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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 11.05.2021, 20:56   #1
Stachel
 
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Standard Luxusprobleme

Meine kleine Welt
versinkt
in der Flut der
Coronahilflosigkeit.
Auf meiner Rettungsinsel die
langsam die Luft verliert
treibe ich im Meer
der Luxusprobleme.

Das Radio erzählt von
einem Opa
dessen fünfjähriger Enkel
noch nie in seinem kurzen Leben
unbeschwert
auf einem Karussell fahren konnte
weil die Kirmes nun zum zweiten Mal ausfällt.
Ich frage mich wie vielen
Kindern auf der Welt unbewusst
ist dass es überhaupt Karussells gibt.

Ich höre von
Kindern
die nicht mehr wissen
wie man draußen spielt
und die an
Bewegungsmangel leiden
weil sie nicht den ganzen Tag
auf der Suche nach Rohstoffen
Müllberge erklettern müssen.

Ich höre von
Künstlern
im Öffentlich-Rechtlichen
die ein Quasi-Berufsverbot erleiden
weil sie ohne
Publikum und Applaus arbeiten müssen
und die nicht einmal vor anderen
politisch Inhaftierten gastieren dürfen.

Ich höre von
Gastleuten
die viel mehr
Probleme damit haben
die gekauften Zutaten vor Ablauf zu verwerten
als damit dass
wegen zusammengebrochener Infrastruktur
Dürren und kaputtsubventionierten Märkten
keine Waren zu haben sind geschweige
denn Kunden die sie sich leisten könnten.

Ich höre von
Aktionären
die zur Video-Generalversammlung
keinen vorherigen Antrag einreichten und
nun kein Gehör finden
sondern stumm
über die Höhe ihrer Tantiemen abstimmen müssen.
Wahrlich - geht es uns schlecht!

Ich höre nicht von
der Zeit
die ich spare um
vielleicht heute noch
ein Apfelbäumchen zu pflanzen.

Ich höre von
Kindern
deren Jugendheim
die Besucherzahlen begrenzt
und die mit
ihrer Zeit nichts anzufangen wissen
weil ihre kleinen Hände
nicht von früh bis spät
Kleider nähen müssen.

Ich höre von
Rentnern und -innen
die nicht mehr in ihren
gewohnten Bahnen wassertreten können
und nun Jahre
ihrer Lebenserwartung einbüßen werden
weil sie nicht vor
Lampedusa kentern durften.

Ich höre von
Menschen allen Alters
die verkümmern
weil sie keine
Clubs und Partys mehr befeiern dürfen
obwohl die Gebäude doch
gar nicht befeuert wurden und
ausgebombt vor sich hin schwelen.

Ich höre von
Heiratenden
die tot-unglücklich sind
weil zu ihrem Fest
keine Bombenstimmung entstehen darf
ganz im Gegensatz zu der
syrischen Hochzeit die
unverhofften Besuch
von einer freundlichen Drohne erhielt.

Im Fernsehen klagt
ein Jungschütze
von der Bitterkeit auch
in diesem Jahr kein König werden zu können.
Ich denke an die Kinder, die
keiner fragt, ob sie die Waffe
in ihren Händen benutzen wollen und die
schießen müssen um zu überleben.

Wahrlich - wir leben in düsteren Zeiten.
Und auf der dunklen Seite der Macht
wohnt die Ignoranz!
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Alt 12.05.2021, 07:27   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Stachel,

oje - das ist so ein typisches Schuldkomplex-Thema. Zusammengefasst könnte man sagen, haltet gefälligst alle die Klappe und jammert nicht rum, euch geht es im Vergleich zu anderen im Gedicht immer noch super.

Sorry, da geht mir die Hutschnur hoch.

Man muss nicht dankbar dafür sein, nicht mehr arbeiten zu dürfen und keine Einnahmen mehr zu haben (Restaurants, Künstler, Einzelhandel).
In unserer Tageszeitung stand vor einiger Zeit, viele (Gastronomen, Einzelhandel) stünden vor der Vernichtung ihres Lebenswerkes. Und die sollen auch noch schön die Klappe halten und dankbar sein?

