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Alt 29.07.2015, 16:25   #1
weiblich Rotelch
 
Dabei seit: 07/2015
Beiträge: 3


Standard Hundewetter

Es war kalt.
Kleine Eiskörnchen jagten über mich hinweg, gefolgt von einer harten Sturmböe. Wieder Eiskörner, größer diesmal. Wo bin ich nur? Als die nächste Ladung auf mich herabprasselte war es als würden sich tausende kleine Nadeln in meinen Rücken bohren. Ich drehte mich um mich. Warum? Mein Orientierungssinn täuschte mich. Überall Eis, ein Nebel aus dünnen kalten Stückchen. Was hab ich nur getan? Ich duckte mich. Es war so kalt, so schrecklich kalt. Und hart, der Boden war so hart. Und tief in mir wusste ich es doch: Ich würde nicht sterben, nicht jetzt, nicht hier...irgendwie...Der Sturm heulte lauter, doch ich riss mich zusammen. Warum? Weil ich noch nicht sterben wollte.


************************************************** **************
(Caro)

Es ist nicht so, dass ich nicht gerne schreibe. Eigentlich mache ich es eben nur nicht weil ich keine Zeit habe. Na gut, oft habe ich auch einfach keine Lust, mich nach der Schule an meinen Schreibtisch zu setzen. Aber ich habe mir fest vorgenommen für diese Geschichte eine Ausnahme zu machen. Diese Geschichte ist mir nämlich selber passiert und nachdem mir sonst nicht viel Besonderes passiert...na ich fange besser von Anfang an an.
Es war Winter. Einer der ersten Wintertage an denen es schneite und richtig kalt war. Das gefiel mir. Anfangs, wenn der Winter beginnt kann ich es nämlich immer kaum erwarten endlich Schlitten zu fahren und im Schnee herumzutoben. Danach ist es mir eher unangenehm und ich hätte lieber wieder Frühling. Egal. Es war jedenfalls der Anfang des letzten Winters, und ich war alleine zuhause. Mama brachte meinen großen Bruder Leo zur E-Bass Stunde und mein Papa arbeitete .


Ich drückte meine Nase an die Fensterscheibe, was einen Fleck hinterließ der Mama sicherlich nicht gefallen hätte, und starrte in den trüben grauen Schleier aus Schnee hinaus. „Papa ist jetzt irgendwo da draußen“ dachte ich. Nein, also ich wollte auf keinen Fall Straßenwachtfahrer werden, wie er, und draußen kaputte Autos reparieren. Vor allem nicht bei dem Wetter!Gerade hatte es nämlich aufgehört zu so schön schneien, stattdessen hatte ein leichtes Hageln eingesetzt. Während ich so vor mich hinüberlegte und herausschaute, klingelte plötzlich das Telefon.


Noch bevor ich mich gemeldet hatte, brüllte es auch schon in mein Ohr. „Carolin, du wirst es nicht glauben, was passiert ist!“ Es war meine beste Freundin Katja, die 2 Straßenecken weiter wohnte, und außerdem auf dieselbe Schule wie ich ging. Sie hatte lange schwarze Haare und grüne Augen..und überhaupt war sie hübscher als ich. Das war schon immer ein Punkt der mich an ihr gestört hatte. Mich mit den kurzen weißblonden Haaren und den braunen Augen . Wer wird schon gerne von der eigenen Freundin übertrumpft? Außerdem...“Carolin, bist du noch dran?“brüllte es wieder, und ich musste den Hörer ein wenig vom Ohr weghalten, um ein geplatztes Trommelfell zu vermeiden. „Ja, klar. Was ist denn los warum schreist du mich so an?“ fragte ich leicht angenervt. Das änderte sich allerdings schlagartig, als sie ihren nächsten Satz aussprach: „ Rat mal was mein Dad auf dem Weg vom Gartencenter zurück auf der Autobahn gefunden hat“ Ich wurde hellhörig. Wenn sie so ein Drama darum machte, musste es ja was supertolles sein!Ihr Papa arbeitete bei Dehner, wo er täglich mit dem Auto hinfahren musste. Aber gefunden hatte er noch nie irgendwas. „ Einen Hunderter? Einen Lottogewinnschein?“ riet ich ins Blaue hinein, doch Katja beachtete mich garnicht, sondern redete einfach weiter. „Einen ausgesetzten HUND!!! Mitten auf der Autobahn im Schneegestöber! Er hatte solches Glück dass ihn niemand angefahren hat!“ „W A S ? „ Vor Schreck wäre mir beinahe das Telefon aus der Hand gerutscht. Einen Hund auf der Autobahn? So etwas hörte man doch oft im Fernsehen. Manche Leute setzten ihre Tiere einfach aus, wie einen Sack voll Müll den man vor die Türe stellt wenn er voll ist. Total gemein! Und jetzt wo war der Hund jetzt? Was würde weiter passieren? „Wo ist er?“ fragte ich atemlos, während ich mit klopfendem Herzen in den Flur hetzte. „Na bei uns! Daddy hat ihn sofort eingepackt und zum Tierarzt gebracht. Befund: Unterkühlt und ziemlich abgemagert. Wir sollen ihn erstmal bei uns übernachten lassen und morgen der Polizei Bescheid geben. Paps ist auf dem Weg zum Hundefutter kaufen, da hat der kleine Kerl schon Lillys kompletten Napf leergefuttert.“
erzählte sie mir aufgeregt. Ich zwängte mich in meine Schuhe. Hunde die Katzenfutter fraßen? Und das duldete Lilly, die agressivste Kratz-Katze aller Zeiten? „Kann ich rüberkommen?“ fragte ich aufgeregt. Das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen! Wann fand man in seinem Leben schon einen Hund? „Äh, klar doch“ hörte ich noch, da hatte ich schon aufgelegt und war zur Türe hinausgestürmt.


Auf dem Weg fiel mir auf, dass es eventuell schlauer gewesen wäre eine Mütze und einen Schal anzuziehen, was ich vor lauter Hektik vergessen hatte. So fielen mir die ganzen Minieiskörner nämlich direkt in den Kragen. Aber glücklicherweise wohnte Katja ja nicht so weit weg.
Als ich nass und mit zerwuschelten Haaren an ihrem Haus ankam, öffnete mir ihr Papa , mit Vornamen Robert, die Türe. „Caro, ich hab gehört du kommst wegen dem Hund?“ begrüßte er mich freundlich lächelnd.Ich sah mich hilfesuchend um, doch Katja war nirgends zu entdecken. „Ähm ja, weil ich, ich wollt schauen ob ich vielleicht was helfen kann.“ stotterte ich dann mit dem plötzlichen Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. „Das kannst du vielleicht tatsächlich. Wir wollten ihn gerade warm baden, weil er immernoch so zittert. Der Tierarzt hat gemeint dass er mindestens 4 Stunden in der Kälte gewesen sein muss. Weiß der Himmel wie er das überlebt haben soll.“ murmelte Robert, und knubbelte nervös an seinem Kinnbart herum. Noch bevor ich dazu kam, zu überlegen, ob das jetzt bedeutete dass ich ins Bad gehen sollte oder ob er noch mehr zu sagen hatte, hörte ich ein ohrenbetäubendes helles Kläffen aus der Richtung in der genau dieses Bad lag. „Aua! Scheiße! Du blödes Viech!“ fluchte jemand lautstark, und ich zweifelte keine Sekunde daran, dass es Katja war. Robert und ich rannten beinahe gleichzeizig los, was bewirkte dass ich um ein Haar gegen ihn gestoßen wäre. Was wiederum bewirkt hätte, dass er die Kellertreppe links von mir heruntergekugelt wäre wie eine übergroße Murmel. Also hatte er gerade ein Hammerglück gehabt, was er aber nicht wusste, und mir war es auch ziemlich schnuppe. Ich wollte einfach nur wissen, was gerade mit diesem Hund passiert war. Im Türrahmen des Badezimmers stockte ich. Am Boden saß Katja, nass von oben bis unten, und streckte klagend ihren rechten Zeigefinger in die Höhe, welcher ziemlich blutig aussah. „Das Mistvieh hat mich gebissen, als ich es in die Badewanne heben wollte“ sagte sie mit zittriger Stimme. „Na na, mäßige deine Ausdrucksweise!“ mahnte Robert kühl und ging ein Stück näher heran, um sich den Finger genauer anzusehen.

Was ich lieber nicht tat, da ich noch nie Blut hatte sehen können. Also stand ich ein bisschen verloren in der Gegend herum ,versuchte nicht zu würgen und hörte zu wie Robert auf seine Tochter einredete. „Ist doch bloß ein Kratzer. Und krank wirst du davon sicherlich nicht, ich hab ihn ja genau untersuchen lassen. Weder Tollwut noch sonst was.“ Und dann entdeckte ich ihn. Ein kleines braun-weißes Fellbündel, lag direkt neben der Dusche , zusammengerollt auf einem Handtuch und starrte mich aus großen tiefblauen Augen ängstlich an. Der Hund war ungefähr so hoch wie ...wie was eigentlich ? Vielleicht ein Schreibtischstuhl ? Jedenfalls war er ziemlich klein für einen Hund, hatte langes verstrubbeltes Fell und runde weiße Schlappohren. Ehrlich gesagt sah er ziemlich nett aus. Nicht so, als hätte er gerade versucht einen Finger zu fressen. „Ist er das?“ fragte ich Katja, die sich gerade gequält lächelnd ein Riesenpflaster um den Finger wickelte. Im Nachhinein komme ich mir für diese Frage ziemlich blöd vor. Wer sollte es sonst gewesen sein. Dieser Hund sah weder aus, wie Lilly, die gemeingefährlich kratzende schwarze Katze , noch wie einer von Lukis Urzeitkrebsen. (Luki ist Katjas kleiner Bruder. Fünf Jahre alt, und eine ziemliche Nervensäge) Und ansonsten hatte Katja ja keine Haustiere.

