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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 16.05.2017, 17:14   #1
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Standard Eine große Liebe

Du hast den Winter nie gemocht,
nun hat er an die Tür gepocht,
er trennt des Herbstes morsches Band
und reicht uns seine kalte Hand.
Kein Mensch kann sich vor ihm verstecken,
doch uns kann er nicht mehr erschrecken.

Dein Kleid ist hübsch, dein Lieblingsblau,
du bist für mich die schönste Frau.
Sieh nur, mein Ehering, er blitzt,
wie oft hast du ihn mir stibitzt
und heimlich wieder blank gerieben.
Wo sind die Jahre nur geblieben.

Den schwarzen Anzug liebst du doch,
er passt mir heute immer noch.
Ich mag dein Haar, den feinen Glanz,
pass auf, gleich führ ich dich zum Tanz.
Den Kindern hab ich’s grad geschrieben.
Wo sind die Jahre nur geblieben.

Als ich die Kette dir geschenkt,
hast du verschämt den Blick gesenkt,
und ich trag immer noch den Schal,
den du mir gabst vorm Tanzlokal.
Wir spürten gleich, dass wir uns lieben.
Wo sind die Jahre nur geblieben.

Ich komm zu dir, mein lieber Schatz,
an deiner Seite ist mein Platz,
du bist und bleibst mein ganzes Glück,
hier hast du deinen Schal zurück.
Er hält dich warm, lass dich bedecken.
… und er verbirgt die Totenflecken.
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.05.2017, 18:31   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.687

Ich rätsele, was die letzte Zeile bedeuten soll ...wahrscheinlich das, was ich vermute

Makaber, aber sehr gut.
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 16.05.2017, 23:02   #3
weiblich Unar die Weise
 
Benutzerbild von Unar die Weise
 
Dabei seit: 10/2016
Ort: in einem sagenhaften Haus
Alter: 42
Beiträge: 5.271

Standard Nöck, ein Meisterwerk...

wie du das Dahinscheiden in zarte Worte verpackst ist einzigartig.
Ich habe bereits in den ersten Zeilen vermutet, worauf es hinauslaufen wird.
Genau an dieser Stelle:
nun hat er an die Tür gepocht,
er trennt des Herbstes morsches Band
und reicht uns seine kalte Hand.


Ein solch sensibles Gedicht, über die Liebe bis in den Tod, habe ich noch nie gelesen.
Es ist in seiner Eigenart schön und ergreifend.
Spürbar ist für mich das Band, welches das Paar zusammenhält, ganz fest.
Dies ist heute selten.

Ich möchte dein Werk auf meiner Favoritenliste wissen, um darauf zurückzugreifen, wenn mir nach Melancholie ist.

Verneigender Gruß, Unar.
Unar die Weise ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.05.2017, 00:59   #4
weiblich Ex-Dabschi
abgemeldet
 
Dabei seit: 05/2014
Beiträge: 2.371

Lieber Nöck,

hab vor dem Schlafengehen noch mal hier gestöbert. Dein Gedicht geht unter die Haut und hat Tränen der Berührung bei mir ausgelöst.

Liebe Gutenachtgrüße
Dabschi
Ex-Dabschi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.05.2017, 17:37   #5
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Standard Lieber Nöck -

Betrachte eine Essenz aus den vorherigen Kommentaren als meinen Kommentar.
Ein wundervoll feinfühliges und liebevolles Gedicht, unbedingt ein Favorit!

Lieben Gruß
von
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.05.2017, 21:19   #6
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Das zeugt, lieber Nöck, von großer Dankbarkeit für die gemeinsamen Jahre, die die Liebe nicht mindern konnten, so dass sie den Tod überlebt.

Sehr gern gelesen
LG g
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.05.2017, 21:44   #7
Stachel
 
Benutzerbild von Stachel
 
Dabei seit: 03/2015
Ort: Niederrhein
Beiträge: 954

Standard Lieber Nöck

Unar hat es bereits angesprochen. Du leitest mit dem Winterbild ein Gedicht über eine tiefe Liebe bis in den Tod ein.
Die mehrfache Wiederholung des letzten Verses in den Innenstrophen trägt diese erhabene, dankbare Stimmung besonders gut. Die Idee mit dem stibitzten Ehering ist wirklich knuffig.

Ich bin noch unentschieden, ob ich um das LI trauere, denn ich nehme an, dass es gegen Ende des Gedichts ebenfalls aus dem Leben scheiden wird. Aber es überwiegt dann doch ein "Gönnen-Können", wobei es auf den dritten oder vierten Blick schon ein wenig seltsam erscheint, wie abgeklärt und milde die Gefühlslage angesichts einer gerade erst gestorbenen (Totenflecken) Partnerin wirkt. Wäre das überhaupt denkbar? Ich meine ja, denn manchen ist es vergönnt, sich gebührend zu verabschieden. Trotz aller Trauer so gefasst und positiv zu bleiben, erscheint mir als wahre Lebenskunst und als Zeichen von Erfüllung. Wie schön, wenn man als Dichter derartige LIs kennt.

