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Philosophisches und Nachdenkliches Philosophische Gedichte und solche, die zum Nachdenken anregen sollen.

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Alt 08.01.2020, 00:00   #1
Stachel
 
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Standard Nicht mehr Mensch

Gesunder Menschenverstand
sollte dich
daran zweifeln lassen
ob du einen solchen
besitzt

Dein fehlender Zweifel
beweist
dass dir keiner geblieben ist

Ich erwarte daher
im Namen der Humanität
dass du dich nicht
mehr Mensch nennst
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Alt 08.01.2020, 00:08   #2
männlich Eisenvorhang
 
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Das ist ein sehr gefährlicher Anspruch Stachel, ähnlich wie Glück oder ewige Liebe.
Es führt unwiderruflich zur Enttäuschung!

vlg

EV
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Alt 08.01.2020, 08:25   #3
weiblich Silver
 
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Standard nicht mehr Mensch

Guter Beitrag Stachel, gefällt mir sehr.

LG Silver
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Alt 08.01.2020, 09:16   #4
weiblich Ilka-Maria
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Das Paradox geschickt ausgedrückt. Gute Metapher für die Widersprüchlichkeit des Menschen.
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Alt 08.01.2020, 19:14   #5
weiblich Noroelle
 
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Standard Hi Stachel,

Wie wahr! Deine Zeilen machen nachdenklich und gefallen mir, sehr.

VG Noroelle
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Alt 08.01.2020, 20:30   #6
männlich Ex-Ralfchen
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exzellenter aphorismus. gratuliere

vlg
r
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Alt 09.01.2020, 18:23   #7
Stachel
 
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Vielen Dank für eure freundlichen Beiträge.

@Eisenvorhang: Da sind nun mehrere Ansprüche auf unterschiedlichen Ebenen enthalten. Welchen meinst du und warum führt er unwiderruflich zur Enttäuschung?

Freundliche Grüße von
Stachel
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Alt 09.01.2020, 18:44   #8
männlich Eisenvorhang
 
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Gesunder Menschenverstand
sollte dich
daran zweifeln lassen
ob du einen solchen
besitzt

Dein fehlender Zweifel
beweist
dass dir keiner geblieben ist

Ich erwarte daher
im Namen der Humanität
dass du dich nicht
mehr Mensch nennst

--

Du beginnst bereits mit dem Begriff "Gesunder Menschenverstand". Ich stelle dir die Gegenfrage, lieber Stachel, was meinst du damit?
Meinst du damit den kulturellen Relativismus, der uns als "Moral" bekannt ist? Also ethische und teils religiöse Rezepte, wie man auf Basis gesunder Menschlichkeit miteinander umzugehen hat? Danach suggerierst du, in dem das LI sagt, dass der gesunde Menschenverstand, wenn vorhanden, dich zweifeln lassen sollte.

In Strophe zwei spricht das LI die Menschen an, denen der gesunde Menschenverstand fehlt. "Dein fehlender Zweifel" oder auch die mangelnde Empathie und das mangelnde Einfühlungsvermögen (zwei paar Schuhe), beweisen, dass der Verstand abhanden gekommen ist.

Du rufst zur Humanität auf. Was lässt uns human sein? Was ich einen Widerspruch finde. Der Begriff ist moralisch konnotiert, suggeriert er ein ganz bestimmtes Bild guter Menschlichkeit. Daraus resultiert Wut, Frust, aber auch Hilflosigkeit gegenüber bestimmten Faktoren im Leben: Du kannst nicht ändern, was sich nicht ändern lässt.

Wer mit dieser Prämisse "Sei nur dann Mensch, wenn du dich gesund menschlich verhältst" durchs Leben geht, wird irgendwann vor die Hunde gehen. Denn alle drei Strophen führen unwiderruflich zur Enttäuschung!

Strophe 1: Enttäuschung über mangelnden Menschenverstand
Strophe 2: Enttäuschung darüber, dass Menschen, die keinen besitzen, nie zweifeln
Strophe 3: Oft sind Menschen genau jene, die sich hinter dem Begriff der Humanität verbergen. Und wenn sie sich nicht dahinter verstecken, dann sind diese ein Teil der Humanität.
Denn äußerlich sind alle Menschen Menschen. Und jeder Mensch besitzt seine eigene Emotionalität (mehr oder minder, es soll auch leute geben, die wie ein Tetrapack fühlen, aber auch das ist ein Gefühl von Leere - Sadisten werden durch Freude an der Qual erfüllt).

