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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 09.04.2012, 08:40   #1
männlich Desperado
 
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Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
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Standard Der Selbstkrieg

Der Selbstkrieg

Der neue Morgen graut
mit Grauen bricht das Sonnenlicht im Pulverdampf
der immer noch in geisterhaften Schwaden
wie Nebel über dem Schlachtfeld steht
lang war die Nacht und qualvoll war das Sterben
mein müdes Auge schaut
im Geiste noch den fürchterlichen Kampf
mit Blut getränkt die tauben Waden
die letzten Schreie hat der Wind verweht
und all mein guter Glaube liegt in Scherben

Die Unschuld fiel zuerst
starb jämmerlich in meinen kampferprobten Armen
bevor die Sanftmut niedersank
zerfetzt die Brust die Hand geballt zur Faust
und hilflos kochte in mir blanke Wut
wenn du von Rache hörst
halt ein und denk an gütiges Erbarmen
denn blinder Hass macht deine Seele krank
ein Dämon der in deinem Innern haust
und dich verzehrt mit höllenheißer Glut

Doch als der gute Glaube niedersank
zersiebt zerrissen in den Dreck getreten
da kochte in mir bitterlicher Zorn
den Hochmut streckte nieder ich mit einem Streich
und spaltete sein Haupt bis auf das Bein der Brust
als da die reine Demut lag der Seele blank
die Lästerung verhöhnte stilles Beten
da stach ich ihr ins Herz direkt von vorn
und wurde den gefällten Feinden gleich
mein Schwert erglühte in des wilden Tötens Lust

Der Hoffnung waren beide Beine abgerissen
der Boden trank ihr dickes Blut
als der Verzweiflung schlug das Haupt vom Rumpf
ich mit erloschnem Licht
und warf dem Spott es vor die Füße
die Wahrheit wollte ihre Fahne hissen
doch als sie barst sank ihr der Mut
sie starb auf Knien hielt noch die Stange stumpf
mit heißen Tränen im Gesicht
als ich der Lüge schickte meine letzten Grüße

Ich riss das Herz ihr aus dem Leib
es pochte noch in meinen blutgetränkten Fingern
als neben mir die Reinheit gellt´ im Todesschrei
besudelt und geschändet auf den Boden schlug
riss ich der Hinterlist das Auge aus der Höhle
die Feigheit wie ein böses Weib
sprang in die Beine mir und brachte mich ins Schlingern
schlug mitten durch den Nabel sie entzwei
fuhr jäh herum und schnitt dem Trug
mit scharfer Klinge durch die Kehle

Von hinten stieß mir in den Rücken der Verrat
als ich der Treue die gebrochnen Augen schloss
ich würgte rasend ihn mit bloßen Händen
bis Blut er röchelnd spie die Lunge barst
und die Vergebung auf mich fiel in wilder Agonie
ich hielt sie bebend in den Armen grad
als mir ein blinder Pfeil in meine Hüfte schoss
wie Tobsucht wallt´ der Schmerz in meinen Lenden
Spott- schrie ich- der du stets ein Schleicher warst
und hieb den Unterschenkel ihm vom Knie

Die Langmut schied mit der Barmherzigkeit
umschlungen bis zuletzt im Todeskampf
als ich die Ungeduld zum Teufel schickte
der Mitleidslosigkeit das Schwert auf ihre Schulter senkte
und ihr das rechte Herz vom linken trennte
die Güte schwand den Blick getrübt von namenlosem Leid
die Hände in die Brust gekrallt im letzten Krampf
als ich dem Hass in die verzerrten Züge blickte
und meines Schwertes Schneide in sein Antlitz lenkte
ihm nicht einmal ein letztes böses Flackern gönnte

Dann fiel die Liebe tief ins Herz getroffen
den stummen Schrei riss ihr der Tod von ihren fahlen Lippen
dumpf schlug sie auf und hauchte ihre Seele aus
als der Berechnung schnitt mein Schwert von Ohr zu Ohr
das dunkle Hirn an seiner Spitze stakte
ich taumelte und wankte wie besoffen
und fühlte jäh den Pfeil in meinem Muskel wippen
mit Zähnen knirschend riss ich ihn heraus
vor Schmerz ich die Besinnung fast verlor
als ich der Bosheit seine Spitze in den Magen hakte

