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Alt 16.09.2009, 16:09   #1
caligula244
 
Dabei seit: 09/2009
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Beiträge: 1

Standard Fenster

Fenster

Er stand am Fenster und schaute in die Nacht hinaus, doch da war nichts, wie in amerikanischen Filmen. Keine Großstadtlichter, keine alten Stadtbahnen, die sich mit nur noch wenigen Nachtschwärmern in ihrem Bauch wie Schlangen langsam und gemächlich durch die Straßen schoben. Auch keine vereinsamte Bar mit lauter gescheiterten, aber illustren Existenzen, die auf einen letzten Drink in der Bar saßen, die niemals geschlossen hatte. Was er sah war einzig und alleine das Dunkel der Felder und ganz weit entfernt, da wo die Straße verlaufen musste, ein paar träge Lichtpunkte der Laternen.
Er blickte zurück zu seinem Bett. Die schwere, große, alte Geldkassette, die ihm sein Großvater einmal geschenkt hatte, lag umgekippt auf der Matratze. Briefe, Prospekte, Karten und Fotos lagen davor. Seine ganze amouröse Vergangenheit sozusagen. Es sah aus, als wären die Andenken geradezu erbrochen worden; erbrochen aus der metallenen Kiste, die nicht mehr ertragen konnte, Zeuge seiner großen Lüge zu sein; der Lüge über sein Leben.
Erbrochen. Gekotzt. Das entsprach ziemlich genau dem Zustand, in dem er sich nun Befand, wie er fühlte, wie er dachte, wenn er sein eigenes Spiegelbild sah.
Sein Spiegelbild; wenn er es ansah, erblickte er nicht das, was andere sahen. Die meisten sahen in ihm einen jungen Mann, kräftig, aber ein sympathisches Gesicht, die Augen sanft und rehbraun. Schöne Lippen, die so wundervoll mit Worten jonglieren, charmante Komplimente formulieren konnten, um im nächsten Moment temperamentvoll, mitreißend und wütend zu schimpfen, zu diskutieren.
Er allerdings sah nur eines. Einen Menschen, der niemals das war, was er sein wollte und der niemals das war, was er vorgab.
Der Zustand widerte ihn an. Es widerte ihn an, dass er ständig log, dass er betrog, dass er anderen Menschen wehtat und es widerte ihn an, dass er sich selbst bemitleidete!
Als sein Blick über das Bett und die verstreuten Erinnerungen glitt, blieb er auf dem Bild von Sandra hängen. Sie blickte ihn lieblich lächelnd an, daneben er selbst mit schelmischen Grinsen. Sandra grinste nicht mehr. Sie hatte einen kleinen Einblick in seine Seele bekommen. Sie wusste von seinen Lügen, von dem Versuch sich bis zum letzten Moment zu verstecken und nur so viel zuzugeben, wie nötig war. Sie hatte gesehen, welche erbärmliche Existenz ihn eigentlich ausmachte.
Natürlich hatte sie geweint, bedauert und geklagt. Das war normal. Aber er hatte bei ihren letzten Begegnung auch etwas anderes gesehen: Mitleid. SIE hatte Mitleid mit IHM!
Dabei sollte es doch anders herum sein! ER sollte Mitleid mit ihr haben, hatte es oft gehabt, hatte sich nicht getraut von ihr zu trennen, in der Angst, dass sie das nicht verkraften könnte.
In diesem Moment war ihm klar geworden, dass er seine eigene Existenz maßlos überschätzt hatte. Dass er nur zu ihr hätte gehen und die Wahrheit sagen müssen: Dass er einfach keine Beziehung mehr mit ihr führen wollte. Natürlich wäre sie traurig und verletzt gewesen, aber damit wäre es dann auch schon erledigt gewesen. Kein Drama, kein Sprung von der Brücke, kein selbsterrichteter Galgen oder in Jahrzehnten eine vereinsamte, alte Frauenexistenz!
All das, was er ihr ersparen wollte, wäre gar nicht eingetreten und die einzige Begründung für sein Handeln war lediglich die vermessene Annahme gewesen, dass er für SIE unentbehrlich gewesen sei. Doch sie hatte ihm das Gegenteil bewiesen. Sie war recht ruhig geblieben, hatte nur ein paar Tränen vergossen, hatte ihm keine Vorwürfe gemacht. Lediglich die Wahrheit hatte sie wissen wollen und nachdem sie zu mindest einen Teil davon erfahren hatte, hatte sie die unmenschliche Kraft aufgebracht mit ihrem Blick Mitleid auszudrücken. Mitleid für den Mann, der sie betrogen hatte. Über Monate! Halleluja!

