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Alt 01.08.2005, 16:44   #67
Doska
 
Dabei seit: 12/2004
Beiträge: 113


Standard Kapitel 66

„Nein, Margrit, das lasse ich nicht zu!“ schimpfte George mit hochrotem Kopf und er riss dabei das Steuer des Laster-Jambos herum, um wieder mal an einem der riesigen Schlaglöcher vorbeizukommen, von denen die alte Schnellstraße durchsetzt war. „He, ich weiß gar nicht, was plötzlich in dich gefahren ist? Schon seit etlichen
Tagen bist du wie ausgewechselt! Neulich hast du sogar unseren Günther, der sonst immer eine Seele von Mensch ist, zum ausrasten gebracht.“
„Ach, solch eine Seele ist der aber gar nicht, George!“ Margrit schaute dabei in die billige Plastiktasche in welche ihr die Kinder, als sie letztens zu Besuch war, ein paar Sachen - so als Glückbringer für den weiten Weg - mitgegeben hatten.
„Das magst du halten wie du willst, Margrit. Jedenfalls haut man einen solchen Satz nicht so einfach seinem Chef um die Ohren.“
„Pah, der kann das ruhig mal hören!“ erwiderte sie. Konnte sie George denn sagen, dass sie für Günther zunächst nur deswegen einen Termin für ein Gespräch hatte haben wollen, um diesem endlich ihr Geheimnis über Danox anzuvertrauen? Sie hatte sich sehr schnell eine Ausrede einfallen lassen müssen. Denn bei der gestrigen monatlichen Sitzung war zwar vieles Vernünftige besprochen worden, aber Günthers anschließende Bemerkung hatte Margrit doch sehr nachdenklich gemacht. Er hatte nämlich wortwörtlich gesagt: „Sollte es der Menschheit einmal glücken, die Hajeps von unserer geliebten Erde zu vertreiben, so werden wir keinen von ihnen am Leben lassen, der unsere Erde nicht rechtzeitig verlässt! “
„Alle sind meiner Meinung, Margrit!“ George knöpfte sich mit der einen Hand den Kragen zu, denn ihm fröstelte bei diesem schlechten Wetter.
„Sehr traurig, George!“ Sie begann in ihrer Tasche zu kramen. „Denn du weißt ganz genau wie ich, dass es auch gute Hajeps gibt! Denk nur an Diguindi!“
„Nicht alle sind Diguindi!“
„Sicherlich die meisten, George. Denk mal darüber nach, wie es bei uns Menschen war, wenn einige Länder von uns Diktatoren hatten! Und die Hajeps fügen sich auch nur einer brutalen Militärdiktatur, was ja nun wirklich schon bekannt ist, George! Und da wollen wir Leute töten, nur weil die vielleicht langsamer sind als die anderen oder irgendwie nicht kapiert haben, dass sie schnellstens von hier weg müssen?“
„Vielleicht bleiben ja auch einige von ihnen ganz bewusst da, Margrit! Sie vermehren sich womöglich auch noch! Und was machen wir dann?“
Margrit hob die Schultern und ließ sie wieder fallen „Na, wenn sie friedlich sind, warum nicht? He, womöglich könnten wir gemeinsam mit ihnen hier etwas völlig neues aufbauen? Einer lernt vom anderen neues kennen und ...“
Er prustete verärgert los „Sag mal, du tickst doch wohl nicht mehr ganz richtig! Was ist mit dir plötzlich los, he? Da jagen dich die Hajeps fünf Stunden lang durch ganz Würzburg, du siehst, was sie mit den Menschen machen, hast auch gehört“, er schluckte dabei wieder ein paar Tränen herunter, „was so mit meiner Familie passiert ist und du hast immer noch ein gutes Wort für alle Hajeps übrig!“ Er kürzte sich jetzt einfach den Weg über eine Wiese ab, aber da kam er auch nicht viel besser voran. „Jedenfalls wirst du dir damit ganz schön deine Chancen bei Günther verspielt haben, je deine Kinder bei uns einschleusen zu dürfen, das sag ich dir!“
„Ach, die wollt ihr doch ohnehin nicht bei euch haben, George!“ Sie hatte, obwohl der Wagen furchtbar schaukelte, endlich den Zettel in der alten, zerfledderten Tasche gefunden. „Rede dich doch damit nicht heraus!“
Er warf einen kurzen Seitenblick auf den Zettel und lachte dann verärgert in sich hinein. „Nein, da steht nichts von mir drauf!“
„Aber das, was die Spinnen für die Freilassung meiner Familie verlangen!“ Sie entfaltete den Zettel noch einmal um die Hälfte.
„Willst du mir etwa alles vorlesen, Margrit?“ Genervt fuhr er den Wagen wieder auf eine schmale Dorfstraße. „Ich habe diese Sachen noch gut in Erinnerung!“
Sie ließ den Zettel mit spitzen Fingern im Wind knattern. „He, du hast gesagt, erinnerst du dich, die Welt wird´s schon nicht sein! “
„Jetzt ist es eben die Welt, die Mike von uns haben will, na und?“
„Aber du streikst!“ Sie verstaute den Zettel nun in ihrer Jacke.
„Sehr richtig! So was kann doch keiner bezahlen. Das mit dem frischen Brot und auch das viele Mehl lass` ich ja noch gelten, aber wo bitte schön, gibt`s zum Beispiel heutzutage noch echten Kaffee, Medikamente oder Diesel? Die Kinder und deine Mutter müssen eben dort bleiben, fertig!“
„Gar nicht fertig, George! Darum will ich ja eben, dass du mich bei Würzburg absetzt. Das dürfte doch gar nicht so schwierig für dich sein. Rita, Wladislaw, Gesine und Erkan hast du eben noch viel weiter fahren müssen.“
„Ich finde es aber völlig verrückt, dass du ausgerechnet in Würzburg, in diesen leer stehenden Häusern nach solchen Sachen wie Medikamente und so weiter suchen willst!“
„Wo sonst, George? Dazu brauche ich ja vielleicht gar nicht mal in die Häuser hinein, denn vieles haben die Leute damals einfach in den Straßen stehen lassen und...“
„...nicht mehr abgeholt!“ vollendete George einfach ihren Satz. „Dreimal darfst du raten Margrit, warum sie es noch immer nicht tun!“
„Weil die meisten von ihnen tot sind?“
„Nicht falsch, aber du weißt ja, dass einige das Massaker überlebt haben! Sie wagen sich trotzdem nicht mehr in diese Stadt! Selbst Pomadenmaxe, wie wir ihn alle nennen“, er kicherte jetzt wegen des Namens so ein bisschen, „wagt sich nicht mehr bis in die Stadtmitte und findet auch niemanden, der ihm von dort neue Handelsgüter zum Tauschen bringt. “
„Na siehst du, der wird sich freuen, wenn ich das mache! Euer Pommi soll doch noch immer eine große Auswahl haben. Auf diese Weise werde ich von ihm die übrigen Dinge bekommen, die ich womöglich doch nicht in den Häusern Würzburgs auftreiben kann! “
„Du bist verrückt, Margrit, wirklich, inzwischen völlig verrückt!“ Er schüttelte verärgert den Kopf.
Sie runzelte die Stirn. “He, dieser Typ ist nicht der erste Schwarzhändler, den ich aufsuche! Ich weiß, was ein Schwarzhändler ist, und dass er einen übers Ohr hauen kann und so weiter und so fort!“
Er seufzte: „Das meinte ich doch damit gar nicht, Margrit!“
„Paul vertraut mir“, schwatzte Margrit trotzdem drauflos. “Warum nicht du?“ Das hätte sie nun nicht sagen sollen, denn George sah, wenn man ihn so von der Seite her betrachtete, jetzt direkt unheimlich aus.
„Ich ...hm... habe ich denn etwas Falsches gesagt?“ stotterte sie.
„Ja, das hast du!“ zischelte er hinter seinen herrlichen weißen Zähnen hervor, die er fest aufeinander gepresst hielt. “Und ich möchte, dass dieser Paul in Zukunft“, seine grünen Augen blitzten Margrit jetzt richtig zornig an und sie fand Unpassenderweise, dass er unglaublich sexi dabei aussah, “nicht mehr mit mir verglichen wird! Haben wir uns da verstanden?“
Sie schluckte und nickte. “Aber ... aber...?"
„Ja?“ Sein ausdrucksvolles Gesicht fuhr wieder zu ihr herum.
„Was hast du nur immer wieder gegen Paul?“ Sie versuchte, so arglos wie nur irgend möglich in diese Raubtieraugen zu blicken, aber da war es schon zu spät. George verriss das Steuer. Nur mit Mühe brachte er den riesigen Jambo zum Halten. Er atmete tief auf, ließ sich weit in den Sitz zurücksenken und schloss für einen Moment die Augen, als der Wagen endlich stand.
“Weißt du“, murmelte er schließlich erschöpft, "du machst einen ganz verrückt mit deiner furchtbaren Naivität! Ich will dir ja deinen Glauben an das Gute nicht rauben, aber es ... es geht mir doch sehr auf den Geist! Paul ist nun Mal in erster Linie Egoist ... und auch in zweiter! Hast du ihn vielleicht in den letzten Tagen für deine Kinder sammeln sehen?“
Margrit schüttelte gesenkten Hauptes den Kopf.
„Hat er sich wenigstens mit einem einzigen Wort für deine Kinder eingesetzt?“
„Nein!“ erwiderte Margrit betreten.
„Sollte es also an seinem großem Vertrauen zu Dir liegen, dass er dich nicht nach Würzburg begleitet?“
„Also ...hm... du... du meinst? “ Sie schob sich die Brille auf ihrer Nase zurecht, wie immer, wenn sie nervös war. „He, nein!“ sagte sie dann. “Er hat sich eben noch immer nicht so ganz erholt um ... na ja, steht halt noch immer unter Schock!“ Ihre Wimpern flatterten auf und nieder. „Wegen damals! Wegen seiner...“, sie schluckte den Klos hinunter, „... Ilona, weißt du?“
„Schock ist gut!“ George lachte hart und kurz auf und begann den Jambo erneut zu starten. „Du bist Profiler, da dürfte dir wohl bekannt sein, dass Killer immer an die Stätte ihrer Untat zurück kehren oder?“
„Ja und?“
„Ja und, ja und!“ echote er genervt. „So kommen die Hajeps halt auch ganz gerne mal nach Würzburg, um dort so ein bisschen herumzustöbern.“ Er runzelte die Stirn. „Das wissen zwar alle, aber du wohl noch nicht!“
„George, warum bist du eigentlich in letzter Zeit so zickig zu mir?“
„Nein, in letzter Zeit bist viel mehr du mächtig komisch geworden, meine liebe Margrit! Irgendwas muss doch seit einer Woche passiert sein, dass du so größenwahnsinnig geworden bist!“
„George, mir bleibt doch einfach gar nichts anderes übrig, als nach Würzburg zu gehen. Warum verstehst du das nicht? Die Dörfer sind bereits leer geplündert und...“
Er seufzte. “Bist du wenigstens bewaffnet, Margrit?“
Sie öffnete ihre Jacke und anschließend ihre Weste. Zwei Revolver und ein Messer steckten im Gürtel, ein Patronengürtel hing von der Schulter bis zur Hüfte hinab.
„Trotzdem, wenn du in ihre Hände fällst, bist du geliefert, Margrit!“ keuchte er. “Niemand ist ihnen gewachsen. Wir können nicht kommen um dir zu helfen!“
Konnte sie ihm sagen, dass sie deshalb Danox mitgenommen hatte? Sie zögerte eine Sekunde und sah ihn dabei fragend an. „Tja!“ sagte sie dann und zuckte mit den Schultern, dann verschloss sie wieder ihre Weste und zog den Reißverschluss ihrer Jacke hoch.
„Ich ...ich werde dich begleiten!“ sagte er mit einem Male.
Sie machte große Augen. „Nein George, das kann ich nicht von dir verlangen!“
Er lachte. „Kannst du auch nicht. Aber ich werde es tun! Es trifft sich gut, dass ich heute ebenfalls nicht schlecht bewaffnet bin. Weißt du, wegen der Streitereien, die es heute wieder mal auf dem Herzinger Hof hatte geben sollen. Machten zwar mächtiges Theater wegen der Abgaben, die Günther erhöhen musste, aber dann haben sich doch alle schneller beruhigt als ich zunächst gedacht hatte.“
„Ich finde es aber auch nicht gut, George, dass Günther immer wieder die Abgaben erhöht!“
„He, du hast ja noch eine Tasche mit?“ überging er ihre Frage.
„Hast du die vorhin nicht gesehen? Es sind sogar insgesamt vier Taschen, George!“
„Aber zwei davon sind ja schon gefüllt?“
„Drei“, verbesserte sie ihn. „In der einen sind die Glücksbringer meiner Kinder.“ Sie lachte. „Lauter Kleinigkeiten. In den anderen alte Töpfe! Bin noch gestern Abend richtig fleißig gewesen! “
„Töpfe? Wozu kann man denn Töpfe gebrauchen?“
„Ich habe gehört, dass hier in der Nähe eine Firma ist, welche Töpfe und so weiter heimlich zu Stahlhelmen und anderem kriegerischem Zeug umschweißen!“
„Ich denke, du bist Pazifistin?“ er kicherte. „Nein, nein, hab` ja nur Spaß gemacht! Und die willst du also bei Pommi gegen andere Dinge eintauschen, habe ich Recht? “
„Hast du! Aber George, willst du mich wirklich dabei begleiten? Hast du dir das auch genau durchdacht? Es kann ja wirklich sein, dass uns dabei Hajeps überrumpeln und was dann? “
„Dann sind wir wenigstens zu zweit! Du weißt ja, immer Richtung Hals feuern, dort haben die Hajeps meistens eine empfindliche Stelle!“
„Meistens?“
„Na ja, fast meistens!“ räumte er ein.
„He, jetzt schäme ich mich richtig, dich für so eine gefährliche Sache auszunutzen! Denn das ist ja nur meine Familie, für die wir kämpfen. Du selbst hast doch gar nichts davon! “
„Ich mag deine Kinder, Margrit! Und ich bin einiges Diguindi schuldig! Da fällt mir ein, wir fahren ja die ganze Zeit in die falsche Richtung. Pomadenmaxe ist nämlich umgezogen. Hat´ ich ganz vergessen! Würzburg ist ihm zu unheimlich geworden und darum ist er mit Unterstützung seiner Freunde in die Nähe von Zell gezogen. Wir hätten vorher bei ihm einkehren sollen!“
„War ich doch gestern schon! Da hat mich Renate bei ihm abgesetzt! Aber er hat keine Medikamente, geschweige denn Diesel oder Kaffee! Das ist es ja eben! “
Während der restlichen Fahrt nach Würzburg sprachen die beiden dann von nichts anderem als über den Handel mit diesem Mann und wie man den am besten einfädeln sollte. Leider waren sie kurz vor Würzburg versehentlich wieder bei dem heiklen Thema `Paul´ angelangt, Margrit wusste später nicht so genau wer und warum man eigentlich darauf gekommen war, jedenfalls bereute sie es danach sehr!
Dabei hatte diese Debatte zuerst einen ganz harmlosen Anfang genommen: „Was verbindet dich eigentlich noch mit diesem Paul?“ Das hatte wohl George, auf irgendeine Bemerkung Margrits hin, völlig unvermittelt gefragt. “Seid ihr ...seid ihr doch wieder zusammen gekommen?“ Und über sein Gesicht war dabei eine leichte Röte gehuscht.
Sie hatte ihn wieder sehr verdutzt von der Seite her angestarrt. “W..warum interessiert dich das?“ hatte sie gestottert.
„Nun, Paul teilt zwar seinen Raum mit zwei weiteren Kameraden, aber tagsüber seht ihr euch doch, da könnte es sein, dass ihr...“, er schwieg und wurde noch röter.
„Also wirklich, George“, fauchte sie jetzt entrüstet, “das wird aber jetzt sehr privat! Auf so etwas muss ich doch wohl nicht antworten, oder?“
„Doch!“ sagte er sehr, sehr leise. „Denn das ist wichtig für mich.“
„Wie? Ich... also, ich meine... du? Ach ... also ich verstehe nicht!“ Sie starrte ihn mit großen Augen und völlig durcheinander an. Genau in diesem Augenblick passierte es! George wurde derart nervös, dass er in der Kurve nicht aufpasste. Der Wagen geriet ins Schleudern. George bekam ihn nicht mehr unter Kontrolle. Margrit wollte schreien, aber biss sich auf die Lippe. Sie sausten einen Abhang hinunter, Margrits Wagentür flog auf, die Schnalle des Haltegurts, der ohnehin nur ein Fetzen war, wurde gesprengt und so schoss sie von ihrem Sitz. Sie fühlte nur noch, dass sie auf den Boden krachte und dann, wie von Geisterhand gestoßen, ein ganzes Stück über Stock und Stein Hügel abwärts rollte.
An dem schwarzen Nebel vor ihren Augen, der nur ganz allmählich verschwand, erkannte sie, dass sie wohl für ein Weilchen hier ohnmächtig gelegen hatte. Mühsam bewegte sie ihre schmerzenden Glieder und blickte um sich. Sie war den Hügel nur zur Hälfte hinabgerollt und wo war George?
"George?“ rief sie erschrocken. „George? Wo bist du?“ Taumelnd richtete sie sich auf, begann den Abhang zunächst vorsichtig, dann immer schneller hinabzugehen. Schließlich rannte sie, immer wieder seinen Namen rufend. Dort... dort war der Wagen! Mein Gott! Er war explodiert, brannte noch immer ...das ganze Gestell sah aus wie ... wie ein Skelett!“ Sie presste sich die Faust an den Mund. „George!“ stammelte sie. „Bitte, bitte! Tue mir das nicht an! Alles andere, aber nicht das, hörst du? „
„Vorsicht! Vielleicht nehme ich dich beim Wort!“ hörte sie plötzlich von rechts unter einem Baum. Margrit fuhr herum. Dort lehnte George. Er hatte das eine Bein weit von sich gestreckt - der Knöchel war dick geschwollen, wahrscheinlich angeknackst. In der Hand hielt er triumphierend eine von Margrits fünf Taschen und schüttelte die, zum Zeichen, dass da sogar noch einige Sachen drin geblieben wahren. „Wir beide“, er blickte feixend auf den alten Beutel, als wäre er ein Kamerad, “sind gemeinsam vom Sitz gerauscht! Allerdings hat der hier etliches von seinen inneren Werten verloren. Die dürften hier ringsum verstreut sein.“ Er blickte sich nach allen Seiten um, und man merkte ihm an, dass er erleichtert war, noch am Leben zu sein und vor allen Dingen Margrit gesund und munter vor sich stehen zu sehen.
"George!“ Sie beugte sich zu ihm hinab, kauerte sich schließlich hin und betrachte sorgenvoll seinen Fuß. „Du ..also... der ... der ist bestimmt gebrochen!“ stammelte sie hirnlos, denn sie stand noch immer unter Schock, genau wie er. "Ich ... ich werde ganz schnell Hilfe holen, ja?“
„Wie denn? Und vor allem von wo?“ Er kicherte nun ziemlich hysterisch. “Aber keine Angst, Martin und Zhan Shao sind ja hier in der Nähe unterwegs um...“
„Das wird aber dauern!“ Margrit nagte an ihrer Unterlippe.
„Tja!“ Er lachte unfroh. “So einige Stündchen, schätz` ich, bis sie mit der Kartoffelernte fertig sein werden!“
Sie richtete sich auf, schob sich die Brille auf der Nase zurück und spähte Richtung Stadt. Grau und völlig still waren ihre Gemäuer und nur wenige hundert Meter von Margrit entfernt.
„Ist ...ist es sehr fies von mir, wenn ich dich jetzt frage, ob du mich trotzdem für etwa eine Stunde missen kannst?“ krächzte sie.
„Na sagen wir zwei?“ Er bettete seinen Fuß in eine etwas bequemere Lage.
„Es ...es geht dir ansonsten nicht schlecht?“ fragte sie ihn.
„Ach, ich bin hocherfreut über diesen gebrochenen Fuß!“
Sie machte ein entsetztes Gesicht.
„Nein, nein, war wieder mal alles nur Quatsch! He, der ist sicher nur verstaucht! Mach dir wirklich keine Sorgen um mich!“
„Weißt du, ich möchte noch heute Abend wenigstens Muttchen frei bekommen. Sie ist krank geworden und das sieht natürlich keiner. Sie muss trotzdem weiter arbeiten und auch Tobias wird mir noch ... "
„Palaver nicht so lange, hau schon ab!“ erklärte er grinsend und runzelte sodann die Stirn. „Schließlich soll Paul nicht der Einzige gewesen sein, der dir vertraut!“
Nun mussten sie beide lachen.
„Aber beeile dich!“ Er hob mahnend den Zeigefinger. "Denn noch vor dem Dunkelwerden musst du hier sein, dann fahren wir ab!“
Sie begann nach einem knappen Blick in die Tasche (die Uhr von Paul war noch drin, groteskerweise auch Julchens Sparschwein) einen der herumliegenden Töpfe aufzusammeln und plötzlich entdeckte sie etwas braunes, rundes zwischen hohen Grashalmen. Es kam Margrit irgendwie bekannt vor, deshalb machte sie einige Schrittchen darauf zu. Sie bückte sich. Oh Gott, Danox hatte sich also auch gerettet! Sie war sehr erleichtert!
„Ti kos to akir!“ wisperte sie und schon begannen sich die Halme zu biegen. “Jasu me!“
„Führst du neuerdings Selbstgespräche?“ fragte George von seinem Baum aus und lachte.
Margrit drehte sich langsam zu ihm herum. ”N...nein?“ krächzte sie verstohlen und das war ja wirklich nicht gelogen.
„Du solltest noch einen meiner Revolver mitnehmen, Margrit!“
„George! Äh ... ich glaube, es ist besser, wenn auch du zwei hast! He, eigentlich schäme ich mich, dich hier so hilflos zurück zu lassen!“
„Hilflos? Ich bitte dich! Meinst du, ich kann auch nicht mehr den Finger um den Abzugshahn krümmen?“
„Hach, immer musst du Witze machen!“
„Nein, nein, du brauchst wirklich keine Angst zu haben, Margrit. Mir ist nämlich eingefallen, dass Martin schon seit Tagen keine Anzeichen von Hajeps rund um Würzburg bemerkt hat. Und der muss das ja schließlich wissen, denn er kommt jeden morgen hier vorbei!“
„Ha, wie das tröstet!“ keuchte Margrit.
Schließlich hatte sie nur drei ihrer Beutel wiedergefunden und auch nur wenige Töpfe, aber das würde sie später schon aufzufüllen wissen, und dann hatte sie George trotz seiner Proteste ihre Jacke als weichere und wärmere Unterlage für den Boden gegeben, ihn zum letzten Male innig umarmt und auch dabei einige Tränchen vergossen.
Dann hatte sie sich auf gerichtet und war mutigen Schrittes auf Würzburg zumarschiert.
Immer näher kamen die Häuser. Waren sie wirklich leer? Oder beobachteten bereits fremdartige Augen hinter einem der Vorhänge versteckt Margrit vom Fenster aus? Danox folgte Margrit, schob sich in einigem Abstand hinter ihr durch`s Gras, einen langen, dunklen Ton dabei von sich gebend, den nur Margrit hören konnte - wirklich nur Margrit?
Doska ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.08.2005, 14:27   #68
Doska
 