„Ja das ist er.“ antwortete diese mir. Vorsichtig, die Hände mit den Handflächen nach oben vorgestreckt um ihm zu zeigen, dass ich es keinesfalls angreifen wollte, näherte ich mich dem verängstigten Tier. Trotzdem zuckte der Hund zusammen, als ich schließlich neben ihm in die Hocke ging. Ich sah dass er seinen Schwanz so weit eingezogen hatte, dass er schon den Bauch berührte. Irgendwie tat er mir Leid. Nicht auszudenken was er in den letzten Stunden alles mitgemacht haben musste. Während ich leise auf den Hund einredete, streckte ich meine Hand weiter vor. Schließlich legte ich sie auf seinen Rücken, und fuhr ihm durch sein flauschiges wuscheliges Fell. Es war weicher als ich angenommen hätte. Was mich allerdings mehr verwunderte war, dass alle meine Finger ganz blieben, ja dass er nicht einmal versuchte mich anzugreifen.

Triumphierend drehte ich mich zu meiner Freundin um,doch die zeigte sich nicht im mindesten beeindruckt. „Jetzt versuch ihn in die Wanne zu heben. Wasser ist schon drin, warscheinlich ist es inzwischen zwar schon wieder kalt...“sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Als ich ihn vorher hochgehoben habe musste er ja unbedingt schnappen.“ „Das ist eine SIE“ gab Robert aus der Ecke seinen Senf dazu, doch keiner beachtete ihn. Das schaffe ich. Dachte ich selbstbewusst. Ich müsste nur... Doch kaum hatte ich die Hand unter den Bauch des Tiers geschoben, um ihn hochzuheben ließ dieses ein grollendes Knurren hören und hob seine Lefzen, sodass man die spitzen Eckzähne sehen konnte. Vor Schreck hätte ich ihn beinahe wieder fallen gelassen, doch ich riss mich zusammen, packte ihn fester, hob ihn höher. Und ließ ihn mit einem platschenden Geräusch in die Badewanne gleiten. „Geschafft!“ flüsterte ich selbstzufrieden, und atmete einmal tief durch. Meine Handflächen waren schweißnass. „ Hey, bravo!“ lobte Robert anerkennend, und kam aus der Ecke mit dem Handtuchständer hervor um seinerseits den paddelnden Hund in der Wanne zu begutachten. Jetzt sah er gar nicht mehr so aggressiv aus, sondern eigentlich sogar ziemlich friedlich, wenn man davon absah dass er in die hinterste Ecke der Wanne gewichen war. „Er hat sicherlich nur Angst weil er uns noch nicht richtig kennt.“ sagte Katja, die neben mir aufgetaucht war.


„Und jetzt, nachdem wir ihn „getauft“ haben-“ ich verkniff mir ein Grinsen“-braucht er einen Namen.“ „Am Besten irgendetwas gefährliches: Killer oder Hasso oder Fleischi“ ereiferte sich Robert. „Fleischi ???“ Ich war entsetzt.
„So gefährlich ist er doch sicher nicht.“ „SIE!“ „Was?“ „Es ist eine SIE zum hundertachtundreißigsten mal.“ motzte er leicht beleidigt. Ich stöhnte innerlich auf. „Du kannst SIE doch nicht Killer oder so nennen!Sie tut doch nichts!“ Katja schnaufte hinter mir wie ein Rhinozeros und ich wusste, dass ich mal wieder gefährlich am Rande eines riesigen Fettnäpfchens balancierte. „Das mit dem Finger war doch nur aus Angst!“ verteidigte ich mich daraufhin. „Wieso nennst du sie nicht gleich „TUTNIX“?“ keifte meine Freundin mich an. Eigentlich keine schlechte Idee...“Ich taufe dich auf den Namen Tutnix!“ ginste ich, streckte drei Finger in das lauwarme Badewasser und bespritze den Hund damit. Katja schnappte nach Luft, und Tutnix paddelte vor Schreck auf die andere Seite der Badewanne.
Doch, der Name gefiel mir. „Na dann holen wir Tutnix mal aus dem Wasser !“ meinte Robert und streckte die Hand nach dem Hund aus. Diesmal ließ sie sich viel braver hochheben wie vorhin. Sie strampelte zwar ein bisschen, aber das Knurren hatte aufgehört und sie schien auch viel ruhiger zu sein. Als wir Tutnix schließlich ein flauschiges Handtuch gewickelt hatten sah sie schon fast wie ein zivilisierter Schoßhund aus. Und ich wusste: Wenn ich jemals einen Hund haben wollte, dann genau DIESEN!

„Und jetzt kämmen wir sie noch“ erklärte Katja, und holte ihre pinke „Topmodel“ Haarbürste aus der Schublade. „Nein Nein, Stop! Doch nicht mit deiner Haarbürste , das ist doch ekelhaft!“ schimpfte Robert, und schnappte seiner Tochter das kitschige Teil aus der Hand , woraufhin Katja ein beleidigtes „Meine Haare sind nicht ekelhaft!“ murmelte. Ich war sicher, dass sie es falsch verstanden hatte, doch ich hielt meinen Mund. Wozu einen Streit anfangen, wenn man genausogut leise sein konnte?
Während Robert das Innenleben jeder einzelnen Schublade durchsuchte, um er nannte es: „die alte Haarbürste von Marianne“, Katjas Mutter, die aber vor drei Jahren ausgezogen war zu finden, pulte ich an meinen Fingernägeln herum und grübelte. „Was wird eigentlich jetzt aus Tutnix?“ fragte ich schließlich nachdenklich, ohne genau zu wissen mit wem von beiden ich sprach.


„Morgen nimmt die Polizei unsere Personalien auf. Wenn sich der Besitzer innerhalb von 6 Monaten nicht meldet, dürften wir sie vom Gesetz her behalten.“ erklärte Katja mir. „Das geht aber nicht, meine Liebe. Schließlich hast du eine Katze, die Hunde überhaupt nicht ausstehen kann!“ meinte ihr Vater, der gerade mit der Bürste zurückgekehrt war. Katja sah verzweifelt in die Runde. „Das muss doch irgendwie gehen. Wir können sie doch nicht einfach ins Tierheim bringen!“ Das war allerdings auch meine Meinung, also nickte ich bekräftigend . „Wir nehmen keinen Hund, und damit basta! Aber wieso nehmt ihr sie nicht, Carolin?“ Robert sah mich erwartungsvoll an, doch ich schüttelte unglücklich den Kopf. „Das erlauben meine Eltern nie.“
Schließlich hatten wir es geschafft, Tutnix ein wenig zu frisieren . Tatsächlich schien sie sich langsam immer mehr zu beruhigen, doch leider war es schon ziemlich spät und ich musste mich verabschieden.


„Da bist du ja endlich“ begrüßte mich Mama als ich zur Türe hereinkam.
„Wir wollten gerade mit dem Abendessen anfangen.“ motzte Leo, der vor seinem leeren Teller saß, und so tat als wäre er dabei zu verhungern. „Und wieso um Himmels Willen warst du ohne Mütze draußen? Weißt du wieviel Grad es hat?“ herrschte Papa mich an und ich drehte mich genervt zu unserem Wandthermometer um. „-4 Grad!“ schimpfte er weiter, obwohl er wusste, dass ich es längst selbst gelesen hatte. Tja, soviel zu verständnisvolle Familie. Da brauchte ich von dem Hund ja nicht einmal anzufangen.

Stöhnend ließ ich mich auf meinen Stuhl sinken, und griff mir eine Gurke. „Mensch, nicht mit den Fingern auf dem Gemüseteller rumgrapschen du unappetitliches Ekel!“ zischte Leo, und vor Schreck ließ ich das gerade Genommene wieder fallen. Ach, wie ich meinen Bruder liebte! Papa warf uns einen bösen Blick zu und schaufelte sich gefühlte drei Tonnen Fleischsalat auf die Semmel. Nervös sah ich in die Runde. Und wenn ich es wenigstens versuchte, das mit dem Hund?
„Ähm, wie wäre es wenn wir einen Hund halten würden?“ fragte mein Mund. Ja, mein Mund, denn mein Hirn war in diesem Moment anscheinend nicht , oder nicht vollständig vorhanden. Papa, der zwischen Fleischsalatsemmel-Gemümmel irgendetwas von Inflation und sinkender Kaufkraft, und dass das ganz schlecht für sein Sparkonto sei , erzählt hatte unterbrach sich und starrte mich wie der Rest der Familie fassungslos an. Super geschickt, Caro! meckerte ich mich in Gedanken selber an. Jetzt musste ich wohl mit dem Rest der Geschichte herausrücken.