Zwanghaft versuchte er eine Begründung zu finden für die Entwicklungen der letzten Jahre, an denen er fast ausnahmslos selbst oder zu mindest mitschuldig gewesen war.
Sein regelrecht krankhaftes Umherstreunen in Chatrooms und Internetkontaktbörsen. Die Lust. Nicht die Lust an der Lust, sondern an der Jagd. Hatte er ein Mädchen soweit, dass sie bereit war, ihm ihr kostbarstes Gut zu schenken, nämlich sich selbst und seine Würde, war es vorbei. Sobald sie sich auszogen und bereit waren sich nehmen zu lassen, schutzlos zeigten, offenbarten was sie für persönliche, kleine und sie doch so besonders machende angebliche Makel versteckten, war es vorbei; eigentlich. Manchmal wurde das ganze hinausgezögert. Hatte sich eine Frau ihm lange verwehrt und ihn höchstens einen Kuss gewährt, war die diebische, fast schon bösartige Freude darüber, dass er sie nun doch haben konnte, dass er es allen gezeigt hatte, so groß, dass sie etwas länger anhielt. Doch irgendwann war es vorbei. Manchmal war auch das Aussehen entscheidend. War die junge Dame besonders attraktiv, begehrenswert für viele Männer, war er besonders stolz und fühlte sich geschmeichelt. Mehr als das. Er fühlte sich in seiner eigenen Minderwertigkeit aufgewertet. Erhoben. Zum Ritter geschlagen!
Nicht, dass andere Menschen ihn als minderwertig betitelten und einstuften. Es gab einiges an ihm zu bewundern, dass andere Menschen nicht hatten. Redegewandt, charmant, gebildet, ungeheures Allgemeinwissen, oftmals auch sehr witzig, wenn auch oft in einem ironisch-sarkatisch-zynischem Sinn, der manchen Leuten er unangenehm war.
Sicher, er hatte seine Fans und seine Feinde. Manchmal ging auch beides in der gleichen Person einher. Verantwortlich für seine Minderwertigkeit war er selbst.
Er hatte die Maßstäbe sich selbst gesetzt, sich selbst auferlegt ein Beispiel oder viel mehr Personifikation für Aufrichtigkeit, Moral und Erfolg zu sein. Diese Ziele hatte er vollkommen verfehlt. Er konnte noch so charmant, witzig und redegewandt sein. Auch Freundlichkeit machte es nicht wett, dass er kaum ein ehrliches Wort aussprechen konnte.
Blickte man hinter die Fassade war ein billiger, mieser Spieler, der zu oft Glück dabei hatte, alles auf eine Karte zu setzen. Hatte er eine feste Freundin, musste eine Affäre her. Hatte er diese, musste eine zweite dazu. Drei Frauen gleichzeitig befriedigen, glücklich machen und sich von ihnen bewundern lassen. Und dabei nicht erwischt werden! Oh ja, das war es, was ihn antrieb! Nicht erwischt werden und es allen zeigen! Allen, die besser aussahen, schlank waren, allen die mehr Geld hatten, ein besseres Abitur! Er wollte auf sie alle herabsehen und sagen: „Seht her! Ihr habt mich geschlagen, lächerlich gemacht, meine Sportsachen ins volle Waschbecken geworfen und Gerüchte verbreitet! Ihr habt gelacht, als ich mich für ein Mädchen interessiert habe, kein hochwertiges Fußballtrikot getragen habe und verzweifelt gewartet habe, eingewechselt zu werden! Ihr habt gemutmaßt und prophezeit, dass ich niemals ein Mädchen haben werde, mich niemals eine lieben würde und wenn doch, dann müsste sie blind oder unglaublich widerwärtig und hässlich sein! Und nun seht her, ihr Bastarde! Ich habe es mit ihr getrieben und mit ihr und mit ihr und ihr! Sie sind alle hübsch, sie sind schlank! Ich habe es mit 19 Frauen getrieben und bei der zwanzigsten gibt es ein großes Fest und ihr bekommt die Ehrenplätze!“