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Standard Kapitel 67

Kapitel 13

Margrit hatte sich entschlossen, Eile an den Tag zu legen, denn George in solch einer Situation womöglich viele Stunden alleine auf Hilfe warten zu lassen, kam für sie überhaupt nicht in Frage. Vielmehr hatte sie vor, Poma¬denmaxe um Hilfe zu bitten, da sie gehört hatte, dass dieser ein Auto haben sollte und sogar zwei Motorräder. So konnte George vielleicht noch heute verarztet werden. Leider musste sie sehr lange laufen, erst einmal durch die ganze Stadt hindurch, um ´ Pommi´, wie er von allen scherzhaft genannt wurde, noch einigermaßen schnell zu erreichen, weil George Margrit nur bis zum südöstlichen Ende der Stadt gefahren hatte.
Selbst der beschauliche Anblick dieser immer noch hübschen Stadt konnte sie nicht von dem Vorsatz abbringen, so fix wie möglich nach stehen gelassenen Säcken mit lebensnotwendigen Dingen in den Straßen Ausschau zu halten. Doch leider hatten die Leute hier am Stadtrand wider aller Erwartungen bereits alles ´abgeerntet´. Also lief sie weiter in die Stadt hinein. Danox hielt sich währenddessen im Unkraut versteckt, das hier überall fleißig gedieh und umkreiste, ja, bewachte Margrit, dabei jeden Winkel mit seinen roten Glühlämpchenaugen auskund¬schaftend, ständig einen tief klingenden Ton von sich gebend, ganz so, wie sie das einige Tage vorher durchge¬übt hatten.
Margrit spähte ihrerseits unsicher zu den alten Häusern hinauf. Vorhänge hingen noch hinter Fenstern, oft konnte man Lampen an Zimmerdecken erkennen, Schränke, Betten und Kommoden, wenn man nur genauer hinschaute, als würde immer noch jemand dort leben. Also waren die Möbel noch nicht von Schilkis (Schwarzhändlern) ausgeräumt worden, aber für Margrit in dieser Situation kaum transportabel.
Irgendwie rumorte doch ein wenig Nervosität in Margrits Eingeweiden. Du lieber Himmel, wenn nun die schrecklichen Töpfe, die sie in der einen der drei ramponierten Taschen mit sich trug, nur das Einzige bleiben sollten, was sie Pommi anzubieten hatte, was machte sie dann ? Außerdem waren sie recht unhandlich. Die dünnen Henkel vom Beutel schnitten Margrit mehr und mehr in die Finger, je länger sie lief. Aber sie biss die Zähne zusammen.
Danox schwamm, während Margrit über eine kleine Brücke lief, zu ihrer Überraschung unter ihr in dem schma¬len Flüsschen wie ein eleganter Silberfisch dahin. Was das Wesen alles konnte! Ständig überraschte es sie. Auf der anderen Seite der Brücke war ein verwilderter Park und es gab auf der rechten Seite eine Böschung mit den Resten der alten Stadtmauer. Dort würde Margrit wohl kaum etwas zum Mitnehmen finden. Aber dahinter waren wieder Häuser und Straßen, durch welche die Menschen mit ihren Sachen gezogen waren, was sie noch von damals recht gut in Erinnerung hatte. Margrit setzte die schwere Tasche ab, blickte dabei noch einmal zurück zum Stadtrand, den sie nun verlassen hatte und lauschte. Es klappte dort noch immer kein Fenster, keine Tür rumpelte, keine Stimme, weder in der Nähe noch aus der Ferne war zu hören. Und die Tiere ? Wo waren eigent¬lich die Tiere geblieben ? Die mussten doch wenigstens da sein ! Margrit runzelte die Stirn. He, in den Gärten bellte nicht einmal ein Hund, geschweige denn ein Hahn schrie von irgendwo !
Mit gesenktem Haupt verließ sie schließlich die Brücke. Ach, das alles war so schrecklich traurig ! Das herrliche Würzburg gehörte also von nun an auch zu den sogenannten toten Städten. Gott sei Dank schien die Sonne und gab dem kleinen Park und der Anhöhe mit den hervor lugenden Zinnen immer noch etwas anheimelndes. Erstaunlich eigentlich, dass die Hajeps manche Städte, so wie Würzburg, nicht dem Erdboden gleich machten und auch später nicht einmal veränderten! Kannten die außerirdischen Eroberer etwa ein ähnlichen Geschmack wie die Menschen ?
Etwas kratzte Margrit jetzt an der Wange. Sie fuhr erschreckt zusammen, doch dann schob sie schmunzelnd das kecke Birkenzweiglein beiseite, das sich in ihrem Haar verhakt hatte. Überall wuchsen hier diese jungen, schlanke Birken, waren genügsam, saßen zwischen Felsbrocken, türmten sich die bis auf etwa sechs Meter lang¬sam ansteigende Böschung hinauf.
Aber was war das plötzlich dort oben ? Etwa ein Motorradfahrer ? Er untersuchte gerade die Reifen seiner ziem¬lich aufgemotzten ´Kiste´ und hatte sich daher hingekauert. Margrits Herz hüpfte. Im Geiste sah sie sich schon die Böschung emporklettern, ihm winkend und rufend entgegenlaufen, denn sie freute sich sehr, endlich in dieser Einöde einen Menschen zu entdecken. Doch sie zögerte lieber etwas, was wohl nicht falsch war, denn als sich der kräftige Kerl mit einer geschmeidigen Bewegung zu seiner vollen Größe aufrichtete, musste sie feststellen, dass er irgendwie etwas ganz anderes war, ihr Herz krampfte sich zusammen, als ein Mensch. Um das zu sein hatte er nämlich viel zu lange Arme, obwohl ihm die Schutzkleidung trotzdem zu passen schien, und einen gewaltigen, muskelbepackten Oberkörper. Seine Beine waren sehr kurz und krumm und er hatte erstaunlich große Füße. Nun schaute er sich prüfend um und Margrit hatte dabei Zeit genug, eine flache Stirn zu bestaunen, extrem buschige Brauen, sehr kleine Augen und eine flache, ein wenig über die Oberlippe ragende Nase. Der Mund war ziemlich weit vorgeschoben, etwa wie ein Maul, schmallippig und an seinem kleinen, fliehenden Kinn schienen vereinzelt recht lange Haare abzustehen.
Zack ... schon war das ´Geschöpf ´ hinter der Mauer verschwunden. Gott sei Dank hatte es Margrit nicht gesehen ! Sie schob sich zitternd ihre Brille auf der Nase zurecht. Träumte sie etwa schon am helllichten Tage ? Es war wirklich ein zu komisches Wesen gewesen um tatsächlich zu existieren, zumal es - Margrit schluckte bei diesem Gedanken – eine ziemlich ungewöhnliche Hautfarbe hatte, nämlich grün, genau genommen moosgrün ! Nach einigem Ringen mit sich selbst führte sie sich dessen Gestalt noch einmal vor Augen. Also kleiner als ein Mensch, dafür sehr wuchtig, am Kopfe nach allen Seiten abstehendes, krauses, recht langes Haar von schwarz-grüner Farbe ! Sehr breite Schultern, dafür kaum einen Hals. Sie nahm die Brille ab und putzte diese ziemlich hektisch mit dem Zipfel ihres Hemdes. Womöglich waren ja auch nur die Gläser dreckig und sie hatte einen Krümel trockenes Blatt, vielleicht hinuntergefallen von diesem Baum, für diesen – na ja, recht merkwürdigen - Schatten gehalten. Margrit setzte die Brille endlich wieder auf, denn ewig putzen konnte sie die ja nicht - verdammt, warum zuckten ihre Finger dabei so dämlich ? - und duckte sich abermals hinter der alten Birke, mehr noch hinter dem strammen Forsythienbusch, der gleich darunter wucherte, und wartete tapfer auf das, was sich dort oben vielleicht noch einmal zeigen würde.
Huch! Tatsächlich ! Schon wieder ! Sie hatte sich also nicht geirrt !
Noch so ein Geschöpf kam jetzt hinter der grauen Mauer hervorgeschlendert, war jedoch etwas kleiner und zier¬licher, turnte einfach hier herum. Es schlenkerte dabei wild mit seinen langen Ärmchen, schien irgendwie aufge¬regt zu sein. Margrits Herz pochte. Sie keuchte. Denn nun kam auch noch eine ganze Gruppe dieser Wesen von der anderen Seite der Mauer und zwei von ihnen schoben dabei Motorräder auf den schmalen Weg. Sie waren so sehr miteinander im Gespräch, dass sie das Kind – sofern es denn eines war - dabei kaum beachteten. Der, welchen Margrit vorhin zuerst gesehen hatte, kam ihnen entgegen und zwängte dabei seinen eigenartig geform¬ten Schädel in einen Schutzhelm, der ihm erstaunlicherweise zu passen schien, dann überprüfte er mit seinen großen, wuchtigen Pranken wohl sein Gewehr und die anderen schoben derweil die Motorräder in eine Ecke. Das kleine Wesen hoppelte nun - Margrits psychologisches Gefühl sagte ihr, dass es mit einem Male irgendwie Angst bekommen hatte - seinen Freunden, oder was die auch immer sein mochten, kreischend entgegen. Wofür es sogleich in wohl hajeptischer Sprache scharf von ihnen gerügt wurde. Dann verschwanden sie allesamt wieder hinter der Mauer. Man hatte dabei kaum nach unten geschaut und daher Margrit nicht entdeckt oder Margrits Versteck war einfach Klasse oder sie waren viel zu sehr mit irgendeinem Problem beschäftigt oder ganz einfach harmlos oder gar blöd ? Pfui, was dachte sie da !
Wenig später, gerade als Margrit sich entschlossen hatte ruhig weiterzulaufen und sich sogar gescholten, weshalb sie das überhaupt interessierte, wo sie doch noch vor dem Dunkelwerden bei Pommi antanzen wollte, sah sie, wie alle sieben Geschöpfe jener sonderbaren Spezies wieder hinter der Mauer hervorkamen, diesmal mit drei kleinen Anhängern, über welche zuvor Planen gezogen worden waren. Einige lüfteten jetzt die Planen und packten mehrere Beutel und Decken in diese Anhänger, welche an den Motorrädern befestigt wurden. Was hatten sie vor ? Oh Gott, wollten sie etwa danach mit ihren Motorräder diese Böschung hinabbrettern ?
Sie schloss die Augen und sprach sich leise vor: “Bitte, bitte nur nicht das ! Ach Unsinn, diese Geschöpfe waren sicher ganz harmlos, oder ? Margrits Herz ratterte trotzdem wieder voll los. Sollte sie sofort weglaufen oder hier unten erst einmal abwarten ? Ihr wurde richtig flau im Magen, wenn sie sich die prächtigen Gebisse vorstellte, die gewiss diese riesigen Mäuler - äh, Münder - beherbergten. Und plötzlich wusste sie, welche Geschöpfe das waren! Die ihr von George schon so oft beschriebenen Trowes. Worgulmpf war deren Anführer und hatte derzeit George im Gegenzug für einen gut ausgearbeiteten Fluchtplan Danox übergeben. Und jetzt entsann sich Margrit, was er ihr noch dazu erzählt hatte. Neun Trowes hatten Danox vor etwa einem halben Jahr gemeinschaftlich mit Senizen, einem weiteren Sklavenvolk, gestohlen und waren dann den Hajeps entkommen. Vier Trowes waren bereits getötet. Der Rest wurde immer noch von Hajeps gesucht !
´Es ist verrückt. Aber das ... das sind sie !´ sagte sich Margrit jetzt, denn es gibt nicht all zu viele Trowes, welche die genialen Fähigkeiten haben, einem so hoch technisierten Volk wie den Hajeps für dermaßen lange Zeit zu entkommen.
Sie sah, wie nun vier der Trowes gemeinsam mit dem Kind in die Anhänger kletterten und Planen darüber gespannt wurden. Die übrigen schwangen sich in die Sättel, Motoren knatterten los. Margrit hielt den Atem an, hatten die Trowes etwa Danox gesehen und wollten sich nun das Ding holen ? He, warum summte Danox plötz¬lich nicht mehr ? Aber ganz gegen ihre Befürchtung sausten die Trowes nicht zu ihr hinab sondern nur oben den schmalen Weg an der Mauer entlang und verschwanden schließlich auch dort hinter den Birken und dem Gebüsch, auf der anderen Seite der Böschung.
Sonne schien behaglich auf die Zinnen. Die Wipfel der Birken schaukelten im sanften Wind. Nur das Gebrumm der Motorräder war noch immer zu hören, knatterte stetig leiser werdend durch die Stadt. Die Trowes wollten also auch tiefer in die Stadt hinein. Das war wirklich sehr mutig, aber vielleicht auch notwendig, wenn sie zum Beispiel nach zurück gelassenen Gütern suchen wollten, die sie gewiss dringend brauchten, da sie schon so lange auf der Flucht waren. Es war klug von ihnen, sich weder direkt am Stadtrand noch in der Mitte der Stadt auszu¬ruhen und ... verdammt, warum hörte Margrit eigentlich Danox noch immer nicht ? Weshalb hatte er sie nicht vorhin vor diesen schrecklichen Trowes gewarnt ? Da begann sie die ganze Umgebung am Ufer mit klammen Herzen abzusuchen. Nichts bewegte sich dort. Und das runde, graue im Schilf da hinten war wohl nur solch ein Felsbrocken wie all die übrigen, die hier herumlagen!
Eine empörte Ente hatte mit ihrem plötzlichen lautem Geschnatter, weil sie ihren Kameraden zu Raison bringen wollte, bei Margrit fast einen Nervenzusammenbruch ausgelöst. Sie zitterte noch, als sich die beiden heftig kabbelten. Andererseits war sie froh, dass wenigstens Enten in dieser Stadt weilten. Wenigstens etwas lebte! Doch dann lief sie weiter über diesen holperigen Weg aus uraltem Kopfsteinpflaster. Vielleicht war das Ding im Gebüsch? Margrit versuchte durch sämtliches Gestrüpp dieser Böschung zu spähen, bog hier und da Zweige auseinander. Nichts ... überall nichts! Aber ein Schwalbenpärchen segelte über Margrit dahin - hm, also noch etwas Lebendiges!
“D...Danox ? Kon kos to ?” wisperte Margrit schließlich entnervt. ”Noi alhum tur el, ilban runan aea diri anio tor ! To banis dendo nesa! Hm ...hmmmm ... ich hätte dich lieber gleich einsperren sollen, idiotisches Blechding !”
Da hörte sie endlich wieder den vertrauten dunklen Ton. Er kam aus direkter Nähe. Margrit stutzte, blickte in den Beutel. “Danox, to xabir hadoro !“ ächzte sie fassungslos. ”Bist wohl zum Trocknen in meine Tasche gekro¬chen, was?”
Danox streckte zuerst das eine haarige Bein aus der Tasche und dann das andere. Dieser Anblick erzeugte leider ganz automatisch einen Würgreiz in Margrits Hals, aber dann erinnerte sie sich, dass sie sich ja eigentlich daran gewöhnt hatte. Schließlich erschienen die leicht schleimig wirkenden und durchsichtig schimmernde Fühlhörner. Die reckten sich über den Rand der Tasche und dann hörte Margrit ein leises, metallen klingendes Klappern vorne an seinem Kopfe. Danox hatte also gegähnt. Irgendwie beruhigte sich Margrit mit dem Gedanken, dass Danox die ganze Zeit nicht nur gepennt, sondern wohl nur deswegen kein Zeichen der Unruhe entsendet hatte, weil er diese sieben Trowes schon vor ihr gekannt und sie wohl nicht für gefährlich gehalten hatte. Kopfschüt¬telnd lief sie schließlich weiter und war dabei sogar ganz zufrieden, dass Danox in der Tasche blieb, obwohl sie dadurch mehr an Gewicht zu tragen hatte. So konnte man die Wunderwaffe wirklich nicht sehen. Sie hatte gera¬dezu albtraumhafte Angst, Hajeps könnten ihr die stehlen und damit noch größeres Unheil anrichten als bisher. Später, wenn Margrit diese Beutel mit Gütern voll packen würde, müsste Danox ohnehin wieder hinaus.
Etwa eine halbe Stunde später sollte sich Margrits Hoffnung bestätigen, denn nachdem sie die Stadtmitte durch¬quert und eine wunderhübsche Villengegend erreicht hatte, standen tatsächlich noch immer Säcke, Tüten, Koffer und Kisten in den Straßen, wie sie die Menschen damals stehen gelassen hatten. Das war einesteils beklemmend, denn böse Erinnerungen tauchten dabei ganz automatisch auf, andererseits war Margrit auch sehr froh, dass sich wohl bisher niemand so weit vorgewagt hatte und daher reiche Beute zu erwarten war. Während sie auf die Sachen zuschritt, gingen ihr komischerweise die Trowes nicht mehr aus dem Kopf. Sie schaute ängstlich nach allen Seiten. Die müssten eigentlich ganz in der Nähe sein! Ein Gänseschauer lief ihr den Rücken hinab, weil sie sich vorstellte, plötzlich in diese grässlichen Fratzen blicken zu müssen.
Schon der erste Sack enthielt jedoch Dinge, von denen sie wusste, dass ihr Pommi zum Beispiel Medikamente dafür geben würde. Wenig später zeigte sich sogar, dass Margrit eine geradezu unerhört große Auswahl haben sollte und darum musste sie sich entscheiden, denn alles wegschleppen konnte sie ja leider nicht. Vielleicht war es gut, wenn sie zum Beispiel den einen großen Sack einfach mitnahm, so wie der war! Denn sie hatte den nicht nur von außen abgetastet, bis zur Hälfe ausgeräumt und diese herrlichen Dinge neben sich zur Begutachtung mitten auf die Straße gestellt, sondern auch bis auf den Grund in diesen Sack hinein gespäht und dort noch weitere, ebensolch schöne Sachen gefunden. Unter anderem in einer kleinen Kiste Ohrringe, billiger Tand zwar, aber Margrit musste die gleich anprobieren. Sie nahm sich einen Spiegel aus einer der Kisten und betrachtete sich lächelnd, denn sie fühlte sich mit einem Male an ihre Kindheit erinnert, wo noch alles in Ordnung gewesen war und beschloss, die Ohrringe zu tragen und nur notfalls zu verkaufen. Dann stopfte sie alles wieder in den großen Sack zurück, denn in die drei kleinen Beutel passte das Ganze gewiss nicht. Gerade als sie den Sack anhob, um zu prüfen wie schwer der war, den alten Kram und die leeren Beutel, die sie die ganze Zeit mit sich geschleppt hatte, warf sie dabei einfach achtlos neben sich ins Gras – Danox kroch aus einem mühselig hervor - da hörte sie wieder die Geräusche von Motorrädern aus der Ferne, merkte sie, wie diese lauter wurden und sie setzte den Sack erst einmal ab. Grässlich, die Trowes hatten anscheinend das gleiche vor wie Margrit. Na ja, sie konnte teilen. War schließlich genug von allem da.
Seltsamerweise begannen Margrits Ohren zu pfeifen und sie sah, dass Danox sich plötzlich wie verrückt gebär¬dete. Er flitzte in Schlangenlinien durchs Gras und wie eingesperrt hin und her. Margrit mühte sich, den Klos in ihrem Halse hinunter zu schlucken, der ihr plötzlich gekommen war, denn das bedeutete wirklich nichts Gutes. Aber weshalb fürchtete sich Danox plötzlich vor den selben Trowes, bei denen er noch vorhin ganz gemütlich eingeschlafen war ? Wieder schüttelte sie über ihn verdrießlich den Kopf. Das spinnte doch, dieses verrückte Ding. He, gab es denn hier gar nichts, worauf man sich verlassen konnte ? Mit ziemlicher Kraftanstrengung schleifte sie einfach den großen Sack hinter sich her und erkannte einige Straßen weiter, dass das doch wohl ziemlich idiotisch von ihr gewesen war. Denn der Sack war so schwer, dass sie nur schneckengleich voran kam. Auf diese Weise würde sie wohl erst übermorgen bei Pommi angelangt sein. Sie hielt also inne. Es war furcht¬bar, Danox Pfeifton belastete sie inzwischen wirklich schrecklich, denn er wurde immer lauter. Wie konnte man das blöde Ding bloß endlich wieder ausschalten?
Sollte sie wieder zurück zu George ? Der Weg nach dort war sicher inzwischen genauso lang wie der zu Pommi! Sie schaute im Stadtplan nach. Vielleicht entdeckte sie ja eine Abkürzung! Nein, George hatte ihr schon den kürzesten darauf eingezeichnet. Also lief sie weiter auf den entgegen gesetzten Stadtrand zu und keuchte, während der Sack hinter ihr einher polterte. Mist, verdammter sie war wirklich - na, wie nannten die Menschen das doch früher ? Ach, ja richtig, Kaufrausch ! – sie war leider wie im Kaufrausch gewesen. He, womöglich würde bei dieser ganzen Schleiferei einiges zerbrechen ? Na, egal ! Genug war ja schließlich drin ! Margrit hielt abermals inne, atmete tief durch und ihre Finger tasteten dabei nach den Ohrringen. Sie lächelte. Na, die waren noch drin. Wenigstens das hatte sich schon mal für sie gelohnt. Sie seufzte aber dennoch, denn es hieß für sie nicht nur, die restliche Stadt zu durchqueren, noch etwa drei Kilometer von der Stadt entfernt befand sich erst Pommis Laden. Er war gemeinsam mit seinen Kumpels einfach in die alte Tankstelle umgezogen, die es dort schon immer gegeben hatte.
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Alt 12.08.2005, 14:28   #69
Doska
 
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Standard Kapitel 68

Margrits Beine wurden im wahren Sinne des Wortes schon allein wegen dieser Feststellung bleischwer, aber dann ergriff sie wieder den Sack bei den Zipfeln zerrte diesen hinter sich her. Immer tiefer ging sie dabei gebeugt, blickte ständig auf ihre ausgeleierten Turnschuhe, die tapfer weiter tappten, in kleinen irren Schrittchen, irgendwie vorwärts. Schon befand sie sich an der nächsten Ecke, stoppte am Rindstein und wischte sich den Schweiß. Die Arme – ach, eigentlich alles tat ihr inzwischen weh. Sie ließ den Sack abermals los und bewegte die schmerzenden Schultern.
Dabei glitt ihr Auge über die schönen Gärten, die es hier gab. Wunderschöne Grundstücke in denen noch immer bunte Herbstastern wucherten und ihre Blüten keck durch die Zäune schoben und als Margrit aufschaute, da sah sie, wie ein dunkelblauer neuartiger Satellit gemächlich über die Dächer der kleinen Fachwerkhäuser hinweg segelte.
Ihr Herz jagte augenblicklich los, sie taumelte, doch dann stammelte sie auf hajeptisch: „Xojanto me Danox, xojant ! Ich bin ein dummes Huhn“ – leider kannte sie keine Schimpfworte auf hajeptisch und daher sagte sie das auf Deutsch – „ein Esel, jati to nuchon ?“
Der Satellit begab sich nun genau in jene Richtung, aus welcher Margrit gerade gekommen war, nämlich zum Fluss und zur alten Stadtmauer. Und was tat Danox ? Er saß zwischen zwei Löwenzahnblättern und wedelte dem Ding mit seinen glibberigen Fühlern in einem ganz besonderem Takt hinterher. Hatte er etwa gewunken ? Margrits Herz krampfte sich zusammen. Bisher hatte sie eigentlich immer gedacht das Ding hasste Hajeps ? Sollte sie sich so in Danox geirrt haben? Da - jetzt auch noch das wohlbekannte Brausen mehrerer Lais in den Straßen - hatte Danox die etwa gerufen? Sie schluckte und sah bei diesem Gedankengang auf die ekelhaften Beine von Danox, auf die er sich plötzlich stellte und mit einem leisen Fiepton zu Margrit hinüber stelzte. Konnte man ihm trauen ? Was mochte wohl in diesem kleinen Metallkopf vorgehen ? Sie ließ es zu, dass er neben ihr Platz nahm.
Der Lärm kam zwar vom Stadtrand hinter ihr, also vom kleinen Flüsschen her, wieder von dort, woher Margrit gekommen war. Doch beruhigte sie diese Feststellung nicht allzu sehr, zumal Margrit mit diesem schweren Sack nicht zu schnell aus der Stadt hinaus war. Außerdem hatte sie Sorge um George und sie hoffte inständig, dass er schon von Martin und Zhan Shao abgeholt worden war. Nun erklang auch noch ein Dröhnen aus der Ferne. Demnach landete ein Flieger ebenfalls an der Stadtmauer im Nordwesten, wohl um von dort weitere motorisierte Soldaten ausschwärmen zu lassen.
Margrit überlegte, wie sie den Sack bestmöglich von hier fort bekommen konnte. Da hörte sie ganz in der Nähe ein erneutes Brausen von Motorrädern, das sofort unterbrochen wurde. Es folgte ein kurzer Schusswechsel. Wüstes Triumphgebrüll übertönte einige Minuten später Schmerzens- und Entsetzensschreie aus tierähnlichen Kehlen. Margrit stockte das Blut in den Adern. Also waren wohl Worgulmpf und seine kleine Schar leider doch von den Hajeps gefunden und überwältigt worden. Tränen traten ihr in die Augen, denn sie ahnte, was nun mit diesen armen Wesen geschehen würde, da die Hajeps ja meinten, Worgulmpf hätte noch immer Danox bei sich. Gewiss würden sie dessen Aussage, die Menschen hätten inzwischen Danox, für eine Ausrede halten und ihn foltern – sie schluckte bei diesem Gedanken - und vielleicht sogar einige Familienmitglieder vor seinen Augen quälen. Ach, Margrit hatte ja bereits die schrecklichsten Dinge über solche Sachen gehört. Aber nichtsdestotrotz musste sie wieder an sich selber denken, denn so makaber diese Sache auch war, so hatte sie doch für Margrit ihr Gutes. Denn die Hajeps hatten endlich gefunden, wonach sie gesucht hatten. Zwar verhörten sie vielleicht die Trowes gleich an Ort und Stelle, aber sie interessierten sich in dieser Zeit ganz gewiss für nichts anderes.
Also konnte Margrit in Ruhe weiter darüber nachdenken, wie sie denn nun den Sack aus dieser Stadt schnells¬tens hinaus bekam. Verdammt, sie musste endlich eine Schubkarre oder etwas ähnlich fahrbares finden. Doch woher sollte sie wissen, in welchem dieser Gärten noch so etwas aufzutreiben war ?
„Jasu me !“ wisperte sie Danox zu und ließ den Sack einfach liegen, wo der war, begann die Pforten der Gärten aufzureißen, schnellen Schrittes die Grundstücke zu durchstreifen und in den Schuppen nach Handwagen oder ähnlichem zu suchen und Danox folgte ihr gut versteckt überall hin. Sie öffnete dabei sogar Garagen, in der Hoffnung dort noch ein Auto, Moped oder zumindest Fahrrad zu entdecken. Aber es war wie verhext, alles Fahrbare war bereits genutzt worden, was ja eigentlich recht verständlich war.
Gerade als Margrit in den Keller eines Hauses hinein wollte, hörte sie ein leises Rauschen am Himmel und sie gewahrte plötzlich zwei dicke Staubwolken über dem Haus. Sekundenbruchteile später zeigte sich dort ein Mili¬tärflugzeug, welches wie aus dem Nichts hervorgetreten war. Das lange, bläulich grüne, schlangenartige Heck wand sich elegant am Himmel und war noch zum Teil in Tarnnebel gehüllt. Margrit war ganz überrascht, denn sie entdeckte am Bauch des Rumpfes als Symbol keinen Drachen sondern eine Pyramide mit einem geöffneten Auge.
`Nanu ?´ dachte sie, als auch schon das zweite Kampfflugzeug inmitten seiner Staubwolke sichtbar wurde, welches ganz ähnlich wie das erste gebaut war, jedoch das Hajepzeichen trug. Die beiden boten ein gespensti¬sches Bild, denn sie umkreisten einander mit solch gelenkigen Bewegungen, als wären sie keine Maschinen sondern etwas höchst Lebendiges, nämlich ein paar urzeitliche Flugechsen. Sie warfen lange, elegante Schatten über das Grundstück und plötzlich wurde von beiden Seiten aus allen Rohren gefeuert. Instinktiv zog Margrit deshalb den Kopf ein, als ob das noch dabei helfen könnte, und da die KellerTür abgeschlossen war, flüchtete sie sich mit weiterhin hoch gezogenen Schultern in den Schuppen.
„Jelso rug !“ sagte sie dabei leise und Danox sauste ihr hinterher.
Es hatte aber am Himmel nur ganz leise geprasselt, war jedoch für Margrit umso unheimlicher gewesen. Dann knallte es, als würde etwas zerbersten. Ein Knurren wie aus mehreren riesigen Hundekehlen war hoch oben zu hören und kurz danach das unsicherere Flattern und Rauschen gewaltiger Flügel, die sich davon machten, andere Flügelschläge jagten hinterher. Schließlich waren beide Flugzeuge nicht mehr zu hören und stattdessen vernahm Margrit ein weiteres Brausen von Lais wieder ganz in Nähe. Eine heftige Schießerei entstand an irgendeiner Stelle direkt hier in einer der Straßen. Margrit klopfte das Herz bis zum Halse. Sie meinte zu wissen, um wen hier gekämpft wurde. Jisken nahmen den Kampf mit den Hajeps auf, wohl um an Danox heran zu kommen. Die Trowes sollten also befreit werden. ´Verrückte Welt!´ dachte Margrit, während sie ängstlichen Schrittes den Schuppen wieder verließ und den großen Garten durchquerte. Da kämpfen nun auf dieser Erde Außerirdische gegen Außerirdische, als hätten wir Menschen diesen Planeten schon lange an sie abgetreten. Sie hoffte für die Trowes, dass nicht jede Hilfe zu spät kam. Aber dann ... was würden wohl die Jisken mit den Trowes machen, wenn sie herausbekamen, dass die gar nicht Danox bei sich hatten? Waren die Jisken anders als die Hajeps ? Sie hoffte inbrünstig, dass es liebere Kreaturen waren als die Loteken und Hajeps. Sie öffnete gerade das Gartentor, als Danox mit schrillem Gekreisch ihr einfach davon hüpfte.
„Kor wan dus ? Kesto el ! To bani dendo nesa !“ rief Margrit erschrocken. Aber das kleine Ding gehorchte nicht. Immer weiter und weiter sprang es einfach die Straße entlang. Danox unterbrach dabei seinen hellen Pfeifton und so konnte Margrit wieder einiges mehr hören, nämlich weitere Schüsse aus fremdartigen Gewehren, nun fast überall in den Straßen. Sollte sie einfach wieder in den Garten und zum Schuppen zurück laufen ? Das war ein ziemlich langer Weg. Danox ließ indes zu Margrits Überraschung zwei kleine Flügelchen aus den Bauchseiten seines runden Körpers hervorschnellen und segelte direkt durch das geöffnete Fenster des einzigen parkenden Autos in dieser Straße. Sie hörte es leise plumpsen, als er sich auf dem Sitz hinter dem Steuer fallen lies. Dabei stieß er einen solch mörderischen Pfeifton aus, dass sich Margrit die Ohren zuhalten musste.
„Danox, Danox, kor wan dus ?“ keuchte sie abermals, auch weil sie trotz eifrigem Umhersehens keinerlei Gefahr aus direkter Nähe erkennen konnte. Niemand war hier. Da wurde der Ton so stark, dass Margrit meinte, ihre Ohren würden zerspringen. Er machte wieder eine kleine Pause und da vernahm Margrit es auch. Schüsse aus fremdartigen Gewehren, Schmerzensschreie aus seltsamen Kehlen und das alles in allernächster Nähe. Doch sie konnte Danox nicht so einfach hinterher. Das sonderbare Metallwesen hatte wohl vergessen, dass sie nicht so klein und schmal gebaut war wie er, um sich durch das Autofenster zu quetschen. Würde sich die Tür vorne öffnen lassen ? Leider nein ! Jetzt hörte sie auch schon die Geräusche von Stiefeln von einer Ecke herbeiflitzen. Jemand war also vor irgendwelchen Leuten auf der Flucht. Ein paar Kameraden von demjenigen waren wohl vorher erschossen worden, das hatte Margrit ganz genau gehört. Eiseskälte umklammerte Margrits Herz, als sie nun an der hinteren Autotür zerrte, die leider ebenfalls abgeschlossen war. Was nun ? Vergessen war der Sack mit all den schönen Dingen. Sie hatte den noch immer dort hinten liegen gelassen. Verdammt, gleich würden hier alle aufkreuzen. Ganz vorne weg natürlich derjenige, den sie gerade jagten und dann ? Sie rüttelte zum letz¬ten Male auch auf der anderen Seite und ... endlich, wie durch ein Wunder war diese Tür aufgesprungen! Das Auto war so verrostet und altertümlich, dass es Margrit nicht gelang, die Tür hinter sich zu verriegeln. Vielleicht war die ja auch schon mal aufgebrochen worden. Man konnte keinen der Sitze umklappen oder verschieben, faulige Decken lagen hinten. Margrit kroch über die vordersten Sitze bis nach dort und warf die Decken nach kurzem Zögern einfach über sich.
„Danox, jelso ken !“ wisperte sie. Das Ding krabbelte mit seinen haarigen Beinen zu Margrit unter die Decken. Margrit hustete. Warum so dicht ? Oh Gott, war der ekelig, aber wegschuppsen wollte sie ihn nicht. Nun legte er auch noch seine langen, glibberigen Fühler über ihren Bauch. Verdammt, warum zog er diese grässlichen Dinger plötzlich nicht mehr ein ? Mit spitzen Fingern zupfte sie die rosanen, tentakelartigen Gebilde von ihrem Körper und legte sie geordnet - so gut es bei dieser beträchtlichen Länge ging – neben sich. Da hörte sie auch schon den Gehetzten herannahen und in den Nebenstraßen wurde derweil etwas auf Hajeptisch wie wild hinter ihm herge¬schrieen. Das klang zwar recht melodisch, trieb aber Margrit einen Gänseschauer nach dem anderen über den Rücken. Dann feuerten sie Schüsse – wohl zur Einschüchterung – einfach in die Luft. Da entdeckte der arme Kerl das Auto. Er rüttelte an der vordersten Tür, von der Margrit wusste, dass die nicht zu öffnen ging. Trotzdem wurde ihr dabei flau im Magen. Denn der Kerl war ungeheuer stark und der Wagen wankte wie ein Schiff bei höchstem Wellengang. Verrückt, warum wollte der riesige Bursche ausgerechnet auch noch hier hinein ? Margrits Gedanken jagten sich. Offenbar brauchte er ein ruhiges Plätzchen, um nach seiner Waffe zu sehen, weil die wohl nicht mehr so ganz in Ordnung war! Oder er wollte nachladen und dabei wenigstens einigermaßen geschützt sein, oder er wollte ...? War er etwa auch nur in Panik wie ein Mensch?
Er rüttelte nun völlig verzweifelte auch an der nächsten Tür und das ganze Auto bebte und wankte dermaßen, dass Margrit meinte, es würde dabei in Stücke zerrissen. Ihr Herz schlug nun so laut, dass sie Angst hatte, er könnte es hören. Dennoch quälte sie sich seltsamerweise mit dem Gedanken ab, ihm irgendwie helfen zu müssen! Schließlich war klar, dass man ihn töten wollte, genau wie zuvor seine Kameraden. Wie sah er eigent¬lich aus ? Sie hatte noch gar nicht richtig zum Fenster hinaus geschaut. War er etwa ein Jiske ? Die Jisken waren Margrit nämlich inzwischen recht sympathisch geworden, weil sie den Trowes zu Hilfe kommen wollten. Sollte sie ihm einfach öffnen ? Was würde er tun, wenn er sie sah ? Nun war er an der richtigen Tür. Margrit schnappte nach Luft. Nur wenige Sekunden und ...? Nanu ? Warum klemmte die plötzlich auch ? Da sah sie, dass Danox mit nur einem seiner langen, tentakelartigen Fühlern einfach die Tür von innen zuhielt. Donnerwetter das kleine Ding war wohl in Wahrheit gar nicht mal so hilflos! Konnte es glatt mit einem Außerirdischen an Kraft aufneh¬men. Wer hätte das gedacht ?
„Danox, kos to lossi ?“ wisperte sie dennoch aufgeregt. „Dieser hier ist sicher ein Guter, du kleiner Dummlack!“
Aber er gehorchte nicht. Schüsse knatterten nun direkt in dieser Straße. Die Verfolger hatten den armen Flücht¬ling bereits entdeckt und riefen ihm nun etwas zu. Man konnte dabei noch immer nicht herausbekommen, ob der Gejagte nun Jiske oder Hajep war. Jedenfalls schimpfte er irgendetwas wüst zurück. Er hatte eine schöne und stolze Stimme. Margrit hatte sich in der Hoffnung, er würde abgelenkt sein, nun doch ein wenig aufgerichtet, um zu sehen wer er war. Aber sie sah nur breite Schultern, eine weiten Umhang und seinen Helm! Ihr Atem stockte. Der trug ja das Hajepzeichen ? Sie blickte nach den anderen, die ihn verfolgten. Es waren neun Außerirdische und nur zwei Hajeps waren darunter, der eine von ihnen hatte – oh, Gott, wie entsetzlich ! - keine Hände mehr, nur mit Tüchern provisorisch umwickelte Stumpen, durch welche ständig schwarzes oder gar dunkelblaues Blut zu sickern schien. Wer hatte ihm nur diese grässlichen Wunden zugefügt ? Dieser Hajep hier etwa, den sie alle verfolgten ? Die sieben übrigen Verfolger trugen Helme mit einer Pyramide, in deren Inneren ein Auge erkenn¬bar war, also waren es Jisken. Gute Jisken offensichtlich, denn sie wollten wohl dem Hajep, der so schwer verletzt war, und dessen Freund, der auch ziemlich schlecht auf den Beinen war, helfen, indem sie sich den hier vorknöpften. Puh, und beinahe hätte sie diesem auch noch geholfen. Oh, Gott! Na, noch mal gut gegangen !
„Xojanto me Danox, xojant !“ wisperte sie deshalb heute schon zum zweiten Male in Danox spitze Öhrchen. “Jati to nuchon ?“
Doch dann begann sie sich sogleich zu fragen, weshalb denn Jisken, die sich doch eben noch hoch am Himmel mit den Hajeps bekriegt hatten, ausgerechnet mit diesen zwei Hajeps gut verstehen sollten ? Die letzte Frage sollte keine Antwort finden, denn plötzlich sauste irgendetwas Unheimliches, kaum Erkennbares wie ein Blitz zischelnd Richtung Auto. Der Hajep schrie vor Entsetzen, wollte einen Riesensatz zur Seite machen, aber da fiel er auch schon stöhnend in sich zusammen, schlug dabei zum Teil aufs Auto. Er war so schwer, dass Margrit meinte, es kippe dabei auf die Seite und dann stürzte er kopfunter einfach auf die Straße. Margrit hatte sich indes wieder zusammengekauert, wagte sich nicht zu regen. Auch als die Jisken den leblosen Körper triumphierend davon schleiften, blieb sie starr und zusammengerollt wo sie war. Während die Jisken zurück liefen, griffen sie johlend und kreischend nach Margrits Sack, nahmen den einfach mit. Margrit kamen die Tränen, denn vergebens war all ihre Mühe gewesen. Es dauerte ein Weilchen bis sie sich damit abgefunden hatte, noch einmal zur selben Stelle zurück zu laufen, um zu sehen, ob da noch etwas aufzutreiben war und dabei natürlich auch nach ihren alten Beuteln zu suchen, mit denen sie notfalls so schnell wie möglich zu Pommi laufen konnte, denn in dieser Stadt wimmelte es ja nur so von Außerirdischen. Sie musste schnellstens aus dieser hinaus. Es kostete sie schon einige Überwindung, Danox in die Hände zu nehmen und zur Dankbarkeit auf dessen Metallrücken zu küssen.
Und dann raunte sie ihm zu: „Usomi Danox ! Twacha usomi, moi xabir !“
Das Ding hatte dabei seine acht grässlichen Beine schlaff hinab hängen lassen, schließlich leise scheppernd sein kleines Mäulchen geöffnet – also gegähnt - und dabei den feinen Hornring im inneren seines Rachens hochge¬schoben. Für einige Sekunden waren zwei Reihen rasiermesserscharfer Zähnchen aufgeblitzt, aber Margrit hatte das von ihrer Seite aus nicht sehen können.
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Alt 21.08.2005, 10:23   #70
Doska
 