Til Schweiger erzählte in einem Interview (das ist schon ein paar Monate her), er selbst sei privilegiert, kenne aber Schauspieler, die nichts mehr zu essen haben.
Ich bin zwar nicht in dieser Branche, aber unverschuldet kein Geld mehr zu haben und nichts zu essen kaufen zu können, kenne ich aus eigener Erfahrung.
Noch schlimmer: Ohne Einnahmen kann man auch keine Miete mehr zahlen.

Nein - das sind keine Luxusprobleme. Du hast das mit den nicht mehr fließenden Einnahmen geschickt ausgeklammert:

Zitat:
. Ich höre von
Künstlern
im Öffentlich-Rechtlichen
die ein Quasi-Berufsverbot erleiden
weil sie ohne
Publikum und Applaus arbeiten müssen
und die nicht einmal vor anderen
politisch Inhaftierten gastieren dürfen.

Ich höre von
Gastleuten
die viel mehr
Probleme damit haben
die gekauften Zutaten vor Ablauf zu verwerten
als damit dass
wegen zusammengebrochener Infrastruktur
Dürren und kaputtsubventionierten Märkten
keine Waren zu haben sind geschweige
denn Kunden die sie sich leisten könnten.

dabei ist dies das Hauptproblem (keine Arbeit = keine Einnahmen).

Manchmal denke ich, wenn ich solche Texte lese, dass manche Leute das einfach noch nie erlebt haben, aber glauben, sie müssten anderen noch einreden, dass es denjenigen, wenn sie vor dem Nichts stehen, gutgeht.

Davon abgesehen: Was können die Leute, die du in deinem Gedicht erwähnst, für Kriege und Kinderarbeit? Die sind dafür nicht verantwortlich.

LG DieSilbermöwe
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Alt 12.05.2021, 08:11   #3
weiblich Ilka-Maria
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Ich bin nicht sicher, ob dieser Zynismus die richtigen Sujets aufgegriffen hat. Ich sehe Luxus-Probleme z.B. im Gender-Wahn mit seinen Binnen-Sternchen, in den angeblich zu hohen Leistungsanforderungen der Schulen, in der Verherrlichung des Ichs, das sich bis zur Erschöpfung mit der Optimierung seines Körpers und Speiseplans beschäftigt, mit der elterlichen Sorge, Kronprinzen und Kronprinzessinnen einerseits nicht genügend zu verhätscheln, andererseits durch volle Terminkalender zu jagen, der Angst vor Informationsverlust, wenn man zwei Minuten lang nicht auf das Smartphone gestarrt hat, die zunehmend düstere Sicht der Deutschen in ihre Zukunft (die es schon vor Corona gab) und dergleichen mehr.
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 12.05.2021, 13:48   #4
weiblich DieSilbermöwe
 
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Ich weiß nicht, ob Stachel hier nicht absichtlich provozieren wollte.

Zitat:
Ich höre von
Kindern
die nicht mehr wissen
wie man draußen spielt
und die an
Bewegungsmangel leiden
weil sie nicht den ganzen Tag
auf der Suche nach Rohstoffen
Müllberge erklettern müssen.
Zitat:
. Ich höre von
Kindern
deren Jugendheim
die Besucherzahlen begrenzt
und die mit
ihrer Zeit nichts anzufangen wissen
weil ihre kleinen Hände
nicht von früh bis spät
Kleider nähen müssen.
Hallo Stachel,

glaubst du wirklich, den Kindern und Jugendlichen hierzulande gehe es in der Corona-Krise gut?
Sollen sie sich freuen, weil sie ein nutzloses Schuljahr bald hinter sich haben?
Auf den Stil des Gedichtes bezogen, könnte nun eine Zeile kommen wie:
“während andere Kinder nicht mal eine Schule haben."