„ Also...“ begann ich nervös. Es dauerte dann doch etwas länger, bis alle , einschließlich Leo, der ziemlich oft, ziemlich begriffsstutzig war , alles kapiert hatten. Als ich geendet hatte starrte ich auf meine Hände, nur um ihnen nicht ins Gesicht schauen zu müssen. Ich wusste, dass jetzt eine Abfuhr kommen würde. Sowie immer wenn ich irgendetwas vorschlug, das damit zu tun hatte ein Haustier zu bekommen. Und so war es dann auch. „Wir können doch nicht plötzlich einen Hund haben. Erstens haben wir viel zu wenig Platz und zweitens kennen wir uns ja gar nicht mit Hunden aus.“ bestätigte Mama meine Vermutung. Wie hatte ich es auch wagen können überhaupt auf so eine Idee zu kommen. Ich nickte ergeben. „Wieso haben wir zu wenig Platz?“ erkundigte sich mein Bruder, der inzwischen die dritte Semmel in sich reinstopfte. „Da, neben dem Vorhang wäre doch wunderbar Platz für einen Hundekorb!“ verwundert sah ich ihn an. Versuchte er gerade mir zu helfen? Nachdem er mich überhaupt nicht beachtete, kam ich zu dem Schluss, dass es wirklich nur eine dumme Frage gewesen sein sollte. Trotzdem erntete er zum zweiten Mal an diesem Abend einen bösen Blick von Papa.


Unsere Eltern mochten es nicht wenn einer von uns ihnen in den Rücken fiel.
„Bitte, ihr könnt euch Tutnix doch wenigstens anschauen!“ flehte ich, da ich neuen Mut geschöpft hatte. „Ihr könnt euch, tut nichts, anschauen? Was ist denn das für eine Grammatik?“ fragte Mama entsetzt, und angelte sich die Butterdose auf der anderen Seite des Tisches. Es dauerte eine Weile, bis ich verstand. „Nein, der Hund heißt Tutnix. So haben wir sie genannt.“ erklärte ich daraufhin. Naja, eigentlich hatte nur ICH sie so genannt, aber das war ja im Moment egal.


Leo nickte. „Anschauen kostet nichts!“ Ich weiß nicht, ob es dieser letzte Kommentar war, der Papa dazu veranlasste, oder ob er das Gespräch nur für den Moment beenden wollte, jedenfalls zuckte er die Schultern und meinte:
„Meinetwegen schauen wir ihn uns halt mal an. Aber das heißt noch garnichts!“
Das das garnichts hieß, wusste ich und doch überhörte ich es irgendwie. Irgendwie hoffte ich noch immer darauf, endlich ein Haustier zu bekommen.
Aber für den Moment war ich einfach nur glücklich.


„Hey! Wie geht’s Tutnix?“ begrüßte ich Katja am nächsten Morgen in der Schule.Diese lehnte an ihrem Spind und sah mich daraufhin leicht beleidigt an. Ich stöhnte innerlich.Was hatte ich bloß nun schon wieder falsch gemacht? „hundihundihundi!“ sagte Katja, und sah mich vorwurfsvoll an. Wie bitte? Hundi Hundi? Bevor ich sie fragen konnte, ob ich sie zur Schulkrankenschwester geleiten durfte, motzte sie auch schon drauflos. „ Die ganze Zeit geht’s dir nur um dieses Viech, und das obwohl du weißt ,dass ich heute Englischschulaufgabe schreibe. Aber das interessiert dich ja nicht!!! Du fragst nicht wie es mir geht, sondern wie es dem Hund geht und das finde ich total bescheuert! Ich bin...“

„Halt!“ unterbrach ich sie verstört und hob abwehrend die Hände. Diese Schulaufgabe, wegen der sie sich schon vor drei Wochen aufgeregt hatte...naja ich sage es ungern, aber ich hatte sie wirklich komplett vergessen. „Gerade wollte ich danach fragen. Also: Wie geht’s dir?“ fragte ich meine Freundin, die momentan einen Schmollmund zog. „Ja neee ist klar!“ Wenn Blicke töten könnten...ich sage es mal nett ausgedrückt: Vermutlich wäre ich dann tot. Mausetot.


„Ok, es war eine Notlüge. Ich habe die Schulaufgabe echt vergessen , tut mir leid!“ gab ich zerknirscht zu. „Na gut,....von mir aus: ich verzeihe dir!“ erklärte Katja großspurig. Erleichtert atmete ich auf. Leider konnte Katja oft echt zickig sein und das wegen einem Grund, der so nichtig war, dass er das Wort Grund beinahe nicht verdient hatte. „Und wie geht es...“ Ein genervtes Stöhnen unterbrach mich. „Gut. Wir haben ihr in unseren alten Wäschekorb ein Handtuch gelegt, da hat sie geschlafen. Und sie hat schon einen Teller Trockenfutter gefressen.“ „Einen Teller?“ Ich stellte mir Tutnix am Tisch sitzend mit Messer und Gabel in den Pfoten und einem Teller vor sich vor...und war verblüfft. „Ja, einen Napf fahren wir heute erst kaufen!“ erklärte Katja mir. Aha. Das klang ja schon ganz gut , dachte ich beruhigt und beschloss, meinen Eltern den Hund noch heute vorzustellen.
Auch wenn ich keine großen Hoffnungen hatte, von wegen Haustier bekommen oder so.Aber eine schöne Vorstellung wäre es schon. Ich könnte jeden Tag mit ihr spazieren gehen , dadurch würde ich auch noch ein paar Kilo abnehmen.


Und ich würde ihr das Fell schneiden. Bei dem Gedanken, dass ich dem armen Tier mit Haargel und Lockenwicklern zuleibe rücken könnte musste ich grinsen. Friseurin war schon immer mein Traumberuf gewesen. Mit 5 Jahren hatte ich zahlreiche Puppen beschnippelt und einmal sogar meinen Bruder, während er geschlafen hatte. Mhm, tja, Die Halbglatze (an der einen Hälfte des Kopfes – auf der anderen war er gelegen, also hatte ich nicht hingekonnt- )hatte er mir bis heute nicht verziehen. Auch wenn seine schwarzen Haare längst wieder schulterlang waren.


Während ich uns schon gazellenartig, mit geschmeidigen Bewegungen durch den Wald gleiten sah – Tutnix mit einer stylischen Hochsteckfrisur auf dem Kopf- begann Katja neben mir zu fluchen. „Mist Mist! Ich versäum die Schux!“
„Viel Glühück!“ flötete ich verträumt und winkte ihr hinterher bis sie hinter der nächsten Biegung verschwunden war. Dann ging auch ich in meine Klasse.
Frau Pumpenbeck meine Deutschlehrerin bedachte mich mit einem abschätzigen Blick, als ich kurz nach dem Klingeln zum Unterrichtsbeginn auf meinen Platz hastete. Meine Banknachbarin Michaela, die ich genau wie Katja seit der Grundschule kannte nickte mir kurz zu. Für Gespräche war keine Zeit mehr, denn die „Pumpe“ , wie wir sie nannten (ohne dass sie es wusste natürlich) war schon von ihrem Sitz am Pult aufgestanden und hatte sich bedrohlich vor der Klasse aufgebaut. „So, guten Morgen liebe 9b und jetzt machen wir mit unserem Gedicht aus der Barockzeit weiter.
„Möchte es jemand vortragen?“ Nein danke, kein Bedarf.


Anscheinend war das auch der Gedanke der restlichen Klasse, denn nur Julietta meldete sich. Na klar, wer sonst. „Streberin!“ zischte Michaela ihr zu, woraufhin die Pumpe ihr einen Blick zuwarf in dem eine ganze Portion Mordlust steckte. Julietta stand auf und strich ihren Pullover glatt, dann schritt sie zur Tafel und wackelte dabei mit dem Hintern, wie ein Model auf dem Laufsteg. Es mag ja sein, dass einige der Jungs dabei Stielaugen bekamen, ich bekam davon nur sooo einen dicken Hals. Blöde Gans, dachte ich, auch wenn es vielleicht nicht gerechtfertigt war. Aber wie gesagt: Leute die hübscher als ich sind, und es sich auch noch deutlich anmerken lassen verursachen mir nunmal Blähungen. Vorne begann Julietta mit einem Räuspern.

„>Vergänglichkeit der Schönheit< von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau.
Es wird der bleiche Tod mit seiner kalten Hand
Dir endlich mit der Zeit um deine Brüste streichen
Der liebliche Korall der Lippen wird verbleichen
Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand ….“


Ab da schaltete ich meine Ohren auf Durchzug. Korallen an den Lippen?
So ein Quatsch! Bestimmt hatte es dieser Herr Hoffmann damals nicht so gemeint, wie ich es verstanden hatte, aber warscheinlich lag das nur daran, dass
ich mit Gedichten in denen es um tote Frauen ging einfach nicht viel am Hut hatte.


