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Alt 13.11.2011, 16:08   #1
männlich Jeronimo
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Beiträge: 4.237

Standard Satire: Bogart - Teil 3

Satire: Bogart – Teil 3

Teil 1: https://www.poetry.de/showthread.php?t=29863
Teil 2: https://www.poetry.de/showthread.php?t=30072


Dritter Sonntag

Ich heiße Bogart. Nein, nicht Humphrey, nur Bogart. Alle nennen mich Bogart: Meine Tagesab -
schnittspartnerin Gunda, meine Freunde, meine WC-Ente und sogar Fred, der Excel-Rammler.
Bogart ist mein Vorname, am Briefkasten steht es so, auf dem Kneipendeckel, in den Notizbüchern und
auf dem Klingelknopf, nur auf den Briefen steht „Herr Bogart“.
Auch Karla, meine Online-Fee, nennt mich Bogart.
Ich hab ihr endlich ein Foto geschickt. Von Fred natürlich. Ich bin halt ein Kumpel. Wenn es mal
mit (Fred und) meiner Frau nicht mehr so läuft und Karla merkt, dass ich auch andere Werte als nur
die inneren schätze, dann hat Fred gleich eine Nachfolgerin.
Ich möchte Fred halt versorgt wissen. Die beiden würden auch gut zusammenpassen. Fred ist ein
Vorbild an Konversation und wird ihr sicher schon nach drei Jahren das DU anbieten.
Ein Draufgänger eben, aber höflich. Er begrüßt sich sicher selbst vor dem Spiegel.
Karla hingegen ist sensibel bis in den Ausschnitt.
Sie mag meine zurückhaltende, warmherzige Art, meinen Charme und meine Bescheidenheit.
Natürlich habe ich ihr gesagt, dass der Dodel auf dem Foto Fred ist und nicht ich.
Denn selbstverständlich erwähnte ich, dass ich verheiratet bin, was sollte ich sonst in einem
Singleforum?
Und dass meine ehemals Begehrte und ich sozusagen eine Ehe-Gemeinschaftspraxis haben, aber
privat getrennte Wege gehen, und sie geht halt mit Fred. Im Prinzip hätte ich ihr auch ein Foto
von meinem Kohlenhändler senden können, aber es fällt ja auch auf mich zurück, wenn man die
Hände über den Kopf schlägt, nur weil bei ihr die Hormone expandieren.
Karla weiß also, dass ich Ehe-Single bin, aber nicht unglücklich. Sie hingegen ist Single-Single
und tatsächlich unglücklich. Ich versuche ihr Mut zu machen. Ich habe ihr versichert, dass ich
beeindruckt bin von ihrer liebevollen Art und von ihren intellektuellen Ansprüchen. Und wenn
sie nun einmal eine Superfigur hat, mein Gott, das soll kein Hinderungsgrund sein, ich bin ja
schließlich tolerant.
Versuchsweise brachte ich den Einwand, dass man mit einer hübschen Frau eigentlich immer nur
Ärger hat, weil sie unentwegt das Angebot sondiert, und sie sich in jedem noch so dämlichen
Anmachspruch in ihrer Attraktivität bestätigt fühlt, und schon mal emotional ins schleudern
gerät, aber Karla wies das empört als Vorurteil zurück. Sie hasse Oberflächlichkeiten und erkenne
sofort reines sexuelles Interesse, und dieses primitive Balzgehabe stoße sie ab.
Das beruhigt mich zwar, andererseits aber gehört Sex nun einmal zu einer Beziehung, vor allem,
wenn man selber momentan keinen hat, weil man auf die richtige mit den inneren Werten warte.
Das fand sie gaaanz lieb und brachte mir sicher zwei Annäherungspunkte ein.
So ähnlich wird auch Fred bei meiner ehemals Auserwählten vorgegangen sein, nur dass Fred es auch wirklich so meint.
Er beglückt meine Frau sicher von einem Meter Diskretionszone entfernt,
nicht weil er so opulent ausgestattet ist, sondern weil er der Höflichkeit wegen die Intimzone
einer Frau respektiert.
Ich erinnere mich noch, als wir das erste Mal miteinander Essen waren, Gunda, Fred und ich. Er war um
ein gutes Verhältnis zu mir bemüht und wollte keine Schwierigkeiten. Ich erklärte ihm
fröhlich im Beisein der Bedienung, die gerade die Bestellung aufnahm, dass er meine Frau überall beglücken
könne, auf seiner Kawasaki, auf dem Backofen, der Waschmaschine im Schleudergang oder auf dem Fensterbrett,
aber nicht in meiner Wohnung. Und dass sie es mag, wenn man dabei „???“ zu ihr sagt. Ja nun, Formalitäten müssen
sein bei einer korrekten Übergabe. Danach waren die Fronten geklärt, nur Gunda lief rot an, und ich entschied
mich für den Burgunderbraten.
Beim Nachtisch, auf dem die beiden verzichteten, kam ich auf die Ablöse zu sprechen, aber Fred
nahm seinen ganzen Mut zusammen und verbat sich Details. Ich nahm noch eine „Birne Helene“
und mahnte Hygiene an, und er möge bitte Gunda immer frisch geduscht nach Hause schicken.
Die beiden sprachen kein einziges Wort, nicht einmal miteinander und waren beeindruckt von
meiner Ordnungsliebe.
Und ich muss sagen: Konversation ist wirklich etwas feines.