Ja, er konnte gut Dramen inszenieren. Vor allem das Drama um seine eigene Person. Sich in Rage reden, schreien, mitreißen, einschüchtern. Er war nicht mehr der kleine fette Junge, der nichts sagte, wenn man ihn hänselte, wenn man sagte, dass er stinkt wie ein Schwein.
Er hatte es ihnen allen gezeigt; aber um welchen Preis?
Er wusste ganz genau von drei Frauen, die tief enttäuscht, verletzt und gedemütigt waren. Den anderen hatte er es mit der süßen Verhüllung und Verschweigung von Tatsachen, von der Wahrheit erspart. Immerhin hatte er das geschafft.
Seine Absicht war es niemals, dass die drei Mädels zu Schaden kämen, geschweige denn gedemütigt. Absicht war ihm nicht zu unterstellen. Doch trotzdem war er nicht weniger schuldig. Billigend hatte er in Kauf genommen, trotz besseren Wissens etwas falsches zu tun!
Er hatte es vor sich selbst verantwortet, immer wieder fantasiert, dass er bald aufhören würde. Alles würde gut werden, die Kavallerie kommt und rettet die Siedler, die Schiffbrüchigen werden ins Rettungsboot gezogen und die Braut sagt am Ende „Nein“ und flüchtet sich in die Arme des richtigen Mannes. Ja, er hatte sich viel Scheiße eingeredet. Er hatte sein Gewissen beruhigt, betäubt und irgendwann mit einer Überdosis Sex, Anerkennung, Selbstüberschätzung und Freude darüber nicht erwischt worden zu sein, umgebracht. Sicher, es war nicht seine Absicht. Nie war etwas seine Absicht. Er war nur einfach, bei all seinem Talent für Worte und Charme, trotzdem zu dumm gewesen, zu begreifen, dass er nicht alleine war in dem Becken, in dem er schwamm. Hier waren auch andere Menschen. Seine Exfreundinnen, Affären, One-Night-Stands. Sie alle schwammen im gleichen Wasser und mussten ertragen, dass er auf ein anständiges Leben pisste.
Und das war SEIN großes Verbrechen. Er wollte niemandem wehtun, nahm es aber doch in Kauf und setzte voraus, dass er niemals auffliegen würde.
Doch. Er war erwischt worden. Er wusste es noch ganz genau.
Eine verheißungsvolle Einladung hatte ihn erreicht. Einen netten Abend machen, Filme gucken, essen und Sex haben. Das war nach all der Arbeit in der Universität doch mal wieder etwas schönes. Schnell noch die Pille eingeworfen, die er mittlerweile benötigte, um seine Libido anzuregen. Verdammtes Gewissen! Es war doch noch nicht vollkommen tot. Zuckte noch und hatte mit letzter Kraft nach seinem Schwanz gegriffen, drückte ihn zu und ließ das Blut nicht freiwillig, nicht natürlich fließen. Er konnte nicht mehr spontan lieben, sich für eine halbe Stunde vergessen und genießen. Er musste es planen. Dieses Opfer hatte sein Gewissen verlangt und auch bekommen. Irgendwann würde sich das aber wieder geben. Bestimmt. Unter Umständen schon bald. Rettung war bestimmt in Sicht. Irgendwann würde er ehrlich sein. Seine drei Beziehungen auf eine reduzieren und tatata! Es würde wieder alles in bester Ordnung sein. Die Kavallerie kommt zur Rettung der Siedler, die Schiffbrüchigen werden – lassen wir das.