Es gibt viele Menschen, die Erwartungen nicht standhalten können oder diese bewusst proskribieren.
Daher führt es unwiderruflich zur einer Endloskette der Enttäuschungen.
Man kann "solche" Menschen nicht ad absurdum führen.

Interessant für mich wäre, wenn die Gedanken von jemanden kämen, dem es an gesunden Menschenverstand fehlt.

Nur umrissen, ich hoffe dir genügen meine Gedanken Stachel.
Der Appell deiner Zeilen rührt oft aus einer tiefen Kränkung und Unverstandenheit, aber auch ist es ein Aufschrei - "Normalität" wird sich gewünscht, ein normaler und respektvoller Umgang. Klingt einfach, ja - die Praxis beweist anderes.

(Dem möchte ich keine Bewertung anhängen, weder negativ noch gut)

Mensch, wenn du so lang wärst wie du dumm bist,
könntest du aus der Dachrinne saufen!

(Kurt Tucholsky, 1890-1935, deutscher Schriftsteller)
Eisenvorhang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2020, 12:15   #9
Stachel
 
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Vielen Dank für deine ausführlichen Ausführungen, lieber Eisenvorhang.

Puh! Wo fange ich da am besten an? Du kommst ja von Hölzken auf Stöcksken.
Ich werde die vielen Gedanken in der Reihenfolge aus deinem Beitrag aufgreifen und für mich Einordnen.

Zitat:
Zitat von Eisenvorhang
Du beginnst bereits mit dem Begriff "Gesunder Menschenverstand" (GM). Ich stelle dir die Gegenfrage, lieber Stachel, was meinst du damit? Meinst du damit den kulturellen Relativismus, der uns als "Moral" bekannt ist? Also ethische und teils religiöse Rezepte, wie man auf Basis gesunder Menschlichkeit miteinander umzugehen hat?
Der Gedanke geht in die richtige Richtung. Der von dir angeführte „kulturelle Relativismus“ geht zunächst mal deskriptiv davon aus, dass unterschiedliche Gruppen auch unterschiedliche moralische Konzepte entwickelt haben (und auch weiterentwickeln). Der Begriff des „gesunden Menschenverstandes“ hingegen wird oft in Diskussionen bemüht, um diesem kulturellen Relativismus eine Art „Common Sense“ gegenüberzustellen, also ein als gemeingültig empfundener gesellschaftlicher Moral- und (weit darüber hinaus) Bewertung-Konsens für spezifische Themen und deren Aspekte.

Zitat:
Zitat von Eisenvorhang
Danach suggerierst du, in dem das LI sagt,
Das ist das wohl häufigste Missverständnis in der Textarbeit schlechthin. Die schreibende Person suggeriert hier nicht, sondern das LI. Du weist mit deiner Formulierung zwar daraufhin, dass dir der generelle Unterschied zwischen beiden Ebenen bewusst ist, vermischt sie aber dann doch. Was das LI äußert, ist zwar Kern der Interpretation, aber nicht notwendigerweise deckungsgleich mit der Meinung der schreibenden Person.

Zitat:
Zitat von Eisenvorhang
dass der gesunde Menschenverstand, wenn vorhanden, dich zweifeln lassen sollte.
Das enthaltene Paradoxon wurde im Faden bereits erwähnt. Ein „gesunder Menschenverstand“ im Sinne eines logisch rationalem Denkens und des dabei wesentliche Inbezugsetzen mit den Beobachtungen in der realen Welt, muss sich zwangsläufig daran stoßen, dass es für Aspekte des Lebens (Probleme, Thematiken) nur genau eine richtige Sichtweise oder Lösung geben soll.

Zitat:
Zitat von Eisenvorhang
In Strophe zwei spricht das LI die Menschen an, denen der gesunde Menschenverstand fehlt. "Dein fehlender Zweifel" oder auch die mangelnde Empathie und das mangelnde Einfühlungsvermögen (zwei paar Schuhe), beweisen, dass der Verstand abhanden gekommen ist.
Von Empathie lese ich da nichts. Das LI thematisiert, zumindest bis hier hin, ein moralisches Dilemma, kein emotionales. Der Adressat ist auch nicht korrekt. Woher nimmst du den? Der Adressat des LI ist zunächst ein nicht näher bestimmtes „lyrisches Du“. In einer textnahen Auslegung ließe sich das LD auf Personen anwenden, die nach eigener Maßgabe zweifelsfrei über GM verfügen. Der Adressatenkreis der schreibenden Person (also meiner) ist ebenfalls nicht deckungsgleich mit deiner Annahme.