Ja, das ist Zynismus pur.

Wenn du Missstände wie Kriege, Flüchtlingsleid und Kinderarbeit beklagen willst, warum schreibst du dann kein Gedicht über genau diese, ohne diese Sachen miteinander zu vermengen?

LG DieSilbermöwe
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Alt 13.05.2021, 12:15   #5
Stachel
 
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
In unserer Tageszeitung stand vor einiger Zeit, viele (Gastronomen, Einzelhandel) stünden vor der Vernichtung ihres Lebenswerkes. Und die sollen auch noch schön die Klappe halten und dankbar sein?
Hallo Silbermöwe,

Wo hört Dankbarkeit auf, wo fängt Jammern an? Ist es beklagenswert, wenn wir die Zerstörung unseres Lebenswerks sehen? Das ist es sicher. Sollten wir dankbar sein, dass uns die Krise nicht noch härter trifft? Das, finde ich, sollte jeder zumindest mal für sich selbst überlegen. Dafür halte ich es wichtig, Dinge zu relativieren, sie in Relation zu setzen mit anderen Dingen, die wir aufgrund des eigenen Leids und Schmerzes gerade nicht im Fokus haben.
Ich konnte den Text schreiben, weil ich gerade in der luxuriösen Situation bin, mir die Umstände bewusst machen zu können. Sollte ich nicht dankbar dafür sein? Bestimmt. Aber soll ich deswegen "die Klappe halten"?

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
dabei ist dies das Hauptproblem (keine Arbeit = keine Einnahmen).
Für ganz viele Regionen auf der Welt stimmt das in genau dieser harten Konsequenz. Bei uns relativiert sich das schon ziemlich und hängt zum Beispiel an Fragen wie "Will ich mir meine Würde bewahren oder gehe ich zum Amt?"
Ich glaube übrigens nicht, dass es einer Person die Würde nimmt, wenn sie sich helfen lässt.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Manchmal denke ich, wenn ich solche Texte lese, dass manche Leute das einfach noch nie erlebt haben, aber glauben, sie müssten anderen noch einreden, dass es denjenigen, wenn sie vor dem Nichts stehen, gutgeht.
Zum einen ist das Ziel des Textes nicht, jemandem etwas einzureden. Ziel von Kunst kann nicht sein, Wahrheiten, schon gar keine absoluten, zu manifestieren oder Menschen zu indoktrinieren. Ziel muss es doch sein, Menschen zu bewegen, Missstände aufzuzeigen und Diskussionen anzustoßen.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Davon abgesehen: Was können die Leute, die du in deinem Gedicht erwähnst, für Kriege und Kinderarbeit? Die sind dafür nicht verantwortlich.
LG DieSilbermöwe
Die Frage der Verantwortung lässt sich in einer globalisierten Welt nicht so leicht davonschieben, wie du hier suggerierst. Natürlich bin ich für Kinderarbeit mitverantwortlich, wenn ich aus einem System Nutzen ziehe, dass dafür verantwortlich, z.B. wenn ich dort kaufe, wo so produzierte Textilien angeboten werden. Natürlich bin ich mitverantwortlich für Kinder auf Müllkippen, deren Bestandteile auch aus meinem Haushalt stammen. Ganz so einfach dürfen wir es nicht machen, finde ich.

Freundliche Grüße von
Stachel
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Alt 13.05.2021, 12:25   #6
Stachel
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
(die es schon vor Corona gab)
Ich denke, das ist einer der zwei größten Unterschiede. Die Punkte, die du anführst, sind unabhängig von der aktuellen Pandemie. Der zweite ist der inhaltlich fehlende Zusammenhang. Ich würde die Probleme eher unter dem Punkt "Gibt es nichts wichtigeres?" zusammen fassen. War das deine Intention?
Also beispielsweise: "In der Krise kämpfen Leute um ihre Existenz und ihr streitet euch über korrektes Gendern."
Was deine Punkte ebenfalls gemeinsam haben ist das Anknüpfen in der eigenen Gesellschaft. Über alles was du sagst, könnte man ebenfalls einen trefflichen Text machen. Es wäre nur nicht mehr dieser.