Er war zu Svantje gefahren. Seit zwei Wochen waren sie ein Paar gewesen und hatten sich auch so benommen. Sie hatte ihn manches Mal unter Stress gesetzt. Seine Wirkung auf Frauen, wenn er sich nicht direkt persönlich vorstellen musste, war ihr nicht entgangen. Eifersucht war ein großes Problem für sie gewesen und sie hatte versucht sie ihm zu liebe zu unterdrücken.
Er hatte geklingelt, die Stufen im Laufschritt genommen.
„Hallo Süße, Du hast Dir die Haare gefärbt. Sieht super aus!“, er war eingetreten und sie hatte ihn flüchtig geküsst. Auf dem Küchentisch standen drei Dosen Energiedrink und Tabak. Sie hatte wohl noch Besuch gehabt. Er war dabei sich wieder zu ihr zu drehen, da fing er an zu stutzen. Energiedrink? Diese Marke? Das war ja kurioser Weiser auch die Marke von Anne.
Er hatte schmunzeln müssen und sein Schmunzeln verzerrte und erstarte als er Svantjes Stimme hörte, die ihn fragte, ob er ihre Gäste sehen wollte. Scheiße!
Anne und ihr neuer Freund Fynn. Er hasste Fynn, weil sie von ihm erzählt hatte. Ständig.
Sie traten aus der Tür und sie hatten ihn alle angegrinst. Wie viele Frauen er eigentlich noch brauche, um glücklich zu sein. Ob er dachte, dass alles so weiterginge. Er hätte diesen Fynn schlagen sollen! Ja verdammt, aber er war so erbärmlich und kleinlaut, dass er ängstlich zwischen den drei Augenpaaren umhergeblickt hatte und stammelte. Oh mein Gott, alter Junge, piss Dir aber nicht die Hosen voll! Dann war er wieder da gewesen. Er hatte sich gefangen. Arroganz und Wut ließ er in sich aufkommen und empört hatte er erklärt sich diese Farce nicht antun zu wollen und war gegangen. Doch er wusste, es war vorbei. Anne wusste von Sandra. Sie hatte es Svantje erzählt und sie würden es Sandra erzählen. Bestimmt!
Panik! Er war nach Hause geeilt, hatte sein Geld für ein Taxi ausgegeben, statt auf den Bus zu warten, der nur drei Minuten später gekommen wäre.
Kopflos hatte er seinen Account auf der Internetkontaktbörse gelöscht, es durfte keine Verbindung bestehen! Er würde alles abstreiten, klein reden, alles aufbieten an Charme und Redetalent! Irgendwie musste es doch gehen!

