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Alt 17.06.2008, 17:29   #1
WuselSassi
 
Dabei seit: 06/2008
Beiträge: 8

Standard Wie ein Mann sich selbst vereinsamte.

Wie ein Mann sich selbst vereinsamte.

Er wollte immer weg. Raus. Aus diesem Kaff, von diesen Menschen, aus dieser Welt. Er, der mit der Tierhaarallergie auf den Bauernhof. „Dann spülst du die Teller, wenn du schon nicht ausmisten kannst.“, sagte sein Vater immer und trieb sie mit lauten Worten und Ohrfeigen an.
Doch er schaffte es. Von der Dorfschule auf die Weiterführende und nicht das bisschen Geld für den Motorradführerschein verplempern, wie die fünf Brüder es taten. Die Mittlere Reife, mit guten Noten und viel Ehrgeiz. Kein Schwimmen im See, kein Fussball.
Er paukte. Englisch, Mathe, Biologie. Physiotherapeut! Das sollte es sein.

Er wollte immer weg. Fort. Ganz weit. So zog er nach Mannheim, mit 17, alleine. In ein miefiges Zimmer, ohne Fenster und mit einer Matratze auf dem Boden. Er begann seine Ausbildung zum Masseur und lebte von Krautsalat und Suppe. Die Haare lies er sich wachsen. Aus Prinzip. Weil er es vorher nicht konnte. Als langhaariger Masseur mit Bestnoten beendete er die Ausbildung und begann eine Fortbildung zum Physiotherapeuten, lernte seine Liebe kennen. Sie! Die Große, Schlanke, mit den kurzen Haaren und diesem kecken Blick.
Viele hatte er gehabt. Seine Figur war gut, seine Art charmant. Aber sie, sie war anders. Sie beendeten die Fortbildung, beide mit Bestnoten und begannen zu arbeiten. Er war sparen gewöhnt, sie auch. So lebten sie von Brot mit Zwiebelmett und einem Bund Bananen die Woche, zusammen in einem einzigen, miefigen Zimmer. Diesmal mit richtigem Bett und mit Kühlschrank, aber ohne Fernseher.

Bald hatten sie das Geld zusammen und zogen weiter, in eine Stadt. Groß, aber ohne Physiotherapeuten. Eine Praxis eröffnen! Sie arbeiteten, beide, rund um die Uhr. Und dann, dann wurde sie schwanger, bekam einen Sohn, machte eine Pause. Und er kaufte einen Fernseher,stellte Leute ein, suchte neue Arbeitsräume, verlor seine Haare und kehrte seinem alten Leben in der Eifel den Rücken.

Sein Sohn wuchs heran, wie der Stress und die Nöte. „Die Regierung!“, schimpfte er. „Die haben da oben was gegen Leute wie mich!“ Dann leerte er das Bierglas und bestellte einen Grappa. Seine Frau war Zuhause, sie hatten sich nicht viel zu sagen. Die Leute hier, in diesem verrauchten Schuppen, taten für eine Runde Bier sogar so, als würden sie einen mögen. „Dumme Schlampe…“, brummte er. „Was ist eine Frau schon wert, wenn sie weder vernünftig arbeitet, noch die Wohnung sauber hält!“

Sein Sohn war 8, als er, nach zahllosen Affären, SIE kennenlernte. Sie, so anders. Nicht selbstständig, nicht selbstbewusst. Dumm und klein und irgendwie unterwürfig war sie. In einem Dorf aufgewachsen und ohne Drang zur weiten Welt. Eine Frau, eine richtige Frau, mit einer guten Figur und einem niedlichen Gesicht.

Als sein Sohn 10 war verließ er „seine Alte“, zog wieder aufs Land, diesmal ins Sauerland. Eine neue Praxis, neue Angestellte. „Du kannst hier das Buch führen!“, sagte er zu ihr und sie war froh, dass sie was tun konnte.