Freundliche Grüße von
Stachel
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Alt 13.05.2021, 12:43   #7
Stachel
 
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Hallo Stachel,

glaubst du wirklich, den Kindern und Jugendlichen hierzulande gehe es in der Corona-Krise gut?
Hallo Silbermöwe,

welchen Kindern? Allen? Meinst du eher die finanziell benachteiligten Bildungsverlierer, die mangels Laptop nicht am Homeschooling teilhaben können oder die Einzelkinder reicher Eltern, die vormittags neben der Schule wegen der gesparten Zeit auch an teuren Online-Kursen freier Lernanbieter teilnehmen können und nachmittags, ebenfalls online, ausgiebiges Sport- und Spaßprogramm erhalten, während andernorts allenfalls die Glotze läuft?
Es gibt, wie in allen Krisen, Gewinner und Verlierer. Allerdings ist auch der Verlust sehr ungleich verteilt. Manche verlieren ein Jahr Bildung, andere das Leben.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ja, das ist Zynismus pur.
Das finde ich auch. Zynismus ist das natürlich vorherrschende Stilmittel im Text. Zynisch finde ich aber vor allem, wenn sich Leid und Klage umgekehrt proportional zueinander verhalten, wenn also diejenigen, denen es so gut geht, dass man sie problemlos zu den Krisengewinnlern zählen kann, am lautesten Klagen und Forderungen stellen, dass man ihnen Satisfaktion zu verschaffen hätte, in der Regel auf Kosten anderer.


Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Wenn du Missstände wie Kriege, Flüchtlingsleid und Kinderarbeit beklagen willst, warum schreibst du dann kein Gedicht über genau diese, ohne diese Sachen miteinander zu vermengen?
Wenn ich das so wollen würde, wie du findest, dass ich es wollen sollte, würde ich es vermutlich machen. Anders als du denke ich aber, dass die Sachen nicht von mir vermengt wurden, sondern vielfältig miteinander zusammenhängen. Ich schreibe daher einen Text so, wie ich finde, dass er zusammengehört und zusammenpasst.
Wenn du findest, ich hätte einen anderen Text schreiben sollen, dann finde ich, dass du doch diesen anderen Text schreiben solltest. Wie könnte ich mir herausnehmen, einen Text nach deiner Meinung zu schreiben?

Freundliche Grüße von
Stachel
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Alt 13.05.2021, 14:13   #8
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
welchen Kindern? Allen? Meinst du eher die finanziell benachteiligten Bildungsverlierer, die mangels Laptop nicht am Homeschooling teilhaben können oder die Einzelkinder reicher Eltern, die vormittags neben der Schule wegen der gesparten Zeit auch an teuren Online-Kursen freier Lernanbieter teilnehmen können und nachmittags, ebenfalls online, ausgiebiges Sport- und Spaßprogramm erhalten, während andernorts allenfalls die Glotze läuft?
Ich habe wirklich so ziemlich alles seit Beginn der Corona-Krise gelesen, aber von Einzelkindern reicher Eltern, die online ein Spiel- und Spaßprogramm erhalten, noch nie etwas. Glaube auch noch nicht mal, dass das lustiger ist, als die Glotze laufen zu lassen. Die Kinder sitzen ja trotzdem allein vor einem Bildschirm.
Immerhin erwähnst du jetzt selbst, dass es Bildungsverlierer durch die Krise gibt.

Zitat:
. Zynisch finde ich aber vor allem, wenn sich Leid und Klage umgekehrt proportional zueinander verhalten, wenn also diejenigen, denen es so gut geht, dass man sie problemlos zu den Krisengewinnlern zählen kann, am lautesten Klagen und Forderungen stellen, dass man ihnen Satisfaktion zu verschaffen hätte, in der Regel auf Kosten anderer.
Und wer sollen diese Krisengewinnler sein? Jedenfalls keine derjenigen, die du im Gedicht erwähnst, wie Rentner, Schüler, Gastleute, Künstler.

