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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 12.03.2011, 00:12   #1
weiblich Rosenblüte
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 2.163

Standard Dinner for two

Ich stell dir gern das Essen hin,
doch warn ich dich: Ich bin Hartz Vier.
Vielleicht ist’s ja ein Lustgewinn
für dich, zu mampfen wie ein Tier.

Pro Tag gönnt mir dafür das Amt
Drei Komma Vierundsiebzig Euro.
Die hau ich für uns allesamt
jetzt auf den Kopf, pfeif auf den Teuro.

Pasta von Aldi gibt es heut
mit etwas Emmentaler Kas.
Ich weiß, mein Schatz, wie dich das freut,
so beißt du erst mal nicht ins Gras.

Als Nachtisch rühr ich Pudding an
mit H-Milch, so etwas von lecker.
Aus Plastikflaschen gibt es dann
zwei Bier mit Waffelbruch vom Bäcker.

Bist du dann satt, so ruh dich aus
auf meiner weichen Schaumstoffmatte
und fühl dich grad so wie zu Haus
bei mir und meiner grauen Ratte.
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Alt 12.03.2011, 01:12   #2
Thing
R.I.P.
 
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Beiträge: 34.998

Bravo!

Jetzt kannst Du ja monatlich 5€ mehr verbraten (falls Gesetz gilt).
Und Deine Kinder dürfen alle paar Wochen turnen gehn oder Blockflöte blasen (sofern sie eine haben).

Die monetäre Erwähnung hätte ich als Einwortzeile eingestellt.

Gelungen!

Thing
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Alt 12.03.2011, 01:50   #3
weiblich Rosenblüte
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Beiträge: 2.163

Dafür darfst du nicht mehr Lotto spielen und kriegst demnächst einen gelben Stern auf die Stirn gepappt.

Lieben Gruß
Rosenblüte
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Alt 22.03.2011, 01:31   #4
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Herzlich gelacht, liebe Rosenblüte. Und richtig Schmacht, du meine Güte. Fettreich geatzt, faulig matrazt, da bin ich dabei: Dinner for zwei!

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.03.2011, 02:39   #5
weiblich Rosenblüte
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 2.163

Prima, lieber gummibaum! Du bist herzlich eingeladen in meinen Palast. Und soll ich dir was verraten?
Es gibt nicht nur Bier! Ich kann dir auch Mineralwasser anbieten, und wenn ich clever einkaufe, sogar Apfelsaftschorle.

"Für die anzusetzenden 12 Liter Mineralwasser wurde ein Betrag von 2,99 € eingesetzt, für den Supermärkte flächendeckend eine entsprechende Menge Mineralwasser anbieten. Legt man die Preise der preisgünstigen Discounter für 1,5 Liter Mineralwasserflaschen zugrunde, ergibt sich für 12 Liter Mineralwasser sogar nur ein Preis von 1,52 €. Bei den als regelbedarfsrelevant berücksichtigten 2,99 € ist also bei preisbewusstem Einkauf durchaus Spielraum für Saft oder andere alkoholfreie Getränke."
(aus den Berechnungen der neuen Hartz-IV-Sätze)


Den Tabak für die Zigarette danach klau ich einfach.

Lieben Gruß
Rosenblüte
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Alt 22.03.2011, 12:05   #6
Ex-Odiumediae
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Dabei seit: 07/2010
Beiträge: 1.151

Eigenartig, dieses Werk ist auch wieder völlig an mir vorbeigegangen. Bin ich blind? Egal.

Du bringst es ziemlich gut und mit bitterem Humor auf den Punkt, finde ich und ich kann das recht gut beurteilen, denn ich war knapp drei Jahre lang Hartz IV-Empfänger (inklusive Ein-Euro-Job und gelegentlichen Zwischenjobs als billiger, minderwertiger Arbeitssklave im Handwerk). Von knappen 4 bis 5 Euro am Tag (knapp ein Jahr lang hatte ich nur 3,30 € am Tag) kann man gerade einmal überleben, aber Leben ist etwas vollkommen anderes.

Am meisten k***en mich diese albernen Berechnungen an, denen die Sätze zugrunde liegen. Kalte Berechnungen von Bürokraten, die nie von einem solchen Tagessatz leben mussten, ohne jeglichen Bezug zur Realität.

Es bleibt einem gar nichts anderes übrig, als im wahrsten Sinne des Wortes Abfall zu fressen, denn wenn man satt werden will, denn anders kann man den Müll nicht bezeichnen, auf den man ausweichen muss, um wenigstens ein Mal am Tag vernünftig essen zu können.