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Standard Kapitel 69

Kapitel 14

Nachdem Margrit für ein Weilchen gewartet hatte, öffnete sie die Wagentür, schob sich die Brille zurecht und ihre hellen, blauen Augen suchten prüfend die Gegend ab. Nichts Beunruhigendes war mehr zu sehen und die Geräusche von noch immer kämpfenden Truppen kamen inzwischen aus genügend weiter Entfernung. Schüsse waren zwar zu hören und böses Geschrei, aber das kümmerte Margrit nicht. Sie hatte es ziemlich eilig.
„Jasu me, moi xabir! Dos!“ rief sie aufgeregt Danox zu.
Das kleine Ding hopste sofort vom Fahrersitz auf die Straße. Danox hatte wohl ebenfalls nichts besonderes entdeckt, denn er summte dabei zufrieden. Schnell schlichen sie wieder zurück, doch als sie angekommen waren, musste Margrit feststellen, dass wohl neugierige Hajeps oder Jisken bereits alles abgeräumt hatten. Lediglich beschädigte Dinge hatten sie zurückgelassen. Enttäuscht ergriff sich Margrit noch einen einigermaßen passablen Topf und dann suchte sie nach ihren Beuteln. Hoffentlich hatten die Außerirdischen wenigstens die nicht ange¬rührt. Sie entsann sich, dass sie die Gott sei Dank vorhin irgendwo ins Gebüsch geworfen hatte. Die Frage war jetzt nur in welches? Schließlich wuchs hier auch an den unsinnigsten Stellen reichlich viel davon.
Da kam ihr ein Gedanke. Ob sie wohl Danox auch als ´Suchhund´ einsetzten konnte?
„Danox, jelso ken!“ wisperte sie angespannt und ließ seine langen Fühler den Topf abtasten. „Nota, nota!“ ermunterte sie ihn ungeduldig, da er ziemlich lange machte. Außerdem glaubte sie nicht so recht, dass es klappen würde.
Nun setzte er sich auch noch hin, schien wohl darüber nachzudenken, denn es summte und surrte plötzlich so merkwürdig in seinem komischen Metallkopf. Schließlich machte er sich mit seinen langen Beinen reichlich bedächtig auf den Weg. Schnupperte mit seiner rüsselartigen Nase mal hier mal dort, schob mit den sonderbaren Fühlern mal dieses mal jenes Zweiglein zur Seite, um wohl darunter zu schauen. Und plötzlich binnen weniger Minuten hatte er nicht nur einen, sondern gleich alle Beutel gefunden. Margrit war zwar begeistert, drückte sich aber trotzdem vor einem weiteren Dankeskuss auf seinen verstaubten Rücken.
„Usomi, Danox! Twacha usomi!“ lobte sie ihn dennoch artig, während sie den Topf, den sie vorhin gefunden hatte, noch in einem der leeren Beutel verstaute. „ Jelso wona sahon kito!“
Die Glühbirnchen leuchteten auf, zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Hurtig ging es zurück. Margrit gab nämlich der Gedanke keine Ruhe, trotz allem bei diesem Schwarzhändler wenigstens die Dinge anzubieten, welche sie sich gestern Abend noch von den ´Maden´ hatte erbetteln können. Das war zwar spärlich, aber wenn sie ihm alles schilderte, die ganze Sache mit ihrer Familie, würde er doch wohl mit ihr erbarmen haben! Schlie߬lich rang sie sich dazu durch, einfach weiterhin unterwegs nach interessanten Dingen Ausschau halten, denn restlos alles konnten ja diese verrückten Außerirdischen wohl schlecht gefunden haben. Sie beschloss schließlich sogar trotz aller Gefahr, denn in der Ferne war ja eigentlich noch immer viel Lärm zu hören, dabei einen kleinen Umweg durch weitere Straßen des Villenviertels zu wagen, um dort nach wertvolleren Dingen zu suchen. Der Feind kämpfte wohl weiterhin mit den Jisken! Erstaunlich, dass sich dieses Volk dermaßen für die paar Trowes einsetzte. Verwunderlich überhaupt dieses anhaltende Interesse sämtlicher Außerirdischer an Danox! Etwas ausgesprochen Verheißungsvolles mochte wohl inzwischen von irgend jemandem über dieses Ding sowohl den Jisken als auch den Hajeps und Loteken zugetragen worden sein, dass deswegen vermutlich sogar Pasua auf der Erde gelandet war! Margrit hörte das Sausen weiterer Lais in den Straßen vom östlichen Teil der Stadt. Es schie¬nen immer mehr Fahrzeuge zu werden und das Rauschen und Hämmern sonderbarer Bodengeschütze. Drei weitere Kampfflugzeuge waren wohl inzwischen zu Boden gegangen. Margrit hatte es dabei hinter sich mächtig Dröhnen und Krachen gehört und alsbald Feuer gierig empor züngeln und fette Rauchwolken zum Himmel hinauf wandern sehen. Es stank deshalb noch immer ein wenig nach Verbranntem, obwohl die Außerirdischen es verstanden hatten, sofort und geschickt wieder alles zu löschen. Sie waren inzwischen dermaßen ineinander verkeilt, das dieser Umstand Margrit nur zum Vorteil gereichen konnte.
Kaum dass Margrit das Villengebiet wieder erreicht hatte, musste sie feststellen, dass hier wohl ein wesentlich heftigerer Kampf stattgefunden hatte, als sie sich das so gedacht hatte, denn es waren deutliche Spuren davon zu sehen. Zum Beispiel eingestürzte und verkohlte Dächer. Manchmal standen nur doch die Mauerreste eines Hauses herum, riesige Löcher in Häuserwänden, metertiefe Krater in Straßen oder Bürgersteigen, völlig wegge¬fräste, zerkrümelte Bäume. Aber es gab auch dezentere Dinge, die bereits darauf hinwiesen. Nämlich lange, dünne Bahnen merkwürdiger Geschosse, wie mit winzigen Kreissägen verursachte Risse hier und da, meter¬lange, hauchfeine Brandspuren auf den Bürgersteigen, runde, exakt anmutende und nur daumenbreite Löchlein in manch einem Pfeiler oder Baum, durch welche man hindurchschauen konnte. Hier und da sogar ein reichlich klebriges Humushäufchen, sonderbar schwarze Blutspuren, die irgendeinen Weg entlang führten. Manch ein übriggebliebener Fetzen - wohl von hauchfeiner, metallartiger Kleidung – lag mitten im Weg, baumelte vom Ast herab oder wurde vom Wind durch die Straßen gewirbelt.
Als Margrit gerade an einer von dichtem Moos überwachsenen Mauer vorbeikam, stockte ihr der Atem; denn direkt dahinter, in der Einfahrt eines angrenzenden Backsteingebäudes, hatte Margrit einen Menschen auf einer Leiter oder etwas ähnlich Erhöhtem seelenruhig sitzen sehen. Oh Gott, begegnete ihr etwa heute doch noch ein Mensch? Vorsichtig, und so als ob eine schnellere Bewegung jede Hoffnung zunichte machen könnte, schob sie sich die Brille zurecht und blickte mühsam an drei immergrünen Büschen vorbei. Tatsache! Margrit atmete keuchend aus. Die Proportionen stimmten ... da hinten war kein verkleideter Trowe, wirklich ein Mensch! Na ja, so sah das jedenfalls erst mal aus. Sie runzelte angespannt die Stirn und schob dabei eine Haarsträhne, die ihr wieder aus dem Haargummi gekrochen war, hinter das Ohr. Aber ... was wollte der da oben? Worauf saß oder vielmehr lag der eigentlich? Hatte der etwas von dort aus sehen wollen, wie weit sich die Außerirdischen inzwi¬schen zurück gezogen hatten und war plötzlich darüber eingeschlafen? Margrit musste über diesen abstrusen Gedanken nun doch ein bisschen schmunzeln.
Er lehnte dabei rücklings am Stamm einer uralten Eiche. Margrit stellte sich auf die Zehenspitzen, um mehr zu erkennen und verlor dabei fast ihre ausgeleierten Turnschuhe. Sie hörte es direkt neben ihrem Ohr plötzlich unangenehm surren. Danox war mit seinen hautähnlichen Flügelchen empor geflattert und linste nun mit seinen Glühbirnchenaugen ebenfalls über die Mauer. Er hatte sogar die Fühler ausgefahren, welche er immer wieder abwechselnd in die Richtung ausstreckte, wo der Mann lag. Plötzlich fuhr Danox zurück und zwar so wie etwa ein Mensch, der plötzlich jemanden wiederzuerkennen gemeint hatte, gab jedoch keinen Ton von sich, sondern taumelte nur recht undiszipliniert in der Luft herum, was Margrit sehr überraschte, denn für sie war noch immer nichts Besonderes erkennbar. Enttäuscht sank sie wieder auf ihre Fußsohlen und somit in ihre Turnschuhe zurück. Danox hingegen hatte sich – so schien es – beruhigt, blieb aber weiter in der Schwebe und spähte in die Ferne.
Sollte Margrit nun den komischen Mann da vorne einfach so herumlümmeln lassen oder nicht? Sie zog sich mit gekrauster Stirn die Hacke ihres Schuhs zurecht. He, es konnte für diesen vielleicht doch gefährlicher werden als gedacht, sofern die Truppen wiederkamen. Aber warum sollten sie? Und wenn es nun den Trowes bei diesem ganzen Durcheinander – denn sonderlich diszipliniert waren ja diese außerirdischen Truppen nicht, sonst hätten sie nicht so ganz nebenbei geplündert - geglückt war, sowohl den Hajeps als auch den Jisken zu entkommen und bis hierher zu türmen? Das wäre dann aber ein ausgesprochen verrückter Zufall - wirklich! Sie ordnete ihr Haar und beobachtete dabei Danox. Was hatte der nur? Es surrte schon wieder so komisch in seinem Kopf.
„Ke, Danox, kor wan dus?“ fragte sie ihn leise. Er reagierte nicht, flog jetzt nur hinter einen Zweig jener immergrünen Büsche, anscheinend um sich vor den Blicken dieses Mannes zu verbergen, gab aber trotzdem keinen warnenden Ton von sich, aber auch keinen beruhigenden. Konnte er plötzlich defekt sein? Immerhin war er schon etliche Jährchen alt, nach alledem was Margrit so über Danox gehört hatte. Und dann meinte sie plötz¬lich zu wissen, weshalb er sich so komisch benahm. Er hatte niemanden wieder erkannt, oh nein, das Gegenteil war wohl eher der Fall. Er hegte nämlich ein beträchtliches Misstrauen gegen Personen, die er noch nicht kennen gelernt hatte. Im Klartext: er wusste jetzt einfach nicht, was er von dem Menschen dort vorne halten sollte. Darum auch null Information! Also musste Margrit selber entscheiden. Hm, schwierig die ganze Sache! Aber die erste Möglichkeit, dass dieser Mensch auch ein gut verkleideter Außerirdischer sein konnte, schlug sie schon mal ganz aus, denn der Feind war ja auf der Suche nach Trowes gewesen, hatte also auch nicht vor, irgendwel¬che Menschen anzulocken. Außerdem befand er sich mitten im Kampf mit den Jisken. Jeder Mann wurde also gebraucht. Was sollte er dann ausgerechnet hier und allein? So beschloss sie also, diesen Menschen aufzusu¬chen, denn es konnte ja sein, dass irgendwie Hilfe nötig war. Danox sah, dass Margrit kehrt machte, ließ sich deshalb zur Erde fallen und kam ihr mit zitternden Beinchen hinterher. Margrit hatte bereits die Mauer hinter sich gelassen, als Danox mit einem leisen, kaum hörbarem Ächzen neben einem leeren Helm stoppte, der im Rinnstein lag. Margrit wendete sich um, grässlich, der prächtige Helm, welcher ganz gewiss vom letzten Kampf herrührte, war über und über mit schwarzen Spritzern besudelt und roch richtig unangenehm. Nicht nur Margrits Nackenhaare stellten sich deshalb auf, ebenso die kurzen Wuschelhärchen zwischen Danox spitzen Ohren und sie zitterten sogar vor Elektrizität. Vorsichtig, ganz vorsichtig stelzte Danox schließlich doch an diesem Helm vorbei.
Und dann standen sie vor dem prächtigen Tor des gusseisernen Zaunes, der den parkähnlichen Garten vor dem Backsteingebäude umgab. Margrit spähte durch die Gitterstäbe und Danox ebenfalls. Und schon wieder musste Margrit schmunzeln, denn das Bild, welches sich ihnen bot, war wirklich zu komisch um wahr zu sein. Denn der Bursche lag völlig entspannt auf einer steinernen Mülltonneneinfassung! He, warum ruhte er denn nicht in dem lädierten, jedoch recht gemütlichen Stuhl, der vor dem Geräteschuppen stand? Margrit rieb sich gedanken¬versunken das schmale Kinn. So war er erhöht und für jeden sichtbar, sogar von oben. Dieser Mensch hatte seine knallrote Schirmmütze so tief ins Gesicht gezogen, dass man nur die untere Hälfte davon erkennen konnte. Er trug außer der grauen Pumphose, oder was das auch immer für ein merkwürdiges Bekleidungsstück war, und den schwarzen, mit merkwürdigen Schnallen versehenen Stiefeln, eine weite Jacke über dem weißen Hemd, das einen ziemlich hohen, aber irgendwie eleganten Stehkragen besaß. Die Jacke hatte das gleiche grelle rot wie die Schirmmütze. War `ne richtige Zielscheibe, aber schick, der Knabe! Margrit kicherte verwirrt in sich hinein. War ja auch egal! Jedenfalls war dessen Anwesen reichlich verwildert und das Glas der Terrassentür sah aus, als wäre es kürzlich zerschlagen worden, drinnen schienen außerdem Möbel umgestoßen worden zu sein. Die Tür vom Flur dahinter schien sperrangelweit offen zu stehen und den Blick auf einige der übrigen Räume frei¬zugeben, in denen es wohl reichlich wüst zugegangen war. Hatte es etwa vorhin eine Hatz quer durchs Haus gegeben? Der Gartentisch auf der mit Scherben übersäten Veranda war umgekippt und zwei lange Tischdecken¬zipfel flatterten hilflos im Wind, ebenso zeigten die Stühle ihre Unterseite, zwei davon waren einfach in das verwilderte Rosenbeet gestürzt. Was war hier passiert? Das war hoffentlich kein Krieg gegen die restlichen Menschen, welche sich wohl noch in der Stadt verschanzt hielten, gewesen, oder? Ihr Blick wanderte wieder zu dem sonderbaren Burschen zurück. Wer war dieser Mann? Was hatten sie mit ihm gemacht?
Margrits Herz begann schneller zu schlagen, als sie sah, dass anstelle des Gartentorschlosses nur noch ein etwa handbreites Loch vorhanden war. Der prächtige Steinsockel, der das Tor hielt, hatte ein ebensolches, man konnte durch beide abwechselnd ziemlich gut den Garten überschauen. Margrit entdeckte regelrechte Trampelpfade im meterhohen Gras und niedergedrückte Stellen hinter Buschwerk, wo man sich vermutlich verborgen gehalten und größere Flächen, wo man sich versammelt hatte.
Sie hielt sich schließlich an den gusseisernen Stäben des Tores fest, als müsse sie an irgendetwas Halt finden und lehnte die heiße Stirn dagegen. Weshalb klettert jemand von alleine auf so eine dämliche Mülltonneneinfassung? Verdammt, verdammt! Hatte er nach jemanden gesucht und war dann vielleicht dort oben umgekippt, aus welchem Grunde auch immer, und nur der Baum hinter ihm hatte seinen Sturz aufgehalten? Sehr absurd das Ganze! Aber Margrit konnte irgendwie nicht umkehren, auch wenn Danox ihr das mit heftigen Bewegungen seiner beiden Fühler anzudeuten versuchte, vielmehr trieb sie irgendetwas an, unbedingt in diesen Garten zu gehen. War`s die Neugierde, oder die unerklärliche Sehnsucht nach ihrer eigenen Spezies, oder einfach nur ernstliche Sorge um diesen Burschen? Ihre Hände zitterten jedenfalls so sehr, dass sie zunächst das Tor gar nicht aufbekam, obwohl das gewiss ganz einfach ging und so fragte sie durch die Gitterstäbe hindurch:
“Hallo?” Ihre Stimme hatte ängstlich und zag geklungen, etwa wie bei einem Kleinkind und so gab sie sich einen Ruck, wurde kesser und somit lauter: “HALLOOOO?”
Hu, hatte sie sich über ihre eigene Tonlage erschreckt, denn ihre Knie bebten jetzt wie Pudding, auch Danox kleiner runder Körper zitterte wie ein defekter Presslufthammer. Sie atmete tief durch, beruhigte sich und über¬bot sich schließlich selbst: “GUTEN TAG!” brüllte sie, für diese unangenehmen Verhältnisse sagenhaft laut.
Mit gekrauster Nase riss sie schließlich die Pforte wild entschlossen auf. War schlecht geölt, typisch! Der schrille Ton ließ nicht nur sie sondern auch Danox zusammenfahren, doch dann betraten beide einfach das Grundstück. Der Bursche reagierte noch immer nicht. Nur der Wind bewegte ab und an die Zipfel seiner offenen Jacke, und daher begann Margrit, ein volkstümliches Lied vor sich hinzusummen, sie sang nämlich gerne, am liebsten sogar, wenn sie sich ein wenig hilflos fühlte, denn das beruhigte sie.
Immer noch kam keinerlei Reaktion von ihm. Margrit zupfte ein paar Halme von ihrem Ärmel und schaute zu ihm hinauf. Der Typ war gut gebaut, das musste sie schon zugeben und wie er da so lag, mit diesen breiten Schultern und den ganz langen Beinen, so völlig entspannt, da war er einer männlichen Schaufensterpuppe längst vergangener Zeiten wirklich nicht ganz unähnlich. Nun stand sie ganz dicht vor ihm. Sie hätte sich nur ein wenig zu ihm emporrecken, die Hand nach ihm auszustrecken brauchen und ihn zum Beispiel am Knie oder Bauch berühren können. Aber das wagte sie nicht. Irgendetwas bremste sie. War es Danox komisches Gehabe? Aus dem Augenwinkel sah sie nämlich, wie sich kleine Ding gerade zwischen zwei große Felsbrocken, die wohl ehedem zur Zierde dieses Gartens gereicht hatten, verkroch und dabei sämtliche Gliedmaßen, einschließlich Kopf im wohl recht geräumigen Körper verschwinden ließ. Nun sah Danox ganz so aus, wie ihn Margrit einst vorgefunden hatte: Verstaubt, scheinbar nutzlos, eben wie ein Stein und er gab noch immer keinen Ton von sich.
Margrits Wimpern flatterten unsicher, als ihre Augen wieder zu der schicken Schaufensterpuppe zurück wanderten. Und plötzlich wusste sie, warum sie solche Hemmungen vor diesem Kerlchen hatte. Dieser Typ sah nämlich nicht nur gut aus ... er war einfach schön! Dabei war sie doch gerade bei Männern stets sehr kritisch gewesen. Wo viele Frauen gleich wild losjubelten, hatte sie immer noch etwas auszusetzen gehabt. Aber das Gesicht, dieser Männerkörper, jedenfalls das, was sich davon unter der Kleidung abzeichnete, schien wirklich ohne jeden Makel zu sein! Verdammt, wie kam sie nur dazu? Schließlich konnte man doch noch gar nichts genaues über ihn sagen. Nicht einmal sein Gesicht war vollständig entblößt. Sie schaute auf sein Kinn. He, wie eitel! Dort, wo er ein kleines Grübchen hatte, war ja ein kleiner, silberner Stern eintätowiert! Der Bursche schien wohl ganz genau zu wissen, wie attraktiv es war! Hm, Margrit wurde jetzt richtig neugierig, bückte sich etwas, um von unten zu ihm hinauf unter die Schirmmütze zu lugen. Och, da war nur sein Mund ... pah ...nichts Beson¬deres! Nur so ein oller Knutschmund ... weiter gar nichts! Und oben drüber blinkte eben diese schicke Spiegel¬glasbrille. Ob man die wohl klammheimlich ...ohne, dass er es merkte? Welche Augen musste dieses Gesicht erst haben, wenn es einen solch sinnlichen Mund besaß? Zum Donnerwetter, schon wieder! Was war nur mit ihr passiert? Das war halt nur irgendein Mensch, der in Würzburg verblieben war. Aber ein ausgesprochen Tapfe¬rer, das musste man schon sagen. Wenn der hier mit den Außerirdischen gekämpft hatte, dann ...! Verdammt, schon wieder war sie dabei, sich für diese Pennratte hirnrissig zu begeistern.
Sie stellte ihre Beutel ab, direkt zu seinen Füßen, lehnte sie gegen die Mülltonneneinfassung und lief danach skeptisch einmal ganz um ihn herum. Hm ...hmmm ... sie musste diesen zur Erde herabgefallenen Engel wecken, klarer Fall! Und wie machte man das, wenn man solche Hemmungen hatte wie sie? Sie schlug die Arme über¬einander und fuhr kurz darauf zusammen. Grundgütiger Himmel, schon seit einem ganzen Weilchen hatte sie sogar die Hajeps in der Ferne völlig außer Acht gelassen. Lärm war zwar noch herauszuhören, aber kein unge¬stümes Toben mehr, sondern ein irgendwie geordnetes Rumoren. Wer hatte hier gesiegt? Die Jisken oder die Hajeps? Ach, das Wichtigste für Margrit dabei war, dass alles genügend entfernt war.
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Alt 17.09.2005, 15:11   #71
Doska
 
