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Alt 22.09.2007, 00:03   #1
Lyrika
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 247

Standard Stadtteilfest

Stadtteilfest. Heute ist Stadtteilfest. Die Hölle gepresst in von Plattenbauten begrenztes Grau wird 30 Jahre alt.
Wem das nicht all die lustig-bunten Plakate, die wie von einem Grafiker auf LSD entwickelt aussehen, nicht schon bereits schmorend eingebrannt haben, kann das auch nun auch auf zahlreichen Ballons bestaunen, die mit Unsinn aufgeblasen wurden. Saugt man diesen auf, bekommt man einen ganz lustig leeren Kopf.
Ich wollte nur einen Einkauf tätigen. Ging ins Einkaufscentrum, presste die Tür auf und entgegen kam mir ein Schwall Menschen. Wie eine Lawine auf einer Müllhalde kam sie auf mich zugerollt.
Musik trommelt auf mein Gehirn ein. Live-Band, bestehend aus einem dicken Mann mit Zopf der ein Schlagzeug misshandelt und Trompetenspielern die bei "Herr der Ringe" sicherlich nicht die Rolle der Guten bekommen hätten.
Leute überrennen mich. Amok-Mütter mit Kinderwägen rollen mir über die Füße. Gesocks.
Leute in Anzügen rennen umher. Ihre Wichtigkeit dringt aus ihren Poren und steigt mir in die Nase und ich bin drauf und dran diese in die Kuchen zu kotzen, die auf langen Tischen aufgestellt sind. Lange Reihen von Kuchen und lange Tischreihen, an denen ausschließlich ältere Leute sitzen. Weil sie sonst nichts zu tun haben gehen sie ins Einkaufscentrum und setzen sich dort hin und essen Kuchen. Warum auch ins Café gehen? Der Lärm und der Gestank und die Kopfschmerzen die umherfliegen sind doch viel angenehmer. Und ob man nun bei Café-Winter oder im Vorhof zur Unterwelt auf den Tod wartet ist ohnehin egal.
Kinder mit Luftballons in der Hand kreischen. In einem der Läden ist ein Malwettbewerb. Kinder können eine Torte anmalen. Das schönste Bild gewinnt einen Preis. Das hässlichste nie, denke ich, das hässlichste nie.
Ich bin auch zu alt um mitzumachen.
Eine Bühne mit einem Auto ist aufgestellt, um das eine große rosande Schleife Scheinwelt gewickelt wurde.
Paris Hilton ist auch da. Oder so ähnlich. Mit Mikrophon auf einer Bühne, wo sich ein riesiges Glücksrad befindet. Viele Leute drehen daran und müssen ihren Namen sagen. "Trostpreis", heißt es, "Trostpreis".
Im Laden in dem ich einkaufen gehe sind Pornohefte bunt verteilt, wo sie nicht hingehören. Zwischen Gemüse, Schulutensilien, Kerzen. Ich suche nach Schreibheften und Titten sehen mich an. Ab dieser Sekunde bin ich mir sicher: Dieses ist ein schöner Stadtteil.
Ich will den Laden verlassen aber schwitzende Körper rennen immer wieder in mich rein. Menschen. Überall stinkende, schwitzende Menschen. Ich drehe am Rad. Todschweiß, Todschweiß.
Ich habe Wut beim Scheißausschreiben gewonnen. Ich will sie verschenken. Menschen gröhlen. Ich komme nicht weiter. Verstopfung.
Ich wünsche mir einen Flammenwerfer der den Weg frei macht und frage mich wie es wohl ist, wenn ein roter Teppich aus Blut und Leichen ausgelegt werden würde. Es wäre stiller und würde nicht bis zum Himmel stinken. Stadtteilfest.
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