Freundliche Grüße von
Stachel
Stachel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.05.2017, 08:26   #8
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.687

Stachel bringt es auf den Punkt, was mir auch beim ersten Lesen durch den Kopf ging: Das LI geht mit der großen Liebe: "pass auf, gleich führ ich dich zum Tanz".
Was mich gleichzeitig fasziniert und traurig macht an dem Gedicht (auf Grund eines persönlichen Erlebnisses, das fast genauso war): Die schöne Leichtigkeit der ganzen Strophen bis auf den allerletzten Vers, der dann - mit Karacho - das Ruder herumreisst und aus eigentlich zu dem Zeitpunkt angenehmer, fast unwirklicher Leichtigkeit wird Ernst und Traurigkeit. So war mein Empfinden.
Danke für dieses Gedicht, ich hatte mich einstmals beim Anblick des Todes, als mein damaliger Lebensgefährte verstarb, genauso gefühlt, nur hätte ich es nie so gekonnt beschreiben können.
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2017, 07:42   #9
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Ihr Lieben,

danke, dass ihr eure Gedanken und Gefühle hier zum Ausdruck gebracht habt. Ich habe euch lange auf meine Antwort warten lassen, aber dieses Gedicht verträgt keine Hast.

Mein Gedicht soll leise und behutsam sein, keineswegs makaber. Ich habe beim Schreiben immer die verstorbene Ehefrau vor mir gesehen und wie der hilflose Ehemann um sie herum hantiert. Er weilt fern der Realität und muss sich irgendwie ablenken und beschäftigen, um die Erkenntnis nicht zu nah an sich heran kommen zu lassen. Aber tief im Innern weiß er, was geschehen ist und was er nun zu tun hat.
Zitat:
Ich komm zu dir, mein lieber Schatz,
an deiner Seite ist mein Platz,
Die nachstehenden Auszüge aus euren Kommentaren sind mir wichtig:

Zitat:
Zitat von Unar
Ein solch sensibles Gedicht, über die Liebe bis in den Tod, habe ich noch nie gelesen.
Ich möchte dein Werk auf meiner Favoritenliste wissen, um darauf zurückzugreifen, wenn mir nach Melancholie ist.
Zitat:
Zitat von Dabschi
Dein Gedicht geht unter die Haut und hat Tränen der Berührung bei mir ausgelöst.
Zitat:
Zitat von Thing
Ein wundervoll feinfühliges und liebevolles Gedicht, unbedingt ein Favorit!
Zitat:
Zitat von gummibaum
Das zeugt, lieber Nöck, von großer Dankbarkeit für die gemeinsamen Jahre, die die Liebe nicht mindern konnten
Zitat:
Zitat von Stachel
Die mehrfache Wiederholung des letzten Verses in den Innenstrophen trägt diese erhabene, dankbare Stimmung besonders gut.
Zitat:
Zitat von Silbermöwe
Was mich gleichzeitig fasziniert und traurig macht an dem Gedicht (auf Grund eines persönlichen Erlebnisses, das fast genauso war): Die schöne Leichtigkeit der ganzen Strophen bis auf den allerletzten Vers,
Ihr habt sehr schön die Stellen beschrieben, die euch berührt haben, darüber freue ich mich. Auch darüber, dass mein Gedicht auf eure Favoritenliste gekommen ist.

Wie schön, dass es hier im Forum Dichterinnen und Dichter gibt, für die es sich lohnt, zu schreiben.

Liebe Grüße an euch alle
Nöck


Liebe Silbermöwe,

Zitat:
Danke für dieses Gedicht, ich hatte mich einstmals beim Anblick des Todes, als mein damaliger Lebensgefährte verstarb, genauso gefühlt, nur hätte ich es nie so gekonnt beschreiben können.
Du hast es gefühlt und empfunden, nur darauf kommt es an.
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2017, 11:31   #10
Thing
R.I.P.
 
Benutzerbild von Thing
 
Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Ihr Lieben,





Wie schön, dass es hier im Forum Dichterinnen und Dichter gibt, für die es sich lohnt, zu schreiben.

Liebe Grüße an euch alle
Nöck

Und genau das läßt mich noch an Poetry.de festhalten, lieber Nöck!
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.07.2017, 08:53   #11
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Zitat:
Zitat von Thing
Und genau das läßt mich noch an Poetry.de festhalten, lieber Nöck!
Geht mir genauso, liebe Thing.

Hab ein schönes Wochenende
Nöck
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
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