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Alt 19.12.2012, 18:42   #1
männlich Desperado
 
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Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Standard Entladung?

Was mir scheinbar fehlt, ist die Aufregung und Empörung über Dinge, auf die ich keinen Einfluss habe.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben die USA die Weltherrschaft nicht nur angetreten, sondern als Sieger des kalten Krieges übergangslos übernommen, die –vorläufigen- Grenzen ihres Großreiches sind nicht nur gesteckt, sondern im Grunde bereits gezogen, der Irak ist zerschlagen und abgehakt, „Manöverplatz“ Afghanistan hat ausgedient und ist überflüssig geworden, zur Zeit wird Nordafrika, endlich instabil und hilfsbedürftig genug ob seiner Revolutionen, ohne nennenswerten Widerstand aufgerollt.

Das Feindbild des islamistischen Gottesstaates liefert die bewährte Handhabe, sind die Länder erst einmal unter der ordnenden Hand der Kulturbringer und auf den Geschmack von Freiheit und Wohlstand sprich Konsum und technologischer Lebenserleichterung gekommen, Religionsfreiheit inklusive, werden die Islamgläubigen sich rasch damit zufriedengeben, Allah ungestört anbeten zu können und die Politik den ferngesteuerten Politikern überlassen, kurzum, der schrittweise aber umso gründlicher isolierte Iran ist erledigt, er weiß es nur noch nicht, die Lücke bis Israel geschlossen und Palästina eingeheimst gleich dazu, was bereits geschehen ist wird nur noch vollzogen.

Klar kann ich mich hinstellen und heiser schreien: Das dürft ihr nicht! Als ob es die Vereinigten Staaten von Amerika jemals interessiert hätte, was sie dürfen und was nicht, sie tun was sie wollen und weil sie es können, so einfach ist das, alles im Namen von Freiheit und Gerechtigkeit versteht sich, was auch sonst?

Wer bitte sollte die USA denn daran hindern, ihre Weltherrschaftpläne in die Tat umzusetzen? Muskelspieler Putin etwa? Man kann dem Mann nachsagen was man will, blöd ist er nicht, auf alle Fälle nicht blöd genug, sich mit den übermächtigen USA anzulegen, zumal er doch seine Zarenträume in seinem Restreich mehr oder weniger ungestört austoben kann, einem Reich, in dem der Raubtierkapitalismus fröhliche Urständ feiert. Lieber den Spatz in der Hand...

China? Aufgekauft bis aufs letzte Hemd, die werden ihren kapitalistischen Glücksdrachen mit Gewissheit nicht mehr vergraulen, nur weil Mumie Mao irgedwann mal irgendwas anderes mit Blut gepredigt hat, wären ja auch schön blöd. China tut, was es immer tat, es bleibt in China und macht was es will, Menschenrechte her oder hin, für ein gutes Geschäft kann man schon mal großzügig über die Schwächen des verlässlichen Geschäftspartners hinwegsehen, dafür kümmert es diesen nicht, wenn Nordafrika und der nahe Osten mal so eben nebenbei „amerikanisiert“ werden, im Gegenteil, das verkürzt die Handelswege enorm und spart unnötige Transportkosten.

Europa, Deutschland allen voran, ist sowieso fest mit dabei, wir lassen Afghanistan nicht im Stich, gell Herr Gauk, ein Braver isser, es ist sowieso vollkommen egal, ob die Gallionsfigur nun Merkel heißt oder Müller oder sonstwie, wenn der nahe Osten sich nicht befrieden lassen will, wird er eben per Krieg befriedet, er hat es nicht anders gewollt, das war noch nie anders, also kann es so verkehrt nicht sein, die Römer habens so gemacht, die Perser und Ägypter, ja sogar die Chinesen, nun sind eben die Amis, unsere Brüder, weil im Grunde „erweiterten“ Europäer dran, die Geschichte gibt ihnen und uns recht und der liebe Gott wird schon wegschauen, macht er doch immer.