Wo ich gerade die H-Milch lese, kann mir irgendjemand verraten, warum gerade H-Milch teurer ist, als Vollmilch? Das ergibt überhaupt keinen Sinn für mich.
Ex-Odiumediae ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.03.2011, 15:32   #7
männlich Ex-Schamanski
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Beiträge: 2.884

Zitat:
Zitat von Odiumediae Beitrag anzeigen

Am meisten k***en mich diese albernen Berechnungen an, denen die Sätze zugrunde liegen. Kalte Berechnungen von Bürokraten, die nie von einem solchen Tagessatz leben mussten, ohne jeglichen Bezug zur Realität.
Richtig. Diese Entscheider (auch die im Bundestag) müßten erst alle einmal selber ein halbes Jahr lang auf diesem Einkommen leben, bevor man sie auf die Festlegung der Regelsätze losläßt. Vermutung: der Satz würde sich verfünffachen.
Ex-Schamanski ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.03.2011, 15:55   #8
weiblich Rosenblüte
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Beiträge: 2.163

Davon bin ich auch überzeugt!

Hartz-IV-Empfänger fristen ein menschenunwürdiges Dasein, ebenso wie Leiharbeiter und kostenlos Praktikanten. Und das in einem der reichsten Länder der Welt. Es ist eine Schande.

Soweit ich informiert bin, standen die Sätze von vornherein fest, und die Berechnungen zur Bedarfsermittlung wurden den niedrigen Sätzen auf Biegen und Brechen angepasst. Da kamen so abstruse Sachen heraus wie die Erläuterungen zum Mineralwasser. Zynisch auch die Begründung, warum Kosten für chemische Reinigung nicht mehr übernommen werden: Hartz-IV-Empfänger hätten ohnehin keine hochwertige Kleidung, die in die Reinigung gebracht werden müsse.

Ist doch im Sinne des Erfinders, wenn diese Menschen nur noch Abfall zu essen kriegen. Damit sinkt die Lebenserwartung, und der Staat hat ein paar hungrige Mäuler weniger zu stopfen.

Liebe Grüße
Rosenblüte
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Alt 22.03.2011, 16:45   #9
Ex-Odiumediae
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Beiträge: 1.151

Zitat:
Zitat von Rosenblüte Beitrag anzeigen
Zynisch auch die Begründung, warum Kosten für chemische Reinigung nicht mehr übernommen werden: Hartz-IV-Empfänger hätten ohnehin keine hochwertige Kleidung, die in die Reinigung gebracht werden müsse.
Zynisch ist es, aber es verrät auch die Art und Weise, in der diejenigen, die diese Gesetze verabschieden, auf arbeitslose Menschen herabblicken. Als sei jeder Hartz IV-Empfänger automatisch ein faules, versifftes, würdeloses Schwein, dem es gefällt, auf Kosten aller zu 'leben'. Diesen Möchtegern-Spezialisten fällt gar nicht auf, dass es umso schwerer wird, wieder an (nicht entwürdigende oder wenigstens ausreichend bezahlte) Arbeit zu gelangen, je länger man arbeitslos ist.

Was mich extrem genervt hat, waren die völlig paradoxen Regelungen, was Bewerbungen angeht. Ich musste mich schriftlich dazu verpflichten, mich innerhalb eines Monats mehrmals ebenfalls schriftlich zu bewerben. Ich hatte aber kaum das Geld, mich zu ernähren, daher hatte ich natürlich auch kein Geld mehr übrig, um andauernd Briefmarken, Papier, Druckertinte, usw. zu besorgen.

Man verschwieg mir lange Zeit sogar, dass man die Bewerbungskosten bis zu einer festgelegten Summe erstattet bekommt, sogar noch dann, als ich mich erniedrigt sah, explizit nach einem Vorschuss für den nächsten Monat zu fragen, um diese hirnlose Regelung einhalten zu können.

Natürlich hätte ich das bestimmt irgendwo nachlesen können, aber wer liest die fünftausend armdicken Broschüren im absichtlich vage gehaltenen Anwaltsdeutsch, die überall mit dem Euphemismus 'Infomaterial' bezeichnet werden? Was die dummen Arbeitslosen nicht wissen, das kommt dem Staat zugute. Wen man blöd hält, den kann man wunderbar ausnutzen.
Ex-Odiumediae ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.03.2011, 18:07   #10
weiblich Rosenblüte
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 2.163

Zitat:
Was die dummen Arbeitslosen nicht wissen, das kommt dem Staat zugute. Wen man blöd hält, den kann man wunderbar ausnutzen.
So ist es leider generell in unserer Gesellschaft. Das Geld wird einem schnell aus der Tasche gezogen. Aber selbst an Geld zu kommen, das einem eigentlich zusteht, ist schwierig. Vor allem, wenn man sich schwer tut, das Kleingedruckte zu entziffern.