Zitat:
. Für ganz viele Regionen auf der Welt stimmt das in genau dieser harten Konsequenz. Bei uns relativiert sich das schon ziemlich und hängt zum Beispiel an Fragen wie "Will ich mir meine Würde bewahren oder gehe ich zum Amt?"
Ich glaube übrigens nicht, dass es einer Person die Würde nimmt, wenn sie sich helfen lässt.
Haha. Die Novemberhilfen waren teilweise im Februar noch nicht bei den Leuten angekommen, und ganz bestimmt nicht deswegen, weil sie keiner beantragt hat.

https://m.focus.de/finanzen/es-geht-..._12992666.html

Zitat:
. Sollten wir dankbar sein, dass uns die Krise nicht noch härter trifft? Das, finde ich, sollte jeder zumindest mal für sich selbst überlegen. Dafür halte ich es wichtig, Dinge zu relativieren, sie in Relation zu setzen mit anderen Dingen, die wir aufgrund des eigenen Leids und Schmerzes gerade nicht im Fokus haben.
Ich konnte den Text schreiben, weil ich gerade in der luxuriösen Situation bin, mir die Umstände bewusst machen zu können. Sollte ich nicht dankbar dafür sein? Bestimmt. Aber soll ich deswegen "die Klappe halten"?
Nein, du sollst nicht „die Klappe halten". Aber mir jedenfalls suggeriert das Gedicht, dass andere die Klappe halten sollen. Sich zumindest nicht beschweren sollen, weil es ihnen ja doch noch so gut geht - nach Meinung anderer.

Zitat:
. Zum einen ist das Ziel des Textes nicht, jemandem etwas einzureden. Ziel von Kunst kann nicht sein, Wahrheiten, schon gar keine absoluten, zu manifestieren oder Menschen zu indoktrinieren. Ziel muss es doch sein, Menschen zu bewegen, Missstände aufzuzeigen und Diskussionen anzustoßen.
Ich bin die Diskussion schon leid. Es läuft immer wieder auf dasselbe hinaus, man hat alle Maßnahmen gut zu finden und sich über nichts zu beschweren. Früher oder später kommt sowieso ein solcher Spruch:
Zitat:
.Manche verlieren ein Jahr Bildung, andere das Leben.
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Alt 13.05.2021, 16:14   #9
Trembalo
 
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Hallo Stachel,
das Leid in der Welt wird nicht ausgeknipst
indem man sein's beklagt.
Das Gefälle Nord-Süd steht noch immer.

Hallo Silbermöwe,
es ist der Unterschied, der global beleuchtet wird,
Du beleuchtest lieber den im eigenen Land.

Sollten wir froh sein nicht zu hungern, nicht zu frieren,
froh sein ein Recht auf Bildung, Unterstützung in vielen Bereichen zu haben, nur weil wir auf der Sonnenseite leben ?
Es ist wohl ein Aufruf auch darüber einmal nachzudenken,
und es nicht als selbstverständliches Gut anzunehmen sprich wahrzunehmen.
Gruß und schönen Feiertag Euch noch
Trem
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Alt 13.05.2021, 18:38   #10
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
. Wenn du findest, ich hätte einen anderen Text schreiben sollen, dann finde ich, dass du doch diesen anderen Text schreiben solltest. Wie könnte ich mir herausnehmen, einen Text nach deiner Meinung zu schreiben?
Hallo Stachel,

von einem Text nach meiner Meinung war übrigens nicht die Rede.

Ich fragte, warum du nicht über Missstände ein Gedicht schreibst, wenn du sie beklagen willst.
Aber das kann man sowieso nachlesen.

Ich werde selbst einen Text zu dem Thema des Gedichtes verfassen.

