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Alt 02.01.2006, 22:49   #1
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224


Standard Epiphanie

Ich bitte wirklich ganz doll um Kommentare. Ich habe das jetzt nicht korrigiert geschweigedenn öfter als ein Mal zur Probe gelesen. ich schreibe normalerweise keine Geschichten und wüsste gerne, ob ich es in Zukunft vielleicht auch lieber lassen sollte.

--


Epiphanie
based on spontaneous conceptions

Der kalte Wind spülte die fahlblonden Strähnen aus ihrem Gesicht, als sie ihre dürren Arme um die Knie schlang. Zitternd hielt sie die beiden Enden der alten Decke fest, sodass sie sie eng an ihrem Körper anliegend wärmte. Vielleicht, - wollte sie sagen – war das alles nicht nötig. Ich drehe mich von ihr weg und weiß nicht wer ich bin und weiß nun auch nicht, wie sie mich ansieht. Ja, denke ich – ich nicke. Es ist kalt und auch mir weht der Wind den Ausdruck vom Gesicht, alles an mir fühlt sich nahezu gefroren an.
„Warum muss das hier draußen sein?“
Sage ich und starre von der Klippe hinab auf die lange, schwingende und nie enden wollende See hinaus.
„Es ist schön hier.“
Sagt sie und denkt viel mehr. Ich weiß, dass sie denkt, und sie sagt:
„Ich meine, ich meine… Das da – der Ausblick – ist wie Leben. Man kann nicht glauben, dass er irgendwo endet und dann kommt doch wieder Land, wenn man lange genug fährt. Man sieht es nicht. Das ist das schöne am Meer: Es hat keine fassbares Ende. Aber weißt du – weißt du… Auf dem Land, das da hinten ist, da geht es weiter.“
Hier aber nicht, denke ich. Ich meine, das Leben, das geht nicht weiter. Das ist eben zu Ende, wenn es zu Ende ist. So ist das. Mit dem Leben.
„Aber wissen kannst du es auch nicht. Vielleicht gibt es ja kein Ende und wir stehen irgendwann wieder hier.“
„Du sitzt.“ Sage ich.
„Das ist egal.“ Sagt sie. „Du weißt, was ich meine.“
Weiß ich, und schweige. Ich muss a schweigen.
Sie zieht ihre Beine ein Stück näher an ihren schwachen Körper und aus den eingefallenen Augenhöhlen starrt sie in die endliche Unendlichkeit. Oder in die unendliche Endlichkeit, ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, wo ich hinstarren will, denn ich sehe sie wieder an, in ihrer rot-grauen Decke, die so alt und löchrig ist wie ihre Gedanken und Erinnerungen. Es tut mir weh, wenn ich sie so zerfallen sehe. Das ist als sähe man einem alten Haus, das man Jahre lang bewohnt und geliebt hat, in dem man aufgewachsen ist, beim einfallen zu. Ich mag den Anblick nicht, aber wegsehen kann ich nicht. Es geht hier ja schließlich auch um mich.
„Glaubst du an Gott?“
So langsam fühle ich mich wirklich schizophren.
„Ich weiß es nicht.“
Sie schließt jetzt die Augen. „Dann solltest du darüber nachdenken, bevor du stirbst.“ Und schweigt.
„Ja. Vielleicht hast du recht.“
Das Gespräch ist viel zu konstruiert für mich. Wir sind jetzt zu verschieden und vielleicht auch zu gleich. Was bleibt mir noch, jetzt, an dem Punkt, wo mein sinkendes Schiff schon beinahe den Hafen erreicht hat.
Und „Du meinst… bevor du stirbst?“ Sage ich.
Ihre schlaffen Augenlieder schieben sich wieder nach oben und geben die Sicht auf oder für die abwesenden Augen frei, in denen die grüne, blasse Iris, mit dem Krater einer tiefschwarzen Pupille, einen einzigen Hoffnungsschimmer in den quallenfarbenen Augapfel setzt. „Macht das denn einen Unterschied?“
Ich hasse es, mit mir zu reden. Auch wenn ich hier das Hirngespinst bin.
„Was ist nun mit Gott?“
Sie ist hartnäckig. Sie war das schon immer. Ich bin es ja auch. Ich weiß aber keine Antwort. Ich glaube an so was wie rationales Denken, Gehirnströme und an Dildos. Ich glaube an Porno und Heavy Metal. Ich glaube an physikalische Gesetze und Techno. Ich glaube an Computer und ich glaube an Bücher und ja, verdammt, ich glaube auch an Elvis. Aber an GOTT? Der eine Punkt an dem wir alle verzweifelt zusammenkommen? Die kohärente Entstehungsgeschichte unseres ganzen Menschseins, unserer Gesetze und – ja – das Produkt unserer zusammengefassten und sinnsuchenden Vorstellungskraft? Ich glaube an Gina Wild und an den Papst und ich glaube auch an Analvibratoren, vielleicht glaube ich auch an murfen – Gnade Gott! Äh… oh. - aber an GOTT? An JESUS?
„Ich weiß es nicht.“ Sage ich, und meine das auch so.
„Doch, ich denke schon.“
„Was?“
„Dass du an Gott glaubst. Das ist nicht so einfach. Ich weiß jetzt, dass du es tust. Du weißt es auch irgendwann. Dein Gott ist aber nur die höhere Instanz, die das alles ausgelöst hat. Dein Gott hört keine Gebete. Dein Gott mischt sich nicht ein und…“
„…und mein Gott kümmert sich einen Scheißdreck um mich.“ Ich unterbreche sie wütend.
Sie schweigt kurze Zeit, dann bewegt sie ihren kranken, alten Körper auf eine ächzende Art und Weise und sagt: „Ja. So drücken wir es aus.“
„Geht es darum? Um Gott?“
„Nein.“
„Um was dann?“
„Sag du es mir.“
„Ich?“
„Nicht ich habe dich gerufen. Du bist die Realität. Du suchst dich und du wolltest mit dir reden. Du wolltest wissen, wie es weitergeht. Du wolltest wissen, wie du leben wirst. Du wolltest so entscheiden, ob du noch leben willst. Ich sterbe, ich muss mir kein krankes, jüngeres Ich ausdenken um mich an meine Vergangenheit zu erinnern…“
„Ist sie gut?“ Kann ich nur fragen. Ich will das wissen. Sie wirkt so verzweifelt. Sie will es wissen. Nicht ich. Ich wollte meine Zukunft nie kennen.
„Die Vergangenheit? Ich könnte darum weinen…“
Ich sehe sie abwartend an. Zu viel Information. Bin ich nun real oder das Hirngespinst? Bin ich nun lebendig oder eine Einbildung? Ihre Stimme beginnt wieder, zitternd, nach eine kurzen Pause.
„Es ist nicht gut, darum zu weinen. Am Abend meines Lebens blicke ich lieber lächelnd zurück und genieße, dass mir all das Gute passieren durfte.“
Unser Gespräch folgt keinen logischen Regeln mehr.
„Wie kann ich mir dich vorstellen? Das ist Irrsinn. Ich bin nicht real.“ Sage – weiß ich.
„Wenn du nicht real wärst, wäre ich kein Produkt deiner Phantasie, aber ich bin es.“ Hoffnungslos starrt sie den schleichenden Horizont an.
„Willst du dich erinnern? Es ist so eine schlechte Zeit…“
„Man sollte sich wundern, auf was für Ideen du kommst, wie traurig du sein musst, dir deine Zukunft so vorzustellen…“ Die Sonne ist beinahe verschwunden.
„Bist du denn zufrieden? Ich bin es nicht.“
„Du wirst es.“ Sie lächelt.
„Es fällt mir schwer, das zu glauben.“ Ich bin das Produkt ihrer zusammengefassten und sinnsuchenden Vorstellungskraft. Ich bin es, wonach sie sich sehnt, wenn alles zu einem Ende kommt. Ich bin es, an dem sie verzweifelt Halt sucht. Ich bin ihre Erinnerung, ihre Vergangenheit, das, was ihr kleines, mentales Herz mit höchster Freude zu erfüllen sucht.
„Ich hoffe…“ sagt sie.
Und ich vervollständige, als ihr Stimme schwindet: „Ich hoffe du kannst wirklich lächeln.“
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.01.2006, 01:55   #2
Lelania
 