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Standard Kapitel 70

Plötzlich kam Margrit der Anflug eines schlimmen, wirklich sehr schrecklichen Gedankens. Was war, wenn dieser göttliche Adonis bereits nicht mehr lebte? Du lieber Himmel, konnte man denn so unverschämt gut aussehen, obschon man längst eine Leiche war? Na ja, wenn ...also dann -sie schluckte- musste dieser Typ jedenfalls bereits erstarrt sein, denn sonst hätte er nicht in dieser Stellung so hoch oben auf der Mülltonnenein¬fassung lehnen können. Er wäre heruntergefallen! Peng! Flatsch! Oder hatte man ihn etwa ... ihr Herz klopfte nun wieder ziemlich schnell ... festgebunden? Makabere Idee! Aber es bestand doch wirklich die Möglichkeit, dass dieser Mensch bereits ermordet worden war? Sie spielte hektisch an ihrem Ohrring. An diese Variante hatte sie die ganze Zeit noch gar nicht gedacht, ehrlicherweise nicht denken wollen! Wirklich! Die Hajeps konnten vorhin gut und vor allem gerne ihre ´niedlichen´ Spielchen mit ihm getrieben haben. Hm ... aber eigentlich sah er nicht so aus, als ob er so einfach ´niedliche Spielchen mit sich zulassen würde! Na, egal - aber dafür hatten sie ihn womöglich auf diese Mülltonneneinfassung gesetzt. Gewissermaßen als kleinen Gag! Igitt! Ihre Hand ließ den Ohrring endlich los. Bestimmt hatte er dann überall Spuren von irgendwelchen F...
Folterungen? Grässlich ... ekelig! Nein, sie wollte jetzt nicht zimperlich sein. Aber, konnte sie es denn allen Ernstes ertragen, wenn ihm zum Beispiel der hübsche Kopf herunterfiel, da man ihn womöglich bereits ent...hm ...hauptet und den, nur vielleicht nur so zum Spaß, wieder auf seinen Rumpf gesetzt hatte? Nein, sie brachte es jetzt ganz bestimmt nicht fertig, ihn bei den Schultern zu nehmen und kurz durchzuschütteln, wie sie sich das eigentlich zuerst vorgenommen hatte, um ihn wieder wach zu kriegen. Es war nämlich ein großer Spaß der Hajeps, Menschen in Angst und ekelhafte Stimmung zu versetzen.
Darum reckte sie sich zu ihm empor und legte nur ausgesprochen sacht ihre Hand auf seinen Arm. Er rührte sich nicht.
“Hallo?” sagte sie wieder, aber es klang wohl eher wie irgendein Genuschel. Boah, waren das vielleicht Muckis, dabei war das nur der Unterarm! Aber leider noch immer keine Reaktion. Herr im Himmel, es schien ihm wirk¬lich sehr schlecht zu gehen, denn sein Gesicht war nicht nur völlig bleich, selbst seine Lippen erschienen ihr plötzlich bläulich! Wie konnte ihm nur eine dermaßen hässliche Farbe trotzdem dermaßen gut stehen?
Sie nahm den kleinen Schemel, den sie links vom Schuppen entdeckt hatte, stellte den dicht vor die Mülltonnen¬einfassung und kletterte darauf. Nun war sie mit ihrem Gesicht ungefähr auf seiner Höhe und ihr Schatten fiel auf ihn. Sie sah auf diesen kussbereiten Mund und beugte sich vor - zugegeben, vor lauter Aufregung, nicht gerade geschickt, denn es fehlte nicht viel und sie hätte ihn mit ihren Lippen berührt.
"He, Sie", krächzte sie dabei lauter. "Geht es Ihnen nicht gut?"
Nicht die kleinste Zuckung seiner Mundwinkel, kein Atmen ... nichts! Vor lauter Enttäuschung wollte sie sogleich hinabsteigen, doch dann gewahrte sie sonderbare Flecken an seinen Wangen. Etwa Schmutz? Sie wollte sie wegwischen, verharrte aber. Nein, das waren wohl eher weitere Tätowierungen oder gar Narben? Eigentlich beides, wenn sie genauer hinschaute. Zwar schon längst verheilte, jedoch immer noch enorm tiefe Löcher, die groteskerweise mit jeweils einer grünen Zackenlinie recht deutlich zur Geltung gebracht worden waren. Du lieber Himmel, warum tat er sich denn so etwas an? Schmückte diese derart grausigen Verletzungen auch noch. Sie war darüber so verwirrt, dass sie beinahe gemeinschaftlich mit dem Schemel umgekippt wäre.
Fast im gleichen Augenblick vernahm sie in der Ferne, dass der Feind dabei war, wieder einmal Lais in Gang zu setzen. Die Motoren brummten auf. Es gab wohl ein paar kleinere Einheiten, die sollten jetzt wieder heimwärts, oder? Nanu, jetzt wurde es wieder ganz still. Irgendwie machte ihr das Angst und sie regte sich deshalb für ein Weilchen nicht. Aha, endlich! Da waren sie doch wieder zu hören. Margrit hatte sich schon richtig nach diesem Lärm gesehnt. Ach, es war ihr jetzt ganz Wurst, ob sie nun mit ihren kleinen Gleitern bis zu ihren Stützpunkten fahren oder fliegen würden oder im riesigen Trestine, hauptsache sie blieben hübsch dort, wo sie gerade waren.
Sie legte nun ihr Ohr auf seine Brust ... erst verständlicherweise zag, so dass sie ihn kaum berührte - na ja, man wusste ja nie, was dadurch so alles noch von oben herunterfallen konnte – dann aber so, dass sie wirklich etwas hören müsste. Merkwürdig, auf der linken Seite seines Oberkörpers vernahm sie nichts ... aber etwas weiter rechts. da hörte sie es ... erst kaum, aber dann immer heftiger schlagen, sein Herz! Grundgütiger Gott, er lebte also! Sie war von dieser Erkenntnis regelrecht überwältigt, taumelte daher wieder fast vom Schemel herunter, dabei glitt ihr Blick zu ihren Beuteln, die immer noch zu den Füßen dieses ´zu Stein gewordenen Engels´ und unten gegen die Mülltonneneinfassung lehnten, ganz so, wie sie die halt vordem hingestellt hatte.
War es eigentlich gut, sollte sie diesen Kerl heute noch wach bekommen, wenn er dabei gleich diese Beutel
sah? Sie bückte sich, versuchte die langen Grashalme darüber zu zupfen und der Schemel, auf dem sie noch immer stand, kippelte dabei bedenklich, aber es gelang ihr trotzdem nicht richtig, die Taschen zu verbergen.
Verdammt, sie knirschte mit den Zähnen und stieg hinab, heutzutage beklaute doch jeder jeden und sie kannte den Burschen nicht. Er war stärker als sie. Also hatte es vielleicht auch sein Gutes, dass er noch immer nicht richtig zu sich gekommen war. Sie schaute sich um. Sollte sie nun die Beutel irgendwo im Schuppen ... oder waren sie besser hinter dem Brunnen dort aufhoben ...oder gar im Haus?
Nein, das war alles viel zu weit, so viel Zeit hatte sie nun auch wieder nicht. Ohne weiter viel über die Hajeps im Osten nachzudenken, schob sie, leise ächzend, erst einmal die schweren, langen Beine dieses ´Schnarchis´ beiseite, dann öffnete sie die gewaltige Tür der steinernen Einfassung direkt unter ihm - es quietschte etwas - und ließ die Beutel einfach in die riesige Mülltonne fallen. Ein lautes, schepperndes Plumpsen hatte ihr dabei ange¬zeigt, dass die Tonne nicht nur sehr tief, sondern außerdem leer gewesen war. Oh Gott, war wohl nicht so ein guter Gedanke gewesen, denn wie sollte sie die Beutel später daraus wieder hervorbekommen? Na egal, Margrit machte einfach alles wieder zu - es quietschte abermals, doch diesmal viel schlimmer als vordem - und da sah Margrit, dass der ´Engel´ erwacht war. Er beobachtete Margrit wohl schon seit einigen Minuten, es war ihr nur nicht aufgefallen, weil sie so sehr mit ihren Taschen beschäftigt gewesen war. Sie konnte trotz seiner undurch¬sichtigen Brille irgendwie spüren, dass er sie anstarrte, denn er hatte dabei den Mund leicht geöffnet, hatte regel¬recht vergessen, ihn wieder zu schließen.
Margrit war ebenso fassungslos über diesen beinahe unwirklichen Moment. Sie verharrte mitten in ihrer Bewe¬gung, denn irgendwie hatte sie, wenn sie ehrlich war, heute überhaupt nicht mehr damit gerechnet.
Sie konnte nicht sprechen, nicht einmal mehr schlucken oder gar atmen! Vielleicht aus Angst, es könne deshalb gleich wieder alles vorbei sein? Das Traumgesicht hatte sich dabei ein wenig zur Seite gewendet und war somit zum Teil hinter einem Zweig verborgen, als verstecke es sich vor Margrits Blick. Das einzige, was nun bei Margrit sehr tüchtig funktionierte, wissen wir, das war ihr Herz. Es trommelte so sehr, dass sie glaubte zu ersti¬cken, würde sie nicht augenblicklich Luft holen. Konnte sie das tun? Sie wagte einen kleinen Atemzug.
Doch der genügte nicht und so hob und senkte sich ihre Brust. Schließlich keuchte sie ganz entsetzlich! Gott sei Dank veränderte sich die Miene des Engels deshalb nicht! Margrits Wangen hingegen zuckten, sollte sie lachen oder nicht? Ihr wurde heiß, der Magen rumorte.
´Auweia´, dachte sie plötzlich, ´wenn der seine noch eben vor ihr versteckten Flügel ausbreitet und von dieser Einfassung fliegt ...Unsinn ...wohl eher springt. Oh Gott, warum sollte er denn das alles tun?´ Sie schluckte bei diesen vielen wirren Gedanken und mit einem Male überfiel sie Panik - so sehr, dass sie den augenblicklichen Wunsch hatte wegzuflitzen! Aber sie riss sich zusammen.
´Verrückt´, dachte sie jetzt. ´Die ganze Zeit hattest du dich danach gesehnt, dass diese Skulptur, dieser Granit¬block endlich zum Leben erwachen würde und nun tut man dir den Gefallen und es ist dir auch nicht Recht.´ Konnte es vielleicht die gewaltige Größe dieses muskelbepackten Kerlchens sein, die ihr plötzlich ins Auge stieß oder ...? Gleichzeitig wiederum musste sie feststellen, dass sie eigentlich gar nicht mehr fort konnte, irgendetwas hielt sie fast auf magische Weise fest. Ja, sie war von diesem eigenartigen Moment, dieser völlig neuen Situa¬tion, wie verzaubert – einfach überwältigt! Himmel, weshalb eigentlich? Schließlich war doch nichts weiter passiert, als dass ein ganz normaler Junge endlich wach geworden war? Was zwang sie also, unbedingt dort zu bleiben, wo sie war? Darum richtete sie sich sehr langsam und vorsichtig endlich auf.
”Amar?“ krächzte sie zu ihm hinauf. Komisch! Warum sagte sie gerade das? „Äh, Hallo, meinte ich natür¬lich!“ Und dann lächelte sie ihn einfach an.
Er schaute nur auf die Winkel dieses rosafarbenen Mundes, da die so komisch nach oben gestülpt und eingezo¬gen waren und dann glitt sein Blick abermals über dieses Gesicht, welches sich erstaunlicherweise durch die tiefen Furchen in den Wangen auch in seiner Gesamtheit fast völlig verändert hatte, da es runder und somit weicher geworden war. Die Augen leuchteten in einer hellen, wasserblauen Farbe mit einer ziemlichen Ausdruckskraft und selbst die zarte Haut drum herum kräuselte sich sanft in vielen kleinen Wellen.
Da er das seinige noch immer hinter dem herabhängenden Zweig verborgen hielt und somit ein wenig zur Seite gedreht hatte, konnte Margrit sehr gut die ein wenig seltsam ausschauende Ohrkapseln mustern, die er trug. Dabei fiel ihr auf, dass die viel zu klein waren, höchstens zwei Zentimeter breit, um ...sie schluckte ... verdammt, er hatte keine Ohrmuscheln mehr! He, weshalb eigentlich? Sie machte sehr langsam und vorsichtig mehrere Schritte vor ihm zurück. Dann meinte sie zu wissen weshalb. Dieser Mann musste früher Schreckliches erlebt haben. Hajeps hatten ihm, gewiss als er noch klein war, so etwas Grausames angetan. Daher wohl auch die furchtbaren Verletzungen in den Wangen. Ach, sie hatte ja schon die grässlichsten Dinge gehört und sogar selbst gesehen. Womöglich schmückte er diese grässlichen Verletzungen, weil er auf diese Weise darüber hinweg zu kommen hoffte. He, das sah gar nicht mal so schlecht aus! Der Junge hatte Geschmack!
Er musterte ihre Stirn, die lag plötzlich in Falten. Still bei sich musste er zugeben, dass er von der enormen Beweglichkeit dieses Gesichts nicht gerade unbeeindruckt war!
"Sie sind taub, richtig?" sagte Margrit jetzt einfach und lächelte ihn wieder mutmachend an.
Zwar hatte er nichts verstanden, aber reizend, ganz reizend fand er doch immer wieder dieses Mundwinkelhi¬naufziehen. Es erschien ihm sogar am besten, weil da immer die Augen so schön mitblitzen konnten! Er seufzte zufrieden.
Margrit stutzte. Warum seufzte der denn so komisch? Na klar, er hatte Schmerzen. Das fragte sie ihn auch gleich und unterstrich noch alles, so gut es ging, mit Zeichensprache.
Wie erwarte, kam kein Wort aus ihm heraus, außer einem weiteren Ächzen. Er war so erstaunt über ihre hekti¬schen Bewegungen mit den Händen, dass er zu nichts weiterem fähig war.
Angestrengt grübelte Margrit und hielt sich dabei das Kinn. Womöglich war er gar gelähmt, da er nicht einmal die Finger bewegte!
´Warum fasst sich das Geschöpf jetzt ans Kinn?´ dachte er indes. Nurrfi, nurrfi, Völker fremder Planeten zu erforschen, war stets sein Hobby gewesen und er konnte heute wohl tatsächlich einiges mehr über diese Spezies Lumantias herausfinden als sonst, da dieses Exemplar sich so natürlich, so ungehemmt gab. Lag wohl auch ein bisschen daran, das es nicht eingesperrt war! Er musste nur ganz vorsichtig sein! Xorr, so weit er zurückdenken konnte, war er eigentlich noch nie vorsichtig gewesen! Lag ihm irgendwie nicht. Er dachte angestrengt darüber nach, stützte deshalb sein Kinn - nur so versuchshalber - in die Hand, wie es eben dieses Wesen tat, und siehe da, das beruhigte! Hingegen sein Fuß ... wippte!
Aha! Margrit hatte zu ihrer großen Erleichterung wenigstens etwas erfasst, nämlich, dass er nicht so schwer verletzt war, dass er sich nicht bewegen konnte. Allerdings schien er nun über irgendetwas angestrengt nachzu¬denken. Womöglich genierte er sich, dass er nicht hören und deshalb vielleicht auch nicht ganz so gut sprechen konnte. Sie stieg also wieder auf den Schemel, kam ihm ganz nahe und wies auf ihren Mund.
“Schauen sie ruhig darauf!” sagte sie. “Und haben Sie keine Hemmungen!”
Er fuhr erschrocken zusammen und sein Fuß hörte auf zu wippen. Denn was war jetzt? Warum rückte dieses Wesen plötzlich, zudem in solch einer aggressiven Weise, einfach vor und zeigte dabei auf seine eigenen Lippen? Da meinte er zu wissen, um was es hier ging! Er sollte natürlich etwas mit diesen Lippen machen! Hm ... hmmm.! Die Frage dabei war allerdings ...was? In seiner ganzen Hilflosigkeit hob er schließlich die Hand ziemlich langsam – denn man wusste ja nie, was solch eine niedere Natur in Wahrheit im Schilde führen konnte - und berührte mit dem Finger auf die gleiche Weise seinen eigenen Mund.
„Nanu?“ Margrit war ganz verwirrt und beleckte sich daher ihre trocken gewordenen Lippen. “Wollen Sie mir damit etwa andeuten, dass Sie zu sprechen nicht fähig sind? Ach, geben Sie mir doch bitte ein Zeichen!
Was fehlt Ihnen? “
Was hatte dieses besonders lebhafte Exemplar gerade von sich gegeben? Er hatte noch immer nichts verstanden! Es war völlig klar, dass es Hunger hatte, denn es beleckte sich sogar die Lippen. Für einen kurzen Moment dachte er dabei sogar an Kannibalismus, verwarf diesen Gedanken aber sogleich wieder, weil er das wohl mit den Völkern Krabasts, eines ebenfalls recht hübschen Planeten, durcheinander gebracht hatte. Jedoch hatte diese aggressive Vorgehensweise ganz gewiss etwas Besonderes zu bedeuten. Hich! Wenn nun dieses Exemplar eine Art Terrorist war, das damit andeutete, dass es vorhatte ihn augenblicklich zu töten? Erschrocken stellte er fest, dass es Waffen bei sich hatte, dann blickte er wieder angespannt auf diese Lippen und beleckte sich ebenfalls sehr, sehr vorsichtig die seinigen.
´Oh Gott!´ dachte Margrit. ´Jetzt weiß ich´s! Der Bursche hat Durst, denn er beleckt sich die Lippen. Armes Kerlchen.´ Margrit stieg stirnrunzelnd wieder vom Schemel herab. Sie musste ihm schnellstens etwas zu trinken bringen, damit er wieder zu sich kommen konnte. Sie lief einige Schritte von ihm fort, stemmte schließlich die Fäuste in die Hüften und schaute sich nach allen Seiten um. Vielleicht gab es hier einen Brunnen?
Hiich! Ein Glück. Das Geschöpf war vor ihm zurückgewichen. Kontriglusi, das hatte bestimmt daran gelegen, dass er trotz dieser kurzen Zeit die Gesten der Spezi Lumantias nicht nur perfekt zu deuten, sondern auch ebenso perfekt wiederzugeben verstand. Da sah er, dass es die Fäuste in die Hüften gestemmt und somit ihm den Blick auf sämtliche Waffen, die es im Gürtel trug, frei gegeben hatte. Zwar waren diese gegenüber jenen, die er selbst besaß ... er blickte dabei ziemlich stolz an sich herunter und stellte fest, dass da gar keine mehr waren! Bei sämt¬lichen Göttern, man hatte ihn entwaffnet! Fieberhaft tastete er jetzt seinen ganzen Körper ab ... hich, er trug ja auch keinen schützenden Tarnanzug mehr ... stattdessen so eine komische, völlig unmögliche Jacke ... passte gar nicht zu seinem Typ! Bei sämtlichen Göttern des Alls. Demnach war er diesem niederen Geschöpf völlig ausgeliefert. Hich, hich, hich! Kein Wunder, dass es ihm jetzt so stolz seine mickrigen Waffen zeigte. Warum saß er eigentlich auf diesem dämlichen Ding? Wo war sein Helm? Er tastete seinen Kopf ab und stellte fest, dass er stattdessen eine Schirmmütze trug und dass, wo er Schirmmützen überhaupt nicht ausstehen konnte! Erschöpf fiel er gegen den Baum zurück. Das war sein Todesurteil! Ohne seinen Spezialhelm musste er nämlich an der grässlichen Luft Lumantias ersticken. Er keuchte ob dieser schrecklichen Erkenntnis mit einem Male richtig heftig, hustete und sein Herz jagte. Xorr, das musste gerade ihm passieren, wo er so anfällig war! Zai, die Tablettendose! Er suchte schnaufend und prustend danach. Das könnte vielleicht noch das Schlimmste verhin¬dern. Bei Ubeka, auch weg! Sein Herz krampfte sich zusammen, abermals kippte er gegen den Baum und blieb so liegen. Er fühlte sich restlos erschlafft, trübsinnig, einfach leer! Ach, was sollte dieser Kampf! Diese Kreatur dort unten konnte ihn ruhig töten. Ihm war das jetzt egal! Er hatte keine Lust mehr.
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Alt 13.11.2005, 11:25   #72
Doska
 
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Standard Kapitel 71

´Ich ... ich will tot sein. Ja! Töte mich ...du ...du niedere Kreatur!´ dachte er halb ekstatisch. Da fiel ihm plötz¬lich ein, wo seine Medikamente geblieben waren. Asaton hatte sie ihm nämlich vorhin einfach abgenommen, als er halb gelähmt in diesem Garten zurück geblieben war. Er stützte wieder sein Kinn in die Hand, damit er besser zurück denken konnte. Bei Ubeka, der ganze Tag war schon von Anfang an wie verhext gewesen, hatte schon damit begonnen, dass ´Kahim´, sein Lieblingssatellit, kaum, dass der die Stadtmitte erreicht hatte, nur noch Fehlmeldungen an die Soldaten weitergab. Irgendetwas Unbekanntes, doch gewiss sehr Starkes, denn so leicht ließ sich gerade ´Kahim´ nicht verwirren, musste ihn von unten aus angepeilt und wichtige Teile des Robothirns blockiert haben. Kurze Zeit später, gerade als man die Trowes endlich nach langer Jagd durch die halbe Stadt in dieser Villa entdeckt und in den Garten geschleift und gleich an Ort und Stelle gefoltert hatte - sein Gesundheits¬zustand hatte sich in dieser Zeit buchstäblich von Minute zu Minute ganz erheblich verschlechtert – da hatten plötzlich jiskische Kampfflieger von oben auf ihn und seine Soldaten geschossen. Fatusa und Metowan hatten die Bodengeschütze antworten lassen und dann war auch gleich Hataroa mit seinem gelenkigen Kontrestin gekommen und hatte diesen jiskischen boldonas den Rest gegeben! Doch die Trowes hatten ihre Chance genutzt und waren auf und davon. Immer mehr Jisken waren dann erstaunlicherweise den Trowes zur Hilfe gekommen, sodass sich die ganze Sache letztendlich sogar zu einem großen Straßenkrieg entwickelte, mit dem sich die meisten Männer aus seiner Leibgarde beschäftigen mussten, auch um die Trowes wieder einzufangen, aber da hatte sich sein Gesundheitszustand schon immer weiter verschlechtert. Sein Leibarzt Godur hatte sich dann bei diesem ganzen Durcheinander zu Fuß darum bemüht, Getamin, ein neues Medikament, aus seinem persönlichen Krankenwagen zu holen, der hier in Nähe geparkt worden war. Er hatte inzwischen nicht mal mehr seine Arme, geschweige denn seine Beine bewegen können. Fatusa, Offizier seiner Leibgarde, hatte ihm die Waffen und den Helm abgenommen, die Sachen ausgezogen und ihn stattdessen in all diese völlig geschmacklosen Dinge geklei¬det, wohl weil die so eine grelle Farbe hatten, und ihn als Zielscheibe für die jiskischen Kampfflugzeuge auf diese komische Einfassung drapiert Doch dann hatte Asaton ihm eine Handfeuerwaffe an die Schläfe legen wollen, um ihn zu erschießen. Die übrigen Offiziere waren aber ´Gläubige der alten Art´ gewesen, denn es hieß:
Unglück ohne Ende denjenigen, welche beschädigen den Leib des Oten oder fließen lassen dessen Blut! Meto¬wan hatte deswegen sofort auf Asaton gefeuert und dessen beide Hände schmoren lassen, bis hinauf zu den Handgelenken. Fatusa hatte aber seinerseits sofort auf Metowan gefeuert und ihn schwer verletzt. Er selbst hatte die ganze Zeit von einem zum anderen geschaut, inzwischen vollständig gelähmt - nur die Augen waren beweg¬lich gewesen - war er Zuschauer dieses schrecklichen Ereignisses, unfähig dagegen etwas tun zu können. Ondro, der ebenfalls Gewissensbisse bei diesem Komplott bekommen hatte, hatte aber Fatusa ebenfalls durch einen Schuss so sehr an der Schulter verletzt, dass weitere Schüsse Richtung seiner Person fehl gegangen waren und Asaton - da er unfähig gewesen war, sich zu wehren - war dann als erster vor Metowans wütendem Feuern geflüchtet. Ihm war der verstörte Fatusa gefolgt. Ondro hatte dann die Verfolgung der beiden aufnehmen können, Metowan war ihm noch für ein kleines Stück gefolgt und dann doch irgendwo zusammengebrochen und an seinen schweren Wunden verblutet. Hm ... was war wohl jetzt aus Ondro und den anderen beiden geworden? Er stellte die Trauks, die er zu beiden Seiten in seinen Gehörgängen trug, so ein, dass er über seine Kieferkno¬chen, indem er in einem bestimmten Rhythmus die Zähne gegeneinander rieb, Morsezeichen an Saparun, seinem Oberkommandierenden geben und diesen lautlos ausfragen konnte. Sofort war Kontakt hergestellt und geklärt, dass eine Einheit kommen und ihn abholen würde. Er seufzte erleichtert, als ihm Saparun schilderte, wie alles ausgegangen war.
Anfangs war Margrit sehr zufrieden gewesen, da endlich Bewegung in dieses Kerlchen gekommen war. Schon hatte sie es nicht mehr für nötig gehalten, ihm Wasser bringen zu müssen und sogar erwartet, er käme von ganz alleine hinabgeklettert. Stattdessen hatte er aber plötzlich nur an seinen komischen Hörgeräten herumgefummelt. Hatten wohl einen kleinen Defekt gehabt. Und jetzt schien er diese wohl gerade auszuprobieren, denn er horchte angespannt für ein Weilchen in die Stille hinein. Wie konnte man nur dermaßen konzentriert lauschen und was sollte dabei dieses Gezitter mit dem Kinn? Sehr komisch das Ganze. Plötzlich hörte sie, wie es wieder im Osten zu lärmen begann.
´Nanu?´ dachte sie. ´Ich denke die wollen endlich nach Hause!´ Das melodische Summen von Lais wurde sogar immer lauter. ´Verdammt, das hörte sich ja glatt so an, als wollte der Feind wieder zur Stadtmitte!´ Sogar das dumpfe Summen eines größeren Gefährts war jetzt heraus zu hören. Margrits Herz krampfte sich zusammen. Oh Gott, man durchstreifte also abermals die Stadt, jedoch weshalb? Und wenn der Feind dabei einige Straßen dieses Villenviertels durchquerte, kam er womöglich hier auch vorbei und was machte sie dann?
´Ke,´ dachte er indes, ´jetzt wird es aber aschfahl, dieses Gesicht. Auffallend dabei auch diese großen, weit aufgerissenen Augen - dabei kann man schön viel Weißes sehen. Aber das kenne ich ja, kann jeder Mensch – eigentlich jeder, der mir bisher begegnet ist. Doch dieses Geschöpf macht das nicht wegen mir. Nein, das ist ja das Erstaunliche! Es horcht nur aufmerksam und denkt sich was dabei ... diesmal ganz ohne Kinnfesthalten!´ Gespannt schaute er weiter dabei zu und wartete. ´Es hört seinen Feind. Ob wohl bald die Hände zittern werden, dann der Körper und zum Schluss die Knie? Das war immer recht nett anzusehen.´ Oh ja, er wusste, es konnte nicht mehr allzu lange dauern und dieses eigentlich recht nette Exemplar, denn es hatte ihm nichts mit seinen mickrigen Waffen angetan, sie ihm nur gezeigt, wussten die Götter warum, würde ihn hier alleine zurücklassen. Schließlich hatten ihm die Alemos, seine Beobachter, im Laufe der langen und daher auch recht langweiligen Anreisezeit bereits genügend Informationen über diese Spezies zukommen lassen. Das Geschöpf würde ihn also zurück lassen, ganz gleich, ob er nun verletzt oder krank sein mochte. Er wartete gespannt darauf.
´Ob der Feind hier wirklich hindurch kommen wird?´ dachte Margrit indes bibbernd. Aber hier waren die Hajeps ja im Grunde schon gewesen. Margrit warf abermals einen hektischen Blick auf das seltsame Kerlchen. Wie der da so lehnte, immer noch an seinem Stamm, da strahlte er direkt eine gewisse Gemütlichkeit aus. Sollte sie nun den hier, nur weil der wohl noch immer nichts hören konnte oder aus irgend einem anderen Grunde hilf¬los oder völlig gedankenlos war, einfach den Hajeps überlassen? Sie kletterte wieder auf den Schemel. „He, wir müssen uns beeilen!“
Zwar hatte er kaum etwas verstanden, aber die Art, wie das Geschöpf nun mit ihm umging, sagte ihm genug. Die Hand, die seine Schulter drückte, versuchte ihn sanft von der Einfassung herunterzubekommen, gleichzeitig aber schob sich ein schmaler Körper biegsam gegen ihn, damit er nicht fiel. Er keuchte, denn er war völlig verblüfft. Bei sämtlichen Göttern, dieses Exemplar handelte ja ganz gegen die Norm!
“Los, kommen Sie!” ächzte sie.
War wohl ein ganz besonderes Exemplar. Also das musste er erst einmal verarbeiten! Xorrr! Ttinninnninnin! Jetzt schob es aber ein bisschen zu heftig! Er hielt sich unauffällig mit beiden Händen hinten am Baumstamm fest.
"Begreifen Sie doch!“ keuchte Margrit angestrengt. „Sie müssen da endlich hinunter!" Es war zu merkwürdig, dass sie ihn keinen Millimeter von der Mülltonneneinfassung bekam. "Ganz gleich ob Sie mich nun verstehen können oder nicht!" schnaufte sie weiter, während sie sich noch intensiver gegen ihn drückte. Vielleicht war er zu schwer? "Ich habe nämlich ein weiteres Sausen und Brummen gehört. Hajeps turnen hier haufenweise herum!"
Das Einzige was er jetzt begriffen hatte, war das Wort HAJEPS. Er hatte diese etwas komplizierte Sprache zwar über den Zynapek bereits nach einigen Tagen gelernt, die nannte sich Deutsch und wurde hierzulande am aller¬meisten gebraucht, aber das Ganze hörte sich doch etwas anders, wenn so schnell und daher auch undeutlich gesprochen wurde.
„Machen sie doch endlich etwas mit!“ fauchte sie.
Er sollte was machen, hatte er nun verstanden. Konnte er denn fragen ...was? Seltsam ... er war noch immer nicht fähig, auch nur einen vernünftigen Laut über die Lippen zu bringen. Vielleicht, weil ihm diese Situation zu abstrakt erschien?
„He, mitmachen, habe ich gesagt!“ brüllte sie.
Nun wurde er direkt ein bisschen ärgerlich, denn das Wesen packte ihn mit einem Male unaufgefordert und ziemlich grob bei den Schultern, und schüttelte ihn dabei so kräftig, dass er meinte, seine Mütze müsste ihm vom Kopfe fliegen. Aber er entschuldigte dies still bei sich, da es nicht wirklich wusste, wer er war, und ...ja ...in dieser eigenartigen Sorge um ihn zu sein schien.
"Los, los Mann!" zischelte sie völlig entnervt. "Ich kann Sie nicht tragen! Wir haben keine Zeit mehr herum¬zudrimmeln!"
Was sagte das Wesen da? Ein merkwürdiges Wort! Er hielt seine Mütze mit beiden Händen fest. Dann stutzte er. Ein entgeistertes Ächzen entglitt plötzlich seinen Lippen. Es war wirklich erstaunlich, welche Kraft dieses kleine, weibliche Exemplar - es war wohl ein weibliches, denn er hatte kurz in dessen Ausschnitt geblickt - mit einem Male in der Verzweiflung entwickelte, denn er fühlte, wie ihm die Frau unter die Achseln griff, sich gegen ihn lehnte und versuchte ihn hochzustemmen.
"Sie müssen sich verstecken,“ keuchte sie dicht an seine Brust gepresst und verzweifelt.
Für einige Sekunden nahm er erstaunt wahr, was er da fühlte, blickte verwirrt auf ihr weiches Haar, dessen eine Strähne sich aus dem Gummi gelöst hatte, der es zusammen hielt, und ihn dabei am Kinn kitzelte, dann jedoch begannen ihre beiden Körper plötzlich zu schwanken. Er bemerkte überrascht, dass er keinen Baumstamm mehr im Rücken fühlte. Mit beiden Händen behielt er die Mütze weiterhin auf dem Kopf. Schade, die Frau konnte ihn offenbar trotz unglaublicher Kraftanstrengung nicht mehr halten! Dabei war das so interessant gewesen! Xorr, sie war ja auch ein wenig unterernährt! Bei Ubeka! Jetzt verlor er das Gleichgewicht, kippte vollends nach hinten und stürzte, die Mütze weiterhin auf den Kopf gepresst, die Frau mit beiden Armen um ihn, auf den Boden. Er spürte den harten, schmerzhaften Aufprall, über den er sich jetzt ein bisschen ärgerte, aber fühlte auch ihren Körper auf sich ruhen und blieb ermattet liegen. Schließlich hob er den Kopf. Letztendlich war er es gewohnt, dass man sich wenigstens für solch ein unerhörtes Vergehen bei ihm entschuldigte und zwar demü¬tigst! Aber diese Frau tat nichts dergleichen. Er funkelte sie hinter seiner Sonnenbrille drohend an, während seine Hände sie energisch bei der Taille packten. Abrupt hielt er inne. Seine Finger strichen interessiert ihre Hüften entlang. Schade, dass er Handschuhe darüber trug und sie so gefühllos waren, denn diese Hüften erschie¬nen ihm viel runder als die der Frauen seines Volkes, was bedeutete, dass jene Spezies wohl die Brut für eine Weile im Leibe tragen konnte, was eigentlich recht praktisch war. Bei Ubeka und Anthsorr auch darüber hatte er schon so einiges gehört. Er sah in ihre Augen, hob dabei sogar diese völlig geschmacklose Sonnenbrille etwas an, damit er besser sehen konnte und genoss die Sorge um ihn, einen völlig Unbekannten, in ihrem Blick, ließ den Kopf wieder nach hinten sinken und zeigte keine Anstalten aufzustehen.
“Mein Gott, habe ich Ihnen jetzt sehr weh getan?“ wisperte sie erschrocken, nachdem sie für einige Sekunden verblüfft und stumm auf seinem Körper gelegen hatte.
Er nickte, denn er fand inzwischen, dass Nicken irgendwie gut war. Jedenfalls besser als Kopfschütteln, weil da nämlich die Mütze eher herunterfallen konnte.
“Sie sind bereits verletzt, nicht wahr?” keuchte sie erschrocken.
Er nickte.
“Oh Gott, oh Gott!” ächzte sie. “Und was mache ich nun mit Ihnen?” Nach kurzem Ringen mit sich selbst, begann sie vorsichtig seine Rippen abzutasten. “Tut´s hier weh?” fragte sie mitleidig.
Er nickte.
“Sehr doll?“
Er nickte. Köstlich, diese ernsthafte Sorge um ihn! Hich ... jetzt betastete sie mit ihren wunderbar warmen Händen Rippe um Rippe ... oh ... ohoooo. Er musste auf seine Nasenlöcher acht geben, aufpassen, dass sie nicht schnurrten! Nanu? Sie hörte ja plötzlich damit auf!
Angsterfüllt blickte sie über die Schulter zurück und stammelte: “Himmel, jetzt sind sie schon ganz nahe, verdammt, aber warum? He, die Hajeps! Haben Sie gehört? Die KOMMEN! Und dann blickte sie wieder auf ihn hinab und wisperte: "Du musst von hier weg! Na los, los! Nur eine Rippe angeknackst, ach, nur geprellt! Also hoch!”
Nur eine Rippe? Da hatte er ja viel zu wenig genickt? Konnte er protestieren? Aber, was würde sie dazu sagen, wenn sie seine fremdartige Stimme vernahm?
Margrit kletterte von seinem Bauch. "Oder können Sie nicht laufen?" erkundigte sie sich erschrocken. ”Denn die Beine habe ich ja noch nicht untersucht!“
´Ach, die Beine, ja, das kann sie noch machen!´ dachte er begeistert. ´Eigentlich ein guter Gedanke!´ Sollte er deshalb gleich zwei Mal – so für jedes Bein - nicken oder genügte wieder nur ein Mal? Dabei fiel ihm ein, dass das Nicken in solch einer Position ihm sonst eigentlich immer ziemlich schwer gefallen war, wegen seiner schwachen Nackenmuskeln und natürlich wegen des schweren Helmes. Aber er trug ja diesmal keinen, obwohl er draußen war! Sein Herz stockte plötzlich bei diesem Gedanken. Bei sämtlichen Göttern, er hatte ja bei dem ganzen Durcheinander völlig vergessen, dass er ja an dieser Luft grausam ersticken konnte! Aber im Gegenteil, diese Luft bekam ihm! Und dass, wo gerade er immer auf alles mögliche besonders überempfindlich reagierte! Was wohl bedeutete, dass sich jeder aus seinem Volke hier ohne Helm frei bewegen konnte. Diese bahnbre¬chende Erkenntnis ergriff ihn dermaßen, dass er darüber vergaß, sich weiterhin schwer zu machen, als ihn zwei kleine Hände entschlossen an den Armen hochzogen. Ja, er hatte sogar versehendlich mitgeholfen. Kaum dass er auf den Füßen war, stieß ihm die Frau auch schon diese ausgesprochen weichen und warmen Hände mit solcher Macht gegen die Brust, dass es ihm fast den Atem nahm. Die Arme hoch erhoben, wandte er sich unschlüssig taumelnd nach dorthin, wo sie ihn haben wollte.
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Alt 01.01.2006, 13:04   #73
Doska
 
