Heißer Sommer.

[Kurt]

(Eine Geschichte aus dem Mittelalter)

Der schöne und heiße Sommer ging langsam seinem Ende zu. Die Ernte war überall gut, besonders die Äpfel hatten sich in diesem Jahr prächtig entwickelt.
Kurz vor dem Abschluss war jetzt die Getreideernte; täglich brachten die Bauern ihr Korn zum Müller, der also in der Folgezeit gut zu tun hatte.
Der Termin der Getreideernte war nun aber allmählich verstrichen ohne dass Bauer Benlin seine Ernte zum Müller gebracht hatte, was den Letztgenannten einigermaßen erstaunte.
Bei einem Gang durch die Stadt kam Lorenntz, so hieß der Müller, am Hause des Bauern vorbei. Benlin, so nannten ihn alle, wie man sich übrigens sehr oft mit dem Vornamen, aber auch mit der Berufsbezeichnung ansprach, fütterte gerade seine Hühner.
"Bauer, was ist mit eurer Ernte? " rief Lorenntz ihm zu "Ihr habt gerade noch einen oder auch zwei Tage Zeit, außerdem soll das Wetter jetzt schnell schlechter werden".
"Ja ich weiß, ich muss mich beeilen" war die kurze Antwort.
Der Müller verabschiedete sich: "Dann macht das! Bis bald in der Mühle."
Die Tage verstrichen ohne dass der Bauer seine Ernte zur Mühle brachte, was Lorenntz in nicht geringes Erstaunen versetzte. Er erfuhr dann, dass Benlins Feld überhaupt nicht abgeertntet war.
Nach ungefähr zwei Wochen traf man sich beim Schwanen-Wirt, und auch dort erhielt der Müller keine Antwort von Benlin auf seine dringende Frage.

"Guten Tag Bauer. Fleißig seid ihr wieder", begrüßte ihn sein Nachbar Ottin dann eines Tages einmal nachdem inzwischen fast ein Jahr seit der nicht abgegebenen Ernte vergangen war."Was war denn eigentlich letztes Jahr?"
Benlin zog ein saures Gesicht und sagte:" Ja das war schlimm für mich. Es war wegen diesem Prozeß".
Sein Nachbar überlegte eine Weile: "Meint ihr diese Hinrichtung, wo der Großbetrüger gevierteilt wurde? Da haben so viele Leute zugeguckt. Ihr wart doch auch dabei?..."
Benlin entgegnete darauf, dass er nicht dabei gewesen sei, weil er so was nicht sehen könnte.
"Ach ihr seid viel zu empfindlich", war die forsche Antwort, "der Verbrecher hatte es doch wirklich verdient. Aber seinen Kopf habt ihr doch bestimmt gesehen!?"
Der Kopf des Hingerichteten wurde nämlich anschließend vor dem Stadttor aufgespießt auf einer Holzstange aufgestellt.
Daraufhin kam Benlin nun zur Sache. Das sei es ja genau, er sei zweimal an dem Kopf vorbeigefahren und jedes Mal sei ihm speiübel geworden. Auch beim zweiten Mal hätte er seinen Blick nicht abwenden können. Er wollte dann nicht mehr daran vorbeifahren. Das reife Korn blieb deshalb stehen und die Ernte war verloren.
"Ach Bauer", antwortete Ottin darauf "ihr habt wohl einen zu empfindlichen Magen. Ihr wart doch damals auch bei der Hexenverbrennung dabei".
"Ja stimmt, da hab ich auch zugeguckt, aber diese Vierteilung auf dem erhobenen Podest wäre zuviel für mich gewesen. Und dann noch dieser Kopf". Es schien ihn ein wenig zu schütteln, als Benlin dies entgegnete.
Sein Nachbar schien zu verstehen und nickte nur kurz bevor sich beide verabschiedeten um wieder ihrer Arbeit nachzugehen.
In den folgenden Zeiten hatte Bauer Benlin keinerlei Probleme mehr seine Ernte beim Müller abzuliefern. Sei es, dass kein derart außergewöhnlich spektakuläres Ereignis in seiner Stadt mehr stattgefunden hatte, oder aber sein Magen etwas unempfindlicher geworden war.