Auch wenn es für das Gedicht an dieser Stelle nicht relevant zu sein scheint: Was genau sind für dich „zwei paar Schuhe“ und warum? Da stehen vier Begriffe. Von daher interessiert es mich, welche du gegeneinander setzt.


Zitat:
Zitat von Eisenvorhang
Du rufst zur Humanität auf. Was lässt uns human sein? Was ich einen Widerspruch finde. Der Begriff ist moralisch konnotiert, suggeriert er ein ganz bestimmtes Bild guter Menschlichkeit. Daraus resultiert Wut, Frust, aber auch Hilflosigkeit gegenüber bestimmten Faktoren im Leben: Du kannst nicht ändern, was sich nicht ändern lässt.
Nicht ich, sondern LI, aber geschenkt. Du spannst hier einen weiten Bogen ins Irgenwo. Dabei erfolgt kein Aufruf zu Humanität (H), sondern in dessen Namen. Das LI beruft sich also auf H im Gegensatz zum LD, das sich offenbar (so implizit in S1 und S2) auf GM beruft. Diese beiden Kontrapositionen werden gegenübergestellt. Das LI hebt damit, wenn man annehmen darf, dass der Aufruf ernst gemeint ist, also in dessen Vorstellung ein treffendes Argument darstellt, die Humanität über den GM. Es ließe sich auch so deuten, dass das LI hier davon ausgeht, dass der GM ohne H keinen Wert hat. In dem Fall würde dem LD implizit H abgesprochen, womit auch dessen Rückgriff auf GM obsolet würde und unterlassen werden soll.

Was steckt aber nun in diesem Aufruf? Der Zeilenumbruch ist nicht zufällig gewählt. Das LD soll es unterlassen, sich „mehr Mensch“ zu nennen, sich also moralisch mit dem (Totschlag-)Argument GM über andere zu erheben. Die Möglichkeit unterschiedlicher Lesarten ist hier durch die schreibende Person (also mich) intendiert. Das wiederum überlasse ich deiner Interpretation.

Deine weiteren Ausführungen aus der Mitte deines Posts zitiere ich nicht. Da bist du plötzlich irgendwo abgebogen nach drei, vier gedanklichen Winkelzügen, und ich kann dir nicht mehr folgen. Du schmeißt hier auch wieder die oben so schön auseinanderdividierten Punkte zusammen. Es wird wirklich interessant, was du mit „zwei paar Schuhen“ gemeint hast. Hier mischt du nun jedenfalls einen bunten Farbkasten an. Und auch, wenn dazu inhaltlich einiges zu sagen wäre und ich vielem gerne widersprechen mag, so führt uns das wohl nur weiter vom Text fort.

Zitat:
Zitat von Eisenvorhang
Interessant für mich wäre, wenn die Gedanken von jemanden kämen, dem es an gesunden Menschenverstand fehlt.
Auf welcher Ebene (Autorum/LI)? Woran würdest du so eine Person erkennen wollen?

Zitat:
Zitat von Eisenvorhang
Der Appell deiner Zeilen rührt oft aus einer tiefen Kränkung und Unverstandenheit, aber auch ist es ein Aufschrei - "Normalität" wird sich gewünscht, ein normaler und respektvoller Umgang. Klingt einfach, ja - die Praxis beweist anderes.
Das wirkt auf mich stark überpsychologisiert, mal abgesehen davon, dass es auch nicht die Appelle meiner Zeilen sind , sondern die von dir dort herausgelesenen. Oben war es bislang auch nur ein Appell. Weitere müsste man erst einmal aus dem Text herausarbeiten. Mir scheint, du generalisierst hier deine eigene Lesart des Textes (wobei „eigene Lesart“ ausdrücklich okay ist, denn ein Text lässt sich nun mal unterschiedlich interpretieren!) auf ein von dir empfundene psychologische Betrachtung von typisierten Mitmenschen. Leider kann ich darauf mangels von mir erkanntem Zusammenhang der Gedanken(-sprünge) nicht sinnvoll inhaltlich eingehen.