Unter Nordafrika liegt bekanntlich Südafrika, aber alles zu seiner Zeit, die stellen im Augenblick ohnehin alles andere als eine reale Bedrohung dar, je ärmer desto abhängiger desto besser, vorausschauend mehr oder weniger schon unter den Nagel gerissen bei näherer Betrachtung, gegenwärtig als Arbeitssklaven besser und brauchbarer als alles andere, je mehr Chaos und Diktatur, desto reibungsloser auszubeuten, denn die hybriden Häuptlinge sind allesamt käuflich.

Geh ich jetzt tausend Jahre zurück, finde ich das Selbe unter geringfügig anderen Vorzeichen vor, reise ich tausend Jahre in die Zukunft –insofern es noch so lange eine gibt- werde ich nichts anderes unter etwas veränderten Vorzeichen vorfinden, wozu also die ganze Aufregung und wofür, je mehr Widerstand geleistet wird, desto mehr Menschenleben kostet die Ausbreitung der jeweiligen Großmacht, eines Tages fällt sie ohnehin sang- und klanglos in sich zusammen und wird übergangslos von der nächsten, bereits anstehenden abgelöst, der Lauf der Geschichte sozusagen, eigentlich von Anfang bis heute unverändert.

Und es will mir einfach nicht mehr gelingen, mich andauernd und unermüdlich darüber aufzuregen. Es ändert nicht das Geringste, wenn ich’s tu, nur mir geht es schlechter, also lass ich’s ganz einfach und den Dingen ihren Lauf, mag mich dafür verurteilen wer will, es schert mich nicht die Bohne, ich hab mich lange genug, ja viel zu lange vergeblich darüber ereifert ohne jedwedes Ergebnis, mit Ausname völliger Verzweiflung meinerseits, und was bitte soll gut daran sein zu verzweifeln? Etwas anderes aber ist angesichts der unabänderlichen Tatsachen weltlicher Abläufe nicht drin und nicht möglich, gut, das weiß ich jetzt und das soll mir als Lebensweisheit und Lehre genügen.

Es ist wie es ist. Aber aufregen tu ich mich nimmer.
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Alt 20.12.2012, 07:39   #2
männlich Ex-Bane
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Beiträge: 366

Hallo Desperado,

nun bin ich aber etwas konsterniert. Deine Weltsicht scheint doch leicht wirr zu sein. Was mich besonders verwundert, ist der dargebotene Fatalismus. Seit wann zerfallen denn Imperien von selbst? Bisher ging ich immer davon aus, dass diese an inneren Widersprüchen sowie äußeren und inneren Widerständen scheiterten.

Bane
Ex-Bane ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2012, 11:09   #3
männlich Desperado
 
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Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Klingt wirr, Bane, ist aber nur ein wenig vereinfachend.

Geschichtliche Belge gibt's genug, die Imperien zerfallen zuallererst in sich selbst, ehe sie angreifbar genug sind, von aufstrebenden Völkern überrannt zu werden. Die zunehmende Zahl der Amokläufe ist so gesehen ein untrügliches Indiz für die Anfänge dieser Zersetzung von innen heraus.

Die immer weiter klaffende Schere zwischen bettelarm und superreich tut das ihre dazu, was wir ja auch in Deutschland als Abklatsch Amerikas schon sehr gut beobachten können, es gelingt den Großmächten mit ihren Weltherrschaftsallüren nicht mehr, ihr Volk zufriedenzustellen und ausreichend ruhig zu halten, das Staatengebilde der Sowjetunion zerbrach an eben diesen Entwicklungen.

Wie lange den USA der Spagat gelingen kann, durch kriegerische oder "diplomatische" Expansion ihrer Einflussgebiete und die damit einhergehenden Handelserleichterungen und Gewinne jenseits des großen Wassers den brüchigen und kontinuierlich gefährdeten Wohlstand im eigenen Land zu erhalten, wird sich zeigen. Sie tanzen auf sehr dünnem Eis.

Der Prozess kann sich aber durchaus noch über Jahrzehnte und länger hinziehen, ungeachtet des allein aus Gründen der Waffenproduktion durchaus erwünschten und von ihnen selbst geschürten Widerstandes in den betroffenen Ländern, die im Grunde von Anfang an keine Chance haben.

Realismus ist nicht gleich Fatalismus.
Desperado
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