Es passierte nichts. Sandra war wie immer, sie machten Ausflüge. Langsam erholte er sich und begann wieder zu hoffen. Bald war das Studium zu Ende. Er würde nach Würzburg ziehen und dort ein neues Leben beginnen; mit Doreen. Sie war ein wundervolles Mädchen! Attraktiv, klug, schlagfertig und wunderbar normal was Männer und Beziehungen zu diesen anging. Er war verliebt! Er war wirklich verliebt in sie, hatte tolle Stunden mit ihr verbracht, als sie ihn in Köln besuchte. Hatte auch ohne Potenzpille eine Erektion bekommen und das Mädchen regelrecht verschlungen. Würzburg war in naher Zukunft, ein erster Sonnenstrahl am frühmorgendlichen Horizont. Die Entfernung und Entfremdung würde ihm helfen und für eine gnädige, recht Saubere Trennung von Sandra sorgen. Er musste nichts dafür tun, er würde dann frei sein und mit Doreen alles richtig machen. Er hatte so viele Hoffnungen!
Aber dann kam der Tag, an dem SIE es wusste, an dem Sandra es wusste. Svantje und Anne hatten ihn nicht mit einem blauen Auge davon kommen lassen. Sie kannten seine Angst vor Enttarnung, davor, dass er als das erscheinen werde, was er wirklich war: Ein armseliger Lügner und Betrüger.
Er hätte es kommen sehen müssen. Die beiden geschröpften Damen hatten ihm den ganzen Tag mit Nachrichten genervt. Sich gemeldet, mal Smalltalk gehalten und mal Vorwürfe gemacht. Dann konnte Svantje es nicht mehr zurückhalten und hatte ihm triumphierend gesagt, dass sie Sandra eine Nachricht geschrieben hatte.
Die Panik vom Abend in Svantjes Wohnung war wieder da! Telefon! Sandra! Was war los?!
Sie war sehr ruhig gewesen, hatte von Irritationen gesprochen. Sie hatte vorbeikommen wollen und er hatte ja gesagt.
Dann hatten sie in der Küche gestanden und diskutiert. Sie war sehr ruhig und besonnen, hatte wenig geweint. Dann der Blick! IHR Blick! Sie hatte Mitleid! Halleluja!
Das war der Moment, in dem sein Gewissen auferstanden war. Triumphal und mit Glockengeläut. Es hatte sich aufgerichtet und war an seinen zuständigen Platz zurückgekehrt, hatte ihn kampflos genommen und dafür gesorgt, dass er einsah wie widerwärtig und selbstsüchtig er war! Nicht IHM gebührte Mitleid und positive Gefühle, sondern IHR! Sandra!
Sein Gesicht war eingefallen. Er war zusammengesackt und seine Stimme hätte, wäre sie aufgenommen worden, kaum Dezibel auf einer Skala markiert.
Sie hatte ihn schließlich schweigend angesehen. Sie wollte gehen. Sie wollte aufgehalten werden. Er dachte an das Jahr 1945. An die totale Niederlage Hitlerdeutschlands. So musste es sich angefühlt habe. Auf dem Gipfel zu stehen und am Ende, die totale, nicht leugbare, nicht zu interpretierende Niederlage zu kassieren. Und das alles vollkommen zu recht!
Sie war weggegangen und er hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen. Er hatte in den alten Erinnerungen gewühlt, Fotos betrachtet und schmachtende Briefe gelesen.
Irgendwann hatte ihn Wut und Selbstmitleid gepackt und er hatte die Kiste umgeworfen und sie hatte sich über das Bett ergossen.
Er war zum Fenster gegangen und hatte lange hinaus gesehen. Bis jetzt. Sandras Blick auf dem Foto erinnerte ihn daran, dass die Welt nicht nur aus Dunkelheit und matten Laternen bestand. SEINE Welt bestand vor allem aus Selbsthast, Selbstmitleid, Selbstmord.
Ja, das war wenigstens ein Weg, um seine Schuld ehrlich einzugestehen und vielleicht etwas zurückzugeben. Er würde seiner Existenz ein Ende bereiten und mit diesem Opfer verhindern, dass vielleicht mehr Frauen noch unter ihm zu leiden hätten. Mein Gott, was für eine Scheiße!
Er wollte doch nur sterben, weil es einfach und bequem war. Er war kein Samariter und trotzdem versuchte er sich jetzt noch, in der Stunde Null etwas vorzumachen.
Er hatte Doreen. Er hatte ein tolles Mädchen und eine angenommene Bewerbung für die Universität Würzburg. Ein Ticket in ein neues Leben! Er konnte alles besser machen, treu sein, lieb sein, EHRLICH sein! Er konnte – nein er konnte nicht!
Er hatte seine neue Beziehung, seine neue Liebe mit der Hypothek beladen, ihr niemals alles über sich erzählen zu können! Er hatte sie belogen, bevor sie überhaupt zusammen waren. Es war kein Neuanfang. Er konnte das Lügen in Grenzen halten und von nun an treu sein, doch neu anfangen konnte er nicht mit ihr.
Lange stand er noch am Fenster und blickte hinaus. Es wurde hell. Nichts an ihm und seiner Selbstdarstellung war ehrlich und wahr gewesen. Es war alles gelogen. Die Kirchturmglocken fingen an zu schellen. Ihr Klang drang zu ihm hinüber und riss ihn aus seiner Abwesenheit.
Ihr Klang war das einzig ehrliche und wahrhaftige, dass er noch in dieser Welt ausmachen konnte. Noch lange hörte er sie, als er bereits auf dem Bett lag und spürte wie das Blut aus seinen Pulsadern floss. Er hatte sie mit dem Brieföffner aufgeschnitten, den Leonie ihm einmal geschenkt hatte. Leonie. Er lächelte. Er hatte sie nicht betrogen. Sie hatte ihn betrogen und darum durfte er besten Wissens und Gewissens auch ihren Brieföffner benutzen. Sicher würden sie beide sich in der Hölle wiedersehen.
Oder auch nicht.


ENDE

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