Freundliche Grüße
DieSilbermöwe

Hallo Trembalo,

Zitat:
. Hallo Silbermöwe,
es ist der Unterschied, der global beleuchtet wird,
Du beleuchtest lieber den im eigenen Land.
Ja, weil wir hier leben und weil es uns deshalb nicht automatisch gut geht.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.05.2021, 22:16   #11
Trembalo
 
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Liebe Silbermöve,

wir leben auf Kosten anderer.
Stachel hat Recht.
Aber auch in unserer Gesellschaft
gibt es wiederum Unterschiede.
Das eine wie das andere ist wichtig.
Warum flüchten die Menschen nach Europa und USA, Australien u.u.
Warum gibt es im Süden so viele Kriege,
obwohl diese Länder auf Grund ihrer Bodenschätze
sprich Ressourcen reich sein könnten.
Wieso, weshalb, warum.
Man kann nicht flüchten und sagen
dies alles geht mich nichts an,
es betrifft uns, Ursache und Wirkung.
Die Welt ist so klein geworden.
Wir reisen innerhalb weniger Stunden um den halben Globus.
Es ist so komplex und so viele Menschen sind beteiligt.
Der Schritt ist nahe,
das was sich im kleinen vollzieht, vollzieht sich auch im Großen
und umgekehrt.
Alles Liebe Dir.
Gruß
Trembalo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.05.2021, 15:01   #12
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
. Die Frage der Verantwortung lässt sich in einer globalisierten Welt nicht so leicht davonschieben, wie du hier suggerierst. Natürlich bin ich für Kinderarbeit mitverantwortlich, wenn ich aus einem System Nutzen ziehe, dass dafür verantwortlich, z.B. wenn ich dort kaufe, wo so produzierte Textilien angeboten werden
Hallo Stachel,

die Leute kaufen so produzierte Teile, weil sie billiger sind. Warum machen sie das? Weil sie sich teurere Artikel nicht leisten können. Warum können sie sich Teureres nicht leisten? Weil sie nicht genug verdienen.

Man sollte mal einfach den Leuten anständige Gehälter bezahlen.
So hängt das nämlich auch zusammen.

Ansonsten bin ich aus der Diskussion jetzt raus.

Viele Grüße
DieSilbermöwe
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Alt 14.05.2021, 16:18   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Trembalo Beitrag anzeigen
wir leben auf Kosten anderer.
Woran du das festmachst, würde ich gerne en detail erklärt bekommen. Ich bin nämlich aufgrund eigener Nachforschungten davon überzeugt, dass eine ganze Menge Menschen dieser Erde von meinen Kosten und den Kosten der in der Bundesrepublik arbeitenden Menschen leben - aber nur, sofern das Erarbeitete überhaupt bei ihnen ankommt.
__________________

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Alt 14.05.2021, 20:35   #14
Stachel
 
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Zitat:
Zitat von Trembalo Beitrag anzeigen
Sollten wir froh sein nicht zu hungern, nicht zu frieren,
froh sein ein Recht auf Bildung, Unterstützung in vielen Bereichen zu haben, nur weil wir auf der Sonnenseite leben ?
Es ist wohl ein Aufruf auch darüber einmal nachzudenken,
und es nicht als selbstverständliches Gut anzunehmen sprich wahrzunehmen.
Das ist aus meiner Sicht der zentrale Punkt, den du hier gut herausgearbeitet hast, Trembalo. Wir haben alle unterschiedlich viel Grund zu klagen, sowohl global gesehen als auch in Bezug auf unsere eigene Wohlstandsgesellschaft, die natürlich viele Verlierer produziert und die selbstverständlich - mal mehr, mal weniger - unter der Krise gelitten hat und noch leidet. Wer Grund zur Klage hat, klage. Aber es lohnt sich, innezuhalten und die eigene Situation in einem größeren Zusammenhang zu betrachten. Je mehr man mit sich selbst beschäftigt ist, desto weniger Platz haben andere dabei.
Auf der anderen Seite ist es aber auch ein Luxus, weniger betroffen zu sein und den Blick weiten zu können.