Vielleicht magst du ja noch ein wenig Ordnung und System in die bisherigen Gedanken bringen und diese sauber ableiten. Es interessiert mich wirklich, wie du von "gesundem Menschenverstand" über "Menschlichkeit" und daraus resultierender "Wut" und "Hilflosigkeit", danach über "Kränkung" bis hin zu "Praxis beweist anderes" gekommen bist. Diese Schritte sind ja keinesfalls zwingend, weder für mein LI noch für mich.

Freundliche Grüße von
Stachel
Stachel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2020, 12:55   #10
männlich Eisenvorhang
 
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Hallo lieber Stachel,

da hast du gute Textarbeit vollbracht. Natürlich meine ich das LI! Verzeih bitte die Übertragung.
Ich gebe mir künftig Mühe, dass das nicht mehr passiert. :-)

Ich beginne mit Empathie. Was ist Empathie?
Google spuckt einige Definitionen aus, wie zum Beispiel:
Die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen.
Wikipedia ergänzt diese Auffasung noch mit Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale.
Ich persönlich verstehe Empathie etwas anders. Es ist ja nicht verboten, sich eigene Gedanken zu einem Thema machen zu dürfen.
Kurz gesagt, ist Empathie für mich eine strukturelle Veranlagung, eine kognitive Fähigkeit, andere Menschen zu scannen.
Ich finde heraus, wie der andere denkt, ich erkenne seine Stärken und Schwächen und bin mir bewusst, wie der andere fühlt. (Achtung: Ich kann aber nicht dieses Gefühl nachempfinden! Ich kann nur sagen: "Ja, ich sehe, dass diese Person traurig ist, weil sie weint") Ich bin also in der Lage, den anderen sein Ufer zu erkennen und ihn von seinem Ufer abzuholen.
Empathie ist für mich demnach mehr eine Art Beobachter, der mit viel Raffinesse hinter die Fassaden eines Menschen blicken kann.
Empathie nimmt für mich etwas sehr Passives ein. Wie eine Kamera mit einem Bewusstsein, die ein Geschehen oder eine Person filmt und versteht. Hier geht es um das Erkennen und nicht um das Fühlen.

Was ist nun das Einfühlungsvermögen für mich?
Tante Emma betrauert ihren Verlust ihres Mannes. Sein plötzliches Ableben sorgte für einen Schock und tiefe Trauer.
Tante Emma hatte in ihrem Leben nicht viel, eigentlich nur ihren Mann, der ihr in allen Zeiten, bei all ihren Problemen ein Fels in der Brandung war.
Tante Emma besitzt also ihr eigenes Leben, ihre eigenen Erfahrungen, die sie nur auf ihre Weise wie kein anderer fühlen kann.
Mark, ist ein guter Freund von Emma, der sie bereits viele Jahre kannte. Aufgrund seiner Empathie war er stets dazu in der Lage zu Emma durchdringen zu können.
Er erkannte wann es Emma schlecht ging und half ihr unaufgefordert, wenn er fühlte, dass Emma mit ihren Schwächen zu kämpfen hatte.
Dann folgte der Todesfall und Emma war allein. Marks Einfühlungsvermögen ermöglichte die Gefühle von Emma 1:1 nachempfinden zu können. Er empfand der gleiche Trauer wie Emma,
spürte den zitternden Schock in den Knochen von Emma und er konnte sich selbst die Tränen kaum verkneifen.
Das Einfühlungsvermögen nimmt für mich eine aktive Rolle ein, die immer eine Handlung und Reaktion als Konsequenz auf das Eingefühlte walten lässt.
Bei der Empathie fällt das weg. In meinen Augen sind beispielsweise Psychopathen, die andere Menschen schamlos ausbeuten, hochgradig empathisch, dafür besitzen diese keinerlei Einfühlungsvermögen. Nur als Beispiel.

