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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 16.06.2007, 20:23   #1
Yve
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 756

Standard Akzeptanz befreit

Aufgrund eines Gespräches mit einer Freundin, kam ich auf die Idee, diesen Text zu verfassen. Ich weiß nicht, vielleicht hilft es der/m Einen oder Anderen in Liebeskummer geplagten Zeiten. Ich hoffe schon


Akzeptanz befreit


Hätte mir damals jemand gesagt „das Leben geht weiter“, hätte er zweifelsohne Recht behalten, aber das hätte dennoch nichts daran geändert, dass es für mich definitiv, unumstößlich und unweigerlich zu Ende war.

In diesen Momenten steht einem immer eine Freundin zu Seite, die sagt: „Ich weiß genau, wie du dich fühlst.“ Aber das sind auch genau die Momente, in denen man ihr am liebsten wüste Behauptungen an den Kopf werfen und sie anschreien würde, denn im Grunde wusste sie gar nichts. Niemand hatte sich jemals so gefühlt und niemand würde es je verstehen; glaubt man. Es sind genau diese Momente, die mich zweifeln ließen, ob es je Freunde waren, die das Selbe erlebt und gefühlt hatten, oder ob es nur höfliche Floskeln waren. Selbst wenn man die Lebensgeschichte seines Gesprächspartners kennt, suhlt man sich doch nur zu gerne in der Vorstellung, man sei dem ultimativen und allesvernichtenden Schmerz als Einzige begegnet. Später begreift man aber doch, dass eine Freundin nichts Anderes als das sagen kann. Sie hört zu, pflichtet bei und versteht. Mehr oder weniger. Nichts ist in solchen Tagen mehr wert als eine Freundin oder die Familie, die zuhört, die tröstet, eine weiche Schulter und viele Taschentücher zu Hand hat.

Alles endete mit einer Kurznachricht auf meinem Handy. Eine Kurznachricht. In diesem Moment, spielt es keine Rolle, wie es gesagt wird und ob es gesagt oder geschrieben wird. Alles was man fühlt ist ein so heftiger Schlag, dass es einem die Luft nimmt. Man fängt an zu hyperventilieren, zu zittern und kommt zu keinem klaren Gedanken. Die Welt steht still, man selbst dreht sich und es wird einem so übel, dass man sich festhalten muss, um nicht längs auf den Boden aufzuschlagen. Das Herz hört auf zu schlagen und man stirbt. Wäre in diesem Moment nur mein Körper gestorben, aber ich war an ein Leben gefesselt. Allerdings starb etwas viel Wesentlicheres als der Körper. Herz und Seele hörten auf im Takt zu schlagen. Ein allumfassendes Loch umgab mich und ich wurde selbst zu einem Nichts. Mit einem Schlag hörte ich auf zu existieren. Ich war ein Geist. Nur noch die Erinnerung, wie ich war, wenn er mich ausfüllte, blieb. Man ist nicht an ein Leben als solches gefesselt, sondern an eine Erinnerung.

Nach den ersten grauenvollen Stunden sammelte sich mein Verstand. Was war da gerade eben passiert? Die Gedanken kreisten um ihn, seine Gründe, meine Gründe. Gab es überhaupt Gründe? Was war zum Teufel gerade passiert? Fragen, die auf keinen Fall unbeantwortet bleiben durften und die gestellt werden mussten. Immer wieder, bis eine Antwort nach der Anderen folgte. Es waren immer die gleichen Antworten. Leere und unverständliche Worte. Nicht zu begreifen und jenseits aller Logik. Ich fing an Sätze, einzelne Wörter auseinander zu nehmen, zu interpretieren, zu analysieren. Es ergab einfach keine Logik. Mein ganzes Leben, was davon noch übrig war, drehte sich um eine einzige, alles ausfüllende Frage. Warum? Dieses „Warum“ quälte mich so sehr. Was habe ich falsch gemacht? Was hat er nicht bedacht? Was hat sie getan um das zu verdienen? Um ihn zu verdienen? All diese Fragen stellte ich nicht nur mir. Ich bekam meine Antworten. Aber in Wirklichkeit hatte ich das alles schon so oft gehört, dass ich daran einfach nicht glauben konnte. Er log mich an. Seine Gründe waren keine Gründe. Es waren Ausflüchte. Jedes einzelne und jemals geführte Gespräch wurde analysiert. Jedes Wort. Was könnte er gemeint haben? Meinte er es so, wie er es sagte? Diese Fragen und die Antwortsuche ließen mich nicht los und nahmen mich so ein, dass ich das Wesentliche übersah: Ich hatte alle Antworten, nur wollte ich sie nicht sehen und wollte sie nicht glauben. Man hält so daran fest, dass er lügen musste, denn die eigentliche Wahrheit war einfach zu grausam zu ertragen. Man kämpft um ihn, gibt mehr als man eigentlich hat, ist bereit sich völlig in diesem Kampf aufzugeben und nur noch darauf hinzuarbeiten mit aller List und allem Geschick, dass man inne hat, ihn davon zu überzeugen, dass er einen liebt und nicht die Andere.