Jeronimo
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Alt 27.11.2011, 11:37   #2
weiblich Carita
 
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Dabei seit: 11/2011
Ort: Hauptstadtinsel
Alter: 60
Beiträge: 80

Ich könnte mich kuuuuugeln vor Lachen - geistvoller Humor mit Liebe zur Sprache, Liebe zum Detail - und Liebe zu deinem Protagonisten - klasse!

Lieben Gruß
Carita
Carita ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.12.2011, 17:37   #3
männlich Jeronimo
gesperrt
 
Dabei seit: 10/2011
Alter: 70
Beiträge: 4.237

Hallo Carita,

ganz herzlichen Dank für Dein Lob! Ich hoffe, dass ich meinen Stil bis zum Schluss durchhalten kann.

Jeronimo
Jeronimo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.12.2011, 08:36   #4
männlich Martho
 
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Dabei seit: 08/2011
Ort: Im Schwabenland
Alter: 50
Beiträge: 415

Hallo Jeronimo!

Ich denke es ist an der Zeit, mich endlich zu Wort zu melden.
Eines wird aber nicht genügen, jedoch... mangels Sprachgewandtheit...
schreib ichs eben zweimal: Spitze! Spitze!
Das dritte "Spitze!" pflanz ich ein, vielleicht wird ein "Megaspitze" daraus.

megdw, Martho
Martho ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.01.2012, 17:43   #5
Thing
R.I.P.
 
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Dabei seit: 05/2010
Beiträge: 34.998

Jetzt endlich!

Was heißt hier Spitze -
Nanga Parbat!
In dem grandiosen Text fehlt ein e, aber mich stört das nicht.

Nochmals:
Grandios!
Abgesehen vom Thema:
Viele Wendungen erinnern mich an den unvergessenen Robert Walser.


Erschüttert:
Thing
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2012, 17:07   #6
männlich Jeronimo
gesperrt
 
Dabei seit: 10/2011
Alter: 70
Beiträge: 4.237

Hallo Ihr beiden,

ich bin mal wieder viel zu nachträglich, um mich zu bedanken, aber das möchte ich im ganzen mir möglichen Ausmaß tun.
Euer opulenter Zuspruch beschämt und freut mich sehr und der Vergleich mit Robert Walser schmeichelt mir ungeheuer, dennoch weiß ich, dass immer nur die Tagesform entscheidet, das Umfeld, das Wetter, die Medikamente, die eingebildete Harmonie meiner Umgebungsvariablen und vieles mehr.
So kann ich nicht in dem Maße zurückgeben, wie ich bekommen habe, weil mein ehrliches Danke zu banal ist.

Liebe Grüße an Euch

Jeronimo
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