Der Frieden ging mit flehender Gebärde
in aufgerissnen Augen noch die letzten Schrecken
als ich dem Krieg mit meines Schwertes Griff hart in den Rücken schlug
und hörte krachend seine Wirbel brechen
er knickte um wie ein gefällter Baum
mit Blut gesättigt war die Erde
rundum ein Jammern Klagen und Verrecken
mein letzter Gegner war der Selbstbetrug
todmüde konnt´ ich ihm in seinen Rachen stechen
vom Blut der Selbsterkenntnis war getränkt sein Saum

Dann stand ich still mit schwerem Atem
gefällt der Feinde finstre Schar
doch auch die lichten Freunde in den Staub gesunken
verloren alle hatt´ die Schlacht ich auch gewonnen
so war mein Lebenswille doch gebrochen
ich hub die Gräber aus mit scharfem Spaten
war nicht mehr Jener der ich vorher war
hab meiner Feinde gift´ges Blut getrunken
war´s auch auf meines Schwertes Klinge längst geronnen
hab den Gestank des Bösen doch ich in mir selbst gerochen

Denn jeden Feindes Blick den ich erschlug
trag eingebrannt ich wie ein schwarzes Mal
schier unauslöschlich in der Seele
und hätt´ den Kampf ich nicht erbittert aufgenommen
so lebten meine Freunde noch
die Qualen waren allzu groß die ich ertrug
unzählig ihrer Stunden Zahl
ein Umstand den ich nicht verhehle
nicht ohne Grund war es zur Schlacht gekommen
ansonsten säße ich im Kerkerloch und trüge noch der Knechtschaft Joch

So musste ich zum Schwerte greifen
um meine Freiheit zu erringen
da jeder Würde ich gemein beraubt
und meiner Feinde Spiegelbild erschlagen
war da der Preis auch noch so hoch
der Tötungswille musste in mir reifen
die Opfer meiner Schwerter Klingen
haben der Wahrheit nicht geglaubt
konnt´ ihre Lüge nicht mehr tragen
die da aus finstren Löchern kroch

Zu guter letzt war´s doch ein großer Sieg
und nicht umsonst das Gute ist gestorben
durch seinen Tod das Böse ist bezwungen
bin ich auch leer und ausgebrannt
so hab ich doch das neue Land gewonnen
und wär ich nicht gezogen in den Krieg
hätt nie mein Selbst ich mir erworben
und nicht des Glückes Pfand errungen
wär stumpf in meinen Tod gerannt
und all mein Leben wär zerronnen

Wohl ist vernarbt nun meine Seele
der Rücken leicht gekrümmt die Augenbrauen schwer
und sehe Zorn ich und Gewalt so schaudert´s mir
wenn tiefe Müdigkeit mich überfällt
ob all des Blutes das von Menschen wird vergossen
der Tabak dörrt mir meine raue Kehle
nicht selten bin ich von Gedanken leer
und starre vor mich hin grad wie ein krankes Tier
dem alle Lebensfreude ist vergällt
weil seine Kraft wie kaltes Kerzenwachs zerflossen

Doch hätt ich nicht zerschmettert meine Feinde
mit aller Wut und Raserei
so hätten sie ´s mit mir getan
ich müsste wandeln bei den Schatten
in finsterkalten Seelenhallen
so aber hüte ich die Kinder meiner Freunde
sie krabbeln noch auf allen Vieren eins zwei drei
und manches plagt ein neuer Zahn
und will der Mut mir manchmal auch ermatten
so richte ich mich auf an ihrem süßen Lallen

Dir aber der dies liest dir sei gesagt
es gibt nur einen Menschen den du fürchten musst
blick in den Spiegel dann erkennst du ihn
er ist dein ärgster Feind wenn es ums Überleben geht
sei auf der Hut vor ihm selbst wenn du ihm vergibst
erst wenn du älter bist und hochbetagt
und wenn beruhigt sich des Lebens pralle Lust
kannst du getrost in seine Hütte ziehn
weil er wie du vor seiner letzten Schwelle steht
dann lass es ruhig zu dass deinen Feind du liebst


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