In einer späteren Phase des Liebeskummers kommt man an den Punkt, an dem man sich ablenkt. Sich mit allem befasst und beschäftigt, das einem nur einfällt, nur um nicht an ihn zu denken. Mir geriet ein Buch in die Hände, das eher auf Unterhaltung basierte, jedoch barg es die Lösung allen dessen, was ich nie verstand. Ich musste nicht ihn oder seine Gründe verstehen. Ich musste nicht in unserer Vergangenheit die Antwort finden. Alles was ich wissen musste war Folgendes: Der genaue Wortlaut klingt noch immer in meinen Ohren: „Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute und jede einzelne verdammte Sekunde, in der er nicht bei dir ist, entscheidet er sich gegen dich. Immer und immer wieder.“ Zuerst überlas ich diese zwei Sätze einfach. Es bedeutete nichts für mich. Doch dann setzte ich mich bewusst damit auseinander und es traf mich erneut. Dieser Schlag war fast noch schlimmer als der Erste. Wen interessierte das „Warum“? Fakt war nun einmal, dass er nicht bei mir war. Egal was ich fühlte oder unternahm. Er war nicht da. Jede einzelne Minute entschied er sich gegen mich. Egal ob er nun sagte, dass er mich liebte, egal, was seine Beweggründe für seine Entscheidungen waren; er wollte nicht mich. Dieser Gedanke quälte mich sehr lange. Es war die eine einzige und richtige Wahrheit. Die Wahrheit, zu der er nie den Mut gehabt hatte, sie mir zu sagen. Denn egal was er sagte, Fakt war, dass er sich immer wieder gegen mich entschied. Bewusst. Jede Minute. In diesem Buch heißt es weiter, dass wenn er sich entschieden hätte, bei mir sein zu wollen, hätte er schlichtweg einen Umzugswagen geschickt, mich mit Sack und Pack eingeladen und wäre auf und davon. Völlig unabhängig von den äußeren Umständen. Die Autoren dieses Buches hatten völlig Recht. Das war das Einzige, was er hätte tun müssen. Ohne Wenn und Aber. Das hätte ich erwartet. Genau das hätte ich gewollt. Er nicht. Diese Wahrheit zu begreifen und für sich selbst anzunehmen war so schmerzlich wie Nichts Anderes.

Ich hatte die Liebe meines Lebens verloren, meinen allerbesten Freund und meinen engsten Vertrauten. Nichts hatte so ein großes Loch hinterlassen wie er. Er hatte mich belogen, verraten und mich auf jede erdenkliche Art im Stich gelassen. Doch in dem Bewusstsein, dass er sich immer wieder gegen mich entschied und nicht einmal den Mut hatte mir selbst diese Wahrheit einzugestehen, dachte ich lange nach. Mit jedem Tag akzeptierte ich es mehr. Nahm es an. Sicher war; ich würde auf all diese kleinen Fragen nie eine ehrliche Antwort, oder eine Antwort, die mich befriedigen konnte, bekommen. Aber im Endeffekt war das auch nicht schlimm, denn im Grunde wusste ich alles, was ich wissen musste. Nach und nach wurde mir das „Warum“ egal. Ich sah die Fakten. Durch diese Akzeptanz löste sich mein Geist von den quälenden Fragen und Gedanken. Ich wurde frei. Mein Kopf beschäftigte sich mit anderen Dingen und ich ging in ihnen auf. Ich begann wieder ein neues Leben aufzubauen. Sicher, der Schmerz war noch immer allgegenwärtig. Ständig erinnerten mich einzelne Worte, an unsere Gespräche; Gebäude erinnerten mich an gemeinsame Unternehmungen und Scherze an sein Lachen. Aber es war vorbei. Durch diese Einsicht linderte sich der Schmerz von alleine. Langsam aber stetig. So subtil, wie er sich in mein Leben geschlichen hatte, so verbannte ich ihn wieder daraus. Ich leugne nicht, dass er mir den Rest meines Lebens auf irgendeine Art und Weise immer fehlen wird, nicht zuletzt, weil ich nie wieder einen Freund wie ihn fand. Aber diese Einzigartigkeit einer Person ist doch etwas Wunderbares. Ich denke gerne an die Zeit mit ihm zurück.

