wir auf breiter Front über die Sterbehilfe.....
Herzliche Grüße H. H. Karg
Ex-DrKarg ist offline   Mit Zitat antworten
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untote



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