Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 16.02.2024, 19:21   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 61
Beiträge: 6.721


Standard Cäcilia

„Schön ist es hier", denkt Cäcilia, während sie Hand in Hand mit Bruno durch den Park schlendert. Am Fluss bleiben sie stehen. Die Nachmittagssonne wirft glitzernde Strahlen auf das Wasser, und Cäcilia seufzt unwillkürlich tief auf. Zum Spazierengehen hat Alexander, ihr Mann, nie Lust.
„Ich bin nur am Wochenende zu Hause", pflegt er zu sagen, „und da möchte ich die Zeit zu Hause genießen. Im Job muss ich oft genug draußen rumlaufen." Das stimmt, Alexander arbeitet auf dem Bau. Seine Firma bekommt oft Aufträge in weit entfernten Städten. Das bringt es mit sich, dass er dort übernachten muss. Früher hat Cäcilia das gestört. Aber da kannte sie Bruno noch nicht. Bruno ist fast das genaue Gegenteil von Alexander. Er ist Freiberufler und arbeitet für eine Zeitung. Nebenbei schreibt er Bücher. Ab und zu zeigt er Cäcilia ein paar Auszüge, und sie ist überzeugt, dass er Talent hat. Natürlich ist es nicht nur das, was sie zu ihm zieht. Mit Bruno kann man sich unterhalten. Er hört ihr zu. Alexander hat ebenfalls seine guten Seiten. Sie haben den gleichen Musikgeschmack, und bis heute ist Alexander der einzige Mann, der sie zu Rockkonzerten mitgenommen hat. Außerdem liebt sie es, im Sommer mit ihm für drei Wochen an die Algarve zu fliegen.

Das schöne Wetter hat eine Menge Spaziergänger nach draußen gelockt, hauptsächlich Mütter mit ihren Kindern, aber auch einige Senioren, die den Vorgeschmack auf den Frühling genießen. Auf dem Fluss, der sich verwegen an der Seite des Parks entlang schlängelt, schwimmen ein paar Enten. Einige schnattern. Cäcilia stellt belustigt fest, dass es sechs Erpel sind, aber nur vier Entenfrauen und teilt Bruno ihre Beobachtung mit. Bruno lacht und sagt, dass die Männer auch mal in der Überzahl sein dürfen. Cäcilia schmiegt sich an ihn. „Das ist Glück", sinniert sie in Gedanken, „mit einem geliebten Menschen zusammen zu sein."

Bruno weiß nichts von Alexander.
Alexander weiß nichts von Bruno.

Und Cäcilia weiß, dass das so bleibt.
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 18.02.2024, 21:45   #2
männlich Ludwig
 
Dabei seit: 02/2024
Ort: Mitteleuropa
Beiträge: 21


Liebe Silbermöwe,
als Mann muss ich ja schockiert sein mit welcher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit Cäcilia mit ihren beiden Männern jongliert und sie gar nichts davon ahnen können. Vor allem gegen Ende als Bruno die Überzahl der Erpel bemerkt, aber es natürlich nicht auf sich beziehen kann und Cäcilia das richtig genießt. Ein wenig gemein fast und lustig.
Die Geschichte ist ruhig beschrieben, fast banal, aber eben gerade so banal wie das Leben oft ist, plötzlich ist alles ganz klar und einfach. Ohne aufgesetzte Tiefe ohne aufgeregte Sprachmittel.
Und es ist ein Nachdenken wert, ob es nicht besser ist mehr als einen Partner zu haben, sich auf mehr als nur auf eine Art zu realisieren
Viele Grüße,
Ludwig
Ludwig ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2024, 07:56   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 61
Beiträge: 6.721


Lieber Ludwig,

vielen Dank für deinen Kommentar!

Zitat:
. Die Geschichte ist ruhig beschrieben, fast banal, aber eben gerade so banal wie das Leben oft ist, plötzlich ist alles ganz klar und einfach. Ohne aufgesetzte Tiefe ohne aufgeregte Sprachmittel.
Genau das war die Absicht dahinter. Ich wollte ein Stück Kurzprosa abliefern, eine Momentaufnahme ohne große Erklärungen, ohne eine Protagonistin mit Gewissensnissen, weil sie sich einfach nimmt, was sie haben will. Und ohne Verurteilungen. Weiß man, was einen Menschen dazu treibt, das zu tun, was er tut? Als Außenstehender meist nicht.

Zitat:
.Und es ist ein Nachdenken wert, ob es nicht besser ist mehr als einen Partner zu haben, sich auf mehr als nur auf eine Art zu realisieren
Das kann gewiss manchmal so sein.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 23.02.2024, 22:44   #4
weiblich Lee Berta
 
Benutzerbild von Lee Berta
 
Dabei seit: 02/2024
Ort: Gehirn!
Beiträge: 320


Liebe Silbermöwe,
als ich das so las, dachte ich: 'Verdammt! Woher kennt die mich?'

