Ich sehe was, was Du nicht siehst bei Poetry.de

Veilchen · 09.04.2019, 10:57

Es ist Türkis, Smaragd, Rubin,
Beerenrot und Tannengrün,
frisches Blut aus einer Wunde,
Himmelsrot zur Abendstunde

Trau nicht Deiner Augen Licht!
Die Wahrheit zeigen sie Dir nicht
Um fast den ganzen Regenbogen
haben sie Dich fies betrogen

Will der Frühling uns beschenken,
kann ich nur an Dich noch denken,
wo tausendfach zartgrüne Spitzen
aus rostbraunen Knospen blitzen

Kennst auch keine Apfelbäckchen,
blumenbunte Garteneckchen,
Fliegenpilze dort im Moose,
grüne Erbsen aus der Dose

Wälder, die sich herbstlich färben,
Vögel, die mit Federn werben,
Wolken, die in Flammen stehen -
All das hast Du nie gesehen

Siehst nicht meine Wangen glühen,
wenn wir uns gegenüber stehen
nach endlos sehnsuchtsvollen Tagen,
dass sie vor Liebe purpur tragen

Und ich brauche nicht zu fragen,
ob die schönste aller Farben,
weil sie meine Seele streichelt,
Deinen Augen auch so schmeichelt

Doch eines Tages, glaube mir,
öffnet sich die Zaubertür
und wenn der böse Schleier fällt,
entführ ich Dich in meine Welt

Veilchen · 10.04.2019, 15:56

Vielleicht geht es aus dem Text nicht deutlich genug hervor: Ich habe das tatsächlich für einen "Farbenblinden" geschrieben, genauer gesagt für jemanden, der eine stark ausgeprägte Rot-Grün-Schwäche hat. Erst durch einige Recherchen ist mir klar geworden, wie sehr das Sehen dadurch eingeschränkt ist. Es ist ja nicht nur das reine Rot und Grün, dass die Betroffenen nicht sehen können, sondern auch sämtliche Nuancen von rot und grün und deren Pigmentanteil in allen anderen Farben. Türkis oder lila sind einfach blau, orange ist gelb. Beinahe alles ist "verfärbt", trist und fad. Das Laub der Bäume ist im Sommer genauso braun wie im Spätherbst. Die rosa Blumen auf der Wiese sind nahezu unsichtbar.
Jeder denkt nur das Ampel-Problem, aber was ist mit Regenbogen, Sonnenuntergang, Blut am Finger? Wie soll man reife von unreifen Früchten unterscheiden? Wie spielt man Mensch-ärgere-dich-nicht, wenn man die Spielfiguren und Felder nicht unterscheiden kann? Wie liest man U-Bahn-Pläne, wenn die Linien fast alle gleich aussehen?
Mich hat das ziemlich schockiert und aufgewühlt, muss ich sagen.

Wen es interessiert: Hier kann man sich Vergleichsbilder ansehen:
https://www.welt.de/kmpkt/article159...elt-sehen.html

Ex-Ralfchen · 10.04.2019, 16:57

...

Unar die Weise · 11.04.2019, 21:20

Ich kenne ansonsten kein Gedicht, welches sich diesem Thema widmet.
Allein deshalb interessiert es mich schon.
Ich halte dein Werk für gelungen.
Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich drauf gekommen wäre, worum es genau geht.
Mir gefällt aber auch meine Interpretation, dass eben jemand jemand anderen in seine ganz eigene Welt einlädt.

09.04.2019, 10:57	#1
Veilchen Dabei seit: 11/2018 Ort: Mittelerde Alter: 40 Beiträge: 103 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ich sehe was, was Du nicht siehst Es ist Türkis, Smaragd, Rubin, Beerenrot und Tannengrün, frisches Blut aus einer Wunde, Himmelsrot zur Abendstunde Trau nicht Deiner Augen Licht! Die Wahrheit zeigen sie Dir nicht Um fast den ganzen Regenbogen haben sie Dich fies betrogen Will der Frühling uns beschenken, kann ich nur an Dich noch denken, wo tausendfach zartgrüne Spitzen aus rostbraunen Knospen blitzen Kennst auch keine Apfelbäckchen, blumenbunte Garteneckchen, Fliegenpilze dort im Moose, grüne Erbsen aus der Dose Wälder, die sich herbstlich färben, Vögel, die mit Federn werben, Wolken, die in Flammen stehen - All das hast Du nie gesehen Siehst nicht meine Wangen glühen, wenn wir uns gegenüber stehen nach endlos sehnsuchtsvollen Tagen, dass sie vor Liebe purpur tragen Und ich brauche nicht zu fragen, ob die schönste aller Farben, weil sie meine Seele streichelt, Deinen Augen auch so schmeichelt Doch eines Tages, glaube mir, öffnet sich die Zaubertür und wenn der böse Schleier fällt, entführ ich Dich in meine Welt

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10.04.2019, 15:56	#2
Veilchen Dabei seit: 11/2018 Ort: Mittelerde Alter: 40 Beiträge: 103 Meine Gedichte Meine Favoriten	Vielleicht geht es aus dem Text nicht deutlich genug hervor: Ich habe das tatsächlich für einen "Farbenblinden" geschrieben, genauer gesagt für jemanden, der eine stark ausgeprägte Rot-Grün-Schwäche hat. Erst durch einige Recherchen ist mir klar geworden, wie sehr das Sehen dadurch eingeschränkt ist. Es ist ja nicht nur das reine Rot und Grün, dass die Betroffenen nicht sehen können, sondern auch sämtliche Nuancen von rot und grün und deren Pigmentanteil in allen anderen Farben. Türkis oder lila sind einfach blau, orange ist gelb. Beinahe alles ist "verfärbt", trist und fad. Das Laub der Bäume ist im Sommer genauso braun wie im Spätherbst. Die rosa Blumen auf der Wiese sind nahezu unsichtbar. Jeder denkt nur das Ampel-Problem, aber was ist mit Regenbogen, Sonnenuntergang, Blut am Finger? Wie soll man reife von unreifen Früchten unterscheiden? Wie spielt man Mensch-ärgere-dich-nicht, wenn man die Spielfiguren und Felder nicht unterscheiden kann? Wie liest man U-Bahn-Pläne, wenn die Linien fast alle gleich aussehen? Mich hat das ziemlich schockiert und aufgewühlt, muss ich sagen. Wen es interessiert: Hier kann man sich Vergleichsbilder ansehen: https://www.welt.de/kmpkt/article159...elt-sehen.html

10.04.2019, 16:57	#3
Ex-Ralfchen abgemeldet Dabei seit: 10/2009 Alter: 77 Beiträge: 17.302 Meine Gedichte Meine Favoriten	...

11.04.2019, 21:20	#4
Unar die Weise Dabei seit: 10/2016 Ort: in einem sagenhaften Haus Alter: 42 Beiträge: 5.271 Meine Gedichte Meine Favoriten	Ich kenne ansonsten kein Gedicht, welches sich diesem Thema widmet. Allein deshalb interessiert es mich schon. Ich halte dein Werk für gelungen. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich drauf gekommen wäre, worum es genau geht. Mir gefällt aber auch meine Interpretation, dass eben jemand jemand anderen in seine ganz eigene Welt einlädt.