Doch stellt sich die Frage, was möchte ich mit einem Freund und Partner in meinem Leben anfangen, der nicht in den wesentlichen Punkten für mich da ist und für die richtige Sache einsteht? Was ist der Mensch, der perfekt zu mir, in charakterlichen Dingen, passt, wert, wenn er nicht die richtigen Entscheidungen trifft. Sicher, er hat Entscheidungen getroffen, die für ihn richtig waren, dennoch möchte man nicht auf so einen wankelmütigen Charakter bauen. Das habe ich zumindest für mich entschieden. Eine Frau möchte es wert sein, dass man bereit ist, für sie alles aufzugeben und alles für sie zu tun. Natürlich würde eine liebende Frau, das niemals verlangen. Aber sie sollte das Gefühl haben, dass es so ist. Alles Andere hat nun einmal keinen Sinn.

So bin ich versöhnlich mit meiner Vergangenheit geworden. Ich habe die richtigen Entscheidungen getroffen, bin die richtigen Wege gegangen und bereue keine Minute. Es war schön, und es war grauenvoll und schmerzhaft. Die Waage aber, hält sich auf seltsame Art und Weise immer.

„Die Zeit heilt alle Wunden.“ Diese Aussage ist wohl zutreffend. Allerdings sollte beigefügt werden, dass Narben zurück bleiben, die ab und an noch schmerzen. Aber sie erinnern uns daran, dass wir noch leben, dass wir stärker und klüger geworden sind und daran, dass wir auch in unüberwindbar geglaubten Zeiten, doch die Stärke besessen haben, wieder aufzustehen und von Vorne zu beginnen. Diese Zeiten machen uns klar, dass aller Schmerz verblasst, ob wir nun daran glauben wollen oder nicht. Irgendwann tut er das ganz von alleine. Entscheidend ist nur, was wir mit der Zeit dazwischen anfangen.
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Alt 17.06.2007, 02:39   #2
Blasebalg
gesperrt
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 44

Liebeskummer ist echt scheiße.

Diese vier einfachen Worte bringen die Angelegenheit präziser auf den Punkt, als das ganze Geschreibsel da oben dranne.
Mannnomannomann...
Niemand will etwas über Liebeskummer erfahren, es sei denn, er oder sie hat gerade selber welchen. Solche Texte sind anstrengend zu lesen, sie erzählen einem nüscht Neues und wecken am Ende vielleicht sogar zuvor erfolgreich verdrängte Erinnerungen an den eigenen vorübergehenden, emotionalen Souveränitätsverlust. Liebeskranke Menschen um sich haben zu müssen ist wie die Pest am Arsch, insbesondere wenn die dann auch noch Verständnis und Trost einfordern. Das stört beim Fernsehn.

Reiß dich zusammen und hör auf zu flennen, du Nulpe. Da müssen wir alle mal durch. Nimm es mit Würde und verschon mich gefälligst damit!

Den Spruch laß ich mir morgen auf meine Badekappe häkeln. Danach geh ich Bierschinken kaufen.
Blasebalg ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.06.2007, 11:59   #3
Yve
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 756

Also, ich bin schon lange aus dem Liebeskummer raus, nur eben geht es in meiner näheren Umgebung einigen Freunden so. Ich will mit dem Text nur zeigen, dass man zu oft glaubt, das Leben geht nicht weiter. Am Ende tut es das doch. Außerdem will ich aufzeigen, dass es so gut wie jedem schon mal so ging oder geht. Wenn du dich so daran störst, dass Erinnerungen dabei aufkommen, hab ich dich wohl am wunden Punkt getroffen. Wenn du damit nicht umgehen kannst, ist das eher dein Problem und nicht meins.

Yve
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