Wegen der Wut und Hilfslosigkeit. Das LI wirkt hilfslos und wütend auf mich.
Was Sinn macht, denn es gibt genügend Menschen auf der Erde die alles andere als einen GM besitzen und genügend Menschen, die deswegen leiden.
Die Verzweiflung über den nicht vorhandenen gesunden Menschenverstand, kann auch in Vorwürfe resultieren, in dem Gedicht jedoch fordert das LI durch Selbstbehauptung folgende
Haltung: "Ich erwarte, im Namen der GM, dass du dich nicht mehr Mensch nennst". Das LI könnte auch sagen: "Ich erwarte, im Namen der Menschlichkeit, dass du dich nicht mehr Mensch nennst". Achtung Gedankensprung: Krass empfinde ich die Erwartung des LI's! Das LI gibt sich selbst eine sehr hohe Position und Wichtigkeit. "Ich erwarte, dass..." Das ist eine sehr klare und selbstbewusste Forderung. Vielleicht ist das LI tatsächlich nicht wütend und verzweifelt, vielleicht ist genau das Gegenteil der Fall. Das LI herrscht. Wer weiß. Da gäbe es viel zum Nachdenken. Was ich cool finde.

"Woran würdest du so eine Person erkennen wollen?"

Oft werden solche Menschen schlagartig die größten Fans oder die besten Freunde.
Oder sie durchschlagen mit einer Flut an Komplimenten die Tür in das Persönliche. So entsteht schnell Vertrauen, Nähe und ein Gefühl von Freundschaft. Ich habe für mich so meine kleinen Tests entwickelt, die solche Menschen für mich entlarven... (Und damit fahre ich super gut)

Was bedeutet Humanität? Es ist nur ein anderes Wort für Menschlichkeit und was bedeutet Menschlichkeit?
Hm! Ich würde sagen, alles, was menschbezogen ist und was Menschen von Tieren abgrenzt.
Bin mir aber nicht sicher.
Aus Menschlichkeit lässt sich das menschliche Verhalten ableiten und dann sind wir sehr schnell bei der Religion oder bei diversen
wissenschaftlichen Auffassungen, die den Mensch in seinem Verhalten überheben. "Wir sind überlegen und einzigartig".
Das formt konträre Weltanschauungen und gegensätzliche geistige Haltungen.

Und ja, von Empathie steht im Gedicht nichts. Woher rührt aber dann Strophe eins, wenn nicht aus dem Fehlen gesunder Zwischenmenschlichkeit
und diese wird durch Empathie und Einfühlungsvermögen geformt. Jedenfalls für mich.
Du schreibst "überpsychologisiert" - das kommt in mir völlig beiläufig auf, wenn ich das Gedicht lese.
Und mir tut es leid, wenn du Gedankensprünge wahr nimmst. Für mich sind diese sehr klar, weil im Bezug auf das Gedicht ja eine Reaktionskette mit Ursachen zu grunde liegt.
Aber wer weiß, vielleicht willst du auch etwas gegen den ursprünglichen Renaissance-Humanismus / Humanismus stacheln. (Ich mache nur Spaß, hat so schön gepasst...)

vlg

EV
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Alt 23.01.2020, 16:34   #11
Stachel
 
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Hallo lieber Stachel,

da hast du gute Textarbeit vollbracht.
Na klar. Wenn man ordentlich diskutieren will, darf man sich auch etwas Mühe geben.
Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Natürlich meine ich das LI! Verzeih bitte die Übertragung.
Ich gebe mir künftig Mühe, dass das nicht mehr passiert. :-)
Kein Ding. Wir müssen uns nur einigen, worüber wir reden. Außerdem sollten auch die Leserinnen uns so weit folgen können, dass sie merken, wir geben uns Mühe. Deswegen gehen manche Erläuterungen auch eher in Richtung Allgemeinheit.
Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Ich beginne mit Empathie. Was ist Empathie?
[...]
Was ist nun das Einfühlungsvermögen für mich?
[…]
Diese Unterscheidung treffe ich für mich nicht. In meinen Augen ist das eine das Fremdwort des anderen. In „Einfühlungsvermögen“ steckt „fühlen“ bereits drin. In „Empathie“ steckt „pathos“, also Leiden(-schaft). Empathie bedeutet also „mitleiden“, freier übersetzt „mitfühlen“, was für mich ziemlich genau das gleiche ist wie das andere.
Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du für die kognitive Erfassung von Gefühlen deiner Mitmenschen auch einen Begriff brauchst. Ich hätte da spontan keinen griffigen parat. Für mich läuft die Grenze in sehr ähnlicher Form zwischen „nachvollziehen“ und „verstehen“. Letzteres hat bei mir eine emotionale Komponente, während ersteres vor allem kognitiv läuft, allerdings eine andere Bewertung impliziert („Ich erkenne die Gedankengänge, die dich zu deinem Ergebnis geführt haben, allerdings komme ich mit diesen Ausgangsprämissen zu einem anderen Ergebnis.“)