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Standard Kapitel 72

Nachdem sich Margrit vergeblich bemüht hatte, ihn in die untere Etage des Hauses zu bewegen - er hatte immer mit einem Kopfschütteln geantwortet und dabei seine Mütze festgehalten - sah sie sich draußen suchend um. Wo konnten sie sich nur in der Eile geschickt vor den Blicken der Hajeps verbergen? Das Grundstück zu verlassen, noch einmal den Bürgersteig zu betreten, getraute sie sich nicht. Es raschelte und knackte bedenklich, als sie den ´Teddy´ endlich zwischen Zweigen und Geäst eines dichten Gebüsches hatte.
"Nun, tun Sie doch auch einmal etwas," wisperte sie erschrocken, als sie sah, dass er so riesig wie er war kaum dort richtig hineinpasste. "Du meine Güte, Sie sind aber auch groß. Krümmen Sie sich doch zusammen, Mann. Sind ja wie ein Brett!"
Er duckte sich um ihr zu gefallen, doch sie schüttelte missbilligend den Kopf.
"Nein, da passen Sie wirklich nicht hinein," jammerte sie, "beim besten Willen nicht." Sie zerrte ihn also von dort wieder hervor. Ihre Blicke jagten verzweifelt durch den riesigen Garten, denn jetzt hörte sie nicht nur die stoppenden Lais an der Kreuzung kurz vor dieser Straße, sondern auch aufgeregte Stimmen, die einander etwas zuriefen. Da bemerkte sie, dass eine Veränderung in dem ´Teddybär´ vor sich ging, dass schlagartig Bewegung in ihn kam. Wie elektrisiert spähte auch er nach allen Seiten, nahm Margrit plötzlich entschlossen bei der Hand und lief mit ihr hinter das Haus. Sie hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten, einerseits, weil sie ganz verwirrt darüber war, andererseits weil er viel längere Beine hatte als sie und dadurch entsprechend schneller werden konnte. Außerdem merkte sie an seinen geschmeidigen Bewegungen, dass er offenbar an solch ähnliche Umstände gewohnt und ausgesprochen sportlich, ja irgendwie katzenhaft zu sein schien.
"There?" fragte er leise. Er hatte sich wieder einmal für Englisch entschieden. Da fiel es vielleicht nicht so auf, dass er heiser war und durch die Nase sprach. Außerdem war ihm gesagt worden, dass fast jeder auf diesem Planeten, einige Vokabeln davon konnte.
´Also kann er zumindest sprechen, wenn auch nur sehr leise!´ dachte Margrit. ´Wird allerdings schwierig werden mit der Verständigung, da ich nicht gut Englisch kann, aber das kriegen wir schon hin.´
Er wies nun auf eine dichte Hecke seitwärts vom Haus, hinter einer der drei Blautannen, die an dem Zaun des angrenzenden Grundstück wuchsen, das wohl einstmals zu einer großen Botschaft gehört hatte.
”`s that right?” hörte sie ihn ein winziges bisschen lauter.
Margrits Blick folgte seinem behandschuhten Finger. Er hatte eine ziemlich dunkele und heisere Stimme. War er erkältet? Aber die Hecke dort mochte vielleicht wirklich hoch genug für ihn sein, daher nickte sie. Plötzlich meinte sie, das Motorgebrumm der Lais genau in dieser Straße zu vernehmen.
Beide sahen sich schweigend an und da griff er um ihre Taille und riss sie mit sich. Es knackte und raschelte entsetzlich, doch sie hatten beide nebeneinander hinter der Hecke Platz. Zweige und Blätter verbargen sie gut.
Die Hajeps hatten jetzt ihre Lais vor der Nachbarvilla hinter der Steinmauer geparkt, plauderten aufgeregt miteinander, waren ausgerechnet dort.
Oh, Gott, der ´Teddy´ schien wohl gar keine Angst zu haben, fummelte sinnloser weise schon wieder an seinen Hörgeräten herum. Er tat nicht nur das. Zusätzlich schien er wieder Schwierigkeiten mit seinem Kiefer zu haben, denn Margrit sah, dass er den Mund öffnete und schloss, die Lippen bewegte. Diese Hörgeräte schienen ihn aber mächtig zu nerven! Oder es war nur sein Tick, immer wenn`s brenzlig wurde? Nun fühlte sie seine Hände auf ihren Hüften. Er hielt sich wohl an ihr fest. Na klar, war ja noch so jung, hatte grässliche Angst und suchte eben Halt. Gerade sie konnte das völlig nachvollziehen. Sie schob ein paar Zweiglein zur Seite. Von hier aus konnte man gut bis in den Vorgarten blicken. Man sah die Mülltonneneinfassung neben dem großen Tor, vermochte also jederzeit zu erfassen, wer dort vorbei oder hereinkam. Die dunklen Stimmen und schnellen Schritte wurden nun noch lauter, besorgt sah sie sich nach hinten um, blickte hoch zu dem Nervenbündel und - das Herz blieb ihr dabei fast stehen - der Bursche machte ja einen langen Hals! Sein Kopf lugte leichtsinnig oben aus dem Gebüsch, während er ebenfalls zum Eingang spähte.
"Aber ... aber, was machen Sie denn da schon wieder?" zischelte sie fassungslos, während sie mit aller Macht an den Ärmeln seiner Jacke zog. "Ducken Sie sich, Mensch! Go down!"
Er tat schnellstens wie ihm geheißen, hielt seine Mütze mit einer Hand fest, sackte ein wenig in die Knie, kauerte sich leise seufzend zu ihr hinunter, krümmte sich regelrecht zusammen.
Keinen Augenblick zu früh! Schon kamen die Hajeps zum Tor herein. Margrit schnaufte erschrocken. Die sechs riesigen Kerle, in den für die Hajeps typischen grauen Uniformen, trugen wieder ihre nach oben spitz zulaufen¬den, herrlich gemusterten Helme aus trübem Metall und einem lilafarbenen, glasähnlichem Material. Ihre Masken blinkten kurz auf in der mittäglichen Sonne, während sie die Köpfe wandten. Margrit verstand die Welt nicht mehr! Warum hatten sie dieses Grundstück so zielstrebig betreten? Weshalb waren sie nicht einfach daran vorbeigelaufen?
Der vorderste der Hajeps hatte merkwürdigerweise nicht nur einmal mit den Fingern geschnippt, sondern gleich mehrmals und es war ihm trotzdem kein vernünftiger ´Schnipper´ geglückt. Er schien deshalb völlig entnervt zu sein, winkte schließlich nach hinten und zwei Soldaten lösten sich daraufhin aus der Meute und folgten ihm.
Er benahm sich ausgesprochen forsch. Ohne viel zu zögern lief er voraus, den schmalen Gartenweg entlang, während die übrigen vier Soldaten sich im Garten in zwei Richtungen verteilten. Die beiden hinter ihm konnten ihm kaum folgen, so schnell marschierte er an der steinernen Mülltonneneinfassung vorbei und dann geradeaus weiter. Er wendete ziemlich gelassen mal den Kopf in die Richtung des halbzerstörten Schuppens, neben welchem der grell gemusterte Liegestuhl stand, und mal in jene, wo der kleine, allerdings nicht mehr funktionie¬rende Springbrunnen zu sehen war. Und währenddessen heulten wieder Motoren diverser Lais in den Nebenstra¬ßen auf und kamen näher.
Margrit schluckte. Oh Gott, das war ja der reinste Albtraum! Wollten die etwa auch hierher? Konnte doch gar nicht sein ...oder? Wäre doch zu verrückt!
Der ´Chef´ des Trupps - oder was er auch immer war - nahm nun im Vorübergehen die alte Villa nebst Terrasse etwas gründlicher in Augenschein.
Margrits Herz klopfte. Oh, Mist ...verdammter Mist! Was suchte er? Dann blieb er kurz stehen und schaute hinauf in die obersten Etagen. Er stieg über einen der umgestürzten Gartenstühle, trat etwas näher heran an die Terrasse. Es knirschte und weitere Scherben zerbrachen unter seinen Stiefeln, als er durch die zerstörte Glas¬scheibe der Terrassentür spähte.
Margrit hörte währenddessen, dass die nächsten Lais hinter der Steinmauer beim Nachbargrundstück geparkt wurden. Sie hörte auch Stimmen, nicht minder aufgeregt als die vorherigen! ´Oh Gott, nein, nicht auch noch hier hinein, bitte, bitte!´ jammerte sie im Stillen.
Doch das Leben kann hart sein! Es quietschte unangenehm, das Tor wurde geöffnet und weitere vier Jimaros kamen nacheinander, aufgeregt miteinander plaudernd in den Garten.
Kleine Schweißperlen traten auf Margrits Stirn. Verdammt, hier war doch irgendetwas Besonderes im Gange! Was bloß? Verdammt noch mal! Und sie - Margrit - war völlig unschuldig, hatte mit der ganzen Sache über¬haupt nichts zu tun, und steckte trotzdem wieder mittendrin!
Auch diese Hajeps schienen den Garten zu durchsuchen!
Sie hielt den Atem an. Verdammt, nach wem suchten sie denn? Würde man dabei vielleicht auch ihrer beider Versteck entdecken? Wie dicht war eigentlich das Laub, das sie beide umgab? Und weiter dachte sie und stieß die angehaltene Luft etwas erleichterter aus: ´Hoffentlich findet dieser ... dieser Offizier irgendetwas Interessan¬tes zum Plündern im Erdgeschoss, vielleicht ein paar Säcke mit Kram und er zieht mit seinen Männern gleich wieder ab. Ja, das wäre gut! He, vielleicht hat er auch etwas vergessen und holt es sich jetzt nur? Könnte doch sein! Sie nagte an der Unterlippe.
Und wieder war ein Summen in der Ferne zu vernehmen. Es kam näher. Oh Gott ... etwa noch mehr?
Der Offizier bückte sich nun und spähte in die hinteren Räume des Hauses. Da die Flurtür offen war, konnte er das sehr gut tun, doch plötzlich wandte er sich ab. Es knirschte erneut, als er über die Terrasse lief und sich am umstürzten Tisch vorbeischob. Währenddessen waren die übrigen Hajeps wohl mit den Garagen beschäftigt, denn man hörte von dort ihre gedämpften Stimmen. Der Offizier sprang von der anderen Seite der Terrasse hinunter, mitten ins Blumenbeet, und lief quer durch die völlig überwucherte Rasenfläche in Margrits Richtung. Margrits Herz jagte umso schneller je näher er kam. ´Nein, nicht!´ schrie alles in ihrem Inneren und ihr Magen zog sich zusammen, als er tatsächlich jenen Weg einschlug, der direkt zu Margrits Versteck hinführte. Konnte man sie denn sehen? Konnte man ihn sehen? Margrit stellte dabei auch fest, dass die beiden Soldaten ihren Chef endlich eingeholt hatten und dicht hinter ihm waren. Sie flüsterten jetzt, schienen ihn etwas zu fragen und der hinterste von ihnen schaute sich dabei etwa ängstlich um, blickte kurz zurück über seine breite Schulter, ließ den Blick schweifen über den Vordergarten, wo das Tor erneut geöffnet wurde und weitere Soldaten, es waren wohl fünf, hineinmarschierten. Nun sah sich der Offizier ebenfalls um, stoppte und die anderen bremsten hinter ihm.
Margrit hatte Mühe, einen Seufzer der Erleichterung zu unterdrücken, denn vielleicht machte er kehrt!
Nein, zu früh gefreut. Er schüttelte nur den Kopf, als ob nichts weiter Schlimmes zu erwarten wäre. Und dann bog er um die Ecke des hochherrschaftlichen Hauses, betrat den schmalen Seitenweg und lief nun so dicht an der Hecke vorbei, dass er nur die Hand auszustrecken brauchte, um Margrit zu berühren.
Sollte sie jetzt eine ihre Waffen ziehen? Ihre Hand umschloss den Kolben ihres Revolvers. Sie riss die Augen weit auf, den sicheren Tod erwartend, doch alle drei stürmten nur vorbei, ohne auch nur einen Blick an die Hecke zu verschenken!
´Puh, noch mal gut gegangen!´ Margrit versuchte ihre Lungen dazu zu zwingen, lautlos zu keuchen, doch ihr Brustkorb hob und senkte sich heftig, so sehr rang sie nach Atem. Ihre Kehle war trocken und ausgedörrt, doch sie war trotzdem um keinen Zentimeter zur Seite gewichen, hatte ihre schützende Position für diesen blutjungen Burschen nicht aufgegeben. Seine Jacke war weit geöffnet. So fühlte sie jeden Muskel seines Körpers dicht an ihrem Rücken. Sie schaute auf seine Arme. Sie umschlossen sie wie ein schützendes Zelt. Oh Gott, er war so groß, so stark! Es mochte absurd erscheinen, aber mit einem Male fühlte sie sich irgendwie beschützt! Zornig über dieses komische Gefühl zupfte sie schließlich leise schnaufend seine Finger von sich wie lästige Blätter und er ließ es zu. Sie schob seine Jacke von ihren Schultern, gebrauchte sogar die Ellenbogen und er wich zurück. Doch dann war sie wieder voller Bangigkeit, dass man draußen diese etwas unkontrollierte Bewegung bemerkt haben könnte, und daher schaute sie wieder angespannt durch das glänzende Blattwerk hindurch.
Weitere Hajeps kamen gerade zum Tor hinein! He, das waren ja gleich ... sechs, acht... mindestens elf
Stück! Erschrocken machte sie einen Schritt zurück und trat ihm dabei kräftig auf den Fuß.
Er reagierte zu ihrer Überraschung erst gar nicht, dann aber zuckte und keuchte er angemessen schmerzhaft und zum Glück auch sehr leise. Schuldgefühle plagten sie, doch sie wagte jetzt nicht, sich nach ihm umzudrehen, geschweige denn mit ihm zu reden, darum griff sie, um Entschuldigung bittend, irgendwie nach hinten und fuhr ihm dabei versehendlich direkt zwischen die Beine! Verdammt! Oh, Gott! Sie zog die Hand blitzartig zurück. Dabei hatte sie eigentlich gar nichts weiter gefühlt als nur ein Tuch! War wohl nicht weiter schlimm gewesen, oder? Er schaute auf sie hinab, musterte wieder einmal ihr Gesicht und schien sich köstlich zu amüsieren! Ach, das interessierte sie jetzt nicht. Sollte er sich ruhig scheckig freuen über ihr wechselndes Mienenspiel, sie machte sich gar nichts daraus, jawohl! Hach, wenn er sich nur halb so sehr für den Feind interessieren würde wie für ihr Mienenspiel, dann wären sie womöglich schon zur Hälfte gerettet, aber dieser Kerl tat ja ansonsten nichts! Margrit drückte abermals ein Zweiglein nieder, schaute wieder zum Hintergarten und bemerkte nun, dass jener Offizier, welcher vorhin seine zwei Leute zu sich befohlen hatte, inzwischen schon längst mit irgendetwas, was zu seinen Füßen am Boden lag, beschäftigt war. Einer der beiden Soldaten half ihm wohl dabei, denn er hatte sich gebückt und schien ein Seil oder so etwas ähnliches um - tja, was war es wohl, was dort unten lag? Sie konnte von hier aus nichts weiter erkennen als so etwas ähnliches wie einen eingerollten Teppich! Einen Teppich? He, was wollten denn Hajeps mit einem Teppich? Na ja, vielleicht kannten sie keine Teppiche und wollten welche haben und hatten den deswegen aus dem Hause geholt! Sie waren am entrümpeln, na klar. Die Hintertür stand ja noch offen und gerade kam der eine von den zwei Soldaten gleich mit mehreren dicken Kissen in den Armen dort hindurch gelaufen, eben weil sie wohl auch keine Kissen hatten. Aber mussten deswegen extra so viele Soldaten bis hierher kommen? Kissen und Teppiche konnte man doch eigentlich von überall bekommen! Er hatte auch ein Seil bei sich, das konnte Margrit sehr gut erkennen, denn es hing zum Teil in seinen Armen und das Ende schliff hinter ihm her, die Steinstufe hinunter. Der Soldat gab nun seinem Kamera¬den ein oder zwei Kissen und dieser begann eifrig mitzuwickeln, doch sein Chef schien nicht mehr ganz bei der Sache zu sein. Er schaute sich nicht nur unsicher nach allen Seiten um, als täten er und seine Männer irgendet¬was Verbotenes, sondern auch immer wieder prüfend zum Himmel, als wäre von dort aus etwas ganz besonders Schlimmes zu erwarten und er lauschte hin und wieder, denn inzwischen kündigte ein lautes Brummen in den Straßen die Ankunft weiterer Soldaten an. Himmel, was wollten die denn alle ausgerechnet hier? Etwa auch Teppiche? Oder Kissen? Oh, es war so verrückt, dass man ruhig auch die dämlichsten Gedanken dazu haben konnte! Margrit ließ den Zweig wieder hochschnellen und schaute mit angehaltenem Atem in den Vordergarten. Du meine Güte, hatte sich da inzwischen eine Menge an Außerirdischen versammelt! Wollten die etwa hier ein kleines Festchen feiern oder was? Grässlich, grässlich, grässlich! Margrit konnte sich das alles einfach nicht erklären. Wenn man wollte, konnte man meinen, diese dreißig - oder waren das jetzt schon vierzig? - Jimaros im Vordergarten vermissten jemanden aus ihrer Meute! Oder war ihnen etwa ein Gefangener entflohen oder suchten sie gar im meterhohen Gras nach irgendwelcher kostbarer menschlicher Beute, die sie hier vermuteten? Auto¬matisch dachte Margrit dabei an Danox. Oh Gott, hoffentlich war er schon längst woanders hingekrochen oder er lag noch immer da, zwischen diesen zwei großen Steinen und regte sich hoffentlich nicht.
Plötzlich lief alles Richtung Gartenpforte. Margrit hörte an dem Tumult, dass sich wohl inzwischen auch auf dem Bürgersteig etliche Hajeps versammelt hatten. Soldaten, die aus dem Garten hinaus durch den Eingang wollten, wurden durch andere, neu Hinzugekommene, die gleichzeitig unbedingt hinein wollten, gebremst, blie¬ben perplex stehen und tauschten aufgeregt Meinungen miteinander aus. Schließlich setzten sich einige mit ihren Kameraden, die vermutlich überall in den Straßen verteilt waren, denn dort wurde es immer lauter, irgendwie in Verbindung. He, Selbstgespräche waren das ja wohl nicht, die sie mit einem Male führten!
Weitere stromlinienförmige Lais hielten mitten unter denen, die auf dem Bürgersteig warteten, an, wohl gut einen Meter über dem Boden schwebend. Man rief sich gegenseitig irgendetwas zu. Ein feines Surren kam jetzt vom Himmel. Margrit und der Typ hinter ihr blickten automatisch hoch und sahen trotz des dichten Blattwerks, dass nun ein Frugal, ein Erkundungsflugzeug aus Biomaterial, seine Kreise genau über diesem Grundstück und der uralten Villa zog. Es hob und senkte dabei seine hautähnlichen Flügelchen und diverse Kameras schoben sich dabei aus seinem kleinen Körper hervor.
Genau das hatten wohl die drei Hajeps hinter dem Haus befürchtet: von oben gesehen zu werden! Doch sie waren wohl schon lange mit ihrem eigenartigen Vorhaben fertig, denn nichts wies darauf hin, dass hier einst ein guter, auf ganz besondere Art und Weise mit Kissen verschnürter Teppich, gelegen hatte. Doch was war daran so schlimm? Jedenfalls war er plötzlich weg, der Offizier mit seinen beiden Soldaten auch, komisch! Aber viel¬leicht hatte das Frugal auch Fotos von dieser Hecke gemacht? Dann waren sie und dieser nette Kerl hinter ihr bestimmt verloren!
Kaum war das Frugal wieder verschwunden, stoppte plötzlich auf der Straße ein großes, langgestrecktes
Fortbewegungsmittel direkt vor dem Eingang des Grundstücks. Es schwebte für einige Sekunden etwa drei Meter über dem Boden, fuhr sodann ein rüsselartiges Gebilde am Bug aus, mit welchem es wohl die Erdbeschaf¬fenheit überprüfte, und danach klappte es ein paar stählerne Beine aus mit denen es sich elegant auf dem Asphalt der kleinen Straße niederließ. Das besonders merkwürdige an diesem Ding war, dass es weder Sichtfenster noch eine Tür zu haben schien. Doch wenig später schob sich, zu Margrits Überraschung, eine horizontal-eiförmige Tür seitwärts auf, die Margrit vorher wirklich nicht gesehen hatte. Die Menge hatte bereits Platz gemacht und drei ranghöhere Jimaros entstiegen dem merkwürdigen Gefährt. Zwei von ihnen flitzten nun um dieses Ding herum, während sich der eine mit der gaffenden, näher kommenden Meute zu unterhalten begann. Die anderen zwei strichen kurz mit den Händen über das Heck, woraufhin sich dort die Konturen einer kreisrunden Klappe zeigten, die sich sofort öffnete.
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Alt 04.02.2006, 16:24   #74
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Standard Kapitel 73