Zitat:
Das schöne Wetter hat eine Menge Spaziergänger nach draußen gelockt, hauptsächlich Mütter mit ihren Kindern, aber auch einige Senioren, die den Vorgeschmack auf den Frühling genießen. Auf dem Fluss, der sich verwegen an der Seite des Parks entlang schlängelt, schwimmen ein paar Enten. Einige schnattern. Cäcilia stellt belustigt fest, dass es sechs Erpel sind, aber nur vier Entenfrauen und teilt Bruno ihre Beobachtung mit.
Lustigerweise habe ich genau diese Szene vor zwei Wochen mit X. erlebt, von dem Y. nichts weiß, was auch so bleiben wird. Warum nicht einen Mann für die Natur und einen anderen für Rockkonzerte?
Mir gefällt nicht nur der Inhalt, sondern auch, dass der Text so kompakt ist. Es gelingt Dir, mit wenigen Sätzen eine ganze Welt aufklappen.

Liebe Grüße,
Lee
Lee Berta ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.02.2024, 00:27   #5
weiblich Ilka-Maria
Forumsleitung
 
Benutzerbild von Ilka-Maria
 
Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.107


Zitat:
Zitat von Lee Berta Beitrag anzeigen
Mir gefällt nicht nur der Inhalt, sondern auch, dass der Text so kompakt ist.
Stimmt. Silbermöwe hat eine Menge gelernt, seit sie mit dem Schreiben angefangen hat, und sie setzt es immer besser um. Mit "kompakt" hast du es getroffen: aussagekräftig, aber ohne ein Wort zu viel, und dabei flüssig zu lesen.

Auch ist zwischen den Zeilen zu lesen: Wir haben es mit einer selbstbestimmten Frau zu tun, die einen logistischen Aufwand betreibt, um diese Selbstbestimmung aufrecht zu erhalten. Wir sehen zwar nur einen Ausschnitt aus diesem "Arrangement", stellen uns aber die Frage: "Was ist, wenn der Ehemann mal früher nach Hause kommt als geplant? Wenn er krank wird und der Kalender seiner Frau deswegen ins Trudeln kommt?" Usw. usf.

Nichts in diesem Leben ist perfekt. Alles hat eine Bruchstelle.

Silbermöwe ignoriert das in ihrer Geschichte, indem sie schreibt: "Und Cäcilia weiß, dass es so bleibt."

Für ihre Geschichte ist das rund, denn sie endet ja mit diesem Spaziergang. Aber für das ganze Leben? Nichts bleibt für ein ganzes Leben. Aber das ist nicht das Thema dieser Geschichte. Sie ist eine Momentaufnahme. Und was ist wichtiger im Leben, als dieser eine Moment, in dem zwei Menschen glücklich sind.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.02.2024, 10:51   #6
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 61
Beiträge: 6.721


Liebe Lee, liebe Ilka,

vielen Dank für eure Kommentare und die lobenden Worte!

Die Geschichte schrieb sich fast von selbst - ich liebe solche Momentaufnahmen. Wenn dem Leser aber unwillkürlich durch den Kopf schießt, wie es weiter gehen könnte:

Zitat:
Wir sehen zwar nur einen Ausschnitt aus diesem "Arrangement", stellen uns aber die Frage: "Was ist, wenn der Ehemann mal früher nach Hause kommt als geplant? Wenn er krank wird und der Kalender seiner Frau deswegen ins Trudeln kommt?" Usw. usf.
Dann freut man mich das sehr, denn man hat das Interesse des Lesers über den Moment hinaus geweckt.

Zitat:
. Und was ist wichtiger im Leben, als dieser eine Moment, in dem zwei Menschen glücklich sind.
Richtig, der bleibt einem in der Erinnerung für immer.

Liebe Lee,

Zitat:
. als ich das so las, dachte ich: 'Verdammt! Woher kennt die mich?'
Ich habe so etwas in meinen wilden Jahren auch gemacht. Aber es war mir dann doch zu anstrengend.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist gerade online   Mit Zitat antworten
Alt 24.02.2024, 23:15   #7
weiblich Lee Berta
 
Benutzerbild von Lee Berta
 
Dabei seit: 02/2024
Ort: Gehirn!
Beiträge: 320


Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ich habe so etwas in meinen wilden Jahren auch gemacht. Aber es war mir dann doch zu anstrengend.
Dazu fällt mir ein Spruch von meiner Oma ein: "Je oller, je doller!"
Lee Berta ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Cäcilia




Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.