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Alt 06.05.2008, 22:35   #1
Dude463
 
Dabei seit: 05/2008
Beiträge: 3


Standard Als nur noch die Angst blieb ...

Mit Tränen in den Augen schritt Michael langsam die kleine Anhöhe zu der Siedlung seiner Eltern empor. Das entgegenkommende Ehepaar sah voll Sorge auf das schmerzverzerrte Gesicht des Jungen, das die Blicke von seinem seltsam angewinkelten linken Arm ablenkte. Als ihre Blicke sich trafen überkam ihn ein Gefühl des Unbehagens. Er wollte nicht noch mehr weise Ratschläge, nicht noch mehr Mitleidsbekundungen. Sein Schritt beschleunigte sich stetig um der aufkommenden Hilflosigkeit entgegenzuwirken. Er war froh, endlich die Tür zur elterlichen Wohnung erreicht zu haben, doch als die Mutter sie öffnete beachtete sie Ihren Sohn trotz seiner offensichtlichen Schmerzen kaum. Er wäre doch nur unglücklich gefallen, die Schmerzen gingen gleich vorbei, meinte Sie abwesend, nachdem der Junge die Geschehnisse des Nachmittags geschildert hatte und zog sich daraufhin wieder ins Wohnzimmer zurück. Michael blieb allein zurück und ihn überkam ein Gefühl der Schuld, selbst für den Unfall verantwortlich zu sein.

Die Schmerzen ließen nicht nach. Eine halbe Stunde verstrich, bis Michael erneut zu seiner Mutter ging. Mit einer nicht zu leugnenden Hilflosigkeit in Ihren Augen entschloss sie sich schließlich dazu seinen Vater anzurufen. Von da an ging alles sehr schnell. Der Junge wurde in ein Taxi gesetzt und fuhr mit seiner Mutter direkt ins Spital, wo sich auch gleich ein Doktor ihm annahm. Dessen anfängliche Vermutung, dass es sich nur eine leichte Verletzung handeln würde, zerschlug sich sofort, als er sich die Auswertungen aus dem Röntgenraum ansah. Augenscheinlich hatte Michael sich einen Splitterbruch im oberen Ellenbogenbereich zugezogen. Die Operation wurde gleich für den nächsten Morgen angesetzt. Der Vater war mittlerweile angekommen und so saßen beide Elternteile fast wortlos und mit niedergeschlagenem Gesichtsausdruck bis abends an seinem Krankenbett.

Als Michael am nächsten Tag erwachte fühlte er sich erschöpft und ausgezehrt. Er hatte seit vielen Stunden nichts essbares zu sich nehmen dürfen. Einen letzten Blick auf das sorgenvoll schattierte Gesicht seiner Mutter – die so früh wie möglich gekommen war – nehmend, fühlte er wie die Krankenschwester sein Bett anschob und in Richtung Tür fuhr. Vor den sterilen blassgrün und weiß gestrichenen Wänden des Ganges schauderte ihm, im spiegelblank polierten Aufzug betrachtete er zunächst sein Gesicht, das schneeweiße Gewand, dass man Ihm für seinen Aufenthalt im Spital gegeben hatte und dann den mittlerweile verbundenen linken Arm. Er hatte eine schmerzfreie Nacht gehabt, doch beim Gedanken an das was Ihm nun bevorstand verkrampfte sein gesamter Körper. Es war nicht seine erste Operation, aber vielleicht war es gerade die Erinnerung, die ihm so großes Unbehagen bereitete. Als sie schließlich im richtigen Stockwerk angekommen waren, sah er schon von weitem einen ganzen Tross von Ärzten und Schwestern auf ihn warten. Mit verlorenem Blick drehte er seinen Kopf noch einmal in Richtung der Krankenschwester, welche die ganze Zeit sein Bett vor sich hergeschoben hatte, doch auch ihr zuversichtliches Nicken vermochte ihn nicht zu trösten. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis sie das richtige Zimmer erreicht hatten. Michael konnte sich nicht bewegen. Ein Kreis von weißen Kitteln versperrte ihm die Sicht und gab Ihm das Gefühl ein Gefangener zu sein. Über sich sah er eine grell leuchtende, gigantische Deckenleckenleuchte, die von einem schmutziggrün gefliesten Plafond getragen wurde. Tiefe Männerstimmen sprachen bedrohlich wirkendes Kauderwelsch, eine der Schwestern setzte an seinem rechten Oberarm eine Spritze an, die anderen waren ständig in Bewegung und hetzten von einer Ecke des Raumes in eine andere. Panik machte sich langsam in Ihm breit. Er fühlte sich fast erlöst, als es ihm schwarz vor Augen wurde.

Als Michael wieder erwachte, drehte er seinen Blick auf den verletzten Arm. Er erschrak heftig, als er erkannte, dass er nicht wie erwartet auf die Liege gebettet war, sondern eingegipst und an einer Metallschiene über dem Bett festgemacht war. Er konnte sich kaum bewegen und starrte verwirrt auf den Metallstift der am Ellenbogen aus dem Gips ragte. Er registrierte kaum, dass seine Mutter mit erleichtertem Gesicht liebevoll die Hand auf seine Stirn legte und ihn nach seinem Befinden fragte. Bis zu vier Wochen müssten die Ärzte ihn hier behalten, meinte der zuständige Arzt mit teilnahmsloser Stimme nach der fast zweistündigen OP zu den beiden.

Der Junge fühlte sich noch immer benommen, das Mittagessen – Kalbfleisch mit Grünem Salat – hatte ihm nicht besonders gut bekommen und er hatte noch nicht das volle Ausmaß seiner Verletzung verstanden, obwohl mehrere Ärzte und auch seine Eltern versuchten es ihm zu erklären. Es war ihm auch egal, die Dauer der Behandlung allein belastete ihn schwer. Er wollte hier weg.
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