Vier seltsame in sich zusammengesunkene, recht klobig ausschauende Gestalten in Motorradkleidung stiegen nacheinander aus, welche von den Jimaros sofort Richtung Gartenforte getrieben wurden. Wütende Zurufe erschollen von allen Seiten. Der aufgebrachte Pulk Soldaten hob sogar die Fäuste Richtung dieser Vier, und jetzt erkannte Margrit, wer die ziemlich elend ausschauenden Gestalten waren - es waren die Trowes, welche sie heute Vormittag noch gesund und munter vor der Stadtmauer hatte herumturnen sehen! Mist, verdammter Mist! Aber es waren nur vier. Ob sie wohl die anderen drei noch immer nicht bekommen hatten? Margrit hoffte es sehr. Aber was würde nun mit diesen vier passieren? Margrits Herz krampfte sich bei ihrem Anblick vor lauter Mitleid und Angst zusammen. Sie machte einen langen Hals, um an den vielen Hajeps, die jetzt überall herum¬schwirrten wie Mücken ums Licht, vorbeizuspähen. Ja, die Trowes schienen gefesselt, in Ketten gelegt, und bereits schwer verletzt zu sein, denn sie bluteten aus vielen Wunden. Neben den eleganten, großgewachsenen Hajeps sahen die schmutzigen Trowes mit ihren groben Gliedmaßen, der fliehenden Stirn und den Hängelippen irgendwie grotesk aus, unglaublich derb und irgendwie leider auch dumm! He, was dachte sie da? Die Trowes keuchten jedenfalls allesamt, schienen einiges mitgemacht zu haben. Ein paar von ihnen konnten kaum stehen, geschweige denn laufen. Dennoch zwang man sie vorwärts. Irgendjemand von ihnen hatte wohl gerade etwas ähnliches wie einen Elektroschock erhalten, denn er stieß einen entsetzlich tierischen Schmerzensschrei aus, stolperte fast durch die gusseiserne Pforte hindurch und tapste dann schwankend den Gartenweg entlang. Die kleine Gruppe folgte ihm apathisch, die dunkelgrünen, krausgelockten Köpfe tief gesenkt.
Der Puls jagte in Margrits Ohren, als sie inmitten dieser gequälten Geschöpfe leider den fünften jener tapferen Trowes, das Kind, entdeckte. Er war so klein, dass er zwischen all diesen wuchtigen Leibern schier verschwand. Ein bitterer Geschmack trat plötzlich auf ihre Zunge, denn sie erkannte, je näher die Trowes kamen, dass auch das Kind anscheinend schwer misshandelt worden war. Seltsamerweise weinte der kleine Trowe nicht. Margrit schluckte. Er blickte nur starr vor sich hin, verlor oft fast das Gleichgewicht, stieß sich überall, hatte wohl keine Tränen mehr.
Die Hajeps machten weiterhin Platz, gingen im engen Garten zur Seite. Je mehr die Trowes vorrückten, umso deutlicher erkannte Margrit: Der Kleine war ja blind! Man hatte ihn geblendet! Wohl um auf diese Weise die erwachsenen Trowes zu Geständnissen zu zwingen. Danox war gewiss hierfür der Grund gewesen. Margrits Augen brannten. Verdammt, hätte sie das gewusst, hätte sie Danox den Trowes zurückgegeben! Ihr Mund wurde zu einem harten Strich. Verdammt, warum hatte sie das nicht getan, warum hatte sie daran denn nie gedacht? Ihr Kinn zitterte und ihr Magen rumpelte. Tränen ließen das furchtbare Bild vor ihren Augen auf und nieder zucken. Aber ... was wäre dann geschehen? Wäre die Welt dann nicht für immer verloren gewesen? Sie schluckte und kniff sich in die Wange, um den Tränen, die so drückten, nicht doch noch Freiraum zu geben. Gab es noch eine Chance für die Menschheit, da sie Danox besaß? Gehörte Danox eigentlich noch den Menschen? Oder besaßen ihn die Hajeps etwa bereits? Wo war Danox? Verdammt, verdammt, warum musste denn dieses unschuldige Kind für alles herhalten, diese Angst ertragen, diesen Wahnsinnsschmerz und dann auch noch diese Erkenntnis für immer, für alle Zeiten blind zu sein! Nie mehr die Sonne zu sehen, nie mehr ... und plötzlich konnte Margrit nicht mehr anders, stumm und hilflos begann sie um dieses Kind zu weinen ... ihre Hände zitter¬ten, die Schultern bebten, silbern rieselten die kleinen Rinnsalen über ihre Wangen, blieben kurz am Kinn als Tröpflein haften, liefen bis tief in den Ausschnitt ihres Hemdes hinein.
Und wieder merkte sie, dass sie fasziniert, ja, völlig entgeistert angestarrt wurde, von ihm natürlich, der hinter ihr stand, von ihm, von dem sie eigentlich noch immer nicht wusste, wer er denn wirklich war. Verstohlen versuchte sie deshalb, mit den Fingern die Tränen weg zu wischen.
Er hielt plötzlich ihre Hand von hinten fest.
“Don`t take away!” wisperte er. “It`s sooo wonderfull!“ Er betrachtete - wohl verzückt oder was? - den kleinen schimmernden Tropfen auf ihrem Handrücken. “I`ve never seen anything like that ... all my life!” flüsterte er weiter. ”Oh, no! Wrong!” Er brach plötzlich ab, machte eine kleine nachdenkliche Pause. “I`ve usually seen it, if humen are crying about themselfes!“ Wieder kam eine kurze Pause und seine Miene hatte sich noch immer um keinen Millimeter verändert. “But you ..you`re doing that only...” er holte tief Atem, “… only for this little Trowe!”
Seine letzten Worte hatten einen winzigkleinen Hauch von Verwirrung preisgegeben. Aber es konnte auch sehr gut sein, dass sich Margrit diesen Hauch nur eingebildet hatte. Zornig entzog sie ihm ihre Hand, wischte die Träne an ihrer Hose ab und er? Er machte deswegen eine bedauerliche Miene. Oder irrte sie sich schon wieder? Eigentlich war es ein graues Gesicht aus Stein. Hatte dieser Mensch denn keine Seele? Wo blieb sein Mitleid? Margrit blickte nun zornig und blitzenden Auges zu ihm empor und er? Er schaute schnell weg. Völlig ausdruckslos und einfach in eine andere Richtung.
´Feigling!´ dachte sie und dann wanderte ihr Blick wieder zu den Trowes. Direkt hinter denen ging nämlich ein Mann daher, der ganz anders gekleidet war, als die übrigen Jimaros. Er hatte ein knielanges Gewand über den eleganten Pumphosen, die sämtliche Hajeps trugen. In seinem breiten Gürtel, der im übrigen auch noch über seine Brust gekreuzt war, steckten keinerlei Waffen, sondern nur flaschenähnliche Gebilde oder Tuben. Was genau es war, konnte Margrit leider von hier aus nicht so recht erkennen. Zwar lag genau solch ein breiter Schulterschmuck über seiner Brust, wie der für Hajeps typisch war und er trug auch den gleichen Helm und jene Maske mitsamt Beatmungsgerät oder was es auch halt immer sein mochte, doch erschien ihr sein Hemd halb so prächtig, aus einem eher bescheidenen Stoff zu bestehen und auch seine Körperhaltung drückte nicht gerade jenen Stolz, jene Hochnäsigkeit aus, wie sie sonst Hajeps zu eigen war. Er schien eher tief in Gedanken, ja, direkt ein wenig bedrückt zu sein und hielt die Hände hinter seinem Rücken verschränkt, ganz wie die Trowes, aber ... er war gar nicht gefesselt! Das konnte Margrit sehr deutlich sehen, also was mochte mit ihm los sein?
Der sonderbare Bursche hinter Margrit schnaufte nun, kaum, dass er den seltsamen Mann entdeckt hatte.
´Hich!´ dachte er angespannt. ´Den Göttern sei`s gedankt, dass meine kleine Lüge doch angenommen worden ist! Saparun und seine Berater haben mir also geglaubt und Godur keinerlei Haar gekrümmt, obwohl dieser mich vorhin mit so wenig Leuten allein zurück gelassen hatte! Oh, ich bin zufrieden, ihn gesund und munter wieder¬zusehen. Aber er ist doch niedergeschlagen, weiß sehr wohl, was er falsch gemacht hat. Ich darf ... ich kann nur lügen!´. Und nun sah er, dass gerade Fatusa und Asaton zum Tor hereinstolziert kamen. Sie waren guter Dinge. Xorr, sie dachten ja auch, dass der Oten bei seiner schwächlichen Gesundheit ohne Helm längst erstickt sein müsste. Er hatte über die Sender erfahren, dass man die beiden zunächst gemeinsam mit etwa zehn jiskischen Soldaten gefangen genommen hatte. Asaton hatte behauptet, das sie beide ursprünglich als Geiseln hätten miss¬braucht werden sollen. Als er sie unterwegs gewesen wären um Hilfe für den Oten zu holen, wären sie von eben diesen Jisken überfallen und schwer verletzt worden. Asaton hatte deswegen keine Hände mehr und Fatusa trug um die Schulter einen breiten Verband, nicht mehr seinen Zu-ganio, den Schulter-Computer, den Hajeps bei sich haben mussten, sofern sie sich im Krieg befanden. Sie waren sich wohl noch immer sicher, dass sie endlich den Tod des ´göttlichen Otens´ herbeigeführt hatten, ohne dessen Blut fließen zu lassen, ohne je seinen Körper beschädigt zu haben und Saparun hatte so getan, ihren Lügen Glauben zu schenken. Er lief ihnen jetzt entgegen und die beiden neigten zur Begrüßung tief ihre Köpfe, nicht nur, um ihm damit ihre Ehrerbietung anzuzeigen, sondern auch um damit anzuerkennen, dass er der Ranghöchste war.
Xorr, Saparun war zuverlässig, das hatte er heute mit eigenen Augen sehen können, befolgte jeden seiner Befehle, ohne auch nur das geringste dabei zu riskieren. Saparun war eben nicht einer der Schlechtesten! Um noch das Maß voll zu machen, fragte jetzt sogar der listige Ifba einfach Fatusa, wohin denn nur Metowan und sein Kamerad Ondro den Oten hingeschleppt haben könnten? Denn sie – Fatusa und Asaton - hätten zu den Letzten gehört, die bei ihm geblieben wären, hätten sie nicht versucht, die bösartigen Jisken zu vertreiben, die sich dem ´Göttlichen´ genähert hätten oder nicht?
Fatusa kam nicht ins Stottern. Schon längst hatte er sich die schönsten Sätze zurechtgelegt. Sie trieften jetzt nur so vor tiefer Religiosität und Ehrfurcht vor Staat und Gesetz.
Margrit hörte hinter sich ein zorniges Zähneknirschen. Sie fuhr zusammen, schaute kurz zu ihm hin, wirklich sehr nervös dieser Typ! Aber, mein Gott, wer war schon heutzutage völlig ohne Macke! Sie jedenfalls nicht. Jetzt zum Beispiel nagte sie schon wieder an ihrer Unterlippe! Konnte einfach nichts dagegen tun. Und was war nun draußen passiert? Sie sah, dass jener Soldat - he, das war ja der selbe von vorhin, der mit seinen Männern diesen komischen Teppich eingeschnürt hatte - an den gefesselten Trowes vorbei schon längst wieder zum Gartentor gestiefelt war. Er hatte zwei neu hinzukommende Leute ganz besonders herzlich begrüßt und die wiederum hatten sich tief vor ihm verneigt. Demnach musste er wohl einen höheren Rang haben als die beiden! Vielleicht sogar den höchsten von allen, denn auch die übrigen Jimaros machten ehrfurchtsvoll für ihn Platz. Jemand trat schließlich hervor, verbeugte sich ebenfalls und Margrit meinte, in ihm jenen Soldaten wiederzuer¬kennen, der vorhin die Kissen aus dem Haus geschleppt hatte. Er schien irgendeine wichtige Nachricht für seinen Chef zu haben, denn er gab sich ziemlich aufgeregt, kaum dass er sich aufgerichtet hatte und wies dabei mehrmals Richtung Haus. Ein verblüfftes Murren erscholl daraufhin von allen Seiten und Margrit bekam einen Schreck.
Sogar die beiden neu hinzu gekommenen Männer wirkten etwas erstaunt. Man wies in Margrits Richtung. Donnerwetter, hatte man etwa eben doch eine Mitteilung über ihr Versteck gemacht, sie längst entdeckt?
Dann liefen alle, die Trowes wurden dabei so brutal zur Seite gezerrt, dass sie fast hinzuschlugen, wild diskutie¬rend und die Köpfe schüttelnd gemeinschaftlich weiter und als sie näher kamen, erkannte Margrit, dass der Chef wohl ziemlich sicher ein Offizier oder noch etwas höheres sein musste, denn er trug - das sah sie erst jetzt - einen prächtigeren Armschmuck als die anderen.
Und wieder klopfte Margrits Herz hysterisch, als er sich aus der Meute löste und näher kam. Ja, sie bildete sich jetzt sogar ein, dass man sie ganz deutlich sehen konnte. Sie hielt die Luft an, doch ihre dummen Füße zuckten wie verrückt. Verdammt, sie hatte einfach gar keine Nerven mehr. Doch sie gingen nur vorbei, genau wie vorhin. ´Wieder nichts passiert,´ dachte sie. Oh, vielleicht konnte man sich daran gewöhnen? Und sie brachte es sogar fertig, ihm hinterher zu schauen, gerade als er wieder ausgesprochen zügig, gemeinsam mit den zweien, die ihn wohl stets begleiteten, bis hinter das Haus lief.
“EDAPAR ... EDAPAR!” brüllte der Offizier aufgeregt zu Margrits Überraschung in voller Lautstärke über den gesamten Garten, und inzwischen holten seine Männer etwas aus dem Hause, einen Leichnam? Jedenfalls sah`s so aus, denn man hatte eine Decke darüber gelegt. Trugen ihn wieder an Margrit vorbei in den Vordergarten. Man bettete ihn vor das Blumenbeet der Terrasse. Es herrschte eisige Stille.
“Ajano nanjua rug tia Oten!” Wie betäubt fiel der Offizier auf eines seiner Knie und fing an - etwa zu beten?
Alles war entsetzt. Kaum, dass man den ...äh ... Leichnam gesehen hatte. Jedenfalls hörte sich das für Margrit in diesem Moment so an. Ein lautes Gemurmel erfasste die Reihen der Außerirdischen, sie schwankten leicht. Der Offizier erhob sich wieder und lief schnellen Schrittes auf die noch ziemlich hilflos und fassungslos dastehenden Meute der Hajeps zu. Vor einem blieb er stehen, es war der Mann in den einfachen und schlichten Kleidern.
“Godur?” fragte er.
Dieser trat zwei, drei Schritte aus der Menge hervor und verneigte sich mit vor der Brust gekreuzten Händen.
“Rademda moa Katobai Saparun?”
“To guongo wentera me salmeo, Godur ...chesso?” entgegnete der.
Der Mann richtete sich auf und nickte.
Dann befahl der Offizier noch irgendetwas im harten Ton, wendete sich auf dem Absatz um, ging zurück. Der Mann schickte zwei Soldaten, die hinter ihm gestanden hatten zum Tor und dann folgte er seinem Herrn. Wenig später beugten er und der Offizier sich über den Teppich ...äh ... die Leiche. Der Offizier hob nämlich das Tuch nur um so viele Zentimeter, dass gerade nur dieser Mann darunter schauen konnte und niemand sonst. Dieser schien entgeistert zu stutzen und danach für einen Sekundenbruchteil fragend in die Augen des Offiziers zu spähen, die er wohl aus dieser Nähe trotz der Maske und der leicht transparenten Brille recht gut erkennen konnte, aber dann hatte er sich sofort wieder in der Gewalt. Er holte etwas aus seinem weiten Mantel hervor. Es war eine kleine Tasche, die sich sofort öffnete, kaum dass er sie auf den Boden gelegt hatte. Ein kleiner schwar¬zer Kasten mit einem Langen Schlauch sauste daraus hervor, flatterte in seine Hand und der Mann bückte sich, beugte sich über den Leich ...he, Teppich ... und schob den roten Knopf, der sich am Ende des Schlauches befand, unter die Decke, nach dorthin, wo man annehmen könnte, dort wäre ein Herz! Der Körper ...hm, Teppich? Jetzt bekam Margrit plötzlich echte Zweifel! War es wirklich nur ein Teppich? ... also der erzitterte jedenfalls, wurde aber trotzdem nicht mehr lebendig. War ja klar, denn wie sollte so ein Teppich ...oder war es tatsächlich doch ein echter Leichnahm? Der Offizier und dieser Mann gaben sich dermaßen überzeugend, dass man glatt denken konnte, dass ...Margrit schluckte, dachte einfach nicht mehr weiter darüber nach.
Der Mann richtete sich auf, schüttelte traurig den Kopf und ließ das Gerät in der Tasche und diese wiederum völlig selbsttätig unter seinem Mantel verschwinden. Er wendete sich Richtung Hajeps, die noch immer schwei¬gend, fast hilflos da standen, breitete die Arme aus, streckte sie zum Himmel und rief wehklagend über den ganzen Garten:
„Moi Oten! Wan a jiman Oten! Tes juk jakura guonga!”
Plötzlich hob jemand die Faust gen Himmel. “Kura!“ brüllte er heiser. “Kura sri rinem!”
“Pocco, pocco!“ fiel alles mit ein. “Sri rinem kura!” He, was sollte das darstellen? Etwa Rache? Das war sehr anzunehmen. Sie hatte versucht zu übersetzen und es so verstanden, dass wohl eine sehr wichtige Führungsper¬son von jemandem tückisch getötet worden war.
Der Offizier, der sich wieder auf den Boden gekauert hatte, streckte gebieterisch den Arm aus und gab wohl auf diese Weise zu verstehen, dass sich alles beruhigen sollte. Dann legte er die Hand auf sein nach oben weisendes Knie und berührte dessen Handrücken mit seiner Stirn, mit der anderen Hand wies er auf die Erde, wo das andere Knie lag.
Nanu? Margrit war völlig verstört. Was schien nur mit dem plötzlich passiert zu sein?
“Edapar,edapar!“ brummte er verzweifelt, hob den Kopf zum Himmel und starrte für ein Weilchen nach oben, und der Mann in den schlichten Kleidern kniete sich direkt neben den Tepp ..äh, Leich ... ach, ist doch ganz egal und machte die Bewegungen seines Offiziers nach. Der schaute jetzt über den Garten, zupfte ein Büschlein Gras und ließ es mit einer feierlichen Geste vom Wind fortwehen. Da ging der ganze Haufen wilder Hajeps gleichsam in die Knie und zwar an Ort und Stelle. Es raschelte und rumorte von allen Seiten und die Waffen wurden dabei niedergelegt. Die muskelbepackten Kerle berührten zunächst ihre Unterarme mit der Stirn, ähnlich wie er, hoben den Kopf zum Himmel und wisperten “Tama ...TAAMAAA!” Dann schauten sie auf die Bäume, die Pflanzen, dann auf die Erde. Ihre Oberkörper wankten schließlich ein wenig vor und zurück. Sie murmelten rau im Chor: „Tes juk jakura guonga ...moi Oten, moi Oten!”
Verdammt, was war denn jetzt los? Ja, spannen die plötzlich alle? Das sah ja fast so aus wie eine plötzliche Totenmesse! Indes kamen die Soldaten, welche der Mann in den schlichten Kleidern vorhin fortgeschickt hatte, feierlich mit einer über und über mit Herbstblumen geschmückten Bare den Weg des Gartens entlang und alles machte Platz. Vorne weg lief ein Mann in orangefarbenem Gewand und schwenkte an einer Schnur ein goldenes Behältnis hin und her. Roter Rauch stieg auf, es duftete plötzlich angenehm und leise Musik ertönte von irgend¬woher über den Garten. Nun wurde der Behälter über den Leich ...nein ...Tepp ... na, egal ... hin und her geschwenkt, bis er völlig hinter dem dichten, roten Rauch verschwand und alles blieb dabei am Boden knien und nur der Mann in den schlichten Kleidern stand auf:
“Oh, Gnoa ... moi Gnoa!” sagte er jammervoll, beugte sich vor und nahm den Leichnam in seine Arme und legte ihn langsam, fast behutsam auf all die Blumen. Die Bare wurde angehoben, der orangefarbene Mann schritt wieder voran, schwenkte das Behältnis weiter hin und her, beschwörende Worte dabei vor sich hin murmelnd, und während die zwei Männer die Bare den Weg entlang trugen, der Mann in den einfachen Kleidern folgte ihnen mit vor der Brust gekreuzten Armen, standen überall, wo sie vorbeikamen, die einzelnen Reihen der Hajeps auf. Bald war der feierliche Tross zum Tor hinaus. Die Tür eines Fahrzeugs rumpelte und dann brausten auch dessen Motoren auf. Weg waren sie! Indes hatte sich der Offizier zu dem verängstigen und dichtgedräng¬ten Häuflein Trowes begeben. Er begann es regelrecht zu umkreisen und mit einem kleinen Stäbchen dabei auf den Vordersten und Stärksten zu weisen, der sich schützend vor das Kind gestellt hatte. Der Offizier, oder was er auch sonst noch sein konnte, schrie den mutigen Trowe nach einer Weile im Befehlston an, blieb schließlich vor ihm stehen und wies abermals mit einer gebieterischen Geste auf ihn.
Erst jetzt erkannte Margrit, dass nicht der starke Trowe mit dieser Aufforderung gemeint war, sondern das Kind, welches der Hajep ganz offensichtlich plötzlich haben wollte, was auch immer er vorhatte mit diesem zu tun. Doch der Trowe wich keinen Millimeter zur Seite um das Kind freizugeben, um welches die Meute einen schüt¬zenden Kreis gebildet hatte wie einen dicken Mantel.
Margrit ahnte dennoch Schreckliches, denn die Hände der Trowes waren ja gefesselt. Was sollten sie tun? Die Hajeps würden das Kind so oder so bekommen.
Der Offizier winkte nun jene zwei Männer herbei, die er vorhin so herzlich begrüßt hatte. Sie trugen seltsamer¬weise Verbände, das merkte Margrit erst jetzt. Der eine an beiden Handgelenken, - oh Gott, die Hände fehlten - der andere an der Schulter und da merkte sie, dass sie die beiden heute bereits einmal gesehen hatte, nämlich als sie sich im Auto mit Danox versteckt gehalten hatte. Er stieß drohende Worte in Richtung Trowes aus. Dann fragte er diese beiden irgendetwas, indem er auf die Trowes wies.
Margrit mühte sich verzweifelt, seine Worte zu übersetzen, denn um einen wirklich genügenden Sprachschatz zu erlangen, war die Zeit des Lernens bei den Maden viel zu kurz gewesen. Und siehe da – es ging teilweise - den Rest musste sie sich allerdings irgendwie zusammenreimen. Bei diesen Fragen ging es wohl darum, ob solch eine Treue, wie ihn die Trowes zeigten, besonders hart bestraft werden sollte.
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Alt 18.02.2006, 11:35   #75
Doska
 
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Standard Kapitel 74

Beide Männer nickten sofort aufgeregt.
Demnach wäre Untreue richtiger? fragte er wohl weiter.
Wieder folgte ein Nicken.
Ob sie dann wohl eine Idee für besondere Folter- und Tötungsarten parat haben würden?
Oh Gott! Margrit keuchte entsetzt, denn wie aus der Pistole geschossen schlug der mit den Verbänden an den Händen auch sogleich wohl irgendetwas ganz besonders Schreckliches vor.
Der vorderste Trowe wankte, als er das gehört hatte, und wurde sehr blass, aber gab trotzdem noch immer nicht das Kind frei.
Margrits Knie zitterten. Sie fing wieder an zu schluchzen und damit sie nicht laut wurde, schob sie sich die Knöchel ihrer beiden Hände einfach in ihren Mund, stopfte soviel davon zwischen ihre Lippen wie nur hinein¬passen konnte. Sie hatte erwartet dass er schon wieder zu ihr hinabschauen, interessiert ihre Gesichtszüge studie¬ren würde, aber stattdessen legten sich ihr nur von hinten zwei große, behandschuhte Hände ausgesprochen vorsichtig auf die Schultern.
"Don`t be affa ...” stotterte er, brach ab und dachte kurz nach. ”Hm ...hmmm ...afraiiiddd!" sagte er völlig ausdruckslos dicht an ihrem Ohr. "I need your power! And you have power! I know it!"
Für einen Moment war sie unfähig zu denken und ließ sich von ihm wieder mal willenlos an seinen Körper ziehen, und abermals gab ihr seltsamerweise diese beinahe zärtliche Geste für einen Moment Kraft und Ruhe. Ihre Knie hörten sogar auf zu zittern, und sie sah wieder mit angehaltenem Atem zu, beobachtete mit zusam¬mengepressten Lippen, wie die Soldaten jetzt ziemlich laut einander etwas zuriefen, was sie diesmal leider nicht verstand. Die aufgerufenen Hajeps zögerten zunächst, doch dann zogen sie plötzlich eigenartige Geräte hervor, aus denen Strippen - wie Krakenarme - selbsttätig hervorkrochen.
Margrits Knie wurden weich, denn das sah sehr unheimlich aus und sie begann zu zittern. Da nahm er ihr einfach die Brille ab. Verdammt, sie konnte jetzt gar nichts mehr sehen!
“Do`nt worry!” flüsterte er.
Aber es war zum ´worry´ sein! Entsetzliche Schreckenschreie aus mehreren Kehlen erschollen nun, Margrit wusste nicht, wie viele es waren, gefolgt von furchtbarem Schmerzensgebrüll! So etwas hatte Margrit noch nie in ihrem Leben gehört. Auch das Kind schrie dabei wimmernd auf und das qualvolle Gestöhn wenig später mochte kein Ende zu nehmen. Blut gluckerte schließlich, schien den Boden zu berieseln ... oh, es war unerträg¬lich. Oh Gott, oh Gott, oh Gott ...die armen, armen Trowes! Was machten die Hajeps nur mit denen? Margrit konnte sich das einfach nicht mehr länger mit anhören. Sie musste etwas tun! Aber was? Entschlossen streckte sie die Hand aus, damit er ihr in diese wieder die Brille hinein legen sollte und er gehorchte. Ihre Finger zitterten so sehr, dass die kaum auf ihre Nase bekam. Das Bild, was sich Margrits weit aufgerissenen Augen bot, ließ sie nun doch ein wenig an ihrem eigenen Verstand zweifeln, denn immer noch aufrecht und unverändert standen die Trowes da. Zwar war das Kind jetzt ein bisschen nach vorne gerückt worden. Sämtliche Trowes blickten kopf¬schüttelnd auf irgendetwas hinunter und auch die übrigen, recht vielen Hajeps, die ringsherum standen und daher Margrit fast völlig die Sicht nahmen, schienen ganz entgeistert, ja, fast gelähmt vor lauter Schrecken zu sein. Niemand sagte ein Wort. Eisige Stille herrschte im Garten, ja sogar in den umliegenden Straßen und Gassen.
“Jawos tokat!” durchbrach jener Offizier als erster die Stille, der die verhängnisvollen Befehle gegeben hatte. “Kotaon te belia!“ Er streckte dabei fast feierlich seine Hand mit dem kleinen Stab aus und wies dabei auf den Boden. Sofort schoben sich vier Soldaten durch die dichtgedrängte Menge, bückten sich und alsbald zerrten sie - Margrit war mit einem Male fix und fertig, denn sie konnte es nicht fassen - die zwei Hajeps, die diesen sadisti¬schen Vorschlag gemacht hatten, völlig zerfetzt und blutüberströmt - es war blaues Blut - vom Boden.
Der Offizier zog ein kleines Messer oder so etwas ähnliches - verdammt, Margrit wurde mit einem Male kotzü¬bel -, bückte sich ein wenig und schlug jedem der beiden Hajeps das Ding in die Brust - oder doch nicht? Schlitzte er sie ´nur´ auf? Ach, es kam ja im Grunde auf das selbe hinaus. Wo war hier ein Napf, in den Margrit hineinkotzen konnte? Verdammt, sie brauchte DRINGEND einen Napf! Nanu? Völlig unnötige Angst gehabt! Er hatte lediglich deren Jacken aufgesäbelt ...und ... was holte er denn daaaaa hervor? Etwa Gedärme? Nein, bei dem einen hatte er eine art Dose gefunden, die er ganz nebenbei dem netten, bescheidenen Soldaten - konnten denn Hajeps überhaupt nett sein? - neben ihm übergab und beim anderen einen Gürtel und Waffen. Er hielt diese merkwürdigen Dinge hoch, ließ die von der Menge betrachten.
“Ziudat!” schrie er vorwurfsvoll und gebieterisch. ”Jima palto Ziudata!” Und gab den beiden Leichen dabei einen Tritt.
Die Menge grollte und Fäuste wurden nun gegen die beiden leblosen Hajeps gereckt. “Tes wan chimalto ...
chimalto!” brüllte alles aufgebracht.
So schleifte man die beiden einfach hinter sich her, den ganzen Weg entlang, bis zum Tor und ihnen folgte murrend und aufgebracht die Menge. Allerdings nicht restlos alle. Der Offizier verblieb als einziger noch für einen Moment und schaute sich dabei kurz um, blickte in jene Richtung zurück und zum Gebüsch hin, wo genau Margrit und dieser ...dieser ...wer war er denn bloss? ... gemeinsam mit ihr versteckt war und dann ging auch er.
Tja, man konnte sagen, was man auch immer wollte, aber Hajeps waren fix und diszipliniert. Das musste man ihnen lassen, denn so schnell wie sie gekommen waren, waren sie wieder verschwunden. Schließlich summten nur noch ein paar Lais in der Ferne und dann trat völlige Ruhe ein.
"What can wie do?" wisperte sie trotzdem, denn sie wollte nicht allzu schnell wieder aus diesem Gebüsch hervor und war sich sogleich im Klaren, dass dieser komische Typ bestimmt keinen Einfall hatte, wenn ihr schon nichts mehr einfiel. Der leere Garten, die stillen Straßen, die prächtige Nachmittagsonne entfachte schließlich in Margrit eine geradezu unverschämte Zuversicht und die ließ keinen Raum mehr für beunruhigende Fragen. Sie wollte sich einfach freuen, dass sie noch ein weiteres Mal dem sicheren Tod entgangen war. Sie und der ´Dings´ hinter ihr - wie hieß er eigentlich? - waren vorerst gerettet. Sie schaute sich wieder nach ihm um. Jetzt konnte man vielleicht fragen - da er von oben mehr Übersicht hatte, wenn er sich zum Beispiel streckte - ob wirklich alle fort waren?
"Are they away?" erkundigte sie sich keuchend vor Anspannung.
Er schien nichts gehört zu haben.
"What do you see?“ Sie reckte sich zu ihm empor.
Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. "You Baby!" erklärte er.
„Hä, hä, wie witzig! Ich meine ... äh ... I meen ...”
“Can`t look higher", unterbrach er sie achselzuckend, „course one energetic woman had that vorbitten me!"
Nun musste sie doch lachen. Er lächelte zwar nicht, sein Gesicht blieb wie immer völlig starr, doch musste sie trotzdem unbedingt einen Hauch von Fröhlichkeit in ihn hineininterpretieren. Schließlich lachte sie ihn so lange an, bis plötzlich die gesamte Muskulatur seines Gesichtes in einem sonderbaren Rhythmus zu zucken begann. Ein seltsames Kerlchen, wirklich!
"So ein Blödsinn", ächzte sie. "Natürlich können Sie jetzt mit dem Kopf hoch."
Wie der Blitz wollte er sich aufrichten.
"Halt - äh - stopp, that`s wrong, meine ich natürlich!" wisperte sie entsetzt. "So doch nicht!“ und drückte seine muskelbepackte Schulter mit aller Macht hinunter. "Immer schön vorsichtig ... ja? Langsam, gaanz langsam."
Er musterte ihre schmalen Hände, die seine Schulter herunterdrückten und zog die hübschen Brauen hoch. Dann tat er so, als ob er kaum gegen diesen Händedruck ankönne und stöhnte gequält, während er sich aufrichtete. Oben im Freien äugte er scheinbar aufmerksam nach allen Seiten. "There isn`t anyone!" nuschelte mit seiner Krächzstimme.
"Im Ernst? Gaaanz sicher? Äh, ich meine: Are you shure?" stotterte sie, doch noch ein bisschen skeptisch.
Er erwiderte nichts. Stattdessen spürte sie, wie sich seine großen Hände um ihre Taille legten und plötzlich fühlte sie sich emporgehoben!
Er keuchte dabei nicht vor Anstrengung, wie sie es von Paul kannte, wenn er es gelegentlich getan hatte, zum Beispiel, wenn er übermütig war, denn sie wog trotz ihrer Zierlichkeit nicht wenig, sondern er hob sie mit solch einer Leichtigkeit, wie sie die in ihrem ganzen Leben noch nie erfahren hatte. Er musste ziemlich stark sein, denn er hielt jetzt beide Arme durchgedrückt. Über allem erhoben spähte sie über das Gebüsch hinweg, über das ganze Grundstück. Es war ein himmlisches Gefühl, so mühelos von kräftigen Armen gehalten zu werden.
"Hm ... ich habe nun genug gesehen!" Sie musste sich noch einmal kräftig räuspern, um zu Verstande zu kommen. "Äh, Sie hatten offenbar recht! Ach, quatsch! Das Ganze in Englisch natürlich! Enough - okay?"
Viel zu schnell stand sie wieder auf dem Boden. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und schaute dabei ein wenig verwirrt zu ihm empor und sagte leise: "Ich glaube, wir können jetzt hinaus!" Sie schob sich die Brille zurecht und begab sich entschlossen ins Freie.
Er wollte ihr sofort folgen, doch sie schubste ihn mit dem Ellenbogen zurück. "Noch nicht!" wisperte sie, von Neuem nervös. "Erst werde ich zum Ausgang laufen und sehen, ob die Luft auch wirklich rein ist. Es können sich ja noch irgendwo Hajeps versteckt haben.”
"There is no one", hörte sie ihn und seine eigenartige Stimme klang völlig überzeugt.
Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ziemlich lehrmeisterlich nach ihm um. "Unsinn! Sie sind", fuhr sie sehr ernst fort, "viel zu naiv, um das richtig zu erfassen. Ach, Quatsch!" Sie schlug sich gegen die Stirn. "In Englisch muss ich das ja sagen!" Sie seufzte und begann von Neuem, musste aber mitten in ihrer Übersetzung entrüstet feststellen, dass er gar nicht gehorchte.
Er wirkte sogar ein wenig verärgert, als er neben ihr stand, denn nachdem er mehrmals seinen prächtigen Körper ächzend gestreckt und gereckt hatte, murrte er: "I`m a soldier, but perhaps I`m too mad for such things?"
Trotz seiner Spiegelbrille spürte sie, dass er sie ziemlich stechend ansah. Sein Blick glitt dabei über ihre schmale Figur und sie spürte ganz deutlich, dass er sie damit ärgern wollte. Ganz sicher wollte er damit ausdrücken, dass sie nur eine schwache Frau war und er schließlich ein Mann und somit dieser Situation viel mehr gewachsen als sie.
Sie ignorierte daher sein freches Gehabe, indem sie sich stirnrunzelnd an den drei Tannen vorbeischob, übers Gras lief und einfach den schmalen Weg betrat, der vom Hause fortführte. So, so, er war Soldat, ein Guerilla, das hatte sie allerdings nicht gewusst. Welcher Organisation mochte er wohl angehören? Aufmerksam nach jedem Winkel Ausschau haltend, schlich sie über die Terrasse. Sie hatte noch nie von solch einer komischen Type gehört! Sie griff nach ihren Revolvern und spähte auch zum Nachbargrundstück auf der einen Seite und dann zur anderen hinüber. Oh, große Erleichterung, da schien wirklich niemand mehr zu sein. He, wenn er Guerilla war, wo waren dann seine Waffen? Sie schaute jetzt wachsam zum Himmel ... kein Flugzeug mehr ... dann blickte sie zum Brunnen. Da schien sich auch nichts versteckt zu haben. Und wo war Danox? Der war weg! Na, das war wohl erst mal egal! Der würde bestimmt wiederkommen, wenn sie erst einmal alleine war – hoffentlich! Eigentlich, wenn sie es recht bedachte, hatte sie mit diesem Typ gar nichts mehr zu schaffen! Hm ... hinter den Büschen dort hinten war auch nichts weiter zu sehen. Er war gerettet, sie war gerettet, jeder konnte seiner Wege gehen. Sie lief nun den ganzen Weg bis zum Tor und überblickte die Straße. Alles leer ... wunderbar...oder? Oh, Gott! Sie schluckte. Doch nicht? Ihr Herz blieb fast stehen, als sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite Danox gemütlich auf langen Beinchen über den Bürgersteig Richtung Osten kraxeln sah. Sie wollte das freche Ding stoppen, ihm etwas zurufen. Daher riss sie das Tor auf, um zu Danox hinüberzujagen. Das Tor quietschte. Danox machte einen entsetzten Hopser schaute sich dabei um. Da sah Margrit, dass wohl nur das Stückchen alter Alufolie, welches jetzt über den Bürgersteig zu ihr heranwehte, die Ursache einer Einbildung gewesen war oder? Enttäuscht schloss sie wieder das Tor. Und nun? He, warum machte sie eigentlich das Tor zu? Sie wollte doch hindurch, endlich weg! Der komische Typ und sie selbst würden ihrer eigenen Wege gehen. Gesagt getan.
„Also dann“, brüllte sie nach hinten, “ach Quatsch, in Englisch.“ Und sie drehte sich auf dem Absatz, blickte zurück, um dem ´Kerl´ noch ein letztes Mal zuzuwinken. Da entdeckte sie, dass er die dicke Jacke ausgezogen, einfach über den nächstbesten Ast einer uralten Linde gelegt hatte und inzwischen auch weitergelaufen war und zwar Richtung Schuppen. He, was wollte der denn da? Neugierig kam sie vom Tor ihm hinterher, auch weil sie plötzlich arg im überlegen war, ob sie nicht vorerst doch lieber beide gemeinschaftlich weiter sollten. Na ja, schließlich war Krieg und einen solch starken Kerl wie ihn konnte sie recht gut gebrauchen! Außerdem mochte sie ihn irgendwie gerne, ja, das musste sie sich schon eingestehen, obwohl er solch ein verrücktes Huhn war. Vielleicht lag es auch ein bisschen daran, dass sie beide schon so viel Gefährliches überstanden hatten. Und dann, oh Gott, sie hatte ja ihre wichtigen Beutel vergessen! Wie konnte sie nur! Sie war heute wirklich zu bescheuert. Diese Tasche schmorte ja noch in der Tonne. He, die Tonne war tief und er hatte lange Arme! Wirklich recht praktisch diese Übergröße! Aber ...würde er ihr auch helfen? Sie stoppte mitten auf dem Weg und rieb sich skeptisch das Kinn. War er ein Gentleman? Sie lief entschlossen weiter. Na, den kleinen Gefallen würde er ihr doch wohl tun ...wäre ja noch schöner!
“Tja, also, dann ...”, sie streckte ihm, als sie nahe genug heran war, von hinten ihre Hand entgegen, denn irgendwie traute sie sich nicht, um ihn herumzulaufen und ihm ins Gesicht zu sehen. Er sollte nicht sofort an ihrem Mienenspiel erkennen, wie furchtbar gern sie es hätte, wenn er sie begleitete. Doch er schien nichts gehört zu haben, bückte sich nur - warum bloß? - und hatte ihr daher sein Hinterteil zugewandt.
`Das wird sich ja wohl mal ändern, oder?´ dachte sie getröstet, aber auch genervt.
"Es hat mich sehr gefreut Sie kennen zu lernen”, krächzte sie etwas lauter, hielt ihm aber weiter ihre Hand entgegen. Komisch, was hob er jetzt wohl auf? Sie blickte, wieder sehr neugierig geworden, um diesen komischen Menschen herum, spähte ins hohe Gras. Aha, eine Dose, nur die ...hm ... also, die von vorhin und jetzt ... einen Waffengürtel, auch den ...tja, von vorhin! Und noch so etwas ähnliches wie ein riesiges Gewehr. Na und? War ganz praktisch, denn damit konnte er Margrit recht gut beschützen, später, wenn`s zu Pommi ging. Da konnte er ... wollte er überhaupt? War alles frisch gereinigt von Hajepblut! Donnerwetter! Oh Gott, oh
Gott! Was wollte der jetzt mit Hajepwaffen? Warum konnte er die Dinger nicht einfach liegen lassen! .Von Hajepwaffen hatte doch ohnehin niemand richtige Ahnung, ... es sei denn, man war selbst ... he... verdammt, gehörte er etwa doch daz...? Ihre Gedanken, die sich immer schneller gedreht hatten, stoppten plötzlich.
´Nein, warum soll er!` dachte sie nun leichthin. ´Der komisch gekleidete Typ ist halt neugierig! Ganz wie ich es selbst oft bin! Will sich nur mal informieren, wie Hajepwaffen eigentlich gebaut sind.´ Puh, sollte sie trotzdem lieber weglaufen ... womöglich sogar blitzartig? Aber sie brauchte ihn doch! Und es war doch schon die ganze Zeit gut gegangen!
“Äh, ich muss fort!” krächzte sie jetzt und sah, dass er sich den Gürtel umlegte. Nicht nur um die schmale Taille, sondern auch einmal kreuz und quer über seine wunderbare Brust. “Es ist spät ...hm ... und viel¬leicht ... vielleicht verpisse ich mi ... ich meine natürlich ...verpuste ich ... ach Quatsch ... verpasse ich noch den Zug?” Blödsinn, was redete sie denn plötzlich daher?
Er schulterte mit einer kurzen geschmeidigen Pantherbewegung das komische Gewehr! Und das hatte so ausge¬sehen, als wäre er schon seit Jahren an so etwas gewöhnt. Verdammt, warum war sie plötzlich wie erstarrt? Oh Gott, womöglich hatte er sie nicht verstanden und sie musste das Ganze noch in Englisch wiederholen!
“He”, krächzte sie mühsam weiter und hielt ihm wieder ihre Hand entgegen, diesmal von der Seite her, damit er die auch endlich sah. Na ja, schließlich war er muskelbepackt, hatte nicht nur ellenlange Arme sondern auch Beine. Der hatte gewiss keine Probleme, wenn es darum ging sie einzuholen falls er merkte, dass sie türmte! Nein, daaas hatte sie auch gar nicht vor! Iiii - wo! Und das wollte sie ihm auch damit veranschaulichen!
“Trotz allem Schrecklichen war ja auch manchmal etwas zum Labern ... eh, hm ... Lachen dabei. Finden Sie nicht?“ Herr du meine Güte, was mochte nur mit ihr los sein? Womöglich war sie inzwischen schon so verblö¬det, dass sie nicht einmal mehr vernünftig Deutsch zu sprechen in der Lage war!
Er hatte sich vollends zu ihr herumgedreht und sie senkte ihre Hand ... nein, ließ sie eher fallen und zwar wie einen zu heißen Stein, denn erst jetzt erkannte sie, was das eigentlich für ein Riese war und durch diese - im übrigen kostbar verzierten - Waffen wirkte er wie ... ach, sie fand keine Worte! Tarzan, Superman, Batman ... alle die konnten sich nur noch hinter ihm verstecken!
´Und ich bin wie eine Maus, die von Angesicht zu Angesicht einen sprungbereiten Tiger betrachtet! Schon er allein stellt eine wahnsinnige Supermacht dar! Nein, den brauche ich nicht. Ist mir überhaupt nicht sympa¬thisch!´
Sie griff nach ihren Waffen, doch er streckte seine Hand aus, kleine Blitze schossen aus einem Ring an seinem Zeigefinger und erzeugten einen ziemlichen Schmerz in Margrits Händen.
“Schon gut!“ ächzte sie. „Oha ...hm ...tja ...bedenken wir, dass wir uns eigentlich immer recht gut verstanden haben und be...be ...behalten wir uns ...“, verdammt, sie wusste jetzt nicht weiter, hielt den Atem an, versuchte sich zusammenzureißen, “...darum also in guter Erinnerung. Ach Quatsch, in Ehren! Denn die ...die Würde ist würdig! Würd` ich sagen! Ja, ja, ja, ja ...“, sie wedelte mit dem Zeigefinger und er schaute deshalb erstaunt drein, “...und die Menschen vor allen Dingen! “ setzte Margrit noch hinzu und stutzte, denn er hielt plötzlich ihre Fingerspitze fest. “Die ...also ... diie ...”, brabbelte sie kreidebleich weiter, “...sollte darum nicht betastet werd ...”, sie entwand ihm, wenn auch mühsam, ihren Finger, “...also unantastbar sein, tschaauuu!“ Schon hatte sie sich weggedreht, machte einen Schritt von ihm fort. Der zweite gelang ihr allerdings nicht mehr, denn er hatte einfach seinen Gewehrkolben von hinten auf den Absatz eines ihrer ohnehin ausgelatschten Turnschuhe gestellt ”Ach so, in Englisch!" seufzte sie und verharrte für einen Moment, ähnlich wie ein hypnotisiertes Karnickel. Schon wollte sie den Schuh einfach ausziehen, fortjagen, da spürte sie nicht nur seine gewaltige Pranke auf ihrer Schulter, sondern auch an ihren Füßen eine Lockerung des Stoffes ihres Turnschuhs. Mit dem Daumen und nur zwei Fingern drehte er Margrit einfach zu sich herum. Er wies auf ihre Waffen und wedelte leicht mit der anderen Hand Richtung Boden, zum Zeichen, dass sie diese wegwerfen sollte.
„Okay, okay“, sagte sie und warf eine nach der anderen, wenn auch etwas zögerlich, fort. „So, fertig!“ sagte sie.
Sie entdeckte jetzt eine tiefe Falte auf seiner Stirn. Er wies auf ihre Weste.
„War ja nur ´n Scherz!“ kicherte sie ängstlich und räumte auch ihre Weste aus.
Die Falte unter der Schirmmütze war zwar verschwunden, aber nun fühlte sie seine behandschuhten Finger an ihrem Kinn. Er lenkte ihr Gesicht ein wenig nach unten.
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Alt 12.03.2006, 10:52   #76
Doska
 