Naja, auch egal. Nach einigen Minuten schickte die Pumpe Julietta wieder auf ihren Platz, nicht ohne ihr davor 3 Mal verzückt zu versichern wie gut das Vortragen gewesen war. Die restliche Stunde lernten wir noch über die Gedichtsform „Sonette“ und dass sie im Barock oft angewendet wurde, dann hatten wir Mathe.


In der Pause lehnte ich mich an eine der Säulen und wartete auf Katja.
Lange musste ich nicht warten, denn sie kam schon bald mit hektischen Flecken im Gesicht die Treppe hinunter gelaufen. „Und?“ fragte ich gespannt, als sie schließlich keuchend vor mir stand. „Die war saumäßig schwer! Wir haben solche Verben konjugieren müssen, die wir garnicht gelernt haben.“ Ich zog eine Augenbraue hoch. Das klang irgendwie unlogisch. „Na gut.“ lenkte Katja ein.“ Ein , zwei Mal haben wir sie schon gehabt aber, naja... Ich war mir eben nicht mehr so sicher. Aber den Rest habe ich denk ich gekonnt.“ Ich nickte abwesend. „Sag mal hörst du mir überhaupt zu?“ Wieder ein Nicken.


„ Was hast du jetzt für ein Fach?“ wollte Katja wissen. Ich stöhnte theatralisch „Sport – Wir spielen Volleyball!“ „Ist doch toll!“ Naja . Im Gegensatz zu mir , war Katja sehr sportlich und dementsprechend mochte sie dieses Fach auch. Ich hatte es schon immer gehasst. „Ist es NICHT“ erwiderte ich. „Doch.“ „Nein“
Meine sehr liebenswerte Freundin (Grrrr) grinste belustigt. „ Hast du heute Nachmittag Zeit?“ wechselte ich hastig das Thema. Katja überlegte kurz.
„Erst ab 5 Uhr , davor hab ich doch Karate.“ Ach ja, was hatte ich gerade gesagt, von wegen Sport? „Ich würde meinen Eltern gerne Tutnix zeigen. Anschauen ist ok haben sie gesagt.“ Meine Freundin zuckte die Schultern. „Halb sechs?“ „Passt. „ willigte ich ein, dann musste ich schon zur Sportstunde weiter rennen.


Als ich in der Halle ankam war es dampfig feucht und warm, und es roch nach drei Tage altem Schweiß. Pfui Teufel! Noch ein Grund, Sport nicht zu mögen.
Das lag höchstwarscheinlich daran , dass die meisten meiner „Kollegen“ in der Schule, sich nach der Stunde nicht wuschen sondern einfach nochmal Deo obendrauf sprühten und wieder und wieder obendrauf. Bäh! Einen Würgereiz unterdrückend lief ich zu den Anderen , die bereits am Boden saßen und der Lehrerin Frau Müllermann lauschten. Möglichst unauffällig ließ ich mich neben Michaela nieder. „Was sagt sie?“ flüsterte ich ihr zu. „Wer? Der Müllmann?“ „Klar, die Müllermann, wer denn sonst?“ Michaela drehte sich komplett zu mir herüber, um mich anschauen zu können und erklärte : „ Julietta und Franzi wählen jetzt Mannschaften und dann spielen wir...“ „..Volleyball!“ ergänzte ich gequält. „Genau.“


„So, Franziska und Julietta, kommt bitte nach vorne und wählt einer nach dem anderen eure Leute aus.“ Pfff, na super! Ausgerechnet Julietta, die doofe Ziege. Und diese Franziska kannte ich überhaupt nicht richtig, die war nämlich aus der Parallelklasse . Die würde mich sicher nicht wählen.Aber das war sowieso egal, ich blieb eh immer bis zum Schluss übrig. Und so war es auch diesmal.
Immer weniger Leute standen neben mir, immer weniger und immer unruhiger wurde ich. Schließlich war ich wie erwartet wieder übergeblieben. Gedemütigt schlich ich (der Vollständigkeit der Mannschaften halber ) zur Franziska Hälfte und kam mir klein und dumm vor. Das konnte Katja natürlich nicht passieren. Die wurde immer als Erstes genommen, weil sie eben gut war. Die anderen aus meiner Mannschaft standen zusammen und tuschelten, während ich verloren in der Ecke herumhing bis das Spiel losging.
Nachdem ich die Regeln sowieso nicht kapierte und außerdem nie den Ball erwischte (ich gebe zu, es lag wohl vor allem auch an der fehlenden Motivation) rannte ich nur den Anderen hinterher durch die geräumige Sporthalle, in der Hoffnung, dass es der Müllermann, die wild gestikulierend und Anweisungen brüllend am Rand stand, nicht auffiel wie wenig Lust ich auf dieses doofe Spiel hatte.


Die Sportstunde zog sich wieder einmal in die Länge, und schön langsam war ich ziemlich außer Atem. Keuchend kam ich hinter Michaela zum Stehen, und stemmte mir die Arme in die Seiten. Nur ganz kurz Pause machen, dachte ich, während ich meinen Blick zur anderen Mannschaft schweifen ließ. Julietta hatte inzwischen ihr T-Shirt ausgezogen und hüpfte mit anmutigen Bewegungen in einem pinken Trägertop herum, wobei sie sich alle zwei Minuten elegant ihre langen rotblonden Haare aus dem Gesicht strich.


„Achtung Caro!“ schrie jemand, so plötzlich, dass ich zusammenzuckte. Zuerst dachte ich, es wäre die Müllermann gewesen, welche jetzt doch gemerkt hatte wie dumm ich mich anstellte, doch dann sah ich auch schon etwas aus dem Augenwinkel auf mich zufliegen. Vor Schreck, drehte ich mich ruckartig in die Richtung aus der das Geschoss kam, was im Nachhinein gesehen eine weniger schlaue Entscheidung war. Mit einem dumpfen Knall prallte der Ball an meiner Stirn ab, und schleuderte mich rücklings nach hinten. Autsch. Eine Hand am schmerzhaft pochenden Schädel landete ich unsanft auf dem Hallenboden.


Während ein Mädchen mit fettigen kurzen Locken, aus Juliettas Mannschaft hämisch grinste und „Upsi!“ murmelte, sah der Müllmann gelangweilt von seiner Klassenliste, auf der er gerade herumgekritzelt hatte auf. „Hopp! Weiterspielen Carolin! Fürs am Boden sitzen kann ich dir keine gute Note eintragen meine Liebe!“ Ärgerlich rappelte ich mich auf, fest entschlossen, jetzt allen zu zeigen , dass ich Volleyball doch konnte wenn ich nur wollte. Jetzt erst recht!


„Sagmal hast du da ne Beule?“ fragte Katja mich nach 3 weiteren endlosen Schulstunden auf dem Weg zur Bushaltestelle. „Nö!“ grummelte ich missmutig, und zog meine Mütze (ja, heute hatte ich sogar eine aufgesetzt, weil es minus 6 Grad kalt war) tiefer über meinen malträtierten Kopf. Wie ich Sport hasste! Immerhin hatte meine Volleyballkunst zum Schluss doch noch für eine Note 4 gereicht. Von Weitem sah ich schon unseren Bus dastehen, und beschleunigte meine Schritte. „Sicher?“ „Jaha!“ Ich funkelte Katja unter meinem Mützenrand heraus wütend an, obwohl sie ja garnichts dafür konnte, aber das war mir im Moment egal. „Pff!“ machte diese daraufhin beleidigt und stieg ohne mich anzusehen in den Bus, der zum Glück noch auf uns gewartet hatte. Gerade wollte ich mich an knapp einem Dutzend Schülern vorbeiwursteln, um zu meinem und Katjas Stamm-Sitzplatz ganz hinten in der letzten Reihe zu kommen, als mich der Busfahrer grob am Arm packte und zurückriss.


„Gehts noch?“ motzte ich verärgert und schüttelte seine eklig haarige Hand ab. „Buskarte!“ herrschte dieser mich an. Hmpf. Leise stöhnend setzte ich meine Schultasche ab, und begann in den Tiefen der einzelnen Fächer nach der gelben Karte zu wühlen, welche irgendwo dort drin vergraben sein musste. Jetzt fuhr ich seit knapp 5 Jahren mit diesem Bus mit, und der Kerl achtete immernoch peinlich genau darauf, dass jeder ihm täglich das Ding vorzeigte. Nachdem ich zwei Taschentücher, einen zerknitterten alten Stundenplan aus der siebten Klasse und meine vollkommen verknoteten Kopfhörer zutage gefördert hatte und der Busfahrer schon ungeduldig mit den haarigen Fingern auf seinem Lenkrad herumtrommelte fand ich die Karte endlich. Anstatt sich zu freuen, gab dieser daraufhin ein „Das geht auch schneller!“ von sich und startete den Motor. Genervt schlurpfte ich nun also endlich zu Katja und ließ mich auf meinen Platz am Fenster gleiten, welchen sie mir zum Glück freigehalten hatte.