Wir können ja mal die Fragen an die Leserschaft weiterreichen: Gibt es für euch Unterschiede zwischen Empathie und Einfühlungsvermögen?
Wie nennt ihr es, wenn Gefühle nicht „mitgefühlt“ sondern kognitiv, also rein gedanklich, miterlebt/bewertet werden?
Macht ihr Unterschiede zwischen „verstehen“ und „nachvollziehen“ und gibt es noch ein oder sogar mehrere Wörter dazwischen, um mögliche Lücken zu füllen?
Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Was Sinn macht, denn es gibt genügend Menschen auf der Erde die alles andere als einen GM besitzen und genügend Menschen, die deswegen leiden.
Woran machst du das fest? Ich hatte eher angenommen, dass es sich mit dem GM so verhält, wie mit Intelligenz schlechthin: Jeder glaubt, genug davon zu besitzen.
Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
in dem Gedicht jedoch fordert das LI durch Selbstbehauptung folgende
Haltung: "Ich erwarte, im Namen der GM, dass du dich nicht mehr Mensch nennst". Das LI könnte auch sagen: "Ich erwarte, im Namen der Menschlichkeit, dass du dich nicht mehr Mensch nennst".
Äh nein, in der Tat steht dort die zweite Variante. Hast du das verwechselt oder war der Punkt unklar?
Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Achtung Gedankensprung: Krass empfinde ich die Erwartung des LI's! Das LI gibt sich selbst eine sehr hohe Position und Wichtigkeit. "Ich erwarte, dass..." Das ist eine sehr klare und selbstbewusste Forderung. Vielleicht ist das LI tatsächlich nicht wütend und verzweifelt, vielleicht ist genau das Gegenteil der Fall. Das LI herrscht. Wer weiß. Da gäbe es viel zum Nachdenken. Was ich cool finde.
Den Sprung mache ich gerne mit. Er ist auch, wie ich finde, nicht sehr weit. Du hast sehr schön eine weitere Ebene der Paradoxie herausgearbeitet: Das LI erhebt sich über das LD, dem es genau diesen Umstand vorwirft.
Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
"Woran würdest du so eine Person erkennen wollen?"

Oft werden solche Menschen schlagartig die größten Fans oder die besten Freunde.
Oder sie durchschlagen mit einer Flut an Komplimenten die Tür in das Persönliche. So entsteht schnell Vertrauen, Nähe und ein Gefühl von Freundschaft. Ich habe für mich so meine kleinen Tests entwickelt, die solche Menschen für mich entlarven... (Und damit fahre ich super gut)
Das klingt sehr interessant. Vielleicht laufen wir uns irgendwann mal über den Weg und können das vertiefen. Es wirkt auf mich so, als ob das schlecht schriftlich weiter ausgeführt werden kann.
Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Und mir tut es leid, wenn du Gedankensprünge wahr nimmst. Für mich sind diese sehr klar, weil im Bezug auf das Gedicht ja eine Reaktionskette mit Ursachen zu grunde liegt.
Ich kenne das und ich denke, das geht so ziemlich allen so. Man ist im eigenen Denken Meister, aber niemand kann uns in den Kopf schauen, wie das Gesagte oder Geschriebene zusammenpasst.
Deswegen sind wir zwei beiden ja wohl Fans der Ausführlichkeit.
Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Aber wer weiß, vielleicht willst du auch etwas gegen den ursprünglichen Renaissance-Humanismus / Humanismus stacheln. (Ich mache nur Spaß, hat so schön gepasst...)
Na wofür habe ich wohl diesen Namen?

Freundliche Grüße von
Stachel
Stachel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.01.2020, 17:12   #12
weiblich Silver
 
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Standard Hallo Stachel, hallo EV

zitat EV:
"Das Einfühlungsvermögen nimmt für mich eine aktive Rolle ein, die immer eine Handlung und Reaktion als Konsequenz auf das Eingefühlte walten lässt.
Bei der Empathie fällt das weg. In meinen Augen sind beispielsweise Psychopathen, die andere Menschen schamlos ausbeuten, hochgradig empathisch, dafür besitzen diese keinerlei Einfühlungsvermögen..."