Zitat:
Zitat von Trembalo Beitrag anzeigen
wir leben auf Kosten anderer.
[...]
Aber auch in unserer Gesellschaft
gibt es wiederum Unterschiede.
Das eine wie das andere ist wichtig.
Ja genau. Denn es geht ja eben darum, der Enge des eigenen Blickfelds entgegen zu wirken. Das negiert weder eigene Not, noch einen Handlungsbedarf dagegen, geschweige denn das aktive Bemühen um Linderung und Verbesserung. Ganz im Gegenteil. Worauf wir aber acht geben sollten ist, dass wir nicht die aus dem Blick verlieren, die es noch deutlich härter getroffen hat, und denen wir vielleicht mit unserem Tun noch mehr Not bereiten könnten.

Freundliche Grüße von
Stachel
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Alt 14.05.2021, 20:58   #15
Stachel
 
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Hallo Stachel,

von einem Text nach meiner Meinung war übrigens nicht die Rede.

Ich fragte, warum du nicht über Missstände ein Gedicht schreibst, wenn du sie beklagen willst. Aber das kann man sowieso nachlesen.
Genau das wollte ich ausdrücken. Nach deiner Meinung wäre ein anderer Text passender gewesen. Ich wiederum bin der Meinung, dass ich genau das getan habe, von dem du meinst, ich hätte es tun sollen. Nur halt aus meiner Warte, die mir passender erscheint. Zu den Missständen habe ich oben auch weitere Ausführungen gemacht, auf die wir gerne genauer eingehen könnten.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ich werde selbst einen Text zu dem Thema des Gedichtes verfassen.
Ich habe ihn gelesen und finde, dass du einen tollen Twist zu meinem Gedicht geschrieben hast.
https://www.poetry.de/showthread.php?t=94537
Dazu aber dort mehr.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Immerhin erwähnst du jetzt selbst, dass es Bildungsverlierer durch die Krise gibt.
[...]
Ja, weil wir hier leben und weil es uns deshalb nicht automatisch gut geht.
Nein, tut es nicht. Auch bei uns gibt es viele Verlierer. Aber ich finde, dass der Begriff "Verlierer" eine sehr breite Spanne hat und davon abhängt, wo auf der Welt ich lebe.
Auch die Fallhöhe ist eine ganz andere. Es ist nicht unbedingt so, dass die weit oben um so tiefer fallen. Teilweise fallen diejenigen knapp über dem Boden nun ins Bodenlose. Beispiele liefert das Gedicht ja genug, denke ich.
Aber ich fasse den Begriff des Krisengewinnlers für mich auch recht weit, du vielleicht nicht. Wenn wir mal davon ausgehen, dass eine globale Krise alle mehr oder weniger etwas verlieren lässt, so könnte man doch diejenigen, die fast nichts verlieren, also viel weniger als die meisten anderen, als Gewinnler bezeichnen, oder? Aber das darf und soll ja jede mit sich selbst ausmachen. Darum geht es mir: Zu schauen, ob der moralische Kompass noch stimmt.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Man sollte mal einfach den Leuten anständige Gehälter bezahlen.
So hängt das nämlich auch zusammen.
Da hast du einen ganz wichtigen Punkt gebracht. Die Stützen der Gesellschaft, systemrelevante Berufe in der Pflege, der Betreuung, der Ver- und Entsorgung, und andere, werden nicht adäquat entlohnt. Hingegen sahnen manche, die auch zuvor schon dadurch aufgefallen sind, dass sie ihre Mitarbeiter ausbeuten und darauf ihren Wohlstand aufbauen, jetzt erst richtig ab.


Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ansonsten bin ich aus der Diskussion jetzt raus.
Danke, dass du dich so intensiv eingebracht hast.

Freundliche Grüße von
Stachel
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