„Stehst du auf den?“ zischte sie mir zu, kaum dass ich neben ihr saß. „Auf wen?“ fragte ich erschrocken zurück. „Na auf den Busfahrer!“ erklärte Katja mir, als wäre es das Logischste auf der Welt. „Weil du solange da vorn bei ihm warst...“ „NEIN! Natürlich nicht! Der ist mindestens sechzig und hat außerdem eine Glatze!“ empörte ich mich. Auf welche Ideen die manchmal kam...Aber sie verstand natürlich nicht, warum ich da vorn so lange gebraucht hatte. Schließlich hatte sie ihre Buskarte immer ordentlich und griffbereit in der Jackentasche verstaut, im Gegensatz zu mir, der Chaotin. „Man kann ja nie wissen. Hey schau mal, da ist Nasenring-Nico!“ flüsterte Katja plötzlich und stieß mir ihren Ellbogen in die Seite. „Au! Wer ist da?“ „Na der Nicolas Schmidt, aus der Elften. Ist der nicht süß?“ Vorsichtig lugte ich in die Richtung in die ihr Zeigefinger wedelte, und sah einen pickeligen Burschen mit stoppelkurzen braunen Haaren und einem Nasenring. „Nein ist er nicht.“ erklärte ich angewidert, woraufhin Katja die Arme verschränkte, und sich von mir abwandte.

„Banause! Ich find ihn toll.“ „Das sagst du zur Zeit bei jedem den du gerade irgendwo siehst. Woher weißt du überhaupt wie er heißt der Typ?“ seufzte ich. „ Jahresbericht. Wie gesagt, er geht auf unsere Schule. Aber das weißt du ja nicht, weil du dich nicht für Jungs interessierst.“ nuschelte Katja immernoch gekränkt in ihre Jacke. Währenddessen hatte Nasenring-Nico begonnen mit einer großgewachsenen, stark geschminkten Blondine
herumzuknutschen. Dass ich mich nicht für Jungs interessierte stimmte nicht, ich war einfach nur nicht der Meinung, dass man mit 16einhalb als Megaloser galt, wenn man noch keinen Freund gehabt hatte. Katja schon, deshalb suchte sie jetzt krampfhaft nach einem tollen Typen. Typen gab es hier bei uns in rauen Mengen, aber über das „toll“ ließ sich streiten. Ich konnte dem neben uns, der inzwischen zu knutschen aufgehört, und sich eine Zigarette angezündet hatte, (obwohl das im Bus verboten war) jedenfalls nichts abgewinnen, deshalb schaute ich lieber aus dem Fenster.


Inzwischen hatte es wieder angefangen stark zu schneien und draußen liefen gestresste Passanten in Winterjacken hin und her. Ob man heute wohl schon Schlittenfahren konnte? Als ich auf dem Gehsteig eine ältere Dame mit Rollator und Dackel langspazieren sah, fiel es mir wieder ein. Heute Nachmittag wollte ich meiner Familie ja Tutnix vorstellen. Ob sie ihnen wohl gefallen würde? Bestimmt! Als der Bus endlich in unserem Dorf anhielt war ich schon richtig aufgeregt.Ich verabschiedete mich von Katja, quetschte mich an Nasenring-Nicos Freundin vorbei, die gerade dabei war einen Kaugummi an eine Haltestange zu kleben, und lief nachhause.


„Leo? Gibt’s was zu essen?“ rief ich, als ich zuhause zur Türe hereinstürmte. Wie jeden Mittwochnachmittag, waren wir nämlich alleine daheim, da meine Mutter einmal in der Woche im nahegelegenen Kindergarten putzte und Papa war natürlich wieder mal auf den Straßen unterwegs.
„Nope .Ich hatte schon nen Döner auf dem Heimweg.“ tönte es aus dem Wohnzimmer. Na super! Wir beide wussten genau, dass Mama ihm eigentlich angeschafft hatte, uns jeden Mittwoch etwas Ordentliches zu kochen, aber das hatte er nur einmal versucht. Es war das erste mal in meinem Leben gewesen, dass ich jemanden gesehen hatte, der es geschafft hatte auf einem herumliegenden Müllbeutel auszurutschen, dabei eine Schüssel voll rohem Pfannkuchenteig neben die Pfanne zu kippen und sich daraufhin beim auf den Boden fallen den Knöchel zu verstauchen. Das war vor zwei Jahren gewesen, und seitdem betrat mein Bruder die Küche nurnoch, um sich Süßigkeiten aus dem Wandschrank zu holen.


Als ich ins Wohnzimmer kam, saß Leo gerade auf der Couch, eine zerknüllte Dönerverpackung neben sich, und tippte auf seinem Handy herum. „Was soll ich dann jetzt essen? Hättest mir wenigstens was mitbringen können!“ meckerte ich drauflos, und warf meine Schultasche in eine Ecke. „Hättest dir doch selber was kaufen können!“ murmelte Leo abwesend und stopfte sich seine Kopfhörer in die Ohren, um zu demonstrieren, dass die Diskussion damit beendet war. Trottel! Das hätte ich schon gekonnt, wenn nicht mein dummes Taschengeld wieder komplett ausgegeben wäre. Aber das würde ich ihm sicher nicht auf die Nase binden, sonst hieße es bloß wieder, dass ich nicht mit Geld umgehen könne, was überhaupt nicht stimmte. Schließlich war es auch wichtig, dass man als Mädchen in meinem Alter ab und zu shoppen ging, und dann war das Geld eben manchmal schneller weg als sonst. Naja, auch egal. Ärgerlich schlich ich zum Kühlschrank, um auf eigene Faust nach etwas Essbarem zu suchen.


Nachdem ich einen Käsetoast gegessen, und meine Hausaufgaben erledigt hatte, saß ich in meinem Zimmer herum, starrte die Uhr an und wartete darauf, dass es endlich halb sechs wurde. Tick Tack Tick Tack... Mit jeder vergehenden Minute, steigerte sich meine Aufregung. Was Tutnix wohl gerade tat? Als meine Eltern nach einer gefühlten Ewigkeit endlich nachhausekamen, rannte ich ihnen sofort entgegen. „Mom, können wir jetzt den Hund anschauen gehen?“ fragte ich erwartungsvoll. „Dürfen wir vielleicht erst einmal hereinkommen?
Außerdem würde ich gerne duschen, bevor ich den Nachbarn unter die Augen trete!“ schaltete sich mein Papa ein, und Mama nickte bekräftigend, während sie anfing sich die Schuhe auszuziehen.


Ich seufzte leise, und ließ mich auf die Bank fallen, die bei uns im Hausflur stand.“Bitte, nur ganz kurz! Danach habt ihr den ganzen Abend lang eure Ruhe!“ versuchte ich es nochmal, und setzte dabei meinen besten Überzeugungs-Blick auf. Meine Eltern sahen sich an. Schließlich zuckte meine Mutter die Schultern. „Von mir aus, gehen wir eben jetzt gleich. Aber nur ganz kurz, und wir nehmen den Hund keinesfalls mit nachhause, ok?“ Ich grinste erleichtert. Hauptsache sie kamen mit, um Tutnix anzuschauen, über den Rest würde ich mir später Gedanken machen.


Ich lehnte in Katjas Zimmer an der Wand und starrte deprimiert vor mich hin, während ich Tutnix streichelte. Der kleine Hund war in den letzten Stunden richtig zutraulich geworden. „Sie reden jetzt über Aktien!“ stöhnte Katja, welche gerade zur Türe hereinkam. Ich hatte Tutnix meinen Eltern vorgestellt, und ja verdammt, natürlich hatte ich auch ein bisschen darauf gehofft, dass sie mir doch erlaubten , sie mit nachhause zu nehmen. Ihre Reaktionen waren von Mamas „Oh süß! Aber bestimmt sehr viel Arbeit so einen Hund zu halten..“ bis hin zu Papas „Ih, der verliert bestimmt total viele Haare!“ recht enttäuschend ausgefallen. Dann hatten sie sich zu Robert in die Küche gesellt und begonnen Bier zu trinken.“Ich will nicht, dass sie im Tierheim landet!“ jammerte ich und sah zu Katja hin. Diese schloss ihre Zimmertüre und ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl plumpsen ehe sie antwortete. „ Dann müssen wir eben ein anderes Zuhause für sie finden! Wir könnten Zettel schreiben und in der Stadt aufhängen.“


Schlagartig wusste ich wieder wieso Katja meine beste Freundin war. Sie hatte einfach immer die besten Einfälle. „Klar, das machen wir!“ rief ich begeistert, woraufhin Tutnix erschrocken ein Stück von mir wegrutschte. Beruhigend strich ich ihr mit der Hand über das Fell. Ich war mir sicher, dass wir früher oder später ein gutes Zuhause für sie finden würden.





** * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
(Rückblick, 1 Jahr zuvor, Sam)

„Samuel, hörst du mir überhaupt zu?“, brüllte der Lehrer. „Hallo?“ Sam starrte weiterhin auf sein Matheheft, bis die Zahlen vor seinen Augen zu verschwimmen schienen, und zu seltsamen Schlangenlinien wurden. „Er hat schon wieder nicht aufgepasst!“ , flüsterte jemand am anderen Ende des Raumes. Sam brauchte ihn nicht zu sehen, um zu wisser wer das war. Manuel. Einer der Typen, die in in der Pause gegen die Wand schubsten und dachten sie könnten ihn mit ihren fiesen Sprüchen und Beleidigungen einschüchtern. Als der Lehrer sich schließlich von seinem Pult erhob , zu Sams Tisch spazierte und mit gefährlich leiser Stimme meinte, „Wieso schreibst du denn nicht mit? Willst du schon wieder einen Verweis kassieren?“, brodelte unvermittelt Wut in ihm hoch. „Wieder“ hatte er gesagt. Witzig.