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Und nun sah sie wie er die beiden Zipfel seiner überlangen Ärmel mit einer eleganten Bewegung zurückwarf, den Ring vom Finger streifte und dann erstaunlich langsam seine weichen, nahtlosen Handschuhe auszog, erst den einen, dann den anderen. Er stellte dabei seinen Fuß quer über die Spitzen ihrer Turnschuhe und sie rollte deshalb ihre Zehen ein und dann streckte er Margrit - zwar etwas zögernd - seine linke Hand einfach entgegen.
"Hey!" krächzte er ausdruckslos.
Sie zeigte jetzt dafür umso mehr Ausdruck, griff nicht zu, starrte statt dessen völlig entgeistert auf diese Hand und ihr Herz zuckte dabei in ihrer Brust, als würde es in lauter kleine Stückchen zerfetzt, denn das war ja gar keine richtige Hand mehr, sondern nur noch ein ekelhaft weißlich bis graues verkrüppeltes Gebilde. Zwar schien dieses Gebilde trotzdem aus fünf Fingern zu bestehen. Sämtliche Finger hatten jedoch eines gemeinsam: keine Spitzen oder auch nur irgendwelche Ansätze von Horn oder gar Nägeln. Er seufzte leise - etwa bekümmert? Oder hatte sie sich das schon wieder eingebildet? Margrit betrachtete mit weitaufgerissenen Augen diese Hände und er studierte dabei sehr genau ihr Mienenspiel. Mein Gott, war ihr mit einem Male schwumme¬rig, denn diese Klauen sahen ja grässlich aus.
Er schob nun die überweiten halb transparenten Ärmel seines Hemdes mit einer flinken Bewegung etwas höher, so dass sie auch seine Handgelenke sehen konnte.
Margrit entdeckte dort tiefe, gefährliche, aber inzwischen verheilte Schnitte. Die Hauptschlagader war dabei besonders brutal attackiert worden, etwa Suizidversuche? Und außerdem, dass dort die Haut weder welk noch bleich war, sondern tiefblau. Margrits Blick wanderte hinauf, glitt über seinen ganzen Körper und dann in sein Gesicht und mit einem Male war ihr Gehirn bereit, die unermessliche Tatsache, die sie die ganze Zeit so verzweifelt zu verdrängen versucht hatte, zu erfassen. Er war Hajep ... der Feind! Ein Außerirdischer und seine Haut hatte eben klar erkennbar die Farbe seiner Art ... blau ... tiefblau! Dieses Geschöpf hatte wohl einst jene eigenartige Pigmentierung auch an den Händen besessen. Irgendetwas war jedoch geschehen, dass die Hände und womöglich sogar die Füße ihre Farbe veränderten, wohl bleich und verkrüppelt geworden waren. Vorhin, als Margrit ihn gefunden hatte, hatte er sich nur - aus welchem Grunde auch immer - derart schlecht gefühlt, dass er ganz einfach blass im Gesicht gewesen war, eben wie ... ein Mensch! Oh Gott, und nun nahm er auch noch seine Brille ab. Margrit wankte leicht, während sie in diese unwirklich erscheinenden, weil viel zu lang geschnittenen Augen starrte. Herr im Himmel, die gesamte Nickhaut war total schwarz und das Auge selbst rot ... rot, wie es George nie für möglich gehalten hatte, rot, worüber die Menschheit inzwischen schon die besten Witze gemacht hatte, rot, wie eben alles Boshafte und Entsetzliche schlechthin und noch dazu hatte dieses Rot eine vertikale, spaltförmige, giftgrüne Iris. Wo der Augapfel bei den Menschen weiß war, erschien er hier in sattem Gelb. Sein Blick war trüb, schien von undurch¬dringlichen Nebeln verhangen zu sein. Und seine Nase hatte - Margrit schluckte - gleich drei Nasenlöcher! Zwei auf der rechten Seite direkt übereinander und nur eins auf der linken. Weshalb brauchten denn diese Kreaturen ausgerechnet drei? Daher jedenfalls diese Sprache durch die Nase! Also hatte Margrit einen Hajep vor den Hajeps errettet. Ja, das war doch geradezu lächerlich! Welch ein Blödsinn, welch ein Wahnsinn! Margrit biss sich auf die Lippen, um nicht hysterisch aufzulachen, um nicht ihr entsetzliches Unglück laut und verzweifelt hinauszuschreien.
Mit einer langsamen, vorsichtigen Geste verstaute er nun auch die Sonnenbrille in einer frisch entstandenen Tasche seines Hemdes. Diese hatte sich von alleine geöffnet und wieder selbsttätig zusammengezogen, als wäre sie irgendwie - Margrit blinzelte nervös- lebendig.
Aber, warum hatte sich der Feind von Margrit überhaupt retten lassen? Weshalb hielt er ihr schon wieder - oh, er war sehr ausdauernd - diese ... diese grässlichen Pfoten entgegen, trieb er dieses irre Spielchen mit ihr? Sie wusste sich keinen Reim darauf zu machen.
`Der Feind hat mich nicht getötet´, dachte sie. ´Er ist ganz alleine hier geblieben, ist seinen Kameraden nicht gefolgt!´ Trotzdem: Wollte er sie für die sadistischen Versuche seiner verrückten Wissenschaftler haben? War das die Strafe dafür, dass sie ihn gemocht, hatte retten wollen? Nein, dann hätte er mich gleich abschleppen lassen können. Was erhoffte er sich dann von ihr? Die ganze Zeit hatte er also nur mit ihr gespielt? Hm, viel¬leicht konnte man dieses Spielchen weiter fortsetzen? Konnte man nicht so tun, als wenn man ein bisschen dämlich war, und nichts Besonderes an ihm bemerken würde?
"Oh, hey!” sagte sie jetzt so arglos, wie nur irgend möglich. “Welcome!” und überwand ihren Ekel, ergriff sich irgendeine dieser widerlichen Tatzen und schüttelte die sogar. ”Now I know, who you are! “
Er stutzte, ganz offensichtlich hatte er eine andere Reaktion erwartet.
"The earth is wonderfull! Isn`t it?” plapperte sie weiter, leider ein bisschen zu hastig, aber vielleicht merkte er das nicht. ”The sun ist shining...”, keuchte sie, ”... and the birds are singing high in this tree... “, sie schaute sich um. ”I love this world! You too?“
Währenddessen hatten sich seine ...äh, konnte man überhaupt Finger dazu sagen? ... um ihre Hand geschlossen, aber er hatte auch seinen Fuß endlich von ihren Schuhspitzen wieder heruntergenommen und daher streckte sie ein bisschen erleichtert ihre Zehen aus. Doch dann stutzte sie. Verdammt, wer hatte Margrit denn den hirnrissi¬gen Gedanken eingegeben, diesem Geschöpf die Pranke zu schütteln? Er hielt sie nämlich jetzt daran fest, hatte wohl Bedenken, dass sie ihm doch noch wegrennen könnte. Margrit spürte die eisige Kälte seiner merkwürdigen Haut, zuckte aber kein bisschen zusammen, auch nicht, als er noch die andere zermatschte Tatze darüber legte. Würde er auf ihr Spiel eingehen oder das was er wohl zuerst mit ihr vorgehabt hatte, sofort in die Tat umsetzen?
"Let`s go together?" krächzte der Feind leise und seine ´Tatzen´ bebten.
"If we have the same way?" fragte sie und ihr Herz schlug, doch er ließ sie noch immer nicht los.
"Perhaps?“ Er machte eine kleine Pause und fuhr dann sehr ernst fort. “I hope, you`ll take the right way. Do you know the right way?”
“I hope!” schniefte sie und ärgerte sich, dass ihr die Tränen gekommen waren.
“You know it! Show me this way...“, krächzte er mit belegter Stimme, “...I`ll learn from you! I want to know you ... I`ll follow you, wherever you may go!”
Margrits Angst war plötzlich völlig verflogen, obwohl sie noch immer nicht so recht verstand, um was es hier eigentlich ging. Entweder war dieser Mann geistesgestört - worauf sie ja schon von Anfang an so ein kleines bisschen getippt hatte - oder überraschenderweise hochintelligent. Denn welchen womöglich symbolischen Weg meinte er? Er ließ sie los, und sie nahm alle Kraft zusammen und sagte: ”But I want to save my people! I´m a human and ...”
“I want to save my people too”, fiel er ihr plötzlich ziemlich ungehalten ins Wort. “That`s the reason, course I want to know you ... course I want to go your way! The way of a human! We all want a way! A way out of our darkness!”
“Out of darkness?” Sie starrte ihn nun doch recht verwirrt an. “Therefore you need ... me? “
“Akir ...hm ...a human! Yes, that it is!” Er nickte und schluckte.
Sie schüttelte fassungslos den Kopf. “I know, you`re living in a paradies! You`re rich! You`ve nothing to do! All your work some machines do, and you can have everything, every thing, what only you want.”
“Xorr...hm ... yeah!” Er nickte abermals und setzte dann hinzu: “Perhaps, that`s the reason? Perhaps that`s our very difficult problem?”
“Our Problem?” wiederholte sie fassungslos. ”How can have such people any problems? You`re the conqueres, you`re the champions! You` re the winners!”
“Yes, we are ... but we`re unlucky winners! Nobody of us can cry, nobody of us can lough. We can`t sleep! We can`t dream!“ Er brach ab, schüttelte den Kopf. “Kontriglusia! That`s the reason”, krächzte er, ”Course we want to know you! Course we know your Spezies!” Er holte tief Atem und fauchte dann: ”Show me the way to the light!”
He, das war ja wie im Befehlston?
”Course we`ve a short time!” Er knirschte nun recht unfreundlich mit den Zähnen. ”Come on.”, herrschte er sie auch noch an, “let`s beginning!“
Und nun sah sie wie er die beiden Zipfel seiner überlangen Ärmel mit einer eleganten Bewegung zurückwarf, den Ring vom Finger streifte und dann erstaunlich langsam seine weichen, nahtlosen Handschuhe auszog, erst den einen, dann den anderen. Er stellte dabei seinen Fuß quer über die Spitzen ihrer Turnschuhe und sie rollte deshalb ihre Zehen ein und dann streckte er Margrit - zwar etwas zögernd - seine linke Hand einfach entgegen.
"Hey!" krächzte er ausdruckslos.
Sie zeigte jetzt dafür umso mehr Ausdruck, griff nicht zu, starrte statt dessen völlig entgeistert auf diese Hand und ihr Herz zuckte dabei in ihrer Brust, als würde es in lauter kleine Stückchen zerfetzt, denn das war ja gar keine richtige Hand mehr, sondern nur noch ein ekelhaft weißlich bis graues verkrüppeltes Gebilde. Zwar schien dieses Gebilde trotzdem aus fünf Fingern zu bestehen. Sämtliche Finger hatten jedoch eines gemeinsam: keine Spitzen oder auch nur irgendwelche Ansätze von Horn oder gar Nägeln. Er seufzte leise - etwa bekümmert? Oder hatte sie sich das schon wieder eingebildet? Margrit betrachtete mit weitaufgerissenen Augen diese Hände und er studierte dabei sehr genau ihr Mienenspiel. Mein Gott, war ihr mit einem Male schwumme¬rig, denn diese Klauen sahen ja grässlich aus.
Er schob nun die überweiten halb transparenten Ärmel seines Hemdes mit einer flinken Bewegung etwas höher, so dass sie auch seine Handgelenke sehen konnte.
Margrit entdeckte dort tiefe, gefährliche, aber inzwischen verheilte Schnitte. Die Hauptschlagader war dabei besonders brutal attackiert worden, etwa Suizidversuche? Und außerdem, dass dort die Haut weder welk noch bleich war, sondern tiefblau. Margrits Blick wanderte hinauf, glitt über seinen ganzen Körper und dann in sein Gesicht und mit einem Male war ihr Gehirn bereit, die unermessliche Tatsache, die sie die ganze Zeit so verzweifelt zu verdrängen versucht hatte, zu erfassen. Er war Hajep ... der Feind! Ein Außerirdischer und seine Haut hatte eben klar erkennbar die Farbe seiner Art ... blau ... tiefblau! Dieses Geschöpf hatte wohl einst jene eigenartige Pigmentierung auch an den Händen besessen. Irgendetwas war jedoch geschehen, dass die Hände und womöglich sogar die Füße ihre Farbe veränderten, wohl bleich und verkrüppelt geworden waren. Vorhin, als Margrit ihn gefunden hatte, hatte er sich nur - aus welchem Grunde auch immer - derart schlecht gefühlt, dass er ganz einfach blass im Gesicht gewesen war, eben wie ... ein Mensch! Oh Gott, und nun nahm er auch noch seine Brille ab. Margrit wankte leicht, während sie in diese unwirklich erscheinenden, weil viel zu lang geschnittenen Augen starrte. Herr im Himmel, die gesamte Nickhaut war total schwarz und das Auge selbst rot ... rot, wie es George nie für möglich gehalten hatte, rot, worüber die Menschheit inzwischen schon die besten Witze gemacht hatte, rot, wie eben alles Boshafte und Entsetzliche schlechthin und noch dazu hatte dieses Rot eine vertikale, spaltförmige, giftgrüne Iris. Wo der Augapfel bei den Menschen weiß war, erschien er hier in sattem Gelb. Sein Blick war trüb, schien von undurch¬dringlichen Nebeln verhangen zu sein. Und seine Nase hatte - Margrit schluckte - gleich drei Nasenlöcher! Zwei auf der rechten Seite direkt übereinander und nur eins auf der linken. Weshalb brauchten denn diese Kreaturen ausgerechnet drei? Daher jedenfalls diese Sprache durch die Nase! Also hatte Margrit einen Hajep vor den Hajeps errettet. Ja, das war doch geradezu lächerlich! Welch ein Blödsinn, welch ein Wahnsinn! Margrit biss sich auf die Lippen, um nicht hysterisch aufzulachen, um nicht ihr entsetzliches Unglück laut und verzweifelt hinauszuschreien.
Mit einer langsamen, vorsichtigen Geste verstaute er nun auch die Sonnenbrille in einer frisch entstandenen Tasche seines Hemdes. Diese hatte sich von alleine geöffnet und wieder selbsttätig zusammengezogen, als wäre sie irgendwie - Margrit blinzelte nervös- lebendig.
Aber, warum hatte sich der Feind von Margrit überhaupt retten lassen? Weshalb hielt er ihr schon wieder - oh, er war sehr ausdauernd - diese ... diese grässlichen Pfoten entgegen, trieb er dieses irre Spielchen mit ihr? Sie wusste sich keinen Reim darauf zu machen.
`Der Feind hat mich nicht getötet´, dachte sie. ´Er ist ganz alleine hier geblieben, ist seinen Kameraden nicht gefolgt!´ Trotzdem: Wollte er sie für die sadistischen Versuche seiner verrückten Wissenschaftler haben? War das die Strafe dafür, dass sie ihn gemocht, hatte retten wollen? Nein, dann hätte er mich gleich abschleppen lassen können. Was erhoffte er sich dann von ihr? Die ganze Zeit hatte er also nur mit ihr gespielt? Hm, viel¬leicht konnte man dieses Spielchen weiter fortsetzen? Konnte man nicht so tun, als wenn man ein bisschen dämlich war, und nichts Besonderes an ihm bemerken würde?
"Oh, hey!” sagte sie jetzt so arglos, wie nur irgend möglich. “Welcome!” und überwand ihren Ekel, ergriff sich irgendeine dieser widerlichen Tatzen und schüttelte die sogar. ”Now I know, who you are! “
Er stutzte, ganz offensichtlich hatte er eine andere Reaktion erwartet.
"The earth is wonderfull! Isn`t it?” plapperte sie weiter, leider ein bisschen zu hastig, aber vielleicht merkte er das nicht. ”The sun ist shining...”, keuchte sie, ”... and the birds are singing high in this tree... “, sie schaute sich um. ”I love this world! You too?“
Währenddessen hatten sich seine ...äh, konnte man überhaupt Finger dazu sagen? ... um ihre Hand geschlossen, aber er hatte auch seinen Fuß endlich von ihren Schuhspitzen wieder heruntergenommen und daher streckte sie ein bisschen erleichtert ihre Zehen aus. Doch dann stutzte sie. Verdammt, wer hatte Margrit denn den hirnrissi¬gen Gedanken eingegeben, diesem Geschöpf die Pranke zu schütteln? Er hielt sie nämlich jetzt daran fest, hatte wohl Bedenken, dass sie ihm doch noch wegrennen könnte. Margrit spürte die eisige Kälte seiner merkwürdigen Haut, zuckte aber kein bisschen zusammen, auch nicht, als er noch die andere zermatschte Tatze darüber legte. Würde er auf ihr Spiel eingehen oder das was er wohl zuerst mit ihr vorgehabt hatte, sofort in die Tat umsetzen?
"Let`s go together?" krächzte der Feind leise und seine ´Tatzen´ bebten.
"If we have the same way?" fragte sie und ihr Herz schlug, doch er ließ sie noch immer nicht los.
"Perhaps?“ Er machte eine kleine Pause und fuhr dann sehr ernst fort. “I hope, you`ll take the right way. Do you know the right way?”
“I hope!” schniefte sie und ärgerte sich, dass ihr die Tränen gekommen waren.
“You know it! Show me this way...“, krächzte er mit belegter Stimme, “...I`ll learn from you! I want to know you ... I`ll follow you, wherever you may go!”
Margrits Angst war plötzlich völlig verflogen, obwohl sie noch immer nicht so recht verstand, um was es hier eigentlich ging. Entweder war dieser Mann geistesgestört - worauf sie ja schon von Anfang an so ein kleines bisschen getippt hatte - oder überraschenderweise hochintelligent. Denn welchen womöglich symbolischen Weg meinte er? Er ließ sie los, und sie nahm alle Kraft zusammen und sagte: ”But I want to save my people! I´m a human and ...”
“I want to save my people too”, fiel er ihr plötzlich ziemlich ungehalten ins Wort. “That`s the reason, course I want to know you ... course I want to go your way! The way of a human! We all want a way! A way out of our darkness!”
“Out of darkness?” Sie starrte ihn nun doch recht verwirrt an. “Therefore you need ... me? “
“Akir ...hm ...a human! Yes, that it is!” Er nickte und schluckte.
Sie schüttelte fassungslos den Kopf. “I know, you`re living in a paradies! You`re rich! You`ve nothing to do! All your work some machines do, and you can have everything, every thing, what only you want.”
“Xorr...hm ... yeah!” Er nickte abermals und setzte dann hinzu: “Perhaps, that`s the reason? Perhaps that`s our very difficult problem?”
“Our Problem?” wiederholte sie fassungslos. ”How can have such people any problems? You`re the conqueres, you`re the champions! You` re the winners!”
“Yes, we are ... but we`re unlucky winners! Nobody of us can cry, nobody of us can lough. We can`t sleep! We can`t dream!“ Er brach ab, schüttelte den Kopf. “Kontriglusia! That`s the reason”, krächzte er, ”Course we want to know you! Course we know your Spezies!” Er holte tief Atem und fauchte dann: ”Show me the way to the light!”
He, das war ja wie im Befehlston?
”Course we`ve a short time!” Er knirschte nun recht unfreundlich mit den Zähnen. ”Come on.”, herrschte er sie auch noch an, “let`s beginning!“
Doska ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.04.2006, 10:38   #77
Doska
 
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Standard Kapitel 75

Obwohl der Lärm längst vorbei war, wagte sich Gulmur nicht zu rühren. Er hatte seine langen, haarigen Arme um die Knie geschlungen und den breiten Kopf mit dem Kraushaar zwischen die Schultern gezogen. So kauerte er immer noch ängstlich in dem Kleiderschrank hinter ein paar ordentlich aufgehängten Hemden, Hosen und Blusen. Hier war es sehr stickig und er schwitzte mächtig, doch er hatte Angst, dass Menschen diese Wohnung wieder betreten würden, nachdem die Jisken und Hajeps diese Stadt verlassen hatten. Sein Herz klopfte und ihm wurde übel, sobald ihm auch nur flüchtig all das Schreckliche und Unfassbare wieder in Erinnerung kam. All das, was mit dem Vater, den treuen Freunden, mit seiner Mutter und - das gab seinem Herzen den größten Stich! – mit seinem kleinen Bruder geschehen war. Trukir war doch immer so ein argloses Kind gewesen und die ganze Zeit während der Flucht hatten sie sich alle wie verrückt darum bemüht, ihm seine Lebensfreude zu erhalten. Nun würde es damit für den Kleinen entgültig vorbei sein. Gulmur fletschte die langen, spitzen Zähne. Sobald er hier hinaus war, würde seine Rache furchtbar werden. Wehe, wenn es hier noch ein paar verbliebene Hajeps gab. Er würde über sie herfallen, ihnen das Fleisch mit seinen scharfen Zähnen aus dem lebendigen Leibe reißen. Ja, er würde mit ihnen spielen, wie sie das mit seinem kleinen Bruder getan hatten, so lange, bis sie es bereuen würden, je geboren worden zu sein. Und das alles hatten diese erbarmungslosen Hajeps nur getan um heraus zu bekommen, wer von ihnen noch Danox besitzen könnte. Er schüttelte fassungslos den Kopf. Dadurch rutschte ein Hemd vom Bügel, fiel auf sein grünes, abstehendes Struwwelhaar. Er schob es sich mit einer unwirschen Bewegung vom Kopf, zog es sich von der weit vorgewölbten Schnauze.
Bei den Göttern des Alls, die Jisken waren zwar ein eigenartiges Volk, das auch unvorstellbare Dinge zu tun fähig war, getrieben von einem unbändigen Hass gegen die Hajeps, aber sie hatten sich heute zu Gulmurs Überraschung von einer ganz anderen Seite gezeigt. Unter Einsatz ihres Lebens hatten sie den Kampf mit den tückischen Hajeps gewagt, nur um seinen Vater und die Freunde zu befreien. Schrecklich, dass dabei das Glück nicht auf ihrer Seite gewesen war und sie so viele Verluste hatten erleiden müssen.
Ihm, Gulmur, war es bei diesem Handgemenge jedoch gelungen zu entkommen. Er hatte sich in dieses Mietshaus geflüchtet und trotzdem auf den sicheren Tod gewartet, weil es die hohe Technik den Hajeps eigentlich ermöglichte, jeden Flüchtling wieder einzufangen, wenn sie wirklich darauf aus waren.
Immer noch war er erstaunt, dass er lebte. Zögernd kroch er aus dem Kleiderschrank, ängstlich in alle Ecken schauend. Nein, da war niemand. Oder doch ein paar Soldaten, die mit ihm vielleicht nur einen kleinen Scherz machen wollten?
Er tappte durchs Schlafzimmer, immer noch mit weichen Knien. Würde jetzt jemand - zum Beispiel aus dem Vorhang da – hervorspringen? Er schluckte und die gelben Augen flackerten, als er weiter schlich. Und wenn ihm nun die Besitzer der Wohnung begegneten? Die würden dann bestimmt laut loskreischen, wenn sie solch ein grün behaartes Geschöpf wie ihn hier so schleichen sahen und was machte er dann? Seine giftgrüne Zunge huschte bei diesem Gedanken kurz über die schmalen, harten Lippen. Laute Menschen konnten Hajeps ganz gewiss aufmerksam machen. Er nahm deshalb das Seil fester in die Hand, das er schon die ganze Zeit mit sich getragen hatte. Bei Ubeka, er würde schneller sein als jeder Mensch, ihm diese Schlinge um den Hals legen und der Tod würde eher kommen als der Ton. Er schaute nun mit seinen kleinen gesprenkelten Augen aus dem Fenster, blickte auf die von hübschen Büschen und hohen Bäumen eingefasste Straße. Nein, keine Hajeps zu sehen. Also los, raus in die Freiheit.
Er hüpfte mit seinen kurzen, krummen Beinen schnell über die vielen Treppen, schwang sich zum Schluss über das Geländer, sprang einfach zur letzten Etage hinunter. Seine langer, muskelbepackter Arm riss mit einem Ruck weit die Haustür auf. Unten auf der Straße sah er erst einmal hinauf in die Blätter, tankte die frische Luft. Sowohl Hajeps als auch Jisken waren ja empfindlich und konnten ohne Helm auf diesem herrlichen Planeten nicht leben. Trowes jedoch schon! Er rieb zufrieden die scharfen Zähne gegeneinander. Er würde sich nun umschauen und ... plötzlich fühlte er eine Hand auf seiner Schulter.
„Bei Ubeka und Anthsorr, wen haben wir denn hier?“ hörte er auf hajeptisch, der meist gesprochenen Sprache des Sonnensystems von ´Raik Somto´.
Der Trowe erbleichte, dann fuhr er mit einem Satz herum und ... atmete erleichtert aus, denn er hatte ihre Zeichen auf den Uniformen erkannt. Hinter ihm standen drei riesige, schwer bewaffnete Jisken.