Inzwischen war er nicht mehr so attraktiv und sein Charme litt unter dem Alkohol. Doch mit ihr wurde alles besser. Weniger Alkohol, weniger Stress. Die neue Praxis lief, die neue Wohnung war klein aber für 2 genug und die Leute in den Kneipen waren austauschbar.

Dann wurde sie schwanger. Ungewollt. Nun musste er sich scheiden lassen, nun musste er erneut heiraten. Sie flehte ihn an. Die Schmach, die Scham. Das Sauerland ist Erzkatholisch.
Er heiratete sie, sie bekam ein Mädchen und ein Jahr später einen Jungen und irgendwie war alles ok. Sie kauften eine Wohnung.

Doch mit den Jahren war es dasselbe, wie zuvor. „Die Weiber und diese Blagen! Diese elenden Blagen!“ und er steckte das Geld in ein Bierfass. Er begann unter der Woche zu trinken und im Urlaub. Seine Tochter, seine Frau, diese Weiber! Er drohte damit zu verlassen, er „lies sie spüren wer der Mann im Haus war“. Er steckte das Geld in Bordelle. Sein Bauch schwoll an, sein Blutdruck stieg.

Und noch eine Arbeit, als Dozent für Physiotherapie als Nebenjob. Und noch ein Bier. Und noch ein Schlag. Sie weinen zu sehen, sie schreien zu sehen. Die dummen Hühner. Und noch eine Praxis. Die Angestellten feuern, neu einstellen. Die scheiss Regierung. Und noch ein Schnaps. Und noch einmal die Hand heben. Noch einmal die Widerworte im Keim ersticken. Brüllen tut so gut. Und der erste Herzanfall mit Anfang 50.

Und nix ändert sich. Die Tochter zieht aus. Stufenbeste. Aber verzogen. Und nix Wert. Und unordentlich. Und überhaupt. Und die Frau. Faul. Fett. Hässlich. Nutten sind schöner. Und der Alkohol. Die Zigaretten. Reha – wer braucht das?

Er wollte weg. Raus. Er schaut sich um. Was war nun anders als damals. Er lebte auf dem Land, er hatte nicht mehr Geld als seine Familie damals, er hatte drei Kinder und eine hässliche Frau.
„Naja…“, murmelt er. „Wenigstens bin ich kein Tyrann wie mein Vater.“

Der zweite Herzanfall kam mit Mitte fünfzig. Seine Tochter besuchte ihn nicht. Seine Frau nur selten. Seine Söhne kamen ab und an. Doch irgendwann kam Niemand mehr. „Undankbares Pack.“, dachte er.
Dann rollte er sich auf die Seite und versuchte einzuschlafen.
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Alt 18.06.2008, 18:47   #2
WuselSassi
 
Dabei seit: 06/2008
Beiträge: 8

Vielleicht sollte ich kurz klarstellen, warum ich den Text in die Schreibwerkstatt gepackt habe, anstatt ihn so zu lassen.

Also... mein Probleme sind Folgende.
-Der Text sollte einerseits nicht zu lang werden ( In etwa so, dass er in "Poetry Slam" -Form, also mit entsprechenden Pausen und Betonungen) nicht länger als 4 Minuten wird.

- Der Text sollte als Schlussendliche Erkenntnisse beinhalten, dass "der Apfel nicht weit vom Stamm" fällt, man trotz aller Bemühungen "nicht vor sich selbst weglaufen" kann und im Hinterkopf den Gedanken bemühen, dass sich der Akteur das vielleicht alles selbst eingebrockt hat und es sich "nur hätte eingestehen müssen."

Jetzt fehlt es mir neben der Inhaltlichen Aussage (ich finde es kommt nich ganz raus, was ich sagen will) noch das Formale.
Der Text wirkt strukturlos, wie ich finde, und wäre in gesprochener Form - aufgrund mangelnder Möglichkeiten zu Variation und Aktion- eher langweilig.

Ich habe den Text schon x mal überarbeitet, aber komme nicht weiter. Daher würde ich gerne 1. Meinungen hören (stimmen meine Kritikpunkte?) und 2. eventuell hier Hilfestellungen finden.

Danke
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