Den letzten Verweis hatte Sam vor drei Wochen kassiert, als er durchgedreht war und im Schulklo randaliert hatte. Soweit die allgemein bekannte Story. Dass dabei aber auch Manuel und seine Clique eine wesentliche Rolle gespielt hatten, wusste außer ihm und den drei besagten Jungs niemand. Krampfhaft ballte er die Fäuste und biss die Zähne zusammen, während er gedankenverloren den langen roten Schnitt, der quer über seine Fingerknöchel verlief betrachtete. Scheiß Spiegel. Er würde jetzt nicht auf die Frage antworten, die der Lehrer ihm gestellt hatte. Er würde ein Mal nicht das tun was Manuel und alle Anderen, die ihn täglich zur Weißglut brachten, von ihm erwarteten. „Sa..“ setzte der Lehrer wieder an, energischer diesmal, als Sam aufsprang, seinen Tisch mit einem lauten Knall umwarf und zu brüllen anfing.


„ Lasst mich doch einfach in Ruhe! Es interessiert mich einfach nicht, okay? Es interessiert mich nicht, welchen Winkel dieses Scheiß Dreieck hat, ICH.WILL.ES.NICHT.WISSEN! Und ihr arroganten schmierigen Vollpfosten...“ er preschte vor zu Manuel, welcher ihn extrem verwundert, geschockt, aber auch mit etwas, das fast wie Respekt aussah anglotzte, „...ihr könnt mich mal!“ Damit warf er auch Manuels Tisch mit einem kräftigen Ruck um. Erst als das Federmäppchen seines Klassenkameraden mit einem dumpfen Laut auf dem Boden aufschlug und die Stifte als bunter Wasserfall von Holzstäbchen herausrollten, realisierte er langsam, was er da gerade tat. Er warf einen vorsichtigen Blick in die Richtung seiner restlichen Mitschüler, deren Mienen fast ausnahmslos „Hab ichs doch gewusst, dass die Sache mit der Schultoilette stimmt. Der Kerl ist gemeingefährlich und er spinnt komplett“ oder sowas sagten. Ausnahmsweise versetzten Sam diese Blicke keinen Stich. Diesmal erfüllten sie ihn fast mit soetwas wie Freude, selbst wenn er nicht wusste, wie es ab jetzt weitergehen sollte.

Also hier her, das schwor er sich, während er auf dem Absatz kehrtmachte und das verhasste Zimmer mit großen Schritten verließ, würde er nie wieder zurückkehren. „Samuel Schmidt, ich warne sie!“ Er registrierte die Stimme des Lehrers nur wie durch dichten Nebel. Dachte der Kerl er wäre autoritärer, wenn er Sam mit „sie“ ansprach? Naja, auch egal. Ich warne sie? Wovor denn? Vor einem Verweis brauchte er sich ja nun nicht mehr zu fürchten, dachte er grimmig lächelnd. Oder wollte das schmächtige, dürre, gnomähnliche Männlein ihm etwa eine runterhauen, obwohl es mindestens drei Köpfe kleiner war als er? Während der junge Mann, der inzwischen das kastige graue Schulhaus hinter sich gelassen hatte, sich noch über diese Vorstellung amüsierte, wurde ihm die Tragweite des gerade Geschehenen bewusst. Vor nicht einmal zehn Minuten hatte er seine etwas über elfjährige Gymnasiallaufbahn mithilfe von ein paar herunterfallenden Stiften und unüberlegten Worten in den Sand gesetzt. Vollidiot.


Hätte er sich nicht einfach zusammenreißen können? Nein, hätte er nicht, entschied Sam, obwohl das Grinsen auf seinem Gesicht längst zu einer verunsicherten aber dennoch entschlossenen Grimasse versteinert war. Nachhause zurück konnte er so jetzt ganz bestimmt nicht mehr. Wenn sein alter Herr herausfand, was er da gerade getan hatte, würde er ihm kräftig den Hintern versohlen und ihn danach hochkant rauswerfen. Und er bezweifelte doch stark, dass seine Mutter das verhindern würde. Wahrscheinlich würde sie es nicht einmal mitbekommen.
Sams Vermutung bestätigte sich, als er, bei der alten schmuddeligen Plattenbauwohnung, die seine Familie seit einigen Jahren besaß, ankam, und ihm schon als er die Türe öffnete ein paar leere Schnapsflaschen im Flur auffielen. Sie hatte es wieder getan. Und so wie es aussah, würde sie wohl auch nie mehr damit aufhören, da machte er sich gar keine Illusionen mehr. Sam bückte sich nach den Flaschen und stoppte jedoch kurz bevor seine Finger das kühle Glas umschließen konnten.


Nein, das konnte sein Dad ab jetzt tun. Es fiel nun sozusagen nicht mehr in seinen Zuständigkeitsbereich.
„Ma, bist du da?“ rief er in Richtung Wohnzimmer, nur um sich davon zu überzeugen, dass er Recht hatte. Ein unmelodisches schleppendes Summen antwortete ihm und als er einen vorsichtigen Blick in das staubige Zimmer warf, bot sich ihm ein altbekannter Anblick. Seine Mutter hing, wieder mal stockbesoffen und schief vor sich hin singend auf der Couch herum. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt, da sie Kopfhörer trug. Gut so. Dann konnte er ja unbemerkt verschwinden. Einen Augenblick verspürte er ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust. Sollte er diese Wohnung und damit seine komplette Familie wirklich im Stich lassen? Doch für den Moment wusste er keinen anderen Ausweg, und er musste dringend verschwunden sein, bevor sein Vater nachhause kam. Also wandte er den Blick von der armseligen Gestalt im Wohnzimmer ab und machte sich auf den Weg in sein Zimmer, um ein paar Stücke seiner, zum größten Teil aus schwarzen Shirts und ausgeleierten alten Jeans bestehenden Kleidersammlung und sowas zusammenzupacken. Vielleicht würde er ihnen seine Handynummer dalassen. Auch wenn er bezweifelte, dass ihn jemals jemand anrufen würde.





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(Caro)
Angestrengt starrte ich auf die knallroten Zahlen meines Weckers, welche momentan das einzige Licht in meinem Raum darstellten. 3:14 stand dort. Dann 3:15 . Mit einem leisen Stöhnen strich ich mir eine verirrte Locke aus dem Gesicht. Weiß der Geier warum ich schon wieder nicht schlafen konnte. Dabei sollte ich das schön langsam wirklich dringend mal tun, sonst würde ich morgen früh am Ende gar nicht wachwerden. Die Aussicht darauf, mich wieder wie ein Zombie mit riesigen Augenringen in die Schule quälen zu müssen, zwang mich dazu meine Augen zu schließen.


Doch an Schlaf war gar nicht zu denken. Erstens mal musste ich schon die ganze Zeit darüber nachgrübeln, was nun mit Tutnix passieren sollte, und dann kam noch dazu, dass ich noch immer nichts von Leo gehört hatte. Dieser blöde Arsch von einem Bruder hatte nämlich, nachdem meine Eltern und ich von unserem Besuch bei Katja wieder heimgekehrt waren, erklärt, dass er dringend noch kurz wegmusste um mit einem Kumpel etwas für die Schule zu besprechen. Das war um neun Uhr abends gewesen. Natürlich hatten wir alle da so unsere Zweifel daran, dass Leo wirklich vorhatte etwas für die Schule zu tun, da sowas echt nicht zu diesem faulen Sack passte. Andererseits konnte man einem 20 jährigen auch nicht mehr so wirklich verbieten das Haus zu verlassen, vor Allem wenn man nicht einmal beweisen konnte, dass er log.


Naja, vielleicht log er ja gar nicht...vielleicht war er ja endlich vernünftig geworden und lernte wirklich zusammen mit einem Schulkameraden? Fakt war aber, dass er bis jetzt nicht nachhause gekommen war, und ich schon wieder damit begann mir Sorgen zu machen. „Jetzt lass den Unsinn Caro! Der Kerl ist erwachsen, der wird schon wieder heimfinden, auch ohne deine Hilfe.“ versuchte ich mir einzureden, was jedoch nur mit mäßigem Erfolg gelang. Während ich beobachtete, wie sich die hinterste Zahl auf meinem Wecker mittlerweile schon zu einer 9 verwandelte, hörte ich aus dem Erdgeschoss plötzlich ein schabendes Geräusch. Dann das unverkennbare Scheppern eines Schlüsselbundes, welcher unsanft auf ein Regal oder sowas gepfeffert wurde.