Es müsste Beratungsstellen für Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und alte Leute geben, in denen die Menschen über ihre Rechte aufgeklärt werden. Die Berater könnten auch mit auf die Ämter gehen. Dadurch würden Schikanen vermieden.

Allerdings frage ich mich, wozu die Behörden da sind. Sie sollten doch Dienst am Bürger leisten. Aber im öffentlichen Dienst wird auch der Rotstift angesetzt, und oft sitzen in den Leistungsstellen Beamte, die selbst auf ihre Klientel herabblicken.
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Alt 22.03.2011, 18:15   #11
weiblich Ilka-Maria
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Beiträge: 31.103

Zitat:
Man verschwieg mir lange Zeit sogar, dass man die Bewerbungskosten bis zu einer festgelegten Summe erstattet bekommt, sogar noch dann, als ich mich erniedrigt sah, explizit nach einem Vorschuss für den nächsten Monat zu fragen, um diese hirnlose Regelung einhalten zu können.
Mein Sohn wußte das und hat fleißig Bewerbungen geschrieben (pro nachgewiesener Bewerbung gab es 5 Euro), selbst auf Stellen, die gar nicht zu seinem Ausbildungsprofil gepaßt hatten und bei denen er von vornherein keine Chance hatte. Da die meisten Firmen inzwischen die Bewerbungen per E-Mail geschickt haben wollen, war das auch kaum mit Kosten verbunden und relativ schnell erledigt. In seinem Freundeskreis waren soviele junge Männer arbeitslos, daß ein reger Austausch über ihre Rechte stattfand, aber ich glaube, die Beratung auf dem Amt war auch ganz gut.

Eine Arbeitsstelle bekam er erst wieder, nachdem er für eine Leiharbeitsfirma tätig geworden war und sich von einem Kunden abwerben ließ. Ein Teil seiner Freunde ist ins Ausland gegangen.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.03.2011, 11:01   #12
weiblich sylvie
 
Dabei seit: 03/2011
Ort: Rendsburg
Alter: 69
Beiträge: 7

Hallo Rosenblüte,

Dein "Dinner for two" ist voller Selbstironie und schwarzem Humor.
Du triffst den - Lachen um nicht zu Weinen - Punkt.
Hätte ich Geld, würde ich dieses Gedicht (dein Einverständnis voraussetzend)
auf eine Karte drucken und als Neujahrs-oder Geburtstagsgruß für alle Hartz- IV- Verstossenen auf den Markt bringen.
Biete es doch mal einer Zeitung an.

Kleiner Nachtrag: Als Berlinerin könntest du das Gedicht auch nach Zille Art
verfassen, dann wäre es noch rotziger.
z.B. Ick stell dir jern det Essen hin.......

Geändert von sylvie (23.03.2011 um 14:48 Uhr)
sylvie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.03.2011, 15:31   #13
weiblich Rosenblüte
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Dabei seit: 05/2010
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Hallo Sylvie,

danke für dein Lob!

Nein, Selbstironie ist nicht das richtige Wort. Ich bin ja "in Lohn und Brot", wie es meine frühere, hoch bezahlte Chefin genannt hätte: "Wir sind doch alle in Lohn und Brot. Wir sollten dankbar sein statt uns zu beschweren." Wäre ich es nicht, sondern auf staatliche "Hilfen zum Lebensunterhalt" angewiesen, würde mir vermutlich das Lachen vergehen.

Es verging mir zunächst gründlich, als ich in der Konkret einen Artikel über die Berechnung der Hartz-IV-Sätze und über die himmelschreiende Menschenverachtung las, die dahinter steht. Selten bin ich über einem Zeitungsartikel in Tränen ausgebrochen so wie hier. Ja, du hast recht, Humor ist, wenn man trotzdem lacht, und am besten ist allemal der schwarze Humor.

Ich habe es einer Zeitung angeboten, nämlich als Leserbrief an die Konkret geschickt. Aber die Redaktion, die nach Höherem strebt, druckte ihn nicht ab. Stimmt, ich könnte ihn mal an eine andere Zeitung schicken. Dein Beitrag macht mir Mut dazu. Nicht, um berühmt zu werden, sondern weil dieses Thema jeden in unserem Land berühren sollte, ob er Hartz IV ist oder nicht.

Eine ausgezeichnete Idee, ihn ins Berlinerische zu bringen. Bin zwar nur Rucksack-Berlinerin, bin aber in derselben Stadt geboren wie Heinrich Zille, habe den Berlinern aufs Maul geschaut und könnte das Gedicht unserem lieben Freund Jünta zur Korrektur vorlegen.

Ach, und falls du mal Geld zum Postkartendrucken hast, mein Einverständnis hast du!

Lieben Gruß
Rosenblüte
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