Ich kann mich schlecht in einen Psychopathen hineinversetzten, bin also diesbezüglich nicht empathisch. Doch selbst wer über Einfühlungsvermögen besitzt, kann hier über das Internet keine Rückschlüsse auf die Person und deren Vergangenheit oder seine momentanen Befindlichkeiten ziehen.
Das kann keiner.

Jeder Mensch hat seine Fähigkeiten, Befindlichkeiten und Bedürfnisse. Ich z.B. zweifle immer an mir, selbst dann wenn ich glaubte im Recht zu sein. Und jeder Mensch macht Fehler, die er als solche erkennt oder nicht, was sein Gegenüber wieder als fehlendes Einfühlungsvermögen versteht, da er sich angegriffen und respektlos behandelt fühlt. Diese Missverständliche sollte wir Menschen aus der Welt schaffen und uns bemühen, respektvoll aber ehrlich miteinander umzugehen. Welcher Verstand ist denn überhaupt gesund?
Ab wann gilt der Mensch als krank oder anders, eben nicht gesund?

LG Silver
Silver ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.01.2020, 16:47   #13
männlich Eisenvorhang
 
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Zitat:
Zitat von Stachel Beitrag anzeigen
A) Woran machst du das fest? Ich hatte eher angenommen, dass es sich mit dem GM so verhält, wie mit Intelligenz schlechthin: Jeder glaubt, genug davon zu besitzen.

B)Das klingt sehr interessant. Vielleicht laufen wir uns irgendwann mal über den Weg und können das vertiefen. Es wirkt auf mich so, als ob das schlecht schriftlich weiter ausgeführt werden kann.



Freundliche Grüße von
Stachel

A) Sehr viele Menschen können in meinen Augen keine emotionale Verantwortung übernehmen und natürlich sind die Menschen mit GM immer die Gesunden und schon immer war es so, dass die Empfindsamen die Zweifler und Ausgestoßenen waren. Das jetzt auseinanderzudröseln, würde meine Kapazitäten übersteigen, weil sich der GM ja durch alle Gesellschafts- und Kulturschichten (in unserer Kultur) zieht. Das klassische Beispiel: Das typische Arschloch belehrt sein Opfer noch über Benehmen. Obwohl in dem Fall des Opfers keine Schuld vorliegt.

B)

Was soll ich sagen? Gib den Affen Zucker. Wenn ich von jemanden plötzlich großer Fan werde, dann schmeichelt das natürlich meinem Ego. Mit der Schmeichellei folgen ab einem gewissen Punkt subtile Forderungen. Jene lassen sich konsequent unterbinden. Dann wird sich zeigen, was von der anfänglichen Euphorie übrig bleibt. Dann gibt es auch noch die, die Emotionen saugen, aber selbst nichts geben. Hier und da mal einen pikanten Happen und dann ist gut. Der Fisch muss ja immer wieder anbeißen...

Gegenseitigkeit ist für mich ein hohes Gut - viel muss ich also tatsächlich nicht mehr tun ... Manchmal regeln die Dinge sich selbst, wenn man aufhört immer zu geben und dann mal abwartet was passiert.

Wegen Intelligenz ... Uff, da kommst du aber mit einem komplexen Begriff.
Können wir es dabei belassen, wenn jeder von sich glaubt eine geltende Meinung zu besitzen?

vlg

EV
Eisenvorhang ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.01.2020, 17:23   #14
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Silver Beitrag anzeigen
Psychopathen, die andere Menschen schamlos ausbeuten, hochgradig empathisch, dafür besitzen diese keinerlei Einfühlungsvermögen..."
Ich hoffe, du bist dir dieser Aussage sicher, woher auch immer du sie haben magst.

Abgesehen davon, dass in unserem modernen Sprachgebrauch "Empathie" nichts anderes als "Einfühlungsvermögen" bedeutet, habe ich in den Berichten diverser Kriminalpsychologen gelesen, dass Psychopathen über keinerlei Empathie verfügen, aber oft intelligent genug sind, um die Ausdrucksformen von Empathie zu kopieren und zu simulieren.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
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