„Na endlich“, dachte ich, und wollte mich schon beruhigt unter meiner flauschigen Bettdecke umdrehen, als dem Schlüsselscheppern plötzlich eine Art Würgegeräusch folgte. Alarmiert setzte ich mich auf und stieß dabei mein Handy von der Bettkante herunter. Ich ignorierte das am Boden liegende Gerät und lauschte stattdessen vorsichtig in die Dunkelheit. Es dauerte nicht lange, bis die Treppe zu knarren begann und sich jemand offensichtlich sehr schwerfällig nach oben schleppte. Dann krachte es, als hätte sich dieser jemand irgendwo ziemlich heftig den Kopf angestoßen. Leo fluchte leise und obwohl er flüsterte, erkannte ich, dass seine Stimme rau und brüchig klang. Jetzt begann ich mir wirklich Sorgen zu machen, deshalb stand ich auf und schlurfte barfuß aus meinem Zimmer, um nachzusehen was passiert war. „Leo?“, flüsterte ich, um meine Eltern nicht aufzuwecken. „Leo, bist du das?“. Ich fand ihn schließlich in dem kleinen Badezimmer, welches ich mir mit ihm teilte. Er hatte die Türe nur angelehnt und er hing in einer relativ merkwürdigen Position über der Kloschüssel.


„Was machst du denn da?“ keuchte ich erschrocken, während ich mich neben ihn kniete. Sehr langsam, als würde es ihm unglaublich schwerfallen sich auch nur einen Zentimeter vom Fleck zu bewegen, drehte er seinen Oberkörper in meine Richtung und blinzelte mich verwirrt an. Er war kreidebleich und sah auch ansonsten ziemlich fertig aus. Was war denn nur mit dem passiert? Hatte er gesoffen oder was? Am Besten würde ich einfach meine Eltern wecken, damit die sich um diese Angelegenheit kümmern konnten. Doch in dem Moment, als ich diesen Entschluss gefasst hatte, erwachte Leo blitzartig aus seiner Starre und packte mich fest am rechtenArm. „Wonach schaut es denn aus? Ich würde hier gern in Ruhe kotzen, du blöde Ziege, also verschwinde!“, knurrte er heiser und ich war verwundert über seine plötzliche Agressivität. Ich entriss ihm meinen Arm und rieb mein schmerzendes Handgelenk. „Mistkerl“, fauchte ich zurück „Was bildest du dir eigentlich ein? Entschuldige, dass ich mir Sorgen gemacht hab.“ Mit diesen Worten wollte ich aufstehen und würdevoll das Zimmer verlassen, um meine Mutter von dem Vorfall in Kenntnis zu setzen.


Schließlich wusste ich ja nicht, ob er nur besoffen war oder ob ihm nicht doch etwas Schlimmeres fehlte. Doch daraus wurde nichts, denn Leo packte mich erneut, diesmal am Tshirt, und riss mich zu sich herum. „Du hast nichts gesehen. Wenn doch, dann wird dein blöder kleiner Hund dafür büßen, kapiert?“ Damit stieß er sich von sich und begann unmissverständliche Geräusche von sich zu geben. Ich saß ein wenig unschlüssig herum, bis ich entschied, dass ich mir diesen Anblick nun wirklich nicht antun wollte. Verwirrt verließ ich also das Badezimmer und schloss leise die Tür hinter mir. Ich bezweifelte, dass er seine Drohung wahrmachen und Tutnix irgendwas antun würde. Er war ja schließlich kein Unmensch. Aber trotz Allem war mir klar, dass er es todernst meinte und mir kam die ganze Sache sehr seltsam vor. In dieser Nacht schlief ich nicht viel, da ich ununterbrochen auf weitere verdächtige Geräusche aus dem Bad oder Leos Zimmer lauschte, doch es blieb still.


Auch am nächsten Morgen war alles wie immer, wenn man die Tatsache außer Acht ließ, dass mein Bruder mir einen warnenden Blick zuwarf, als wir uns, beide mehr tot als lebendig, auf dem Flur über den Weg liefen. Doch diese Mühe hätte er sich sparen können, da ich ohnehin schon längst nicht mehr vorhatte irgendjemandem irgendwas zu erzählen.
Die nächsten Tage verliefen ebenfalls mehr oder weniger ereignislos. Ich hatte ziemlich viel für die Schule zu tun und meine spärliche Freizeit verbrachte ich meist bei Katja. Jedoch beobachtete ich immer öfter, dass Leo abends erst sehr spät nachhause kam oder leise, nachdem meine Eltern ins Bett gegangen waren, das Haus wieder verließ um... keine Ahnung, die Sache mit dem Mitschüler und dem Lernen glaubte ich natürlich längst nicht mehr. Ich schaffte es allerdings nicht lange, immer wachzubleiben bis er zurückkam und nachdem sich die Ereignisse von dieser einen Nacht nicht wiederholten, war es mir irgendwie auch egal was er da trieb. Er war schließlich erwachsen und würde wohl selbst auf sich aufpassen können, oder nicht? Ich vergaß also was passiert war... bis schließlich der nächste Sonntagabend kam.




Fortsetzung folgt. Also falls überhaupt jemand weiterlesen möchte

Geändert von Rotelch (29.07.2015 um 19:07 Uhr)
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Alt 29.07.2015, 17:56   #2
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Kleiner Tipp: Strukturieren. En bloc liest das niemand. Kurz: Hier gehören Absätze rein.

Füllwörter vermeiden. "Also", "schließlich", "irgendwie", "ein wenig unschlüssig" - das sind die berühmten Teller in der Straße, die Autofahrer zum Langsamfahren zwingen. Solche "Stopper" bremsen eine Geschichte aus. Entweder ist man unschlüssig, oder man ist es nicht. Beide Erkenntnisse führen eine Entscheidung herbei. Füllwörter lähmen.

Es ist auch völlig unwichtig, ob es einer Mutter nicht gefällt, dass eine am Fenster plattgedrückte Nase einen Fleck hinterlässt, den diese Mutter später wegputzen muss. Dass sich jemand die Nase plattdrückt, ist völlig ausreichend, um brennendes Interesse an einer Beobachtung zu schildern. Die Mutter gehört gestrichen.

Dein Umgang mit Sprache ist gut. Aber die Geschichte sollte strukturiert und abgespeckt werden.

Lieben Gruß
Ilka
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Alt 29.07.2015, 18:47   #3
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Ich hoffe mal ich überfordere euch nicht mit soviel Text, aber ich hab heute gleich noch ein wenig weiter geschrieben Über Kommentare, was ihr so von meiner Geschichte haltet und ob ich überhaupt noch weiter machen soll, würd ich mich echt freuen

Es war ein stürmischer Tag gewesen, mit Schneeregen und dem ganzen Mist. Also so richtig ekelhaftes Wetter eben. Guter Mensch der ich ja schließlich war, hatte ich meine dickste Jacke hervorgekramt und war mit Tutnix und Katja eine Runde spazieren gegangen. Inzwischen hatte der kleine Hund immer mehr Vertrauen zu uns gefasst und versuchte fast gar nicht mehr uns zu beißen, wenn wir ihm zu nahe kamen. Irgendwie war ich darauf ziemlich stolz, obwohl es natürlich nicht mein Verdienst war, sondern viel eher der von Robert und meiner besten Freundin, bei denen Tutnix ja schließlich wohnte.


Katja erzählte mir, dass ihr Vater fürchterlich darunter litt, dass sie den Hund noch immer nicht losgeworden waren, und sich um ihn kümmern mussten. Außerdem erfuhr ich das Allerneueste von Nasenring Nico, nämlich dass selbiger sich von seiner Freundin getrennt hatte (keine Ahnung von welcher Klatschtante sie das schon wieder erfahren hatte) und dass er sich am Wochenende ganz fürchterlich besoffen hatte. „Hmmm.“ machte ich, gespielt interessiert, während ich an Tutnix Leine zog. „Lass den gelben Schnee, das ist echt ekelhaft!“, murmelte ich. „Was hast du gesagt?“ Katja, welche ein paar Schritte vorrausgegangen war, drehte sich aprupt um und funkelte mich an. „Sag mal Caro, hörst du mir überhaupt zu?“ Ich blickte schuldbewusst auf den Boden und anschließend zurück zu unserer Hündin, welche ihre Vorliebe für grausigen gelben Schnee inzwischen scheinbar aufgegeben hatte und brav weiterspazierte.


„Ja natürlich“ Meine Freundin verdrehte die Augen und schenkte mir einen gekränkten „Ja ne ist klar“-Blick, doch dann plapperte sie auch schon munter weiter. „Aber das hat er ganz bestimmt nur getan, weil er so deprimiert war, weißt du?! Normal würde Nico sowas nicht machen.“ Ich verkniff mir den bissigen Kommentar, woher sie das denn jetzt bitteschön schon wieder wusste, wo sie doch noch nie ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Sie hätte mir ja eh nicht zugehört. „Und jetzt wo er keine Freundin mehr hat... das ist meine Chance! Meinst du ich sollte ihm mal eine Freundschaftsanfrage bei Facebook schicken?“ Inzwischen waren wir wieder vor meinem Haus angelangt, worüber ich auch echt froh war. Nicht nur des unglaublich interessanten Gespräches wegen, es lag vor Allem auch daran, dass mir mittlerweile echt kalt war.