Dabei seit: 01/2006
Beiträge: 3


Hi!
Wollte mal meinen Senf dazugeben
Mir gefällt es wirklich sehr und du solltest auf keinen Fall aufhören zu schreiben!
Ich weiß nicht ganz genau wie ich es beschreiben soll, aber eigentlich wollte ich sagen "es berührt einen innerlich". Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob es der richtige Ausdruck ist, aber zumindest ansatzweise. Was ich gelungen finde ist auch der Kontrast zwischen der Unterhaltung von Leben und Tod und der Abschweifung zu den Pornos und zu Elvis.
Wirklich gelungen!
Lelania ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.01.2006, 15:31   #3
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224


Dankeschön.

Jetzt, wo ich sie nochmal lese, gefällt sie mir garnichtmehr so.
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.01.2006, 16:11   #4
Askeron
 
Dabei seit: 12/2005
Beiträge: 59


Zuerst wusste ich nicht so ganz wo ich die Geschichte einordnen soll. Sie hat einige gute Momente. Sowohl lustige als auch andere, die zum Nachdenken anregen. Gefallen hat sie mir auf jeden Fall, nur kann ich nicht so recht beschreiben warum. Auch wenn dir dein Werk im Nachhinein nicht mehr zu gefallen scheint kann ich Lelania nur beipflichten. Der Stil hat was und es wäre Verschwendung damit aufzuhören.
Askeron ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.01.2006, 01:01   #5
Silent Winter
 
Dabei seit: 04/2005
Beiträge: 224


Auch dir ein Danke. Meist erhellen mich keine Ideen zum schreiben, so fällt das Schreiben schwer.
Silent Winter ist offline   Mit Zitat antworten
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