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Munk war völlig verzweifelt. Sein schwarz weiß gescheckter Schwanz schliff fast auf dem Boden und die schwarzen Ohren hingen schlaff nach vorne. Was war denn jetzt wieder passiert? Konnte man nicht einmal in seinem Leben seine Ruhe haben? Wie immer war er natürlich völlig unschuldig bei dieser ganzen Sache. Das alles hatte sich ja nur ereignet, weil die grässlichen Zweibeiner, also die, welche immer seine Leute drangsalierten, ihre unterirdischen Eingänge früher verschlossen hatten als sonst.
Er war nicht der Jüngste und das Jagen fiel ihm schon seit einiger Zeit nicht mehr so leicht. Es plagten ihn Schmerzen in den Knochen, vor allem hinten am Rücken. Da ging das Springen etwas schwer und auch beim Anschleichen, knackten bisweilen die Knochen und verscheuchten somit die beschwerlich erlauerte Beute. Dann kam noch hinzu, dass die widerlichen Zweibeiner etwas gegen Ratten und Mäuse ausgelegt hatten, woran er fast gestorben war. Heute ging`s ihm zwar etwas besser, aber die Suche nach Beute hatte ihn doch erschöpft.
Eigentlich wäre längst Zeit für ein Nickerchen gewesen, als er einen höchst vertrauten Zweibeiner weiblichen Geschlechts auf offener Straße wiedererkannte. Schnell wollte er hinterher, aber dann stoppte er doch. Der Käfer – also dieses Ding mit dem er früher oft herumgespielt hatte – folgte ihr. Bei seiner seligen Mutter, hatte der sich aber verändert! So war der ihm wirklich nicht mehr geheuer!
Also folgte Munk den beiden nur mit einem gewissen Abstand in die Stadt. Obwohl er hier und da etwas zum Schnüffeln und manchmal sogar etwas lecker Verfaultes zum Essen fand, ließ er die beiden nicht aus seinen schrägen Katzenaugen.
Allerlei Unruhiges war dann später passiert. Zum Beispiel hatte es plötzlich riesengroße Flatterlinge am Himmel gegeben und danach unnötiges Geflitze durch die Straßen. Man war wieder überall sehr laut gewesen. Niemand hatte daran gedacht ein Nickerchen zu halten. War wieder mal typisch! Und dann hatte da plötzlich dieser komische Behälter vor ihm mitten auf dem Bürgersteig gelegen. Weich war er. Munk hatte ihn kurz mit der Pfote angetippt. Jemand von diesen vielen Krachmachern musste ihn wohl vorhin verloren haben ... und er war rund ... RUUUND? Na ja und da war sie wieder über ihn gekommen, diese rätselhafte Lust, unbedingt damit herum spielen zu müssen. Vergessen waren die alten Knochen, vergessen, dass er kaum etwas in den Magen bekommen hatte, vergessen, dass sich die Zweibeiner um ihn herum immer noch ziemlich hirnrissig benahmen, vergessen auch der seltsam veränderte Käfer! Er gab dem Ding einen gekonnten Klaps und es sauste los. Die alten Knochen knirschten zwar als er hinterher wieselte, doch er konnte nicht anders, als diesem `paff´ zu lauschen, abermals los zu brettern, und dann wieder dieses ´zack´ zu hören und ... uuups? War ER das etwa gewesen, der das Ding so ein bisschen doll gegen den Baum dort hinten gepfeffert hatte? Gedankenvoll tippte er mehrmals mit der Pfote darauf. Und dann überkam ihn etwas anderes, wofür er sich jetzt noch schämte. Bei seiner seligen Mutter, warum bloß hatte er das getan? Er packte nämlich das Ding mit seinen wenigen Zähnen, schüttelte es wie wild, klatschte es auf den Boden und sprang dann mit allen vier Pfoten gleichzeitig darauf. Dabei hatte es unter ihm irgendwie ´zwosch´ gemacht und danach war nicht nur sein ganzes Fell mit einer sonderbaren Flüssigkeit bespritzt gewesen, er hatte auch noch soviel davon eingeatmet, dass er niesend, hustend und sich würgend mit einem Male völlig in sich zusammen gebrochen war.
Und ab da - nachdem er wieder wach geworden war - na ja ... ging es ihm halt so komisch! Er konnte das nicht begreifen! Also, über die Knochen, da gab es plötzlich nichts mehr zu meckern ... die spürte gar nicht mehr und hatte sogar inzwischen im lockeren Trab die Stadt verlassen und dabei zwei stramme Mäuse erlegen können ... aber ... was war plötzlich mit seinem Fell? Er hatte den Eindruck er verlor dauernd etwas davon! He, am Hintern war er sogar - wohl schon seit einer Weile - völlig nackt? Oh nein, wie peinlich?
Und den seltsam veränderten Käfer samt Frauchen hatte er auch nicht mehr wieder gefunden. Dafür war es aber inzwischen schön ruhig überall. Sollte er nun ein Nickerchen halten oder nicht? Nachdenklich bewegte er die kahle Schwanzspitze dabei hin und her.
He, da hörte er ja Blechbüchsengebrumm! Jemand kam also dort hinten die Straße entlang gefahren. Zweibeiner, wie nett! Und die eine Männerstimme kam ihm sogar bekannt vor. Er spitzte die nackerten Ohren, öffnete die Schnauze um laut zu maunzen und zwei Schnurrhaare fielen dabei hinab. Grässlich, das war wirklich gar nicht mehr schön! Ach, ach, er hatte jetzt sogar den Eindruck, dass zwei Zähne zu wackeln begonnen hatte.
Doska ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.04.2006, 10:53   #78
Yve
 
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Ich muss ehrlich sein, dass die Länge wirklich einschüchternd ist, aber der Titel interessiert mich doch schon. Warum machst du dir die ganze Mühe das hier alles zu posten? Du könntest ja eine kleine Inhaltsangabe machen und den Rest irgendwie als Textdatei anhängen. Dann könnte sich jeder deine Geschichte runterladen, denn ich kann gar nicht so lange vor dem Bildschirm hocken um deine Geschichte mal in Angriff zu nehmen, was ich eigentlich schade finde. Nur so ein kleiner Gedanke von mir.
Yve
Yve ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.04.2006, 10:04   #79
Doska
 
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Hallo liebe Yve,
ich freue mich über dein Interesse an den Hajeps. Das mit dem Anhängen einer Textdatei habe ich nicht gewusst, wie geht das?
Aber ich habe mir das wie folgt vorgestellt:
1. Du machst auf deinem PC ein Textverarbeitungsprogramm, z.B. MS-Word auf
2. Du positionierst deinen Mauszeiger auf den Anfang eines Kapitels, das du lesen möchtest
3. Du klickst mit der linken Maustaste, hältst diese Taste fest und ziehst den Mauszeiger bis ans Ende des Textes
4. Du betätigst gleichzeitig die Tasten Strg+C (alternativ mit der rechten Maustaste in den markierten Text klicken und in dem dann aufgeklappten Menu mit der linken Maustaste auf kopieren)
5. Du wechselst in das Fenster deiner Textverarbeitung
6. Du betätigst gleichzeitig die Tasten Strg+V (alternativ mit der rechten Maustaste und in dem dann aufgeklappten Menu mit linken Maustaste auf einfügen)
Schon hast du den Text zur Verfügung, kannst ihn drucken und dann in Ruhe lesen.
Doska ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2006, 10:43   #80
Doska
 
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Standard Kapitel 76

„Du hast Recht, sie scheinen wirklich alle weg zu sein.“ Martin suchte trotzdem noch einmal mit Georges ´Jawubani´ den Himmel ab.
„ Puh, gut, dass wir uns noch schnell verstecken konnten!“ ächzte Renate, die ebenfalls ein Fernrohr vor Augen hatte.
„Tja, solche kleinen, geheimen Verstecke lohnen sich eben doch!“ Erkan zwinkerte den beiden zu und verstaute das seinige. „Frage mich nur, weshalb sie so plötzlich wieder verschwunden sind?“
„Das brauchst du dich gar nicht großartig zu fragen“, entgegnete Martin, während alle drei aus der kleinen, schmalen Höhle hervorgekrochen kamen. „Sie haben die Jisken in einem für ihre Verhältnisse ziemlich langen Kampf vertrieben und nun ist für sie alles erledigt!“
„Alles, wirklich alles? Ich bin da noch skeptisch!“ meinte Renate und klopfte sich dabei Sand, Moos und Würzelchen von ihrer Hose.
„Na, weg sind sie jedenfalls!“ knurrte Erkan, sich ebenfalls abklopfend. “Jedenfalls die, welche hier im Südwesten gelandet sind.“
„Und die anderen? Brrr,“ Renate schüttelte sich, “Jisken UND Hajeps! Das war heute ja wirklich der
Gipfel!“ Und dann begannen sie gemeinschaftlich den Eingang der Höhle wieder zu tarnen. „Warum sie wohl ausgerechnet hier miteinander gekämpft haben?“ fragte dabei Erkan. „Ich meine, die Stadt war doch leer.“ „ „Stimmt!“ knurrte Martin. „Da gab`s wirklich nichts mehr zu holen! Na, George?“ Aus dem Augenwinkel hatten die drei ihn angesehen. “Auch alles gut überstanden?“
„Hat er!“ erwiderte für ihn Gesine und warf dabei einen ihrer langen, blonden Zöpfe zurück über ihre Schulter „War ja direkt gemütlich unsere Höhle! Nicht wahr, Georgilein?“
Dieser nickte nur knapp. Er war tief in Gedanken.
„He, wie geht’s deinem Fuß?“ meinte nun auch Martin, der nun noch eine paar frische Zweige über das kleine Bäumchen drapierte, welches sie direkt vor den Höhleneingang gepflanzt hatten. „Bisschen besser jetzt?“
George konnte sich nur mit Mühe aus seinen Gedanken reißen. „Kaum, aber San Chao meinte, da ist nichts gebrochen. Ein Bänderriss höchst wahrscheinlich!“
„San Chao ist kein Arzt. Der sollte die Klappe halten!“ murrte Martin und warf diesem dabei einen strafenden Blick zu.
„Zu Befehl, M.M.“ San Chao grinste. “Aber George darf ich doch wohl halten! “ Und schon legte er einfach den Arm um George um ihn zu stützen.
“He, lass deine feuchten Griffel von mir!“ protestierte George, schlug um sich, fiel aber dabei fast hin. „Das schaff` ich schon alleine!“
„Dickkopf!“ Gesine und Renate lachten ärgerlich. „He, an was denkst du eigentlich dauernd?“
„Gott, an seinen Knöchel bestimmt nicht!“ knurrte Martin.
„Wow, der ist ja immer noch so dick, George!“ ächzte Renate mitleidig. “Gut, dass du den Schuh ausgezogen hast, aber Barfuss?“
„Bin ich gewohnt!“ lachte George ziemlich verkrampft, während er ihnen hinterher humpelte. “So genannte Kindheitserfahrungen ... wann taucht endlich unser Jambo auf?“ Er spähte keuchend in die Ferne.
„Nur Geduld! Voilà!“ Erkan war inzwischen zu einer mächtigen Weide mit herab hängenden Zweigen gelaufen und zog nun mit einer stolzen Geste die grün-braun gemusterte Plane vom Jeep. Abgebrochene Äste und Zweige, mit denen man den Jambo noch zusätzlich getarnt hatte, rutschten dabei hinunter. Die Freunde halfen ihm, weiteres Gesträuch aus dem Weg zu räumen. George wollte mit zupacken, wurde aber zum Warten verdammt.
„Soll ich euch, so lange ihr zu tun habt, endlich mein Erlebnis erzählen?“ fragte er. “Ihr habt mich ja vorhin gar nicht danach gefragt.“ Seine Stimme klang jetzt direkt ein bisschen beleidigt. „Habt mich einfach aufgelesen, wie so`n Ding, seid gleich los mit mir über Stock und Stein ...“
„Na ja, wir hatten wohl kaum Zeit für unnötige Plappereien!“ murrte Martin und warf dabei einen schweren Ast ins Gebüsch. „Sei froh, dass wir dich bei diesem ganzen Durcheinander überhaupt gefunden haben und dass du von da weggekommen bist“.
„Und dass du lebst!“ schnaufte Renate. Sie hatte einen ganzen Berg kleiner Äste in den Armen.
„Jetzt aber kann ich doch ...?“ fragte George.
Mal mehr, mal weniger begeistert, stimmten sie schließlich zu.
Georges Augen leuchteten, als er begann. Hatte er doch dabei noch einmal alles ganz deutlich vor Augen, sah die hügelige Landschaft vor sich, den umgestürzten Jambo neben der Straße und Margrits Wolljacke, auf der er sich ausgestreckt hatte. Das lange Warten auf die Freunde war schließlich so langweilig gewesen, dass er aufgestanden war, um nach weiteren verstreuten Gütern zu suchen, nur um sich zu beschäftigen. Dabei hatte er sogar einen dicken Ast gefunden, auf den er sich stützen konnte. Und dann hatte er plötzlich Lärm in der Stadt gehört und dabei sofort an Margrit gedacht. Gerade als er sich entschlossen hatte, mit gezogener Waffe in die Stadt zu humpeln um ihr zu helfen, hörte er die typischen Geräusche außerirdischer Flugzeuge und dann waren sie auch schon am Himmel zu sehen
George war vor Schreck wie versteinert, dann aber kam ihm der Gedanke, sich in Sicherheit zu bringen. Schließlich faszinierte ihn dieser elegante Kampf Jisken gegen Hajeps dermaßen, dass er nicht mehr fähig war, sich vom Fleck zu rühren. Nach einem brillantem Flugmanöver beider Trestine wurde die hajeptische Maschine schließlich dermaßen schwer am linken Flügel getroffen, dass sie ganz in der Nähe von George notlanden musste. Kurz danach war auch das jiskische Trestin gelandet und der Krieg ging einfach am Boden weiter.
Nun erst versuchte sich George in Sicherheit zu bringen. Zu spät wohl, denn er hatte bei der Eile die Belastbarkeit seines Fußes gründlich überschätzt. Der Knöchel hatte sich in eine dicke Beule verwandelt und er hörte die kämpfenden außerirdischen Truppen näher kommen. Wo sollte er nur hin? Da, dieser Hügel war wohl günstig. Kaum hatte er den erreicht, verkroch er sich im Gebüsch, schliff sein Bein dabei vorsichtig hinter sich her und wer lag dort und schien nur noch ganz schwach zu atmen? Ein Hajep!
Georges Herz machte einen heftigen Sprung, denn beinahe hätte er ihn auch noch angerempelt. Hier war es ziemlich dunkel. Nun keuchte auch er, jedoch aus einem anderen Grunde, nämlich vor Entsetzen. Wie gelähmt starrte George für eine ihm endlos erscheinende Zeit nur noch auf den Feind, denn dieser war schwer bewaffnet und er selbst hatte lediglich einen kleinen Revolver in der Hand. Was sollte er nur tun? Wegschleichen? Was war, wenn der Soldat vielleicht durch ein unbeabsichtigtes Geräusch von ihm auf ihn aufmerksam wurde? Also muckste er sich vorerst nicht und dachte stattdessen weiter nach. Seine Gedanken jagten sich, denn er hörte dabei auch, dass die Jisken zu ihnen geschlichen kamen. Warum lediglich Jisken? Na ja, für George war das im Grunde egal. Jisken, Hajeps, Loteken … sie töteten gleichsam Menschen. Verdammt, was sollte er nur tun? Dauernd warten konnte er nun wirklich nicht mehr. Sich leise wegschleichen war wohl doch das Beste. Nein, dann konnte ihn dieser Hajep womöglich in den Rücken schießen! Schlief der oder was war mit dem los? Er musste ihn entwaffnen, aber wie, ohne dass der dabei zu sich kam? Erschießen – was er in diesem Falle sehr ungern getan hätte - konnte er ihn nicht, denn er hatte keinen Schalldämpfer für den Revolver und so hätten es die Jisken auch gehört. Nun, er würde so tun, als ob er eben vor hätte ihn zu erschießen. Also nur Angst einjagen, okay! Er drehte sich ganz zu ihm herum, die Zweige bebten und im Nu war der Hajep wieder auf den Beinen, keuchte zwar immer noch, aber hockte jetzt dicht vor ihm, wie eine Raubkatze.
„Pin to me dendon, pine noi tor rir dendon!“ raunte George ihm auf hajeptisch zu. „Tust du mir nichts, tue ich dir auch nichts!“ Und der Revolver zuckte in seiner Hand.
Der Soldat schien offensichtlich für einen Moment irritiert, dass George seine Sprache beherrschte, doch dann nickte er matt und erhob sehr langsam beide Hände. George wollte gerade erleichtert ausatmen, als der ihm mit einem gezielten Tritt aus der Hocke einfach den Revolver aus der Hand schlug. Das außerirdische Wesen war wahnsinnig geschmeidig, stürzte sich auf ihn, um ihn nur mit den Händen zu erwürgen. Also hatte der Hajep auch keinen Schalldämpfer für seine Waffen. War eigentlich klar, denn der Feind hatte überhaupt nicht mit einem erneuten Angriff der Jisken gerechnet. Es war deshalb ein ziemlich lautloser Kampf, ohne viel Bewegung, aber auf Leben und Tod.
George rang nach Atem. Zwar hatte die Kreatur eine ziemliche Kraft, doch die reichte nicht aus. George war stärker. Es gelang ihm, die Hände von seinem Hals zu ziehen und schmerzerfüllt fiel der Soldat nach hinten. Was war nur mit dem los? Täuschte der wieder nur oder ...? Keine Zeit zum Überlegen! Wie der Blitz riss George ihm den Waffengürtel vom Körper, packte das Gewehr auf seine Seite und dann tat er etwas, was ihm selbst unerklärlich war. Er kniete sich nämlich auf dessen Beine, drückte die Arme mit einer Hand nach hinten und mit der anderen suchte er nach einer Stelle, wo die Halterung für den Helm war und hob mit zitterigen Fingern einfach dem Soldaten den Helm vom Gesicht.
War es Neugierde gewesen? Das große Interesse, das er schon immer für die Hajeps empfunden hatte? Ein überraschtes “Oh?“ entfuhr seinen Lippen, denn es war eine wunderschöne Frau, die er da unter seinem Körper vergraben hatte und die nun mit großen, ängstlichen Augen zu ihm hinauf sah. „Mein Gott, bist du schön!“ flüsterte er fassungslos, richtete sich ein wenig auf, um sie besser betrachten zu können. Er lockerte nun doch etwas den Griff an ihren Armen. „Wie ein Engel.“ Weiter kam er nicht, denn schon hatte sie ihm eine Hand entwunden und es blitzte ein Messer auf, welches die junge Frau versteckt an ihrem Körper getragen hatte. Rote Augen funkelten George unter dichten, schwarzen Wimpern tückisch an. Das dunkelblaue, in unzählige kleine Zöpfchen, verziert mit Perlen und Talismanen, geflochtene Haar fiel ihr dabei zur Hälfte übers Gesicht. Sie warf den Kopf zurück und er entdeckte eine pferdeähnliche Tätowierung direkt zwischen ihren Augen.
„Ke loba, kir pin to tiz?“ zischelte die Hajepa hinter ihren herrlichen Zähnen hervor.
Doch er hatte mit einem weiteren Angriff gerechnet und drückte die Hand mit dem Messer neben sich auf den Boden. Er blickte auf diesen sinnlichen Mund und ... es war der reinste Wahnsinn! ... hätte den am liebsten geküsst.
„Utscha ir!“ wisperte er. „Noi zenedo tos tirpano! Ich lasse dich laufen. Hast du das begriffen?“
Sie keuchte so sehr, dass er nun auch zwei wohlgeformte Brüste unter ihrem Anzug erkennen konnte.
„Kamto to tes kontriglus pinon?“ erwiderte sie kalt. „Far kos to a millik!“
„Ja, vielleicht hast du Recht und ich bin dumm!“ erwiderte er ebenso ruhig. “Ich werde dir jedenfalls deine Waffen zurück geben. „To ujo ango tlebios sujelsa! Hast du das begriffen? Nenulonta?“
„Noi ... noi kal ango xrawin?“ ächzte sie verwundert.
„Okay, du magst mein Xrawin, mein Feind, sein, aber ich bin nicht deiner! To banis moi xrawin sio, galet noi kal
dendo angon. Siehst du ... “, er wies durch die Äste des Gebüschs. „Sanga to ... dort kommt dein wirklicher Feind ... pla Jisken!“
Ihre schwarz umrandeten Augen folgten seinem Finger und sie nickte. „Twach jisk!“ ächzte sie entsetzt.
Er strich ihr vorsichtig über das Haar um sie zu beruhigen und sie fuhr verwundert vor seiner Hand zurück. Einen Moment lang sahen sich beide tief in die Augen, doch dann wendete sie ihr Gesicht von ihm ab.
„Noi wet dendo rug angona tlebios!” sagte er leise. „Ich kann nicht mit deinen Waffen ...umgehen, aber du ... galet to! Du kannst uns beide retten!“
Und dann hatte er ihr tatsächlich den Helm und die Waffen wiedergegeben, keine Sekunde zu früh. Schon waren die Jisken da. Die junge Hajepa konnte hervorragend zielen, schien aber verletzt zu sein, denn George musste sie immer wieder stützen, ihr manchmal sogar aufhelfen und zum Schluss hatten sie sich so eingespielt, dass er ihr die entsprechende Munition reichen konnte.
Schließlich schlichen sie nur noch an jiskischen Leichen vorbei, aber dann hörten sie Stimmen. Die Freunde der Hajepa waren gekommen, suchten nach ihr. Schon waren sie da. Sie hatten den zerstörten Jambo von George entdeckt und wähnten deshalb Menschen in der Nähe. Suchend schauten sie sich um.
Georges Herz hämmerte. Er hatte sich wieder hinter einem der Hügel versteckt, dicht neben ihm kauerte die schöne Hajepa wie eine Katze im Gebüsch. Würde sie zu ihm halten oder ihn verraten? Sie schob die Zweige beiseite, lief etwas taumelig ihren Kameraden entgegen.
Zu Georges Überraschung zeigte sich niemand von ihnen besorgt, dass sie vielleicht verletzt sein könnte, auch bedauerte sie keiner. Außerdem waren bei ihnen kaum Anzeichen von Freude zu erkennen, dass endlich die Gefährtin wiedergefunden worden war.
“Lumantis mira?“ fragte nur der vorderste der Soldaten in knappem Ton. Sie schwieg, senkte dabei nachdenklich den Kopf, wendete sich um, blickte nach dort hin, wo George kauerte und dann sagte sie mit ihrer samtweichen Stimme: „Denda, truxin domar to?“
George sah noch immer das Bild vor sich, wie die zehn Hajeps von dannen trotteten, die Köpfe mit den schweren Helmen gesenkt. Zuletzt lief sie, zwar immer noch schwach, jedoch auf langen Beinen und elegant wie eine Katze. In einem unbeobachteten Moment nahm sie alle Kraft zusammen, drehte sich zu ihm herum, hob dabei ein wenig das Gewehr von der Schulter, legte die Faust an ihre Brust und während sie den Arm in Georges Richtung ausstreckte öffnete sie die Hand, als würde sie ihm zum Abschied etwas damit sagen wollen und es war eine für diesen Feind höchst erstaunliche, weil beinahe zärtliche Geste gewesen.
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Alt 06.09.2006, 16:11   #81
Doska
 
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Standard Kapitel 77

Nun saßen sie im Jambo. George hatte gerade seinen Bericht beendet. Der Wind peitschte ihm die Haare ins Gesicht, aber es war ihm nicht kalt. Renate hatte ihm trotz seines Protestes eine warme Decke um die Schultern gelegt. Die Sonne schien noch ein bisschen. Er hatte den letzten Rest Apfelsaft ausgetrunken, aber immer noch Durst. Der erdige Duft frisch geernteter Kartoffeln durchzog den Jeep, der gerade wieder aus einer Sandmulde der schmalen Straße hinaus gefunden hatte, über die sie gerast waren. Georges Fuß war zwar sehr gut von San Chao verarztet worden, aber er schmerzte doch noch ganz schön. War ja klar, denn er hatte dem heute trotz Bänderriss viel zu viel abverlangt.
Dicht gedrängt saßen sie auf den schmalen Sitzen und niemand sprach ein Wort, denn sie mussten wohl erst einmal all das seelisch verarbeiten, was ihnen George gerade berichtet hatte. Tja, wahrscheinlich hatte George nur deswegen diesen großen Durst, weil er sich dabei heiser gequatscht hatte.
George sah, dass die Sonne inzwischen längere Schatten warf. Er blinzelte, denn in seinen Wimpern funkelten plötzlich Tränen, weil ihm mit einem Male klar geworden war, dass es inmitten der brutalen Feinde womöglich zwei Personen geben könnte, auf welche die Menschen ein wenig hoffen durften: Diguindi und ... oh, er hatte ja ganz vergessen, sie nach ihrem Namen zu fragen. Wer sie wohl war? Durfte bei den Hajeps überhaupt eine Frau Soldat sein? Er hatte noch nie davon gehört. Und wenn sie sich nur eingeschmuggelt haben sollte, weshalb konnte sie dann derart gut schießen? Welche Gründe konnten sie dazu bewegt haben, diese Truppe zu begeleiten? Zweifelsohne war sie nicht nur eine rätselhafte sondern auch mutige Frau. Bei diesem Gedanken angekommen, durchfuhr ihn wieder ein kalter Schreck, denn auch Margrit war ja heute sehr furchtlos gewesen. Oh Gott, was mochte wohl inzwischen mit ihr passiert sein? Hatte sie es noch rechtzeitig aus Würzburg hinaus geschafft? Das erschien ihm noch immer nicht unbedingt sicher.
„Aber diese Hajepa hat nicht hübscher ausgesehen als ich?“ fragte nun Gesine und knuffte George in die Seite, auf dass er aus seinen tiefen Gedanken erwachen sollte.
„Wobei man sich fragt, wie man denn rote Augen und blaue Haut überhaupt als schön empfinden kann!“ fügte Erkan einfach zu Gesines Worten hinzu und San Chao grinste.
„Puh, wie ekelig!“
„Ist eben Geschmackssache!“ kicherte nun auch Renate.
„Menschenkind, Gesine“, seufzte Martin, weil George noch immer keinen Ton von sich geben hatte. „Du kannst ganz unbesorgt sein. Ich bin mir sicher, das alles hat unser guter, lieber George bestimmt nur geträumt. He, he, ist es nicht so mein Kleiner?“ Er zwinkerte George zu und wollte dabei gleich den Arm um ihn legen.
George stieß dessen Arm, so gut es bei dieser Enge ging, von sich fort. „Erstens bin ich nicht dein Kleiner und zweitens habe ich das alles wirklich erlebt und drittens kehrt sofort um. Wir müssen sehen, wo Margrit geblieben ist. He, vielleicht ist sie ja noch in der Stadt und wir könnten...“
„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir die ganze Stadt nach deiner Margrit durchkämmen!“ fiel ihm Martin ziemlich ungehalten ins Wort.
„Es ist nicht MEINE Margrit!“ fauchte George, errötete aber etwas.
„George ist ja so dooooof!“ fauchte Gesine zu Renate herüber, die sehr wohl gesehen hatte, dass er rot geworden war.
„Also, ich glaube George die Geschichte mit der Hajepa auch nicht“, plapperte Renate ziemlich nachdenklich einfach dazwischen.
„He, fahren wir dann mal die kleine Kurve bei Pomadenmaxe vorbei, okay?“ bettelte George trotzdem weiter.
„Warum?“ murrte nun auch Erkan, der vorne am Steuer saß. “Wir haben doch gar nichts zum Tauschen dabei!“
Alles nickte.
„Okay, dann fahre ich eben später selber noch mal los!“ George verschränkte wütend die Arme vor seiner Brust
„Mit dieser Pauke von Fuß? Wie willst du das machen?“ San Chao wendete sich auf seinem Beifahrersitz zu George herum. „Das möchte ich sehen, he, he!“
„ Nanu?“ quietschte plötzlich Renate. „Seht mal ... ein ganz zutraulicher Fuchs!“
„Das ... das ist kein Fuchs ... irgend etwas anderes!“ wendete Martin ein, der das seltsam gescheckte Tier nun auch hinter einem der Hügel hatte hervorschleichen sehen. “Und es scheint krank zu sein!“
„Stimmt, es hat die Räude oder irgend sowas!“ meinte nun auch Erkan hinter seinem Steuer.
„Seht mal“, kreischte Renate, „an einigen Stellen ist es richtig kahl!“
„Oh, Gott, wie ekelig!“ Gesine wollte sich schütteln, so schrecklich fand sie das Viech.
„Das lebt bestimmt nicht mehr sehr lange!“ stellte Erkan klar.
„Worauf wartest du?“ krächzte San Chao, denn das Tier tat ihm leid. „Fahr einfach drüber, dann ersparst du ihm viel Leid!“
Erkan kniff die Lippen fest zusammen. „Na gut!“ presste er hervor, denn er tötete Tiere ungern. “Is´ ja eh wurscht, aber ich finde, es sieht mehr aus wie eine zwar räudige, aber schwarz-weiß gescheckte Katze!“
„He, was sagst du da?“ kreischte George. „Halt, stopp! Ni...icht! Das ist Muuuunk!“ Er war fast zu Erkan auf den Fahrersitz gekrochen und hätte ihm ins Steuer gegriffen, nur der dumpfe Schmerz im Knöchel hatte ihn noch daran gehindert.
„Bist du wahnsinnig?“ schnaufte Erkan fassungslos. Er hatte den schweren Wagen gerade mit Mühe zum Halten bringen können.
“Ja, was soll denn der Quatsch?“ schimpfte nun auch Renate.
„Äh...wer oder was ist hier Munk?“ staunte Gesine.
„Mä-au?“ kam Munk angejammert, kaum dass er Georges Arm aus dem Jambo hinunter hatte baumeln sehen. Ach, er fühlte sich ja soooo grässlich komisch! Hoffentlich brachte ihn dieser stark nach Parfüm duftende Zweibeiner endlich zu jenen Zweibeinern, die ihm gehörten, zurück.
„Lass bloß diesen Kater in Ruhe!“ knurrte Martin und schlug Georges Hand zurück. „Wer weiß, mit welch einer schrecklichen Seuche der sich infiziert hat...“
„Ach, das bisschen Haarausfall“, George lächelte zu Munk hinunter und wollte er die Wagentür öffnen. „Ich werde ...“
„Nein, George, beim besten Willen nicht!“ Die kleine Schar war sich diesmal ganz einig und schon brauste der Jambo davon.
„Määä-aaauuu?“ krächzte Munk verzweifelt und sehr laut. Einsam und allein trottete er schließlich die breite Landstraße entlang. Mal hier ein kleines und da mal ein größeres Fellbüschel verlierend. Und der Wind spielte damit, als wären es Federn oder Laub, so lange, bis die vielen Härchen mit Sand vermischt schließlich liegen blieben.

Ende Band I

Natürlich ist das kein richtiges Ende – weiß ich ja! Und wer noch Fragen zu dieser Geschichte hat, darf sie mir ruhig stellen. Ich werde sie ganz bestimmt beantworten. Keine Angst, die Fortsetzung ist schon fertig, muss nur noch überarbeitet werden. Habt also etwas Geduld! Der Titel lautet:

Das Licht der Hajeps - Zarakuma

Ich hoffe nun sehr, dass euch das Lesen des ersten Bandes vom “Licht der Hajeps“ genauso viel Spaß gemacht hat, wie mir es zu schreiben und wünsche euch noch schöne und hoffentlich sonnige Tage.
Liebe Grüße an Euch und usomi sri palta,
Doska
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Lesezeichen für Das Licht der Hajeps

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