Ich rieb meine leicht bläulichen, steif gefrorenen Finger aneinander, ehe ich Katja die Hundeleine in die Hand drückte. „Mach das. Aber ich muss jetzt echt nachhause! Bis morgen dann“ , meinte ich und drückte sie kurz, ehe ich durch den Tiefschnee (mein Bruder wäre heute mit Schnee räumen dran gewesen und es wunderte mich kein bisschen, dass ich jetzt trotzdem beinahe knietief in der Matsche steckte) in Richtung Haus stapfte. Als ich die Tür aufschloss und ins Haus ging, bemerkte ich sofort, dass irgendwas anders war als sonst. Normalerweise müsste meine Mutter jetzt kommen, um sich darüber auszulassen, dass ich ihren frisch geputzen Boden mit meinen dreckigen Schuhen vollgesifft hatte. Und mein Dad müsste in den Flur stürmen, um zu kontrollieren, ob ich auch wirklich eine Mütze aufgehabt hatte. „Spinnst du Carolin? Willst du dich mit Gewalt erkälten?“ , schimpfte er immer, wenn ich es einmal vergessen hatte. Ich befürchtete, dass das wohl nie aufhören würde, egal wie alt ich wurde. Aber diesmal tat sich nichts. Ich folgerte daraus, dass meine Eltern wohl weggefahren waren, vielleicht um meine alleinlebende Oma zu besuchen oder so. Vor mich hinsummend zog ich also meine durchweichten Klamotten aus, als ich plötzlich Stimmen aus dem Wohnzimmer hörte.


„Sag mal willst du mich verscheißern oder was? Wir hatten eine Abmachung, erinnerst du dich Kumpel?“ „Jetzt chill mal! Ich muss warten bis mein Alter mir wieder Taschengeld gibt. Du kriegst dein Geld schon noch!“ Während mir die Erste, eine eindeutig männliche etwas heiser klingende Stimme, vollkommen fremd war, gehörte die Zweite eindeutig Leo. Geld? Abmachung? Vermutlich wäre es schlauer gewesen einfach im Flur stehenzubleiben um den beiden weiter zuzuhören, doch Erstens gehörte sich das nicht und Zweitens war ich viel zu neugierig, wer da zu Besuch war. Ich kannte die meisten Freunde von meinem Bruder, aber dieser hier hatte nicht gerade so geklungen als wäre es einer von denen. Meine Vermutung bestätigte sich, als ich, nasse Flecken hinterlassend, da ich gerade mit den Socken in meine eigene Schneepfütze getreten war, das Wohnzimmer betrat.


Da saß mein Bruder am Esstisch, vor ihm ein großgewachsener, in eine nietenbesetzte Lederjacke sowie eine zerfetzte fleckige Jeans gekleideter Kerl, mit langen zimtfarbenen Haaren, welche ein wenig verknotet über seinen kompletten Rücken herabhingen. Alles in allem sah er ziemlich verwahrlost aus. „ Wie lange soll ich denn noch wart...“ setzte der Fremde in einem mittlerweile aggressiveren Tonfall an, als Leo hektisch mit den Händen zu paddeln begann, um ihm zu bedeuten, dass er die Klappe halten sollte. Mein Bruder starrte mich mit demselben Blick an, den er letzten Sommer draufgehabt hatte, als ihm im Urlaub eine Möwe ins Bier geschissen hatte. Irgendwie erschrocken. Was trieben die denn da bloß? Und wieso sah mich Leo so geschockt an, als hätte ich ihn bei irgendwas Verbotenem ertappt?


Bevor ich das fragen konnte, drehte sich der fremde Kerl ruckartig zu mir um. „Was will die denn hier?“, zischte er, an meinen Bruder gerichtet. Doch dieser antwortete ihm nicht, da er es anscheinend vorzog mich weiterhin wie ein toter Karpfen anzuglotzen. Ich ging ein paar Schritte in Richtung Esstisch, bis ich direkt vor dem langhaarigen Lederjackenkerl stand und streckte ihm höflich die Hand hin. Man musste schließlich freundlich sein, und da Leo mich nicht vorstellte, musste ich das wohl oder übel selbst übernehmen. „Ich bin Caro, Leos Schwester, und was ich hier will...naja zufällig wohne ich hier.“, meinte ich ein wenig schnippisch, während ich das Gesicht des jungen Mannes von der Nähe betrachtete. Er musste um die 20 bis 25 Jahre alt sein, hatte einen stoppeligen Drei- bis Viertagebart und graue Augen, deren Farbton mich ein wenig an die dunklen Wolken bei einem drohenden Gewitter erinnerte.


Eigentlich war er, wenn man davon absah, dass er den Eindruck erweckte seit Wochen kein Badezimmer mehr gesehen zu haben, die Art von Mann, die Katja „gutaussehend“ nennen würde. Ja er sah tatsächlich gar nicht mal so hässlich aus. Diese Gedanken verschwanden mit dem Augenblick, in dem mir auffiel, dass ich noch immer meine Hand in seine Richtung hielt, er allerdings keine Anstalten machte Selbige zu ergreifen. Stattdessen fixierte er mich grimmig mit seinen Gewitterhimmelaugen, als wollte er mir allein durch sein blödes Geglupsche klar machen, dass ich hier nicht erwünscht war.Was war das denn bitte für ein unverschämter, eingebildeter Typ? In dem Moment, als ich beschloss, meinen Arm wegzuziehen, begann er zu sprechen. „Das ist ein toller Name, Kleine. Aber jetzt geh bitte weiter mit deinen Puppen spielen. Dein Bruder und ich haben hier noch was zu klären.“


Empört schnappte ich nach Luft. Wie hatte der mich gerade genannt? Das musste ich mir doch echt nicht bieten lassen, ich hatte diesem Idioten doch nichts getan! „Entschuldige dass ich nett sein wollte, du ungehobelter Neandertaler! Darf ich vielleicht erfahren, was ihr so Wichtiges zu klären habt?“ schimpfte ich giftig, während ich mich um einen ebenso grimmigen Blick bemühte. Anscheinend klappte es nicht ganz so gut, wie ich das gerne haben wollte, denn der fremde Typ begann leise zu lachen. „Neandertaler? Das ist das mit Abstand süßeste Schimpfwort, mit dem ich heute betitelt wurde. Was wir da tun ist... ich verkaufe Lernmaterialien für die Schule.“ Noch immer spielte ein spöttisches Lächeln um seine Lippen, als er mich ansah. Ich bohrte meinen Blick in den Wohnzimmerteppisch, um nicht zu ihm schauen zu müssen. Sollte man auch mal wieder auswechseln, das alte Ding.


Lernmaterialien. Für mich sah er eher wie die Art von Typ aus, der bei Vollmond Babyhäschen abschlachtete und verspeiste und nicht wie einer, der Matheübungshefte verkaufte. Aber gut, mir konnte es ja egal sein. „Wers glaubt wird selig.“, murmelte ich und warf einen hilfesuchenden Blick zu meinem blöden Bruder. Wieso verteidigte er mich denn eigentlich nicht? Im Gegenteil, er hatte die ganze Zeit, wie der vorher genannte tote Karpfen geschwiegen und als ich ihn jetzt anschaute, schüttelte er kaum merklich den Kopf. „Hau ab. Sam und ich haben zu tun.“


So hieß er also, der Neandertaler. Ich ballte die Fäuste, während ich in meinem Gehirn nach gemeinen, wüsten Beschimpfungen suchte, am Besten welche, die sich auf Sam reimten. Allerdings wollte mir in diesem Moment partout nichts einfallen und so kam mir besagter Sam zuvor. „Du hast es gehört. Ich muss zugeben, dass du echt unterhaltsam bist, Kleine, aber leider hab ich jetzt gerade keine Zeit.“, erklärte er beinahe versöhnlich und doch in einem Ton, der mir klarmachte, dass ich hier nicht für voll genommen wurde.


Schön langsam wurde es mir wirklich zu bunt. Ich hatte schließlich Besseres zu tun, als mich mit denen herumzuärgern. Ohne ein weiteres Wort, machte ich also auf dem Absatz kehrt und rauschte aus dem Raum. „Von wegen gutaussehend. Dann noch lieber so einen Nasenring Nico.“, dachte ich und musste grinsen.
Rotelch ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.07.2015, 19:15   #4
weiblich Rotelch
 
Dabei seit: 07/2015
Beiträge: 3


Liebe Ilka-Maria,
erstmal danke für dein Kommentar und deine Tipps. Ich werde versuchen, das in Zukunft zu beachten.
Und mit den Absätzen hattest du wohl Recht, deshalb hab ich das gleich mal ein wenig verändert. Ich hoffe dass es jetzt besser zum Lesen ist.

Zu der Sache mit der Fensterscheibe und dem Abdruck: Eigentlich wollte ich genau das verdeutlichen, dass sie eben etwas tut, was ihrer Mutter nicht gefällt und weniger, dass sie besonders interessiert am Geschehen vor dem Fenster ist. Sie schaut ja eher aus Langeweile raus...
Aber trotzdem danke
Rotelch ist offline   Mit Zitat antworten
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